Behörden Spiegel Mai 2022

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Verteidigung

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Physische Leistungsbereitschaft im gesamten Einsatzspektrum Unabdingbare Voraussetzung der Handlungsfähigkeit in den Streitkräften

Behörden Spiegel / Mai 2022

MELDUNGEN

Historischer Gipfel in Negev (BS/df) Ein historischer Gipfel

brachte, ist das Zusammenkom-

Israels und der USA auch die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrains, Marokkos und Ägyptens hinzu. Zum ersten Mal diskutierten mehrere Länder des Nahen Ostens in Israel. Es ist einer der Höhepunkte israelischer Außenpolitik, nun die Anerkennung ihrer muslimischen Nachbarn durch gemeinsame Treffen und gemeinsame Vorgehensweisen zu untermauern. Bahrain und Marokko unterzeichneten schließlich erst 2021 ein Friedensabkommen mit Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate haben ein solches seit 2020. “Der Nahe Osten verändert sich, und zwar zum Besseren. Wir pflegen alte Bindungen und bauen neue Brücken. Wir verjüngen den alten Frieden und laden ihn mit der neuen Energie des Abraham-Abkommens auf”, sagte der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett nach dem Treffen. “Heute ist ein historischer Tag. Wir sind Gastgeber des Negev-Gipfels hier in Israel, bei dem die Außenminister Ägyptens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Marokkos und Bahrains zusammen mit Israel und den Vereinigten Staaten in Sde Boker, im Süden Israels, zu diesem bedeutsamen Anlass zusammenkommen.” Auch wenn der Gipfel bis auf eine Verurteilung des iranischen Atomprogramms und des russischen Angriffs auf die Ukraine wenig konkrete Ergebnisse

das zudem die palästinensischen Terroristen weiter isoliert. Diese können sich schließlich kaum länger auf muslimische Verbindungen oder Bedürfnisse berufen. Zudem übernimmt Israel immer mehr Verpflichtungen zum Schutz von Freiheit und Demokratie weltweit, beispielsweise in der Ukraine. So verkündete Bennett: “Was den Krieg in der Ukraine betrifft, so steht Israel fest an der Seite des ukrainischen Volkes und wird seine Bemühungen fortsetzen, das Leid zu lindern und das Blutvergießen zu beenden. Wir haben bereits unsere besten medizinischen Teams entsandt, um das modernste Feldlazarett in der Ukraine, auf der westlichen Seite des Landes, einzurichten. Man hat mir berichtet, dass sie bereits über 500 Patienten versorgt und behandelt haben. In diesem Moment, in diesem Augenblick, riskieren Ärzte und Krankenschwestern ihr Leben, um das Leben der Bedürftigen zu retten. Ich bin stolz auf das, was Israel leistet.” Was Israel allerdings noch fehlt, ist eine neutrale Behandlung durch die Vereinten Nationen. Wie das Auswärtige Amt in seinem letzten Überblick mitteilte, müsse Israel weiterhin eine “unverhältnismäßig hohe Zahl von Israel-kritischen Resolutionen” durch die Vereinten Nationen erdulden. Vielleicht bringt der Negev-Gipfel auch hier eine Verbesserung.

(BS/Oberleutnant Isabelle Butzkamm, Hauptmann Darren Johnson, Oliver Rodens*) Eine ausgeprägte körperliche Leistungsfähigkeit ist eine der fand Ende März in Israel statt: men der arabischen mit den isGrundlagen wirkungsvollen Handelns von Einsatzkräften weltweit. Dabei müssen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihre Leistungs- der Negev-Summit. Zu diesem raelischen Staatsvertretern ein fähigkeit auf das gesamte Intensitätsspektrum der Einsätze und Missionen ausrichten. Gipfel kamen neben Vertretern wichtiges Signal in die Welt, Die große Bandbreite an Fähigkeitsforderungen stellt einen hohen Anspruch an die Leistungsbereitschaft der Soldatinnen und Soldaten, dem mit einem auf diese Belange abzielenden Training Rechnung getragen werden muss. Für die militärischen Vorgesetzten auf allen Führungsebenen bedeutet dies die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausbildung und Vorbereitung des Personals auf die im Einsatz erforderlichen Fertigkeiten, deren Bedeutung letztlich das Überleben sichern kann. Hierzu zählt insbesondere auch die körperliche Leistungsfähigkeit.

