Behörden Spiegel November 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. XI / 38. Jg / 46. Woche

Berlin und Bonn / November 2022

www.behoerdenspiegel.de

Aus technischem Fortschritt auch sozialen Fortschritt machen

Wo Kriminalität ist, muss Polizei sein

Europas Sicherheit und Deutschlands Beitrag

Staatssekretärin Lilian Tschan zu den Leitlinien für einen verantwortungsvollen KI-Einsatz ...... Seite 27

Berlins Innensenatorin Iris Spranger über ihre Agenda ...................................... Seite 38

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu Deutschlands Rolle in Europa ............... Seite 43

Nach unten durchgereicht

Keine Vorbehalte mehr (BS/mfe) Die Bundesregierung wird die vor vier Jahren von der Bundesrepublik eingelegten Vorbehalte gegen bestimmte Artikel der sogenannten IstanbulKonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt nicht aufrechterhalten. Dadurch wird die Konvention ab Februar kommenden Jahres auch hierzulande uneingeschränkt gelten. 2018 hatte Deutschland bei der Ratifizierung der Istanbul-Konvention die Möglichkeit genutzt, Vorbehalte gegen einzelne Bestimmungen des Übereinkommens einzulegen. Dadurch war die Bundesrepublik formal bislang nicht zur vollständigen Umsetzung zweier Artikel verpflichtet. Dabei geht es u. a. um den Artikel 44. Dieser enthält Vorgaben zur Geltung des nationalen Strafrechts bei im Ausland durch Ausländer begangene Straftaten, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben.

Ransomware-Attacke gegen Landkreis (BS/bhi) Seit dem 24. Oktober 2022 sind alle 600 Computer der Kreisverwaltung des Rheinland-Pfalz-Kreises in Ludwigshafen lahmgelegt. Anscheinend ist die Verwaltung Opfer einer Ransomware-Attacke geworden. Kommunikation mit der Kreisverwaltung ist nur noch per Brief möglich. Telefone und E-Mail-System funktionieren nicht mehr, da die ComputerSysteme und Daten der Behörde von Kriminellen verschlüsselt worden sind. Laut Landrat Clemens Körner (CDU) hat sich die Hacker-Gruppe beim Landkreis gemeldet und ein Lösegeld gefordert. In einem offenen Brief hat Landrat Körner die Bürgerinnen und Bürger gewarnt, dass die Hacker sensible Daten im Darknet veröffentlichen könnten. Bei vergleichbaren Fällen seien kompromittierende Daten über Einwohnerinnen und Einwohner sowie über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veröffentlicht worden. Adressfeld

G 1805

Vorbereitungen auf einen Gas-Blackout (BS/Bennet Biskup-Klawon) Das Thema Blackout im Zuge einer Gasmangellage dominiert wie kein anderes Thema die Verwaltungen in Deutschland. Während sich einige Verwaltungen betont gelassen geben, kritisieren Expertinnen und Experten die mangelnde Vorbereitung. Dabei gab es in der Vergangenheit ausreichend Möglichkeiten und Zeit, sich auf dieses Thema genaustens vorzubereiten. “Wieder einmal ein “Horrorszenario”, das sehr unwahrscheinlich aber dennoch denkbar ist”, so beginnt der Auswertungsbericht zur LÜKEX 18 “Gasmangellage in Süddeutschland”. Man kann sagen, was man will, aber die Risikoanalysen und Übungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) haben einen leicht prophetischen Zug. Denn wie schon nach der LÜKEX 2007, bei der eine weltweite GrippePandemie ähnlichen Ausmaßes wie die Corona-Pandemie beübt worden war, stellt sich die Frage, was aus den damaligen Erkenntnissen geworden ist. In dem Auswertungsbericht heißt es zu den Erkenntnissen im Bereich Staat und Verwaltung u. a.: “Grundsätzlich besteht eine erhebliche Erkenntnislücke hinsichtlich der Auswirkungen einer Gasmangellage. Es gibt keine detaillierte Risikoanalyse, welche die Folgen und Auswirkungen einer Gasmangellage aufzeigt. Diese Lücke sollte geschlossen werden.” Die Handlungsfähigkeit von Verwaltung, Polizei und Feuerwehr könnte in einer solchen Lage nur durch eine Priorisierung der Aufgaben aufrechterhalten werden. Auf die Anfrage an das BBK, ob die Erkenntnisse umgesetzt wurden, heißt es vom Amt: “Das Monitoring der Erkenntnisse aus den Übungen erfolgt grundsätzlich in Eigenverantwor-

Was passiert, wenn das Gas nicht mehr ausreichend fließt? Die Vorbereitungen sind sehr unterschiedlich. Foto: BS/Maksym Yemelyanov, stock.adobe.com

tung der Übungsteilnehmenden.” Als intensiv übendes Lande hatte sich Baden-Württemberg beteiligt. Aus dem Innenministerium in Stuttgart verweist man auf die herausgegebenen Handreichungen für die Gemeindeverwaltungen zur Vorbereitung sowie auf Krisenhandbücher. Zudem habe man in Baden-Württemberg Grundlagen für Notfalltreffpunkte geschaffen, mit denen Bürgerinnen und Bürger im Falle eines Blackouts eine Anlaufstelle hät-

ten. “Die konkrete Ausgestaltung der Notfalltreffpunkte liegt im Ermessen der Kommunen und wird je nach örtlicher Gegebenheit unterschiedlich sein”, heißt es aus dem Ministerium. Ob die Kommunen jedoch alle vorbereitet sind, lässt sich schwer nachvollziehen. Es läge z. B. keine vollständige Übersicht vor, welche Kommunen in Baden-Württemberg einen Notfalltreffpunkt hätten, so der Gemeindetag Baden-Württem-

berg. Die Kommunen würden aber “mögliche Szenarien des Bevölkerungsschutzes und deren Eintrittswahrscheinlichkeit fortlaufend neu” bewerten. Man berate sich mit allen Akteuren. Doch ob sich alle Kommunen tatsächlich gut vorbereiten, daran zweifelt Dr. Hans-Walter Borries, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI) e.V. und Lehrbeauftragter für Energiesicherheit

und Blackout-Resilienz an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Das BBK habe das Thema eines Blackouts und einer Gasmangellage sehr ernst genommen, doch von Politik und Verwaltung sei dieses Thema stiefmütterlich behandelt worden. “Ich halte die Vorbereitungen nicht für ausreichend”, so Borries. Seit über zehn Jahren wiesen Expertinnen und Experten auf eine mögliche Blackout-Lage hin, aber eine Umsetzung der Erkenntnisse nicht stattgefunden. Er sieht sich durch eine Umfrage der Sendung “Report Mainz” bestätigt, bei der über die Hälfte der antwortenden Kommunen angaben, keinen Notfallplan für einen Blackout zu haben. Eine Beschäftigung mit dem Thema habe erst seit einigen Wochen stattgefunden. “Wenn ein kalter und langer Winter kommt, wird ein Blackout durch eine Gasmangellage wahrscheinlicher”, so der BSKI-Vertreter. Eine Gas-Blackout-Lage hätte gravierende Auswirkungen auf die komplette Kritische Infrastruktur (KRITIS). Zwar würde dieser Blackout nicht plötzlich, sondern schleichend kommen, doch auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, sei fatal, so Borries. Im Worst Case habe man noch drei bis vier Monate, um sich auf ein solches Szenario grundlegend vorzubereiten. Bis dahin müsse viel geübt und abgestimmt werden.

Kommentar

Grenzen erkennen und einhalten (BS) Derzeit wird noch über die Frage gerungen, ob die Aktivisten der “Letzten Generation” eine Mitschuld am Tod einer Fahrradfahrerin in Berlin tragen, weil sie sich auf einer Autobahn mit Kleber fixierten und damit für das verzögerte Eintreffen des Spezialfahrzeugs zur Rettung einer lebensgefährlich Verletzten sorgten. Das wird letztendlich juristisch zu klären sein, egal ob das Fahrzeug zum Einsatz gekommen wäre oder nicht. Doch es ist gemeingefährlich, wenn “übergeordnete Ziele” – hier das Klima zu retten – absolut über andere Grundwerte gestellt werden, nämlich die von Unversehrtheit, Schutz des Lebens Einzelner, auch der Zivilisation und Kultur insgesamt. Damit wäre nicht nur legitimiert, was bereits geschehen ist - die Verzögerung einer lebensnotwendigen Rettung oder die Beschädigung von Gemälden in Museen -, sondern auch jede weitere Eskalation des Protestes. Zu einem Dialog sind Gruppen wie die “Letzte Generation” oder “Extinction Rebellion” längst nicht mehr fähig, sie setzen auf Aktionen, die ein Fanal setzen sollen. Sie entziehen sich jedem Diskurs. Ihre Ideologie: Wenn wir alle untergehen im

kapitalistischen System, ist jede (!) Form von Widerstand moralisch legitimiert, fast egal was an persönlichen und materiellen Schäden durchs Fanal folgt. Das erinnert an die Anfänge der Roten Armee Fraktion (RAF). Andreas Baader und Ulrike Meinhof setzten am 2. April 1968 mit einem Feuer in einem Frankfurter Kaufhaus ein Fanal, weil sie nicht mehr argumentieren, sondern durch ein Fanal aufrütteln wollten. Die weitere Radikalisierung ist bekannt. Der Rechtsterrorismus ist schon längst unterwegs, damit beschäftigen sich viele Abteilungen bei Nachrichtendiensten und der Polizei. Doch die Beobachtung der Radikalisierung der KlimaSzene wird wegen des allgemein

goutierten Anliegens Klimaschutz bisher nicht nur vernachlässigt, nein, sie wird häufig aus falscher Rücksichtnahme gegenüber dem Thema unterlassen. In einigen Verfassungsschutzämtern ist das längst Gegenstand der Beobachtung, doch die Politik verweigerte sich bisher, die Radikalisierung als sehr gefährlich anzuerkennen: erst Klimaradikalismus, dann womöglich Öko-Terrorismus. Das passt nicht ins aktuelle Bild. Geht die Radikalisierung weiter, werden wir doch bald über Öko-Extremismus reden müssen. Da hilft Verständnis für die Anliegen, das Verharmlosen der Taten, wenig. Die Behörden sind gewarnt. Uwe Proll

Deutsche Zauberkraft


Inhalt

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Behörden Spiegel / November 2022

Blackout

Die Stromversorgung ist mehr als 14 Tage unterbrochen, das öffentliche Leben droht stillzustehen. Was dann? Wie reagieren Sicherheitsbehörden wie Feuerwehr und Polizei, Kommunen, Krankenhäuser oder die Betreiber von Rechenzentren? Es wird nicht sofort alles dunkel. Ein Lichtblick bleibt. Doch auch die Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, sich auf den Notfall Stromausfall vorzubereiten. Foto: BS/Саша S, stock.adobe.com

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Was geht, wenn nichts mehr geht?

Nicht überall eigene Treibstofflager

Notstromversorgung und ausreichende Bevorratung ...................... Seite 15

Polizeien teilweise unzureichend auf Blackout vorbereitet................... Seite 39

Sekt oder Selters

Keine großflächigen Stromausfälle erwartet

Kommunaler Umgang mit Energie ....................................................Seite 22

BBK-Präsident Tiesler über Resilienz und Blackout .............................. Seite 42

Rechenzentren im Blackout Keine Sicherheitsmaßnahme, die das verhindern könnte ............... Seite 35

Innen Spiegel

Auf alle Fälle vorbereitet Was passiert mit dem Behörden Spiegel beim Blackout? (BS/rup) Die Versorgungslage in vielen Betrieben ist durch gestörte Lieferketten und gestiegene Produktkosten aufgrund der Preisexplosion für Energie schwierig geworden. Dies gilt insbesondere für das von uns zum Druck des Behörden Spiegel verwendete, zu 100 Prozent recycelte Zeitungspapier, das durch den Recyclingprozess energieintensiv ist. Folge: allein in diesem Jahr ist der Papierpreis um 120 Prozent gestiegen. Wir haben uns dennoch im internationalen Spotmarkt Papiervolumen gesichert. Wir rechnen mit weiteren

Preissteigerungen. Auch unsere Druckfarben könnten knapp werden. Für den Offset-Rotationsdruck einer Zeitung werden die sogenannten CMYK-Farben verwendet. Die Abkürzung steht

für Cyan, Magenta, Yellow und Key (Schwarz). Durch Mischung erreichen wir die gewünschten Farben und Farbtöne. Hergestellt werden diese Farben u. a. aus Pigmenten, Polymeren, Harzen,