Im Wandel der Zeit Die Bundeswehr trifft im Zeichen gesellschaftlichen Wandels das Los vieler Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Zahlreiche Studienarbeiten belegen eine nachlassende körperliche Fitness vieler Heranwachsender in Verbindung mit einem ungünstigen und bewegungsarmen Lebensstil, der sich in einer reduzierten allgemeinen Belastbarkeit junger Menschen niederschlägt. Für die Bundeswehr bedeutet dies ein zunehmendes Spannungsfeld, denn

hier skizzierten Voraussetzungen umfassend zu nutzen, um den Sport als ein ebenbürtiges Ausbildungsgebiet zu begreifen, das gleichwertig neben der Beherrschung des Waffensystems steht und das durch die entsprechende Aufmerksamkeit und Dienstaufsicht von Vorgesetzten auf allen Führungsebenen begleitet und mit Leben gefüllt werden muss.

Vom Einsatz her denken Die an der Funktion des Einsatzgängers orientierte, körperliche Fitness unterscheidet sich erheblich in Abhängigkeit der individuellen Auftragslage, des Verantwortungsbereiches sowie letztlich der vorliegenden Einsatzbedingungen. Sich rasch ändernde Lagen, hochdynamische Intensitäten und ungewohnte Umweltbedingungen wie der Einfluss von Höhe und Temperatur erfordern zusätzlich eine gesteigerte mentale Anpassungsfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten. Die Kombination der Einflussfaktoren aus südlichen Klimazonen und der wärmespeichernden Wirkung entsprechender Schutzausrüstung in Verbindung mit hoher

Training im Einsatz verlangt bisweilen Flexibilität, mindestens aber die Bereitschaft zur Anstrengung. Foto: BS/Bundeswehr, Johann Flaum

die körperlichen Anforderungen an den Soldatenberuf steigen seit Jahrzehnten und auch das Ausrüstungsgewicht von Soldaten erfährt eine stetige Zunahme. Die aufgabenspezifischen Tätigkeiten in komplexen Arbeitsumgebungen fordern den Angehörigen der Streitkräfte eine hohe physische wie mentale Resilienz ab, die insbesondere bei Berufsanfängerinnen und -anfängern zumeist noch nicht ausreichend gegeben ist. Eine erste Reaktion auf diese Herausforderungen bildete die Neustrukturierung der Grundausbildung im Deutschen Heer, welches das Augenmerk der ersten Wochen schwerpunktmäßig auf die Ausbildung eben jener körperlichen Leistungsfähigkeit legt.

Die Grundlagen bestehen Der Bundeswehr ist der Stellenwert einer guten körperlichen Leistungsfähigkeit wohlbekannt. Sie ist Grundvoraussetzung jeglicher Einsatzfähigkeit und ist zugleich Vorgabe in nahezu allen Einsatzkontingenten. Neben einer grundlegenden Basisfitness verlangt das auf den Einsatz ausgerichtete Strukturmodell zur Ausbildung der körperlichen Leistungsfähigkeit eine allgemein auf die soldatischen Fertigkeiten sowie darüber hinaus auf die einsatzspezifischen Erfordernisse ausgerichtete Fitness. Die vorliegende Weisungslage bildet mit den bestehenden organisatorischen und materiellen Voraussetzungen und Zielsetzungen des körperlichen Trainings diesen abgestuften Bedarf vollumfänglich ab. Gleichwohl wird vielerorts mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit beklagt. Zur querschnittlichen Verbesserung der Fitness gilt es, die

körperlicher Belastung können innerhalb kürzester Zeit zur Gesundheitsgefährdung führen. Gleichermaßen verstärken tiefe Umgebungstemperaturen, eine mangelhafte Bekleidungsisolation und ein unzureichender Anpassungsprozess eine geringere soldatische Handlungsfähigkeit. Das Auftreten hieraus begründeter, frühzeitiger Leistungseinschränkungen steht in engem Zusammenhang mit den Einflussfaktoren körperlicher Leistungsfähigkeit. Übergewicht kann die Entscheidung über das eigene Leben oder den Tod von Kameradinnen oder Kameraden bedeuten. Die Fähigkeit zur Akklimatisation und zur Bewältigung der spezifischen Erfordernisse wird wesentlich durch eine schon zu Einsatzbeginn vorliegende, ausgeprägte individuelle körperliche Fitness begünstigt.

Ein funktionsorientiertes Training der körperlichen Leistungsfähigkeit wird auch im Einsatz von den Soldatinnen und Soldaten durchgeführt. Regelmäßig misst sich das Kontingent im Rahmen internationaler Wettkämpfe. Foto: BS/Bundeswehr, Pascal Warner

Training im Einsatz Das Training während des Auslandseinsatzes bietet für die Soldatinnen und Soldaten eine weitere Möglichkeit für den Erhalt einer umfänglichen Einsatzfähigkeit. Die fortwährend auch im Einsatz bestehende Auflage zum Erhalt oder zur Steigerung der Leistungsfähigkeit kann in einigen Einsatzgebieten in Form von regelmäßigen Trainingsmaßnahmen durch eigens hierzu abgestellte Trainerinnen und Trainer unterstützt werden. Diese sind in der überindividuellen Organisation von zielgerichteten Trainingsangeboten und motivationsfördernden Leistungswettkämpfen tätig. Der Schwerpunkt der Trainingsmaßnahmen im Einsatz liegt auf einem funktionalen und ganzheitlichen Fitnesstraining, welches die Teilnehmenden zum eigenständigen Trainieren anleitet. Eine wichtige Zielsetzung besteht hierbei in dem Schaffen von Handlungsanreizen, um eine fortwährende Integration von körperlicher Betätigung in den Lebensstil und eine nachhaltige Steigerung der individuellen Einsatzfähigkeit zu erreichen. Über eine Etablierung von zielgruppengerechten, attraktiven und verbindlichen Maßnahmen zum Training der körperlichen Leistungsfähigkeit muss die Teilnahme am Training als soldatische Norm verankert werden. Im Auslandseinsatz stellt das sportliche Training jedoch noch weit mehr als die bloße physische Betätigung dar. Unter dem Einfluss von psychischer Dauerbelastung, der Abwesenheit des sozialen Umfelds oder ungewohnter klimatischer Auswirkungen dient der Sport als Vehikel zum Abbau von Stressfaktoren und stärkt zugleich das Gemeinschaftsgefühl und die mentale Gesundheit der Einsatzgänger.

Dem Stellenwert von Fitness Nachdruck verleihen Maßgeblich für die körperliche Leistungsfähigkeit eines jeden Angehörigen der Streitkräfte

ist und bleibt die individuelle Bereitschaft, sich der Notwendigkeit der eigenen Einsatzfähigkeit bewusst zu werden und diese beständig weiterzuentwickeln. Die körperliche Leistungsfähigkeit darf durchaus das Mindestmaß der für die Tätigkeit ausgesprochenen physischen Anforderungen überschreiten. Mit Blick auf die Entwicklungen der Sicherheitslage in Europa stellt die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit des auf der taktischen Ebene tätigen Soldaten eine essenzielle Voraussetzung für die Auftragserfüllung dar. Die Erfahrungen physisch oder psychisch verwundeter, verletzter oder erkrankter Angehöriger der Streitkräfte lassen hierbei auf die Schutzfunktion einer ausgeprägten Resilienz schließen. Das Ziel der Ausbildung der körperlichen Leistungsfähigkeit muss in der auftragsbezogenen Fähigkeit zur wirkungsvollen Handlungsfähigkeit – gerade unter Belastung – liegen. Die fortlaufende Glaubwürdigkeit von Angehörigen der Streitkräfte hängt unablässig mit der physischen Leistungsfähigkeit zusammen. Es bedarf an dieser Stelle, unabhängig von Stellung und Lebensalter, einer Identifikation mit den Anforderungen des Berufs als Soldat und Soldatin. Beispielgebend durch Vorgesetzte, kann eine wahrnehmbare Verbesserung der querschnittlichen körperlichen Leistungsfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten nur gelingen, wenn dem sportlichen und militärischen Fitnesstraining – vor allem in der Einsatzvorbereitung – die gleiche Bedeutung wie der Beherrschung von Waffensystemen und Einsatzverfahren beigemessen wird. *Oberleutnant Isabelle Butzkamm, Hauptmann Darren Johnson und Dipl.-Sportlehrer Oliver Rodens sind von der Sportschule der Bundeswehr.