Fangfrisch Fakten, Hintergründe und Analysen

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Lösungsmitteln und weiteren Additiven. Die beiden ersteren kommen zu großen Teilen aus der Volksrepublik China. Die Logistikprobleme im Container-Hafen von Shanghai sind bekannt. Das sind die Probleme, mit denen wir es seit Beginn der Pandemie zu tun haben, nun kommen neue hinzu. Dem Schreckgespenst Blackout hat die Redaktion in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt gewidmet. Wenn der Strom weg ist, was passiert dann in den Kommunen, bei Feuerwehr und Polizei, bei Handel und Finanzen? Doch auch wir als Behörden Spiegel müssen damit rechnen, durch einen regionalen und temporären Stromausfall die PrintAusgabe nicht, oder zumindest nicht rechtzeitig drucken zu können. Auch die Distributionswege, die die Verbreitung bundesweit

sicherstellen, könnten gestört werden. Natürlich ist es unser Anspruch, auch in solch einer Situation unsere Leserinnen und Leser mit allen wichtigen Informationen rund um Staat und Verwaltung zu informieren. Das stellen wir auf unserer Homepage unter www.behoerdenspiegel.de sicher. Dort findet sich, auch wenn der Behörden Spiegel nicht oder nur mit Zeitverzögerung gedruckt werden kann, eine EPaper-Ausgabe, also ein PDF, das alle Seiten enthält. Entweder direkt auf der Startseite oder zusätzlich unter dem Menüpunkt “Die Zeitung”.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/ BMAS Foto 2: BS/SPD-Berlin, Jonas Holthaus Foto 3: BS/Bundeswehr, Tom Twardy

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Jonas Brandstetter, Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Benjamin Hilbricht (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Biskup-Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (Online-Redaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Tim Rotthaus (OnlineRedaktion), Sven Rudolf (Online-Redaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Marlies Vossebrecker, Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 34/2022, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung (CDO) Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz. B.igadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Monschau Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag/Redaktion/Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 97-0 Telefax: 0228/970 97 75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / November 2022

Mental näher an die Gesellschaft Flexibel durch Dezentralität und Zusammenarbeit

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KNAPP

Einstellungsoffensive gefordert (BS/jb) Der BBW-Beamtenbund

(BS) Mit der Bürgergeldreform geht für die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Ära von Hartz IV zu Ende. Daniel Terzenbach, Mitglied des Vorstands und seit 18 Jahren bei der BA, erhofft Tarifunion fordert die Landesresich damit eine Entstigmatisierung der Mitarbeitenden der Jobcenter. Mit Dr. Eva-Charlotte Proll spricht er im Interview über Dezentralität als Erfolgsmodell, Flexibilität mit 100.000 gierung auf, in allen Schularten Beschäftigten trotz Dauerkrisen sowie ein unbürokratisches Krisenkurzarbeitergeld. vermehrt Lehrkräfte einzustellen Behörden Spiegel: Herr Terzenbach, nach über 17 Jahren wird aus Hartz IV das Bürgergeld. Welche Veränderungen gehen damit für die Beschäftigten der BA einher? Terzenbach: Das Bürgergeld hat viele Elemente, die die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Jobcentern verändern wird. Unsere Arbeit wird entbürokratisiert – das hat viel Positives. Wir haben seit Jahren bei Rückforderungsfragen bei Aufhebungsund Erstattungsverfahren dafür geworben, Bagatellgrenzen einzuziehen. Auch das Thema Bildung und Weiterbildung nimmt eine neue Dimension ein, indem man die Lebensrealität von Menschen stärker anerkennt und ihnen ermöglicht, Zuschüsse bei Fortbildungen bis zu 150 Euro zu bekommen. Das erleichtert vielen Menschen die Entscheidung für eine Weiterbildung. Zudem ist es ein großer Fortschritt, den Menschen durch den mittelfristigen Beibehalt von Wohnraum mehr Sicherheit zu geben, wenn sie in die Grundsicherung kommen. Dies gilt umso mehr in den großen Städten. Behörden Spiegel: Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit wird die Vermittlung in eine berufliche Tätigkeit immer schwerer. Und trotzdem sind Sanktionen in den ersten sechs Monaten der Vertrauensarbeitszeit nur möglich, wenn jemand Termine mit dem Jobcenter chronisch ignoriert. Führt das zu einer Verlagerung Ihrer Tätigkeiten? Terzenbach: Es ärgert mich, wenn das Bürgergeld, das wirklich ein großer nächster Schritt der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ist, in der gesellschaftlichen Diskussion auf das Thema Sanktionen und Stigmata reduziert wird. Wir begrüßen alles, was die Kolleginnen und Kollegen in den Jobcentern in der Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern, die unsere Unterstützung brauchen, näherbringt. Die Grundsicherung wird fälschlicherweise oftmals mit Drangsalierung, Risiken und Abstieg verbunden, obwohl wir bereits seit Jahren mit unseren Unterstützungsleistungen für die Menschen da sind, die in einer Notlage sind. Diese gute Zusammenarbeit wird uns von den meisten Kundinnen und Kunden auch gespiegelt. Und diesem positiven Bild wollen wir mit dem Bürgergeld noch stärker Rechnung tragen. Die ersten sechs Monate sogenannter Vertrauenszeit sind ein richtiger Schritt. Bürgerinnen und Bürger können stärker eigeninitiativ tätig werden und trotzdem auf die Unterstützung der Jobcenter setzen. Aber natürlich gilt auch: Es gibt nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Behörden Spiegel: Ein weiterer politischer Beschluss ist, Sanktionen auszusetzen. Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie da für Ihre Behörde? Terzenbach: 97 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die in

ja gar nicht verleihen. Daneben kräfteverknappung gibt. Die Desind die Tätigkeiten bei der BA mografie führt jetzt schon dazu, so vielfältig, das ist vielen gar dass wir jedes Jahr mehr Mennicht bekannt. Zu uns gehört schen am Arbeitsmarkt verlieren das Institut für Arbeitsmarkt und als neu dazukommen. Das ist Berufsforschung (IAB), wir ha- in der jüngsten Vergangenheit ben eine eigene Hochschule mit nur zweimal kurzzeitig gestoppt Professorinnen und Professoren, worden, durch die großen Migra­ Wissenschaftlerinnen und Wis- tionswellen aus 2015/2016 und senschaftlern, wir haben Vermitt- jetzt durch die Ukraine. Wenn das lungs- wie Leistungskolleginnen nicht stattgefunden hätte, wären wir jetzt schon und -kollegen, viel weniger wir haben die “Wir sind eine Menschen interne Verwalam Arbeitstung, Karriere‘purpose driven Management markt. Und organization’, eine etc. Und da habe es werden in Organisation mit ich noch lange Zukunft weinicht alle Bereiter erheblich einem hohen sinnstifche aufgezählt. weniger Mentenden Auftrag.” Das müssen schen dem Arbeitsmarkt wir nach außen mehr zeigen, insbesondere via zur Verfügung stehen als benöSocial Media, wo junge Menschen tigt werden. Daher ist Massenheute ihre Jobs finden. arbeitslosigkeit rein rechnerisch fast gar nicht möglich. Bezogen Behörden Spiegel: Inwiefern auf die jetzige Situation können spielen die Digitalisierung und wir trotz Lieferengpässen und die Modernisierung für die BA Preisentwicklung sagen, dass der eine Rolle? Arbeitsmarkt robust ist und wir eine Vielzahl von offenen StelTerzenbach: Eine ganz zentrale. len haben. Unternehmen halten Es geht darum, für Bürgerinnen nicht nur an ihren Mitarbeiten“Unsere Arbeit wird entbürokratisiert – und Bürger, aber auch für unsere den fest, sondern die Auftragsdas hat viel Positives”, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lagen geben es nach wie vor her, Prozesse einfacher zu machen. weiter einzustellen. Das IAB geht Dazu zählt neben 24/7-Erreich- in verschiedenen Szenarien dasagt Daniel Terzenbach, Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit. barkeit durch digitale Angebote von aus, dass die Beschäftigung Foto: BS/Bundesagentur für Arbeit auch die Frage, ob wir mit digi- wächst, auch wenn die Arbeitstalen Prozessen und Produkten losigkeit im Jahresdurchschnitt der Grundsicherung sind, kom- seiner Durchlässigkeit ermög- Menschen eine noch bessere leicht zulegen könnte. Wir bemen mit Sanktionen nicht in licht, dass man sich bei der BA Beurteilung zu ihren Chancen reiten uns natürlich auch auf Berührung. Wir reden hier über vom Azubi bis hin zur obersten und Risiken, aber auch Fähig- andere Szenarien vor. einen kleinen Bereich. Sofern Führungskraft im außertarifli- keiten und Handlungsfeldern die Vertrauensarbeitszeit nicht chen Bereich entwickeln kann. am Ausbildungs- und ArbeitsBehörden Spiegel: Dass die den notwendigen Erfolg gebracht Wir pflegen eine vertrauensvolle, markt ermöglichen können. Auf Unternehmen versuchen, ihre Arhat, schließt dann künftig ei- lösungsorientierte und einfach der anderen Seite hilft die Auto- beitskräfte zu halten, liegt auch an ne Kooperationszeit an. Diese eine gute Zusammenarbeit mit matisierung, um effizienter zu dem Instrument des Kurzarbeiterspiegelt dann das das Bundes- der Personalvertretung – auch werden. Prozesse sollten Ende geldes. Ist das für die Energiekrise verfassungsgerichturteil aus wenn wir natürlich häufiger un- zu Ende umgesetzt sein und Feh- wieder eine geeignete Maßnah2019 wider, das aufzeigt, dass terschiedliche Perspektiven ha- lertoleranzen reduzieren. Damit me, um vor Arbeitslosigkeit zu die Leistung aufgrund einer Ver- ben. Das Gleiche gilt auch für die meine ich, händische Fehler ab- schützen? weigerungshaltung in der Zusam- Zusammenarbeit mit unserem zustellen, die in der Verwaltung Terzenbach: In der jetzigen Lage menarbeit bis zu einem gewissen Aufsichtsorgan, der Sozialpart- nie gänzlich vermieden werden Grad gemindert wird. Es ist daher nern und verschiedenen öffentli- können. In nächsten Schritten geht es ja eigentlich darum, die Produktion zu wettbewerbsfähiauch kein fundamentaler Wechgen Preisen aufrechtzuerhalten sel der Arbeits- und Sozialpoli“Prozesse sollten Ende zu Ende umgesetzt sein und nicht durch den Entzug von tik. Eigenverantwortung wird am und Fehlertoleranzen reduzieren. Damit meine Arbeitskräften runterzufahren. Anfang noch größer geschrieben. Wenn es trotzdem zu Kurzarbeit Und wenn das nicht funktioniert, ich, händische Fehler abzustellen, die in der Verkommen würde, wünschten wir kommt es in einem nächsten waltung nie gänzlich vermieden werden können.” uns ein Kriseninstrument, das Schritt zu einer verpflichtenden unbürokratischer ist und weZusammenarbeit, in der Leistung niger Nachbearbeitung durch und Gegenleistung wieder eine größere Rolle spielen. chen Institutionen. Über alle drei werden sich unsere Prozesse und die BA bedarf – wie das aktuelle Ebenen gibt es eine kooperative Produkte durch selbstständiges Kurzarbeitergeld, wo wir noch Behörden Spiegel: Die BA Zusammenarbeit und Begleitung. Lernen sukzessive autonomer bis 2024 Abschlussprüfungen hat 100.000 Beschäftigte. Wie Allein das hält uns flexibel. optimieren können. Das ist auf- vor uns haben. Wenn die Krise behalten Sie sich eine gewisse grund von gesetzlichen Hürden vorbei ist, sollten nicht noch viele Flexibilität bei? Behörden Spiegel: Sie haben beispielsweise auch nicht immer Jahre später die Konsequenzen bei der BA einen Personalmangel trivial. Wir wünschen uns daher abgearbeitet werden müssen. Terzenbach: Während der zahl- und eben auch von der Stigmati- bessere Rahmenbedingungen, die Behörden Spiegel: Sie haben reichen Krisen der vergangenen sierung des Jobberaters gespro- es ermöglichen, dass Kundinnen Jahre – Finanz- und Wirtschafts- chen. Wie gewinnen Sie Nach- und Kunden und Mitarbeiterin- auch eben das Stichwort Daukrise, Flüchtlingsbewegungen, wuchs und welche Rolle spielt nen und Mitarbeiter – da, wo es erkrise genannt. Wie gelingt ein sinnvoll ist – voll digitalisiert und unbürokratisches KrisenkurzarEuro-Krise – und der sich der- da die Stigmatisierung? voll automatisiert zusammenar- beitergeld? zeit strukturell überlagernden Terzenbach: Wir müssen mit beiten können. Dauerkrisen stellen wir jeden Tag unter Beweis, wie flexibel allen Bereichen, die wir verantTerzenbach: Der Gesetzgeber Behörden Spiegel: Ökonomen müsste zunächst definieren, welwir sind. Dafür gibt es mehrere worten, also auch der FamilienErfolgsfaktoren. Erstens haben kasse, dem Jobcenter und den warnen vor einer Rezession. Der ches Ausmaß eine Krise haben Führungskräfte und Kolleginnen Agenturen vor Ort, mehr in die IWF hat seine Wachstumsprog- müsste, um ein solches Instruund Kollegen vor Ort einen gro- Arbeitgebermarke Bundesagen- nose für Deutschland nach unten ment einsetzen zu wollen. Es ßen Gestaltungsspielraum und tur für Arbeit investieren. Wir korrigiert. Bereiten Sie sich auf müsste dann über eine vereindamit eine hohe Entscheidungs- sind eine “purpose driven or- eine neue Welle von Arbeitslo- fachte Beantragung und über pauschalierte Beträge ausgezahlt kompetenz. Das wird in einer im- ganization”, eine Organisation sen vor? mer weniger planbaren Zukunft mit einem hohen sinnstiftenden werden – ohne das dreistufige Terzenbach: Seit Jahren hat Verfahren aus Anzeige, Antrag auch immer wichtiger. Wir haben Auftrag. Gerade die umfangreizudem einen Tarifvertrag, der chen Hilfen für Familien und für sich der Arbeitsmarkt von der und Abschlussprüfung. Damit schon immer für die öffentliche Menschen in Notsituationen sind Konjunktur immer stärker ent- würde der Aufwand für uns und Verwaltung exotisch war, weil ein Kern unserer Arbeit – mehr koppelt. Das liegt u. a. daran, die Unternehmen im Nachgang er u. a. schon lange aufgrund Sinn kann man seiner Tätigkeit dass es eine intensive Arbeits- deutlich reduziert.

und für den Lehrberuf zu werben. Die Gewerkschaft stützt diese Forderungen auf eine kürzlich vom statistischen Landesamt veröffentlichte Prognose zu Schülerzahlen bis 2035. Laut dieser ist eine tendenzielle Zunahme der Anzahl an Schülerinnen und Schülern zu erwarten. “Wir müssen jetzt vorausschauend die Stellen schaffen, die wir in den nächsten Jahren angesichts steigender Schülerzahlen brauchen”, begründet BBW-Vorsitzender Kai Rosenberger die Forderungen. Zusätzlich bedürfe es besserer Arbeitsbedingungen, um Personen für den Beruf zu gewinnen. Dazu zählten bessere Aufstiegschancen, ein bewussterer Umgang mit der Pandemie und effiziente Digitalisierung.

Wiederaufbau im Ahrtal: Personal fehlt (BS/bk) Auch über ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal fehlt Fachpersonal für den Wiederaufbau der zerstörten Infra­ struktur. Nach Angaben des DBBLandesbundes Rheinland-Pfalz werden Planer, Ingenieure und Verwaltungsfachleute auf allen kommunalen Verwaltungsebenen im Landkreis Ahrweiler gesucht. Der DBB RLP macht sich deshalb angesichts der Arbeitsmarktsituation für “pragmatische Anreizlösungen im finanziellen öffentlichen Dienst- und Tarifrecht” stark. Ziel müsse es sein, dass Neuzugänge sowie vorhandenes Personal die Anerkennung bekämen, die für den Dienst in dieser Ausnahmesituation erforderlich sei. “Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Tarif- und Besoldungssituation verbessert. Der Personalstand in den von der Flut und ihren Folgen betroffenen Kommunen muss zügig verbessert werden. Innerlich für einen anspruchsvollen Job bereite, engagierte Mitarbeiter bekommt und bindet man aber nur unter den richtigen Bedingungen”, erklärte dazu DBB-Landeschefin Lilli Lenz. Der Dienst vor Ort müsse sich besonders in angespannten Zeiten im wahrsten Wortsinn auszahlen.

Führen in Teilzeit (BS/bhi) Die Bundesfrauenvertretung im DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) und der Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB) fordern gemeinsam mehr “Führen in Teilzeit”.Ein gleichnamiges Modellprojekt haben die DBB-Frauen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Mai gestartet. Ziel des Projektes sei es, mehr Führungspositionen in Behörden in Teilzeit anzubieten und mit Frauen zu besetzen, erläutert die DBB-Frauen-Vorsitzende Milanie Kreutz. Sie und Vertreter des VBOB fordern gemeinsam, die Rahmenbedingungen für “Führen in Teilzeit” zu verbessern. “Das heißt, Führungspositionen müssen von Grund auf teilbar gedacht und teilbar gemacht werden. Am besten funktioniert das, wenn für Leitungspositionen grundsätzlich mindestens 1,5 Stellen vorgesehen werden”, erklärt Kreutz.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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as Insolvenzrecht ist im Kern in der Insolvenzordnung geregelt. Sie beinhaltet als we­ sentliche Zweiteilung Regelungen zu Insolvenzverfahren über das Vermögen von Unternehmen, die sogenannten Regelinsolvenzver­ fahren, und Regelungen über das Vermögen von Verbrauchern, die Verbraucherinsolvenzverfahren. Diese Differenzierung beruht auf der Zielrichtung des jeweiligen Verfahrens. Ein Regel­insol­venz­ verfahren dient vorrangig dem Zweck, das betroffene Unter­ nehmen ganz oder zumindest in wesentlichen Teilen zu erhalten. Der Gesetzgeber will damit insbe­ sondere die betroffenen Arbeits­ plätze schützen und erhalten, um einen Schaden für die Sozi­ algemeinschaft zu vermeiden. Es gilt also der Grundsatz, vorrangig zu sanieren und zu erhalten. Erst wenn eine Sanierung nicht möglich ist, bedarf es einer Liqui­ dation und der entsprechenden Verwertung des Unternehmens und seiner Betriebsmittel. Im Idealfall gelingt es dem Insol­venz­ verwalter in einem Insolvenz­ver­ fahren über das Vermögen eines Unternehmens, eine Fortführung des Unternehmens zu gewähr­ leisten und eine Übertragung auf einen neuen Unternehmer zu bewirken. Dazu bietet die In­ solvenzordnung eine Reihe von “Werkzeugen” und Maßnahmen an, die der Insolvenzverwalter einsetzen kann. Im Kern zielt die Insolvenzordnung bei Unterneh­ men folglich darauf ab, zu prüfen, ob das betroffene Unternehmen sanierungsfähig und damit am Markt “überlebensfähig” ist.

Neustart Bei einem Verbraucherinsol­ venzverfahren ist die Zielrich­ tung dagegen eine andere. Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Behörden Spiegel / November 2022

Wo das Insolvenzrecht helfen kann Krisensituationen für Verbraucher und Unternehmen (BS/Manuel J. Heinemann*) Die aktuelle Situation ist von einer Mehrzahl von Krisen geprägt. Besonders die Lage der Energieversorgung und die Knappheit von wichtigen Ressourcen bringen Verbraucher und Unternehmen zunehmend an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Die Prognosen und die steigende Inflation lassen eine weitere Verschärfung der Lage erwarten. In den Medien und in der Politik werden die Warnungen vor einer Insolvenzwelle lauter. Und auch für das Jahr 2023 zeigen die Prognosen eine schwere Zeit auf. Aber: Ein Insolvenzverfahren kann Unternehmen und Verbrauchern helfen. Es kann aber freilich keine Wunder bewirken. Auch für Behörden ist es deshalb notwendig, die Möglichkeiten und Hintergründe eines Insolvenzverfahrens einschätzen zu können und die wesentlichen Grundlagen der komplizierten Materie einzubeziehen. dient dem Zweck, den Schuldner von seinen Verbindlichkeiten zu befreien. Der Gesetzgeber hat deshalb für Verbraucher die Mög­ lichkeit eines Restschuldbefrei­ ungsverfahrens im Anschluss an das eigentliche Insolvenzver­ fahren vorgesehen. Verbraucher können dabei nur natürliche Personen sein. Mit der Möglich­ keit, die Verbindlichkeiten zu erlassen, wird den Verbrauchern die Chance eingeräumt, noch ein­ mal ohne erhebliche finanzielle Belastungen “zu starten”. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist folglich eine echte wirtschaft­ liche “zweite Chance”. Auch hier sieht die Insolvenzordnung frei­ lich eine Reihe von Regelungen vor, um das Verfahren zu lenken und Nachteile für Gläubiger zu vermeiden.

Befriedigung der Gläubiger Sowohl das Regelinsolvenzver­ fahren als auch das Verbrau­ cherinsolvenzverfahren können also die Folgen einer Krise, die zu einem Insolvenzverfahren ge­ führt hat, auffangen und einen Neuanfang ermöglichen. Die fi­ nanziellen Folgen tragen dabei in der Regel die Insolvenzgläu­ biger. Das vorrangige Ziel des Insolvenzverfahrens ist eine ge­ meinschaftliche Befriedigung der Gläubiger. In der Praxis erhalten die Insolvenzgläubiger allerdings regelmäßig nur eine geringe Quo­ te aus der Insol­venz­masse. Der

Die Insolvenz ist nicht per se schlecht. Gerade in Krisenzeiten kann sie eine zweite Chance für Unternehmen und Verbraucher sein. Foto: BS/Zerbor, stock.adobe.com

wesentliche Teil des Vermögens der Schuldner wird zugunsten der Kosten für Gericht und In­ solvenzverwalter, für laufende Verbindlichkeiten etc. (sogenann­ te Masseverbindlichkeiten) auf­ gewendet. Und darüber hinaus sind auch aus- und absonde­ rungsberechtigte Gläubiger zu berücksichtigen, deren Forderun­ gen die Masse weiter schmälern. Behörden sollten dies, soweit möglich, berücksichtigen und mit den entsprechenden Grundlagen vertraut sein. Die vom Gesetzgeber nor­ mierten Möglichkeiten des In­ solvenzverfahrens sind sowohl wirtschaftlich als auch gesell­ schaftspolitisch zu begrüßen.

Zudem werden die komplexen Regelungen fortlaufend den Entwicklungen angepasst und austariert.

Zweite, aber einmalige Chance Die Möglichkeit einer zweiten Chance zeigt aber zugleich auch die Grenzen eines Insol­ venzverfahrens auf. Wenn eine Zahlungsunfähigkeit oder bei Unternehmen eine Zahlungs­ unfähigkeit oder Überschuldung oder in selteneren Fällen eine drohende Zahlungsunfähigkeit durch das Insolvenzverfahren beseitigt werden und das Unter­ nehmen durch einen Erwerber fortgeführt oder der Verbrau­

cher ohne Verbindlichkeiten neu starten kann, dann liegt darin zwar eine wichtige Chance, aber vor allen Dingen eine zumeist einmalige Chance. Ein Insol­ venzverfahren ist gerade kein Dauerinstrument, um fortlau­ fende finanzielle Schwierigkeiten aufzufangen. Insbesondere für Verbraucher gibt es eine entspre­ chende Sperrfrist von elf (vormals zehn) Jahren, bevor erneut ein Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig ist. Ist ein Unternehmen auch nach einer sanierenden Übertragung nicht wirtschaftlich oder ist ein Verbraucher auch nach der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, seine laufenden Verbind­ lichkeiten aus seinem Vermögen zu erfüllen, hilft eine einmalige Veränderung gerade nicht. Das übertragene Unternehmen wür­ de zeitnah wieder in eine Krise geraten und ebenso würde der Verbraucher zeitnah wieder neue Verbindlichkeiten aufbauen, die er nicht begleichen kann. Sofern also die Ursachen für die finan­ zielle “Schieflage” nicht durch ein Insolvenzverfahren beseitigt werden können, hilft die Insol­ venzordnung nicht weiter.

Mehraufwand für Behörden So aber ist es vermutlich in der Mehrzahl der aktuell betroffenen Unternehmen und vor allem der Verbraucher. Die hohen Kosten für Energie, Rohstoffe, Lebens­

haltung etc. sind aller Voraus­ sicht nach keine vorübergehende Entwicklung. Deshalb bedarf es neben insolvenzrechtlicher Mög­ lichkeiten vorrangig auch Maß­ nahmen, um Unternehmen und Verbrauchern eine gesicherte und solide Basis zu gewährleis­ ten. Dazu gehören für Unterneh­ men vor allem wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und ausrei­ chend qualifiziertes Personal. Für Verbraucher bedarf es vor allem ausreichend hoher Einkommen und bezahlbarer Wohnräume und Lebenshaltungskosten. Für Behörden bedeuten zuneh­ mende Insolvenzen eine weitere Herausforderung. Ein Beispiel zeigen bereits die stark gestie­ genen Anträge auf Wohngeld. Viele Verbraucher werden aber auch durch Unterstützung eine Insolvenz nicht vermeiden kön­ nen. Bis sich die wirtschaftliche Lage wieder verbessert, wird das Insolvenzrecht deshalb auch in Behörden eine zunehmende Rolle spielen. * Manuel J. Heinemann ist Hochschullehrer und Fachleiter Recht der Digitalisierung an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz.

Mehr zum Thema Der Autor thematisiert die Möglichkeiten und Grenzen des Insolvenzrechts in einem Webinar des Behörden Spiegel am 2. Dezember 2022. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Insolvenzrecht”.

Dienstunfähigkeit – sind wir Beamte über den Dienstherrn ausreichend abgesichert?

Der Arbeitsalltag von Beamten ist vielfältig. Das macht die Arbeit interessant, aber auch anstrengend und das wiederum erfordert Einsatz. Jeden Tag leisten Beamte sehr viel. Aber denken sie auch genügend an sich selbst? Besonders das Thema Dienstunfähigkeit wird oft vergessen.