Auch unter vermeintlich widrigen Rahmenbedingungen stärkt das Training der körperlichen Leistungsfähigkeit das Gemeinschaftsgefühl des Kontingents. Foto: BS/Bundeswehr, Sina Rössig

Drei deutsche Divisionen und acht Brigaden

(BS/df) Während seiner Rede beim Parlamentarischen Abend des Förderkreises Deutsches Heer hob der Inspekteur Heer, Generalleutnant Alfons Mais, die Bedeutung beweglicher Landstreitkräfte – besonders deutscher Landstreitkräfte – für die Sicherheit von NATO und EU hervor. “Unsere deutschen Brigaden und Divisionen können im Bündnisrahmen den Unterschied machen”, betonte Generalleutnant Mais. “Sie verschaffen innerhalb des europäischen Pfeilers der NATO jene Zeit, die benötigt wird, um Verstärkungskräfte über den Atlantik zu bringen. Ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass die USA seit Januar ihre Präsenz in Europa von 33.000 Soldaten auf 100.000 Soldaten erhöht haben. Innerhalb von drei Monaten, aber ohne dass parallel ein Angriff auf NATO-Gebiet läuft oder der Atlantik umkämpft wäre. Versuchen Sie sich vorzustellen, wieviel Zeit dafür notwendig wäre, wenn die Routen über den Atlantik bedroht wären.”

Die Größenordnungen und Fähigkeiten des AfghanistanEinsatzes seien für die Landesund Bündnisverteidigung obsolet. Es müsse in ganz anderen Dimensionen gedacht werden, den Größenordnungen des Kalten Krieges. “Die Dimensionen im Kalten Krieg waren bereits für den Kräfteansatz an der innerdeutschen Grenze gigantisch. Alleine das westdeutsche Heer bestand zum damaligen Zeitpunkt aus zwölf Divisionen mit 36 aktiven Brigaden plus sechs Heimatschutzbrigaden. Und das Territorialheer kam in Ergänzung noch hinzu. Heute stellen wir etwa 25 Prozent davon”, beschrieb der Inspekteur und betonte: “Drei deutsche Divisionen und acht Brigaden, allerdings kaltstartfähig und einsatzbereit für das hochintensive Gefecht gegen einen teilweise überlegenen Gegner, müssen dem wiedervereinigten Deutschland mit mehr als 80 Millionen Einwohnern in den kommenden Jahren gelingen!”

Entlastung für das BAAINBw

(BS/rup) Generalinspekteur General Eberhard Zorn plädierte beim Parlamentarischen Abend der DWT für mehr Schnelligkeit und Off-the-Shelf-Beschaffungen. Es müssten Ausnahmetatbestände von der EU-Vergabeordnung besser genutzt werden. Ermöglicht werden solle zudem eine unterschwellige Vergabe. Hiermit ist gemeint, dass die Zahlen für die verschiedenen Prozedere zur Beschaffung zu einem bestimmten Zeitpunkt willkürlich gesetzt wurden und nun der Realität und Beschaffungspraxis angepasst werden müssten. Der Aufwand, der beispielsweise für die Parlamentsbefassung bei Ausgaben über 25 Millionen Euro durch das BAAINBw betrieben werden muss, bindet unvergleichlich mehr Kapazitäten als alle Be-

schaffungen unterhalb dieser Grenze. Das Vergaberecht kennt mehrere Betragsgrenzen, ab denen die Beschaffung deutlich komplexer wird. So könne es nicht sein, dass ein Kommandeur vor Ort für Beschaffungen ab 5.000 Euro beim BAAINBw nachfragen müsse, sagte der Generalinspekteur. Für das Koblenzer Amt bringe die neue Vorgehensweise enorme Entlastung. Bis zu 30 Prozent der Vorgänge im BAAINBw ließen sich hierdurch reduzieren. Eine radikale Neustrukturierung des Beschaffungsamtes lehnt der Generalinspekteur ab. Nicht nur, dass das Personal mitgenommen werde müsse, auch seien schon viele in früheren Zeiten daran gescheitert, mit einer Radikalreform das Beschaffungswesen der Bundeswehr ändern zu wollen.


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