D

ienstunfähigkeit – das kommt bei Beamten doch gar nicht so oft vor, oder? Das größte Risiko ist, das Risiko zu unterschätzen. Tatsächlich wur­ den laut dem Bundesamt für Statistik 2018 16 Prozent der pensionierten Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ru­ hestand versetzt. Wie sieht es heute aus? Wird ein Beamter dienstun­ fähig, sollte sein Einkommen über den Dienstherrn abgesi­ chert sein. Richtig? Nicht ganz. Je nachdem, auf welcher Stufe der Karriereleiter der Beamte steht und wie viele Dienstjahre er bereits geleistet hat, ist er gesetzlich mehr oder weniger abgesichert – oder auch gar nicht. Bei Beamten baut sich die gesetzliche Absicherung erst ab einer Verbeamtung auf Le­ benszeit sowie einer fünfjährigen Wartefrist langsam auf.

Neues, passgenaues Produkt Deshalb macht es Sinn, sich privat abzusichern – z. B. mit der Berufs- und Dienstunfähig­ keitsversicherung der Allianz Lebensversicherungs-AG. Ein passgenaues Produkt, das eine Einkommensvorsorge mit einer auf den Beamten zugeschnitte­ nen Absicherung im Falle der Dienstunfähigkeit bietet. Dazu gehört auch eine “echte” DUKlausel. Das bedeutet, dass sich die Allianz bei der Leistungs­ entscheidung für den in den Ruhestand versetzten Beamten an die Entscheidung des Dienst­ herrn anlehnt. Die Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung erlaubt es Beamten, alles in ei­

Absicherung besteht. Ab der Verbeamtung auf Lebenszeit und wenn die Wartezeit erfüllt ist, ist eine geringere Absicherung ausreichend. Genau deshalb bieten wir die “Selbstständige Berufs- und Dienstunfähigkeits­ absicherung” mit zwei Phasen an. In der ersten Phase ist die Absicherung höher und deckt im Optimalfall die volle Höhe der Dienstbezüge ab. Ab dem Zeitpunkt der Verbeamtung auf Lebenszeit greift die Versorgung durch den Dienstherrn und ver­ ringert die Versorgungslücke. Deshalb versichern wir in dieser zweiten Phase eine bedarfsge­ recht niedrigere Rente. Der Bei­ trag ist dabei über die gesamte Laufzeit konstant. Dienstunfähigkeit als Beamtin oder Beamter? Es kann jeden treffen! Entscheidend ist die frühe Vorsorge. Foto: BS/9nong, stock.adobe.com

nem Vertrag zu regeln. Denn sie leistet bei Berufsunfähigkeit, wenn die Tätigkeit aus gesund­ heitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr ausgeübt werden kann. Zudem ist die Dienstun­ fähigkeit abgedeckt, also wenn der Dienstherr den Beamten in den Ruhestand versetzt bzw. entlässt. Gerade zu Beginn der Beamten­

laufbahn, also als Beamter auf Widerruf, auf Probe oder in den ersten Dienstjahren, bestehen meist nur geringe bis gar keine gesetzlichen Ansprüche auf Ver­ sorgung über den Dienstherrn. Auch später baut sich die Ab­ sicherung nur schrittweise auf. Werden Beamte also dienstunfä­ hig, reichen die Leistungen des Dienstherrn oft nicht aus, um

Quelle: 7. Versorgungsbericht der Bundesregierung, 03/2020

den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Genau hier greift die Berufs- und Dienstun­ fähigkeitsversicherung. Am An­ fang ist eine höhere Versorgung notwendig, da durch den Dienst­ herrn in der Regel noch keine

Quelle: Allianz 2019

Als Zusatzbaustein möglich Die Absicherung ist auch als Zusatzbaustein zu folgenden Al­ tersvorsorgeverträgen der Allianz möglich: zur fondsgebundenen Allianz BasisRente InvestFlex (mit und ohne Garantie) und zur fondsgebundenen Allianz StartUp Invest mit reduziertem Startbeitrag. Für die Fonds­

Darstellungen: BS/Allianz SE

anlage steht Ihnen eine große Auswahl von qualitätsgeprüften Fonds und ETFs zur Verfügung. Eine Einteilung in zwei Phasen erfolgt hierbei nicht; auch die Höhe der Rente bleibt gleich.

Versorgungslücke schließen Der Abschluss der Versicherung ist für Beamte auf jeder Karri­ erestufe geeignet – auch wenn sie sich noch im Studium oder in der Ausbildung befinden. Zu­ dem bietet diese Versicherung für Beamte die Möglichkeit, die BU-/DU-Rente entsprechend ih­ rer Lebenssituation zu erhöhen, z. B. wenn sie eine höhere Be­ soldungsgruppe erreichen, ihre Ernennung zum Beamten auf Probe oder zum Beamten auf Le­ benszeit erfolgt, sie heiraten oder Kinder bekommen. Warum also mit der Vorsorge warten? Schließen Sie jetzt die Versorgungslücke – je früher, desto besser. Denn wer viel leis­ tet, darf sich selbst dabei nicht vergessen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Fordern Sie jetzt online ein individuelles und unverbindliches Angebot für Ihre Berufs- und Dienstunfähigkeitsabsicherung mit unserem Kooperationspartner über die Allianz an:


Aktuelles Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel / November 2022

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tudien zeigen, dass hier aber große Potenziale schlummern beziehungsweise durch den zuvor beschriebenen Mechanismus verloren gehen. Gemäß der Studie zur Vereinbarkeit 2020 der berufundfamilie GmbH sind etwa zwei Drittel der Beschäftigten hin- und hergerissen zwischen eigenen Karriereambitionen einerseits und familiärer Verpflichtung und Verwirklichung andererseits. Um diese Beschäftigten bestmöglich zu entwickeln und deren Potenziale für die eigene Behörde zu nutzen, bedarf es geeigneter Rahmenbedingungen, in denen Beschäftigte zur Karriere ermutigt werden und gleichzeitig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv gefördert wird.

Punktgenaue Angebote Vereinbarkeit von Familie und Karriere im Statistischen Bundesamt (BS/Dr. Celina Gisch*) Familie und Karriere – in vielen Familienkonstellationen bleibt dieser Gedanke nach wie vor eher Wunsch als Wirklichkeit. In der Realität wird die familienbedingte Teilzeit zunächst als eine Karrierebremse empfunden. Berufliche Ambitionen bei den Mitarbeitenden nehmen ab und schließlich verschiebt sich der Lebensfokus vom beruflichen in den ausschließlich familiären Bereich.

Baukasten für Vereinbarkeit und persönliche Entwicklung Dieser Herausforderung hat sich das Statistische Bundesamt in diesem Jahr mit dem Projekt “Familie und Karriere” in besonderem Maße gestellt. Herausgekommen ist ein Baukasten “Familie und Karriere”, mit dem eine individualisierte Personalbetreuung und -entwicklung möglich wird. Der Baukasten besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Einzelbausteine, die jedem und jeder Beschäftigten je nach individuellem Bedarf ein passendes Angebot machen sollen. Behördenleiter Dr. Georg Thiel sagt hierzu: “Mit dem Baukasten Familie und Karriere begegnen wir den Herausforderungen unserer Zeit. Er umfasst ein Portfolio an Einzelbausteinen, mit dem wir unsere Beschäftigten mit familiären Verpflichtungen punktgenau ansprechen und diese in passenden Karrierestufen entwickeln können.” “Punktgenau” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für jeden Arbeitstyp und jede Lebensphase eine passende Komponente angeboten wird. Beispielsweise wünschen sich manche Beschäftigte für eine bessere Vereinbarkeit große zeitliche Flexibilität. Andere schätzen eher die klare Planbarkeit von Arbeitszeiten und wünschen sich daher bewusst klar formulierte Arbeitstage und -zeiten. Für beide Arbeitstypen enthält der Baukasten Elemente, beide Arbeitstypen werden in gleichem Maße in ihren familiären Verpflichtungen aufgefangen.

Neue Stufe der Vereinbarkeit Der Baukasten “Familie und Kar-

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Für jeden was dabei: Der Baukasten Familie und Beruf enthält eine Vielzahl von Modulen und Werkzeugen. Grafik: BS/Statistisches Bundesamt

riere” entwickelt das klassische Aufgabenfeld der Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter, indem er auch Bausteine für eine individualisierte Karriereentwicklung enthält. Beschäftigte haben beispielsweise Wahlmöglichkeiten, welche Art von Aufgaben sie gerne wahrnehmen möchten – das Portfolio reicht von Sonderaufgaben mit hausweiter Sichtbarkeit hin zu hoch standardisierten Regelaufgaben. Nicht alle Elemente im Baukasten sind dabei neu. Im Gegenteil: Viele Elemente sind schon seit Jahren im Haus etabliert und gelebte Praxis. Beispielhaft sei hier das Thema Homeoffice erwähnt. Spätestens seit der Corona-Pandemie wurden umfangreiche Homeoffice-Lösungen gefunden, von denen Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen nun profitieren können. Beschäftigte, die eine räumliche Trennung von beruflicher und privater Sphäre bevorzugen, können weiterhin auf den klassischen Büroplatz zurückgreifen.

Hier wird das Bundesamt künftig einen deutlich größeren Anteil der Schulungen in Teilzeit anbieten, Schulungsprogramme wo möglich stärker modularisieren und Schulungsinhalte aufnehmen, die das Thema “Führen und geführt werden in Teilzeit”

zum Fokus haben. Alle Elemente des Baukastens werden künftig nicht nur im Hinblick auf Rechte, sondern auch in Bezug auf die damit verbundenen Pflichten beschrieben. “Dies war ein Wunsch unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unsere Leute wollen

gute Arbeit leisten und wünschen sich daher Spielregeln, innerhalb derer sie sich bewegen können”, so Thiel. Auch die Führungskräfte des Hauses wünschen sich die Formulierung von Bedingungen für die jeweiligen Bausteine. Sie glauben, dass die Umsetzung des Baukastens erfolgreicher sein kann, wenn das Bündel an Rechten und Pflichten für die Beschäftigten transparent ist und beide Bestandteile zu den individuellen Vorlieben und Fähigkeiten der Mitarbeitenden passen. “Besonders herausfordernd bleibt es für uns, den kulturellen Wandel im Haus weiter voranzutreiben”, sagt Behördenleiter Thiel. “Wenn Beschäftigte in Teilzeit regelmäßig wichtige Besprechungen außerhalb ihrer vereinbarten Ar-

beitszeit verpassen, so kommen wir in dem Thema kein Stück weiter.” Entsprechend wird der Baukasten “Familie und Karriere” durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen flankiert. Monatliche Influencer-Berichte von Beschäftigten aus dem Haus sollen Best Practices vermitteln und Lösungen für konkrete Arbeitssituationen aufzeigen. Zudem werden regelmäßige Netzwerktreffen “Familie und Karriere” ins Leben gerufen, in denen sich die Beschäftigten des Bundesamtes direkt über die persönlichen Herausforderungen und Lösungen austauschen können. Der Baukasten “Familie und Karriere” wird künftig alle drei Monate im Führungskreis thematisiert. So soll der Baukasten im Fokus bleiben und langfristig weiterentwickelt und angepasst werden.

Dr. Celina Gisch arbeitet im Leitungsstab des Statistischen Bundesamts (Destatis). Foto: BS/privat

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Handlungsfeld Fortbildungen Ergänzend zu den bereits bestehenden Bausteinen wurden im Statistischen Bundesamt Maßnahmen aufgesetzt, die die Entwicklung neuer Komponenten zum Ziel haben. In gemeinsamer Diskussion von Führungskräften und Beschäftigten wurden insbesondere Handlungsbedarfe im Bereich der Fortbildung gesehen.

Getrennt im gemeinsamen Ziel DOSB, Bund und Länder streiten um Kompetenzen (BS/jb) Es herrscht Einigkeit zwischen organisiertem Sport, Bund und Ländern über die Notwendigkeit, Sporttreibende vor Gewalt zu ­schützen. Offen bleibt aber, wer die Führungsrolle übernimmt. Bund, Länder sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Sport haben im Rahmen der Sportministerkonferenz (smk) das Zentrum Safe Sport gegründet. Ziel der Einrichtung ist die Prävention, Intervention und Aufarbeitung von Gewalt im Sport. Erster Baustein des Vorhabens ist die Einrichtung der unabhängige Ansprechstelle Safe Sport. Diese soll Betroffenen sexueller Gewalt die Möglichkeit geben, psychologische und rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Das Angebot richtet sich sowohl an Breiten- als auch an Spitzensportlerinnen und -sportler. Anfang 2023 soll die Stelle ihre Pforten für Hilfesuchende öffnen. Nachdem das Bundesministerium des Innern (BMI) im letzten Jahr die Machbarkeit des Projektes bestätigte, erfolgt die Finanzierung der Beratungsstelle durch Bund und Länder. Wer die Kosten für weiterer Projekte übernimmt, ist bisher noch offen. Die Klärung der monetären Trägerschaft soll jedoch bis zum Sommer 2023 erfolgen. Für die

Finanzierung der weiterführenden Projekte sehen Bund und Länder auch den organisierten Sport in der Pflicht. Dieser aber zeigt sich zwiespältig gegenüber dem Vorstoß. Der deutsche Olympische Sportbund (DOSB) beteiligte sich zwar im Rahmen des StakeholderProzesses an der Konzeption des Zentrums, spricht dessen Angeboten aber nur eine additive Funktion zu. Entsprechend dem Positionspapier des DOSB zum Zentrum Safe Sport habe man den Schutz vor Gewalt bereits im gesamten organisierten Sport strukturell verankert. Torsten Burmester, Vorstandsvorsitzender des DOSB, betont daher, dass die originäre Verantwortung zur Sicherstellung von Schutz vor Gewalt im Sport bei den Sportverbänden und -vereinen liege. Das Zentrum solle nur dann zum Zug kommen, wenn Vereine aus Gründen der Unabhängigkeit nicht tätig werden könnten. Die Finanzierung solle daher exklusiv aus speziell geschaffenen Mitteln des Bundes erfolgen.

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Beschleuniger für die digitale Transformation

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wei Tage lang bekamen die über 150 Teilnehmenden aus verschiedensten Bundesbehörden Impulse aus der Praxis, nahmen an Workshops teil, vernetzten und beteiligten sich an Diskussionen rund um die digitale Transformation. Auffällig war insbesondere die positive Stimmung, die über der Veranstaltung lag. Im Fokus standen das “einfach Machen” und Vorwärtskommen. Als Veranstalter lag dem Beratungszentrum des Bundes (BZB) im Bundesverwaltungsamt besonders eines am Herzen – Teilnehmende sollten motiviert und mit konkreten Werkzeugen in der Hand nach Hause gehen, die es ermöglichen, auch am eigenen Arbeitsplatz “einfach zu machen”: Ideen, Lösungsansätze und Innovation zum Mitnehmen.

Fünf Impulse zur ­Beschleunigung In der Beratungspraxis des BZB lassen sich neue Facetten in Bezug auf den Wandel der Arbeitswelt und der digitalen Transformation erkennen. Entlang dieser gestaltete sich das Programm der zwei Tage. Wer, wie die Teilnehmenden der Veranstaltung, selbst ins Machen kommen möchte, der lasse sich von diesen fünf Impulsen für Beschleuniger der digitalen Transformation inspirieren.

Behörden Spiegel / November 2022

Fünf Impulse, um im Wandel an Fahrt zu gewinnen (BS/Meinolf Dieckmann) Wer heute noch hofft, dass bald alles wieder normal und so wie früher wird, der ist in der öffentlichen Verwaltung fehl am Platz. Diesen Eindruck bekam man zumindest auf dem diesjährigen Dialogforum Organisation und Innovation, das unter der Überschrift “Projekte, Prozesse, Tools – erfolgreich im Wandel” stattfand. der starte etwa mit der Workshop-Planer-Canvas. Echte Hilfe zur Selbsthilfe also, Beschleuniger im Mitnehmformat.

Digitalisierungsmuffelchen?

Damit die digitale Transformation wie eine Maschine reibungslos funktioniert, Foto: BS/fotomek, stock.adobe.com hat das BVA mehrere Werkzeuge bereitgestellt.

Wenn die Arbeitswelt komplexer wird, müssen sich auch die (Arbeits-)Methoden und Denkweisen wandeln. Das Team Digital Innovation Support (DIS) des BZB hat die Mission, moderne Arbeits- und Denkweisen in die Bundesverwaltung zu tragen. Dazu gehören ein wachsendes Angebot an methodischen Impulsen, die auch online verfügbar sind; Kurzberatungsangebote

und eine Auswahl von MethodenWorkshops, mit denen das Team bei Kundenbehörden Impulse gibt, etwa zur Verbesserung der Besprechungskultur oder der Zusammenarbeit im Team. Die selbsterklärenden Methodenblätter und Canvases ermöglichen allen, die Lust haben, selbst mal etwas anderes zu probieren, den schnellen Einstieg. Wer schon den nächsten Workshop plant,

“Einfach (selber)machen” ist auch das Stichwort beim Digi’Baukasten: einer Methodenbox, die mit intuitiven Tools und einer simplen Vorgehensweise den Digitalisierungsprozess in den Phasen Verstehen, Gestalten und Umsetzen unterstützt. Sind Sie ein “Digital Native” oder eher ein “Digitalisierungsmuffelchen”? Das finden Sie innerhalb weniger Minuten im Digi-Check des Digi’Baukastens heraus. Seit Anfang 2022 verfügbar, entwickelt sich der Digi’Baukasten stetig weiter und wird durch neue Bausteine ergänzt. Als “Mitmachdigitalisierung” mit mittlerweile 15 Bausteinen gedacht, befähigt er zu eigenem Tun und unterstützt damit nachhaltige Lösungen. Alle 15 Bausteine sind einfach downloadbar. Und ganz nebenbei spie-

Das Standardwerk für komplexe Sachverhalte im Kreuzungsrecht

gelt der Digi’Baukasten selber den Wandel in unser aller Arbeitsweisen wider: Der jüngste Baustein “Team Canvas” entstand auf den Impuls der Nutzenden hin. Vernetzung und Austausch sind weitere Beschleuniger, um Fahrt aufzunehmen. So rufen regelmäßig auch die “Macher” des Digi’Baukastens Interessierte auf, Ideen für weitere Bausteine zu liefern. Geteiltes Wissen erhöht die Erfolgsquote exponentiell. Netzwerke und Communities of Practice fördern den Wissenstransfer. Das gilt auch für Klassiker wie etwa die Personalbedarfsermittlung (PBE). Die engagierten Diskussionen im Rahmen des Dialogforums Organisation und Innovation 2022 zeigen: Die Zukunft der PBE steht schon vor der Tür. Konsolidierung von Kosten-Leistungs-Rechnung, Ziel- und Maßnahmenplänen, Produkt-, Aufgabenkatalogen und Geschäftsverteilungsplänen etc. sind im Sinne einer zunehmend digitalisierten Ist-Erhebung fachlich erwünscht. Erste Ansätze in Behörden bestehen bereits. Der Austausch über Behördengrenzen hinweg fokussiert hier speziell Wissen über standardisierte Vorgehensweisen. Also, vernetzen Sie sich und fördern Sie den gegenseitigen Austausch!

Prozessorientiertes Arbeiten und Denken Viele der bereits genannten Aspekte finden sich auch in den Aktivitäten des Kompetenzzentrums Prozessmanagement (CC PM) im BZB wieder. Hier findet Austausch mittels regelmäßiger Netzwerktreffen unter 18 Bun-

desbehörden statt. Dabei sind die Türen für Einsteigerinnen und Einsteiger immer offen. Und es gilt das Credo der Freiheit, Methoden zu adaptieren, sodass sie im eigenen Umfeld Mehrwert schaffen. Der niedrigschwellige Einstieg heißt dann prozessorientiertes Arbeiten und Denken – als erster Schritt vor oder als Adaption anstelle eines Prozessmanagements nach Lehrbuch. Hierfür verspricht das neue, auf dem Dialogforum vorgestellte Prozessstarterpaket des CC PM, schnell und einfach ins Arbeiten zu kommen – und es ist selber niedrigschwellig, nämlich einfach downloadbar.

Erfolgsfaktor ­Projektmanagement Erfolgreiche digitale Transformation funktioniert nicht ohne ein gutes Projektmanagement. Dies bestätigen die Ergebnisse der

Meinolf Dieckmann ist Leiter der Referatsgruppe “Verwaltungsmodernisierung, Verwaltungsmanagement und Ordnungsaufgaben” im Bundesverwaltungsamt. Foto: BS/BVA

ersten Studie zu Erfolgsfaktoren für (Multi-)Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung, die das Kompetenzzentrum (Groß-) Projektmanagement des BZB in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt beim Dialogforum vorstellte. Diese führten zu angeregten Diskussionen und können in Zukunft als Wegweiser für erfolgreiches Multiprojektmanagement in der öffentlichen Verwaltung dienen. Einen Einstieg in das Thema eröffnet der Wissenspool des Kompetenzzentrums (Groß-) Projektmanagement (CC GroßPM) im BZB des BVA. So können Sie mit dem Beratungszentrum des Bundes in Kontakt treten: https://www.bva.bund. de/DE/Services/Behoerden/ Beratung/Beratungszentrum/ beratung_node.html

DIGITALISIERUNG KONKRET

Mit der 7. Auflage 2023 auf dem neuesten Stand im Eisenbahnkreuzungsrecht:

Fit und frei im Kopf für Digitalisierung? Nicht nur die Vielzahl an Online-Meetings sind mental anstrengend, digitalisierte Prozesse brauchen darüber hinaus ein gewisses Maß an ausgeprägtem ITVerständnis. All das kommt zusätzlich zur eigentlichen kognitiven Sachbearbeitungsleistung hinzu!

• Bietet eine vollständig aktualisierte Darstellung und Erläuterung sämtlicher Rechts- und Verwaltungsvorschriften. • Berücksichtigt sind gesetzliche Novellierungen, gerichtliche Entscheidungen und sämtliche Richtlinien, Mustertexte und Hinweise des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Stand 31.12.2021. • Enthält zahlreiche Fallbeispiele aus der Praxis mit Lösungsvorschlägen und den jeweiligen Bezügen zu den einschlägigen technischen und rechtlichen Vorschriften.

ISBN 978-3-452-29961-1, ca. € 129,– Onlineausgabe € 7,50 mtl. (im Jahresabo zzgl. MwSt)

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IT hat nach wie vor keinen Selbstzweck, sondern soll vielmehr die Geschäftsprozesse unterstützen. Ich bevorzuge die Formulierung: die Menschen in ihrer Arbeit in den Geschäftsprozessen zu unterstützen. Das Motto des Landschaftsverbandes Rheinland lautet “Qualität für Menschen”; das bezieht für mich selbstverständlich auch die Digitalisierung für die Menschen in der eigenen Verwaltung mit ein. Mir hat letztlich ein Review mit den Mitarbeitenden im Fachbereich zu einer Pilotierung einer digitalen Lösung sehr deutlich vor Augen geführt, dass ich meine eigene IT-Affinität nicht auf die fachlich fokussierte Seite übertragen kann. Für mich ich ist es völlig normal, mit einer Vielzahl von IT-Systemen zu arbeiten und viele gleichzeitig geöffnet zu haben. Die Pilotgruppe fand die ITLösung an sich gut; aber betrachtet auf den Gesamtprozess spielen vier, wenn nicht gar fünf verschiedene IT-Systeme eine Rolle. Und Papiervorgänge sind nach wie vor im Umlauf, wenn die Antragstellenden selbst nicht

Beate van Kempen ist IT-Referentin und -Architektin im Digitalisierungsdezernat des Landschaftsverbands Rheinland. Foto: BS/privat

online agieren. “Das ist keine Hilfe, sondern Belastung!” Puh – gutes Feedback. Mir wurde schlagartig klar, dass meine technischen Schnittstellen, die ich als IT-Architektin als Brücke zwischen den Systemen baue, zwar Übergänge erleichtert, aber die Sachbearbeitung immer noch eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme – und die analoge Papierwelt – bedienen muss. Und nicht nur das: Je nachdem in welchem Prozessschritt ein möglicher Antrag steckt, muss das richtige System gewählt werden. All das braucht ein gutes IT-Verständnis und ist eine zusätzliche Belastung. Also muss auch ich im Digitalisierungsdesign fit und frei im Kopf sein, um Geschäftsprozesse in Gänze möglichst einheitlich zu digitalisieren!


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Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

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war beginnen die Baumaßnahmen erst im nächsten Jahr, doch schon bevor die Bagger rollen, ist das Projekt Gegenstand reger Debatten. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes Deutscher Steuerzahler e.V., bezieht eindeutig Stellung: “Angesichts hoher Schulden, einer drohenden Rezession und voraussichtlich knapp gefüllter Kassen in den nächsten Jahrzehnten wirkt eine Verdopplung des Kanzleramts wie aus der Zeit gefallen.” Holznagel verlangt deshalb, den Bau in dieser Form zu stoppen. Doch Kritik ist auch von staatlicher Seite zu vernehmen. Der Bundesrechnungshof artikulierte bereits im Sommer 2020 Bedenken. Wesentliche Ausstattungsund gestalterische Elemente des Erweiterungsbaus beurteilte der Rechnungshof als eines bedarfsgerechten Bauvorhabens nicht angemessen. Dies betraf insbesondere die bauliche Gestaltung mit Wintergärten, die Einrichtung einer eigenen Kindertagesstätte sowie die Vollverglasung einer zweiten Fußgängerbrücke. Die Bundesregierung folgte einzig dem Hinweis des Rechnungshofes, von einer Vollverglasung der Fußgängerbrücke abzusehen. Auf diese Weise soll Energie eingespart werden. Alle anderen Anmerkungen bezüglich der Kindertagesstätte, des Hubschrauberlandeplatzes und der Wintergärten fanden kein Gehör.

Die Erweiterung des Bundeskanzleramtes sorgt für Kontroversen (BS/Jonas Brandstetter) Im Frühjahr 2023 fällt der Spatenstich für ein bereits seit drei Jahren geplantes Projekt, den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes. Die auf 777 Millionen Euro prognostizierten Baumaßnahmen fallen in eine Zeit, in der die Bundesregierung sich selbst und der Bevölkerung Sparmaßnahmen auferlegt.

se bei der Familienfreundlichkeit aufzuholen. Auch die geplante 250 Quadratmeter große Wohnung für Kanzlerin oder Kanzler ist in vergleichbarer Form schon im Bestandsbau aus dem Jahr 2001 vorhanden. Diese wurde seit dem Jahr 2005 allerdings nicht als solche genutzt, sondern diente als Tagungs- und Besprechungsraum für protokollarische Arbeitstermine der damaligen Kanzlerin Dr. Angela Merkel. Die Räumlichkeiten wurden zu diesem Zweck umgestaltet.

Beweggrund Platzmangel

Kosten-Nutzen-Abwägung

Der vor der Corona-Pandemie geplante Bau soll dem Umstand Abhilfe schaffen, dass nicht für alle Mitarbeitenden des Kanzleramtes vor Ort Bürofläche vorhanden ist. Daher müssen bisher etwa 260 Betroffene auf andere Bürogebäude in Berlin ausweichen. Diese können nach dem voraussichtlichen Abschluss der Baumaßnahmen im Jahr

Wintergärten und Galerien prägen die Innengestaltung des Gebäudekomplexes. Foto: BS/Schultes Frank Architekten

Im 3D-Modell vermittelt sich ein Eindruck vom Umfang und der Gestaltung des Erweiterungsbaus. Foto: BS/Schultes Frank Architekten

2028 im neuen bogenförmigen Anbau im Regierungsviertel ihrer Arbeit nachgehen. Der Weg zum neuen Arbeitsplatz wird durch den vorhandenen Gebäudeteil über zwei Brücken führen. Auf der Grünfläche hinter dem Bundeskanzleramt entsteht deshalb, in den Worten des Architekten Prof. Axel Schultes, “ein auf Bedarf hin konzipierter Bau, eng über die Spree mit dem Mutterhaus verbunden”. “Auf Bedarf konzipiert” bedeutet in diesem konkreten Fall die annähernde Verdopplung der Bürofläche. Denn nach Abschluss der Baumaßnahmen stehen den Mitarbeitenden des Bundeskanzleramtes fast 400 zusätzliche Büros auf 60.000 Quadratmetern Brutto-Grundfläche zur Verfügung. Dieser Größenordnung entsprechend wird

Architektur des Bestandsgebäudes umzusetzen. Zudem ist durch bestehendes Urheberrecht den Architekten Schultes und Frank die Ausführung eventueller Erweiterungsbauten am Kanzleramt vertraglich zugesichert. Diese machen auf ihrem Internetauftritt deutlich, wo die baugestalterischen Vorteile des Galerielayouts liegen: “Jede Art von Korridorenge und -trübsal” werde vermieden. Darüber hinaus geht der Bau auch im Bereich Transport ungewöhnliche Wege. Auf 23 Meter soll sich ein Turm in die Höhe schrauben, auf dem ab 2028 Hubschrauber direkt am Kanzleramt starten und landen können. Der Bundesrechnungshof schlug vor, den Landeplatz wie bei Krankenhäusern und anderen Gebäuden üblich zentral

sich der Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes über sechs Stockwerke und 270 Meter Länge erstrecken. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll auf diese Weise ein Campus entstehen, auf dem alle wichtigen Stellen gebündelt sind. Die Ausstattung des Erweiterungsbaus erfüllt hohe Standards. Davon zeugt das ambitionierte Lichtkonzept. Neun über fünf Geschosse reichende Wintergärten sollen den Einfall von ausreichend Tageslicht gewährleisten. Diese Bauweise löst beim Bundesrechnungshof Bedenken hinsichtlich der Energieeffizienz aus. Die Entscheidung für die Wintergärten fiel, weil diese auch im Ursprungsbau vorhanden sind. Aufgrund der städtebaulichen Figur “Band des Bundes” ist eine direkte Bezugnahme und Weiterführung der

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auf dem Dach des Gebäudes zu installieren. Der Vorschlag überzeugte die Bundesregierung jedoch nicht. Zudem sollen Heranwachsenden im Gebäude ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Zwar liegt die Kindertagesstätte des Bundestages nur wenige Straßen entfernt, diese sei aber bereits voll ausgelastet. Deshalb ist für das Bundeskanzleramt eine eigene Kita für zwölf bis 15 Kinder vorgesehen. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Einrichtung, wenige Meter von einer anderen Kita entfernt, monierte der Bundesrechnungshof. Denn alle Einrichtungen des Bundes stünden vor der Aufgabe, Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Inhouse-Lösungen seien deshalb kein ökonomisch angemessener Weg, Versäumnis-

Es überrascht angesichts dieser Ausstattung nicht, dass es sich beim Erweiterungsbau um ein kostenintensives Bauvorhaben handelt. Im Vergleich mit anderen Bauprojekten des Bundes liegen die Kosten beträchtlich höher. Die Inflation in den letzten Monaten muss bei dieser Gegenüberstellung allerdings Berücksichtigung finden. Mit 27.650 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche ist der Erweiterungsbau teurer als das Humboldtforum und die Staatsbibliothek Unter den Linden. Etwa 15.400 Euro kostete der Quadratmeter Nutzfläche im Humboldtforum. Als in diesem Vergleich am preisgünstigsten erweist sich die Staatsbibliothek. Der Quadratmeter Nutzfläche kostete bei diesem Bauvorhaben etwa 4.500 Euro. Die Bundesregierung rechtfertigt die Preisschere mit den besonderen Anforderungen an Sicherheit und Ausstattung des Kanzleramtes. Entsprechend der Kostenprognose werden nach Abschluss der Baumaßnahmen mindestens 777 Millionen Euro in den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes geflossen sein. In Zeiten der Energie- und drohenden Wirtschaftskrise muss sich die Bundesregierung die Frage der Verhältnismäßigkeit deshalb durchaus gefallen lassen.


Finanzen

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ehörden Spiegel: Herr Tsambikakis, welche Pro­ bleme sehen Sie in der Geld­ wäscheaufsicht im Nichtfinanz­ sektor?

Christian Tsambikakis: Eines der größten Probleme ist mit Sicherheit die uneinheitliche Aufsichtsstruktur. Der historisch gewachsene Föderalismus hat viele Vorzüge, im Bereich der Geldwäscheaufsicht führt er allerdings zu einer komplett zersplitterten Struktur. Und dementsprechend zu wenig Kohärenz aufseiten der Behörden im Umgang mit den Verpflichteten. Während die Zuständigkeit bei den Verpflichteten des Finanzsektors sehr eindeutig geregelt ist – hier ist die Finanzaufsicht BaFin bundesweit zuständig –, verteilen sich die Zuständigkeiten im Nichtfinanzsektor auf über 300 verschiedene Akteure. Behörden Spiegel: Welche Kon­ sequenzen hat das? Tsambikakis: Dies hat zur Folge, dass es für ein verpflichtetes Unternehmen des Nichtfinanzsektors teils mit erheblichem Aufwand verbunden ist, herauszufinden, in welche Aufsichtszuständigkeit das eigene Unternehmen fällt und welche Vorgaben beziehungsweise Regelungen zu befolgen sind. Behörden Spiegel: Welche Herausforderungen gibt es noch? Tsambikakis: Geldwäsche findet mitunter sehr schnell, digital und international statt.

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ei der im “Green Deal” beschlossenen Energiewende kommt den Städten und Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Ohne ihr Engagement können rund 65 Prozent der festgelegten Klimaziele nicht umgesetzt werden. Immerhin verbrauchen Städte weltweit etwa 75 Prozent der globalen Energieressourcen und sind gleichzeitig für fast 70 Prozent der CO2-Emmissionen verantwortlich. Durch die konsequente Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz bringen sie deshalb die Klimaneutralität entscheidend voran. So begründet der Europäische Ausschuss der Regionen in seinem aktuellen Jahresbericht die Bedeutung der Städte zum Thema Klimakrise und beruft sich dabei auf die neuesten Umfrageund Analysewerte. Auch wenn der Ausschuss keine Entscheidungsbefugnis innehat, so setzt er doch Anreize und Handlungsempfehlungen für die EU-Politik. Mit dem Jahresbericht plädieren die Mitglieder des Ausschusses für mehr Mitspracherecht der Kommunen, da die Implementierung der Klimaschutzziele in deren Händen liege.

Behörden Spiegel / November 2022

Kaum Kohärenz bei den Behörden Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor dringend reformbedürftig (BS) Geldwäschehandlungen verursachen Jahr für Jahr enorme monetäre Schäden. Die Verfolgung und Aufsicht ist jedoch sehr zersplittert. Das gilt insbesondere im Nichtfinanzsektor. Diese fehlende behördliche Kohärenz kritisiert auch Christian Tsambikakis. Die Fragen an den Geschäftsführer von Kerberos Compliance stellte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann. Behörden müssen strukturell, infrastrukturell und personell für die Bekämpfung von Geldwäsche gewappnet sein. Dies scheint mir momentan nicht der Fall – es ist ein Kampf mit stumpfen Waffen gegen ein mächtiges Problem. Das wird nicht funktionieren. Behörden Spiegel: Wie können diese Probleme aus Ihrer Sicht behoben werden? Tsambikakis: Die Behörden brauchen deutlich mehr Ressourcen, um Geldwäsche entgegentreten zu können – sowohl personell als auch infrastrukturell. Es ist eine Sache, wenn Unternehmen Verdachtsfälle melden. Wenn diesen Meldungen aber nicht nachgegangen werden kann, laufen die unternehmensseitigen Bemühungen ins Leere. Behörden Spiegel: Welche Schwierigkeiten existieren noch? Tsambikakis: Der Zersplitterung der Aufsichtsbehörden muss entgegengetreten werden: durch weitere Ressourcen und optimale Koordinierung. Einerseits wird damit eine effektive und effiziente Aufsicht möglich. Andererseits wird es Unternehmen einfacher gemacht,

ihren Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz nachkommen zu können. Zudem ist das Bewusstsein für die Bekämpfung der Geldwäsche in den jeweiligen Industrien teilweise sehr wenig ausgeprägt. Diese Aufgabe bedarf einer wachsamen Gesellschaft. Hier kann edukativ noch viel getan werden.

“Die Behörden brauchen deutlich mehr Ressourcen, um Geldwäsche entgegentreten zu können.” Christian Tsambikakis ist Geschäftsführer von Kerberos Compliance, einem auf Geldwäscheprävention spezialisierten Anbieter von Compliance-Produkten und -Dienstleistungen, sowie Gründungsmitglied des Bundesverbands der Geldwäschebeauftragten (BVGB).

Behörden Spiegel: Braucht es tatsächlich ein Bundesfinanzkri­ minalamt wie von Bundesfinanz­ minister Christian Lindner (FDP) angekündigt? Tsambikakis: Das kann ich aufgrund mangelnder Detailkenntnis der Konzepte nicht restlos beurteilen. Für richtig halte ich aber den kommunizierten Ansatz, spezielle Expertise für die Bekämpfung von Finanzkriminalität zu bündeln und auszubauen, um gerade die komplexen Fälle illegaler Finanzflüsse aufzuklären. Es besteht in jedem Fall Handlungsbedarf. Behörden Spiegel: Welche Lö­ sungen bietet Kerberos für die Kundinnen und Kunden? Tsambikakis: Unseren Kundinnen und Kunden bieten wir Lösungen für jeden Aspekt der

Foto: BS/Kerberos

Geldwäscheprävention. Das Geldwäschegesetz bringt verschiedenste Verpflichtungen mit sich. Es fängt mit der Erstellung von Risikoanalysen an, geht über das Aufsetzen interner Kontrollmechanismen, die Schulung von Mitarbeitern und hört bei der Stellung von Geldwäschebeauftragten nicht auf. Geschäftspartner müssen überprüft werden, beispielsweise ob diese aus Hochrisikoländern kommen, die Kommunikation mit den

Behörden muss sichergestellt, Verdachtsmeldungen müssen abgegeben werden. Behörden Spiegel: Was ist das Ziel? Tsambikakis: Wir stehen unseren Kundinnen und Kunden als Partner zur Seite – für alle Belange der Geldwäscheprävention. Unser Ziel ist es, unseren Kunden eine verlässliche Geldwäscheprävention zu bieten, damit diese sich bestmöglich auf

Kommunen können Klimakrise lindern Energiekrise beschleunigt Klimaschutzmaßnahmen (BS/Marlies Vossebrecker) Die Energiekrise als direkte Folge des russischen Krieges und die Auswirkungen des Klimawandels zwingen die EU zu einer schnelleren Umsetzung ihrer Maßnahmen zum Klimaschutz. Deren Erfolg ist von den Städten und Kommunen abhängig. Der Europäische Ausschuss der Regionen hat dazu jüngst seinen Jahresbericht vorgelegt. Den europäischen Kommunen müsse als maßgeblichen Akteuren beim Thema Klimaschutz mehr Mitbestimmung und Beteiligung an politischen Beschlüssen gewährt werden, so die Forderung.

Behörden Spiegel: Was ist das Besondere an Ihrem Unter­ nehmen – auch im Vergleich zu Mitbewerbern? Tsambikakis: Wir haben mittlerweile Erfahrung in allen Branchen, die nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet sind. Die Anforderungen unterscheiden sich teilweise erheblich. Wir können hier immer die branchenspezifische Lösung anbieten. Dadurch ermöglichen wir es allen Verpflichteten, Geldwäscheprävention richtig umzusetzen. Wir gehen innovative Wege, um Geldwäscheprävention einfach, bezahlbar und umsetzbar anzubieten. Ob nun durch digitale Lösungen, die wir im Hintergrund verwenden, oder durch einfache Lösungen, die unsere Kunden direkt nutzen können. Behörden Spiegel: Können Sie Beispiele nennen? Tsambikakis: Dazu zählt zum Beispiel die Prüfung von Kunden durch unsere Know-Your-Customer (KYC)-App. Gerade diese Prüfungen zeigen exemplarisch, wo wir uns von Mitbewerbern unterscheiden: Unsere Nutzenden erhalten nicht nur das “rohe” Ergebnis nach kurzer Zeit – sondern direkt auch Informationen, welche Handlungen aufgrund des Ergebnisses vorgenommen werden sollten. Wir kombinieren hier digitale Lösungen mit unserer Expertise im Bereich Geldwäscheprävention.

soll auf russische Gaslieferungen vollumfänglich verzichtet werden, wodurch die Nachfrage an LNG (Liquefied Natural Gas) als Ersatz stark angestiegen ist. Außerdem kommen erneuerbare Gasquellen wie Wasserstoff und Biomethan infrage. Die EU hat zudem ein Embargo für russisches Öl bis zum Jahresende ausgesprochen. Trotz des Ausweichens auf Alternativen bei der Energieversorgung und der Förderung von Erneuerbaren Energien seien Engpässe wegen des Ausstiegs aus russischen Energieimporten möglich. Hier hat die EU noch einmal nachgelegt – statt auf 40 Prozent soll der Anteil der innovativen Energien nun auf 45 Prozent erhöht werden.

Neuen Problemen bei innovativen Energien vorbeugen

Klimawandel schreitet voran Die Klima- und die Energiekrise gehen zunehmend ineinander über. Zunächst einmal werden weltweit die Auswirkungen des Klimawandels bemerkbar: Seit 1960 schreitet die Erderwärmung um durchschnittlich 0,4 Grad Celsius pro Jahrzehnt voran. Bis zum Jahr 2100 muss mit einer Erwärmung des Klimas von bis zu 2,5 Grad Celsius gerechnet werden, wodurch die Gefahr von Waldbränden und Hitzewellen vor allem in Südeuropa immens ansteigt. Dabei geht es nicht nur um die Zerstörung riesiger Landschaftsumflächen, der Biodiversität sowie der Luft- und Wasserverschmutzung durch die Flammen, sondern auch um enorme wirtschaftliche Schäden als Folge. Für Deutschland liegt hier die Gefahr insbesondere in Überflutungen, die europaweit jährlich mit einer Schadenssumme von 8,5 Millionen Euro zu Buche schla-

ihr Kerngeschäft konzentrieren können.

Die erfolgreiche Umsetzung der europäischen Klimaschutzmaßnahmen liegt in den Händen der Kommunen.

gen. Im Zeitraum von 1980 bis 2020 haben Naturkatastrophen in Europa Wirtschaftsschäden in Höhe von rund zwölf Billionen Euro verursacht. In 80 Prozent der Fälle ist der Klimawandel dafür verantwortlich. Und die Schadenssumme könnte noch weitaus höher ausfallen, wenn nichts unternommen wird: Bis zu 170 Billionen jährlich könnten Prognosen zufolge erreicht werden.

Abhängigkeit von Russland auflösen Zur Problematik des Klimawandels gesellt sich die Energiekrise, zusätzlich angefacht durch den russischen Krieg in der Ukraine. Bei der Energieversorgung befindet sich die EU momentan in

Abhängigkeit von Russland. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Russland ist einer der drei weltgrößten Rohölproduzenten und der international zweitgrößte Gasexporteur. Im Jahr 2021 etwa gingen allein vom Gesamtexport an russischem Öl von insgesamt 4,7 Millionen Barrels Per Day (BPD) 2,4 Millionen BPD an die EU. Seit Kriegsbeginn ist Europa deshalb nochmals verstärkt bestrebt, seiner energetischen Abhängigkeit von Lieferanten aus Nicht-EU-Ländern entgegenzuwirken. Immerhin stammen aktuell 45 Prozent des importierten Gases und 25 Prozent des importierten Öls aus russischer Quelle. Nicht zum ersten Mal stellt sich nun für die EU die

Frage nach der Sicherheit solcher Energiequellen, mit Blick auf enorme Preisteuerungen und den fortwährenden Krieg gewinnt jedoch der Ausstieg aus russischen Energiequellen an Dringlichkeit. Auch der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, Vasco Alves Cordeiro, spricht sich für den Verzicht auf Russland als Energielieferant aus und betont gleichzeitig die Bedeutung des Zusammenhalts der europäischen Kommunen, um die Krise zu bewältigen.

Priorisierte Umsetzung von “Fit for 55” angestrebt Bereits im September 2020 hat die EU das “Fit for 55”-Projekt beschlossen. Bis zum Jahr

BS/andreas160578, pixabay.com

2030 sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent gesenkt werden, bis 2050 soll die EU dann sogar klimaneutral sein. Zudem soll der Anteil der Erneuerbaren Energien 40 Prozent betragen. Der Gasverbrauch soll ebenfalls bis 2030 um 30 Prozent gesenkt werden. Weitere Ziele sind der Erhalt der Biodiversität und die Verringerung der Umweltverschmutzung. Angesichts des russischen Krieges kann es der EU bei der Umsetzung des Projekts zur Energiesenkung und Energieunabhängigkeit nicht schnell genug gehen. Die rasche Umsetzung sämtlicher Ziele soll verstärkt und auch in stärkerem Maße forciert werden. So schnell wie möglich

Aller positiven Aufbruchstimmung auf dem Weg in die energetische Unabhängigkeit und der Hinwendung zu umweltfreundlichen Energiequellen zum Trotz – bei dem großen Vorhaben bleiben Probleme nicht aus. Die ambitionierten Ziele des “Green Deals” befinden sich bereits jetzt im Verzug. Darüber hinaus liegt die konkrete Umsetzung der Klimaschutzziele bei der Bevölkerung: Bürger, Unternehmen und Industrie sind zu Sparmaßnahmen und Investitionen in Erneuerbare Energien angehalten. Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes NRW, begrüßt die Maßnahmen aus dem “Fit for 55”-Projekt, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass sich keinesfalls dieselben Fehler bei der Energieabhängigkeit auf anderer Ebene wiederholen dürften: “Die EU muss die richtigen Rahmenbedingungen zum Beispiel für (grünen) Wasserstoff setzen und darf dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft keine Steine in dem Weg legen.” Das gelte sowohl für die Herstellung innerhalb der EU als auch für den Import und die Verteilung, erläutert Speich weiter. Insbesondere die Diversität der Energiequellen müsste zwingend berücksichtigt werden.


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / November 2022

B

ehörden Spiegel: Herr Schellenberg, was war ihr längstes Nachprüfungsverfahren? Schellenberg: Mein längstes Nachprüfungsverfahren dauerte zwei Jahre. Die Vergabekammer hat die Entscheidungsfrist immer wieder verlängert und ich habe monatlich bei dem Vorsitzenden angerufen, um zu fragen, wann er endlich die mündliche Verhandlung ansetzt. Regelmäßig erhielt ich die Nachricht, man sei überlastet, wegen Krankheit nicht vollständig besetzt etc. Bei meinem letzten Anruf, circa sechs Monate nach Antragseingang, erfuhr ich bei der Geschäftsstelle, dass der Vorsitzende jetzt in Pension gegangen sei und eine Nachfolge noch nicht bestimmt. Danach hat es erneut sechs Monate gedauert, bis die Sache mündlich verhandelt wurde. Bis zur Entscheidung in erster und zweiter Instanz verging dann nochmals ein ganzes Jahr. Das ist allerdings ein Ausnahmefall. Die meisten Verfahren werden innerhalb von acht bis zehn Wochen abgeschlossen. Die Kammer muss ja laut Gesetz nach fünf Wochen entscheiden, kann jedoch im Zwei-WochenRhythmus die Entscheidungsfrist verlängern. Die meisten Kammern machen von diesem Verlängerungsrecht ein bis zwei Mal Gebrauch. Behörden Spiegel: Wie kommt es überhaupt zu Nachprüfungsverfahren bei öffentlichen Aufträgen? Schellenberg: Auslöser ist ein Bieter, der sich diskriminiert fühlt. Er rügt Zuschlagskriterien oder das Wertungssystem und behauptet, dass die Vergabestelle dieses System nur deshalb so gewählt oder die Wertung nur deshalb so vorgenommen habe, um einen Wettbewerber bevorzugen zu können. Behörden Spiegel: Gibt es in dieser Situation noch die Möglichkeit, die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens zu vermeiden?

Schellenberg: Hat sich ein Bieter zum Rechtsstreit entschlossen, so ist es in der Regel schwer, ihn davon abzubringen. Die Vergabestelle kann ihn anhören und versuchen, seine Bedenken zu zerstreuen. Eine solche Anhörung kann heute leicht in Form einer Videokonferenz durchgeführt werden und lohnt jedenfalls den Versuch einer einvernehmlichen Beilegung des Konfliktes.

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Überschätzte Bedeutung? Zur Reform des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens (BS) Viel Aufsehen hat in der Fachwelt der jüngst geäußerte Vorschlag von Prof. Dr. Martin Burgi zur Reform des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens verursacht: Die vergaberechtliche Nachprüfung soll demnach auf eine Instanz reduziert und bei den Oberlandesgerichten (OLG) angesiedelt werden. Dr. Martin Schellenberg, Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, nimmt dazu Stellung. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert er, wie ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren abläuft und was von den Reformvorschlägen zu halten ist. Die Fragen stellte Benjamin Bauer.

Wie viele vergaberechtliche Nachprüfungsinstanzen soll es in Zukunft geben?

Die Vergabestelle kann mit einer Anhörung natürlich auch Zeit gewinnen, in der Hoffnung, dass der Bieter gegen Ende der Zuschlagsfrist nicht mehr in der Lage ist, rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag zustellen zu lassen. Ist der Bieter, wie regelmäßig der Fall, anwaltlich vertreten, so wird er sehr genau über die Fristenlage im Bilde sein und seinen Nachprüfungsantrag bereits fertig in der Schublade haben, bevor er sich auf eine Anhörung einlässt. Behörden Spiegel: Was passiert, wenn der Nachprüfungsantrag eingereicht ist? Schellenberg: Die Vergabekammer prüft zunächst, ob der Antrag offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Bieter Zuschlagskriterien rügt, obwohl sie bereits seit Wochen veröffentlicht sind. Oder er behauptet ins Blaue, kein Wettbewerber könne günstiger als er anbieten. In diesem Fall stellt die Kammer den Antrag gar nicht erst zu. Das kommt erfahrungsgemäß aber sehr selten vor. In der Regel erhält die Kammer den Antrag kurz vor dem beabsichtigten Zuschlag, z. B. am Freitagvormittag, wenn am Montag die Zuschlagsfrist abläuft. In einer solchen Situation

Foto: BS/MQ-Illustrations, stock.adobe.com

“Es macht keinen Sinn, sich “Trümpfe” für die mündliche Verhandlung aufzuheben.” Dr. Martin Schellenberg, Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek Foto: BS/Heuking

stellen die Kammern regelmäßig direkt zu und begründen dies damit, dass der Rechtsschutz nicht leerlaufen darf.

Behörden Spiegel: Welche Bedeutung hat die mündliche Verhandlung im Nachprüfungsverfahren?

Behörden Spiegel: Kann der Auftraggeber in dieser Situation reagieren?

Schellenberg: Die Vergabekammer bildet sich in aller Regel schon vor der mündlichen Verhandlung eine Meinung. Dies bedeutet, dass die Parteien vor der internen Meinungsbildung alle ihre Argumente in Schriftsatzform eingebracht haben müssen. Es macht keinen Sinn, sich “Trümpfe” für die mündliche Verhandlung aufzuheben. Die meisten Vergabekammern und alle OLGs äußern in der Verhandlung ihre Rechtsauffassung. Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Dies führt jedoch nur sehr selten zu einer Mei-

Schellenberg: Er kann mit einer “Schutzschrift” versuchen, die Kammer vom Gegenteil zu überzeugen. Vor dem Hintergrund des hohen Aufwandes, den ein Nachprüfungsverfahren verursacht, ist dies jedenfalls einen Versuch wert, denn wenn die Zustellung verhindert wird, kann der Zuschlag erteilt werden und der vergaberechtliche Rechtschutz ist erloschen. Die Parteien können dann nur noch über Schadensersatz streiten.

nungsänderung aufseiten der Kammer. Einige wenige Kammern verzichten auf die Äußerung der Rechtsmeinung und lassen die Parteien mit ihren Argumenten gegeneinander antreten. Auch hier ist jedoch erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass die Entscheidung vor der Verhandlung bereits feststeht.

im Verfahren wie z. B. für eine produktspezifische Ausschreibung sehr sorgsam begründen. Es empfiehlt sich auch nicht, diese Begründung noch kurz vor dem Nachprüfungsverfahren erst zu erstellen. Das Gesetz sieht vor, dass die Vergabeakte sofort nach Zustellung des Nachprüfungsantrages an die Vergabekammer zu übersenden ist. Die Gerichte sehen hierfür eine Frist von 24 Stunden vor. Viele Nachprüfungskammern verdoppeln diesen Zeitraum jedoch, um nicht zu viel Stress aufseiten der Vergabestelle zu erzeugen. Einmal habe ich es in einem Stadtstaat erlebt, dass der Vergabekammervorsitzende bei der Vergabestelle klingelte, sagte, er sei gerade zufällig in der Mittagspause vorbeigekommen und könne bei dieser Gelegenheit ja gleich die Vergabeakte mitnehmen. Im hinteren Raum war man allerdings gerade damit beschäftigt, eben diese Akte “auf Vordermann” zu bringen. Man kann sich leicht ausmalen, welche Hektik dann entstanden ist. Behörden Spiegel: Wäre es sinnvoll, die vergaberechtliche Nachprüfung auf eine Instanz zu beschränken und bei den Oberlandesgerichten anzusiedeln?

Schellenberg: Ich meine nicht. Prof. Burgi überschätzt die Bedeutung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren in der Praxis. Weniger als ein Prozent aller EU-Vergaben werden durch Nachprüfungsverfahren angegriffen. Eine wesentliche Beschleunigung ist hier nicht zu erreichen. Beide Instanzen haben ihre BeBehörden Spiegel: Wie wichtig rechtigung. Die Vergabekammern können ist die Vergabeakte im Nachprüstärker in den Sachverhalt einfungsverfahren? steigen und sind aufgrund der Schellenberg: Die Bedeutung Verwaltungsnähe in der Lage, der Dokumentation des Vergabe- den Entscheidungsprozess der verfahrens ist im Nachprüfungs- Vergabestelle zu überprüfen. Die verfahren nach wie vor sehr hoch. Oberlandesrichter sehen den Zwar hat der Bundesgerichts- Fall dagegen durch die stärker hof vor einigen zivilrechtliche Jahren entund vertrag“Eine wesentliche schieden, dass liche Brille. DokumentatiBeides hat Beschleunigung ist on kein Selbstseine Berechhier nicht zu zweck ist und tigung. Die erreichen.” sogar noch im Abschaffung einer zweiten Nachprüfungsverfahren eine Instanz wäre Nachdokumentation erfolgen auch ein Verlust an Rechtskann. In der Praxis tendieren schutz. Sinnvoller wäre es, die die Vergabekammern aber erfah- Vergabekammern personell so rungsgemäß nach wie vor dazu, auszustatten, dass sie ihrer das Verfahren kritisch zu sehen, Aufgabe schneller nachkommen wenn es Dokumentationsmängel können. Gut wäre auch eine einaufweist. Öffentliche Auftragge- heitliche Ausbildung für Vergaber sind also gut beraten, wenn bekammermitglieder. Abschaffen sie die sensiblen Entscheidungen würde ich die Kammern nicht.

14 Jahre später Bericht zur ersten Vergabestatistik von Bund, Ländern und Kommunen (BS/Jörn Fieseler) Lange hat es gedauert. Über eine Dekade wurde davon ausgegangen, dass jährlich rund 2,4 Millionen Vergabeverfahren in Deutschland stattfinden und rund 300 Milliarden Euro von mehr als 30.000 Vergabestellen ausgegeben werden. Jetzt liegt der erste Halbjahresbericht der Vergabestatistik vor. Und er enthält einige Überraschungen. Man erinnere sich: 2008 erschien im Auftrag des damaligen Bundeswirtschaftsministeriums die “Kostenmessung der Prozesse öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge aus Sicht der Wirtschaft und öffentlichen Auftraggeber”. Darin gab es zum ersten Mal Angaben über die Prozesskosten von Vergabeverfahren und deren Anzahl. Anhand dieser Studie ist man von 2,4 Millionen Vergaben ausgegangen. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit angenommen, dass zwischen 16 und 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf öffentliche Aufträge zurückzuführen sind. Je nach Höhe des BIP waren das zwischen 250 und 300 Milliarden Euro. Diese Rechnung basierte auf einer Studie der Europäischen Kommission für ganz Europa, deren Ergebnisse auf Deutschland heruntergerechnet wurden.

Eine erste Konkretisierung sollte Anfang der 2010er-Jahre erfolgen. Im Rahmen des Konjunkturpakets II sollte eine Statistik der darüber vergebenen Aufträge in einer Studie ebenfalls im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt werden. Doch auf die Veröffentlichung dieser Studie wartet die Fachwelt noch heute. Nun der erste Bericht. “Es war ein wichtiges Anliegen der Vergaberechtsmodernisierung 2016, eine grundlegende Statistik über die Beschaffungstätigkeit in Deutschland aufzubauen”, erinnert Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Damit leiste die Statistik einen wertvollen Beitrag zu evidenzbasierter Wirtschaftspolitik für das strategisch und gesamtwirtschaftlich so wichtige Feld der öffentlichen Beschaffung. 8.924 Berichtsstellen sind in der

Vergabestatistik registriert, rund die Hälfte (54,5 Prozent) haben an die Statistik Daten gemeldet und 8.413 Auftraggeber angegeben. Diese haben rund 87.000 Vergabeverfahren gemeldet, mit einem Volumen von 53 Milliarden Euro. Damit wurde eine Annahme aus früheren Zeiten bestätigt. Rund die Hälfte aller Vergaben wurden auf kommunaler Ebene durchgeführt (rund 52 Prozent). 27 Prozent entfallen auf die Länderebene – auch diese Zahl wurde in der Vergangenheit angenommen – und über elf Prozent auf den Bund. Die übrigen knapp zehn Prozent entfallen auf sonstige Auftraggeber. Etwas anders sieht die Verteilung beim Beschaffungsvolumen aus. Von den insgesamt 53 Mrd. Euro entfallen rund 19 Prozent auf den Bund, weitere 38 Prozent auf die Länder und knapp 30 Prozent auf die Kommunen. Die übrigen 13

Prozent sind von sonstigen Auftraggebern verausgabt worden. Die Statistik hat jedoch eine Schwachstelle: Meldepflichtig sind alle öffentlichen Aufträge von öffentlichen Auftraggebern ab einem Wert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer sowie Konzessionen von Konzessions- und Sektorenauftraggebern oberhalb der gültigen EU-Schwellenwerte. Aufträge zwischen 1.001 und 25.000 Euro können freiwillig angegeben werden. Außerdem sind in der Anfangsphase noch Fehler bei den grundlegenden Angaben gemacht worden. Damit sind die früheren Werte nun endlich konkretisiert. Wie sehr sie diese jedoch widerlegen, wird sich erst mit den nächsten Berichten zeigen. Denn erst dann werden sich die Zahlen verdichten und ein tatsächliches Bild zur Auftragsvergabe in Deutschland geben.

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Beschaffung / Vergaberecht

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► Entscheidungen zum Vergaberecht

Schnell und sicher ans Ziel Es geht “hoch & weit” dank externer IT- und Vergaberechts-Expertise (BS/Susanne Hartwein) Im deutschen Bildungssystem ist die wissenschaftliche Weiterbildung weit weniger bekannt als die klassischen beruflichen Angebote. Höchste Zeit, das zu ändern, so die Empfehlung des Wissenschaftsrats. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat deshalb das Portal “hoch & weit” realisiert. Von der Ausschreibung über die Vergabe bis hin zur Dokumentation und Qualitätssicherung wurde das Projekt von einem externen Beratungsunternehmen begleitet.

Schnelles PingpongZusammenspiel Das Leistungsverzeichnis wurde von Wurm und seinem Team erstellt und von Valora Consulting kritisch in Hinblick auf die exakte Beschreibung der IT-Funktionalitäten sowie die vergaberechtliche Konformität geprüft. “Letztendlich haben wir in acht Monaten ein 300 Seiten starkes Dokument erstellt”, erinnert sich Wurm. “Das war nur möglich dank des schnellen Pingpong-Zusammenspiels mit dem Geschäftsführer des Unternehmens, Prof. Dr. Walter Gora und seinem Team. Schließlich dürfen keine Fristen versäumt werden und die Bieter müssen genau wissen, was von ihnen gefordert wird.” Das Projekt wurde auf Empfehlung der Berater in die drei Lose aufgeteilt. Los eins umfasste die Software-Entwicklung des Informationsportals inklusive ergänzender Dienstleistungen, Los zwei die Realisierung eines Weiterbildungs-Interessentests auf Grundlage marktgängiger Software und das dritte Los den IT-Betrieb der ausgeschriebenen SW-Lösungen von Los eins und Los zwei inklusive ergänzender

Das richtige wissenschaftliche Weiterbildungsangebot zu finden, ist gar nicht so einfach. Eine Orientierungshilfe ist die Plattform "hoch & weit". Foto: BS/XtravaganT, stock.adobe.com

Dienstleistungen. Außerdem unterstützte das Beratungsunternehmen bei der Erstellung weiterer Vergabeunterlagen wie Bewerbungsbedingungen und Bewertungsmatrix sowie bei der inhaltlichen und juristischen Beratung bei der Beantwortung von Bieterfragen.

unterstützt, die Bieterpräsentationen moderiert und bei den Vertragsverhandlungen beraten: “Vertragliche Aspekte mit mittelständischen Software-Firmen zu regeln ist nicht so einfach, wie man denkt. Vieles wird auch erst einmal falsch interpretiert, weil dort oft an einer rechtlichen Unterstützung gespart wird.” Persönliche Kompetenzen Die Weiterbildungsplattform entscheidend hoch & weit ist seit April 2022 Auch bei der Wahl des Vergabe- online. Bis zum Ende der Proverfahrens hat die Firma die HRK jektlaufzeit 2023 beansprucht beraten. Die Entscheidung fiel die HRK noch die Expertise von letztendlich auf einen Teilneh- Valora Consulting für die ausmer-Wettbewerb mit anschlie- schreibungskonforme technißender Bieterpräsentation und sche Feinspezifikation der IT, die Vertragsgesprächen. Wurm: “So Qualitätssicherung während der konnten wir neben den schrift- Implementierungsphase sowie lichen Dokumenten auch einen die Vollständigkeit der DokuEindruck über die persönlichen mentation zur Prüfung durch Kompetenzen der Bieter bekom- den Bundesrechnungshof. Auch die Juristin für Vergaberecht des men.” Trotz der optimalen Vorarbei- Beratungsunternehmens ist weiten wurden die Ausschreibun- terhin gefordert, um im Zweifel gen durch die Corona-Pandemie einen rechtlichen Abgleich zwibeeinträchtigt. Viele potenzielle schen Leistungsbeschreibung Bieter hatten ihre Belegschaft und Angebot vorzunehmen. Die Bilanz von Projektleiter in Kurzarbeit geschickt. Daher war die Resonanz auf die Wurm: “Das Projekt läuft prima. Demnächst steht noch die Suchmaschinenoptimierung an. Das Einpflegen der Daten durch die Hochschulen funktioniert sehr gut, weil es intuitiv Susanne Hartwein ist freie Journalistin. und damit einfach ist. Unser ZuwenFoto: BS/privat dungsgeber, das BundesministeriAusschreibungen nicht so groß um für Bildung und Forschung wie erwartet. Los zwei und drei (BMBF), ist ebenfalls zufrieden. mussten erneut ausgeschrieben Insgesamt ist festzuhalten, dass werden. “Das Problem besteht Ausschreibungen dieser Dimenbei vielen IT-Ausschreibungen sion eine große Herausforderung immer noch”, so Prof. Gora. “Ak- sind. Wenn wir das ohne Untertuell liegen die Gründe für die stützung gemacht hätten, hätten geringe Resonanz von Bietern wir wahrscheinlich mehr Proim Fachkräftemangel begründet, bleme gehabt oder schlicht mehr bei einem gleichzeitig hohen Auf- Personal benötigt.” tragseingang in der IT-Branche.” Gora hat die HRK auch bei Die Plattform finden Sie unter: der Bewertung der Angebote https://hoch-und-weit.de

Hamburger Vergabetag 2022 19. – 20. Januar 2022, Handwerkskammer Hamburg

Weitere Informationen: www.hamburger-vergabetag.de

Foto Hamburg: © John Smith, stock.adobe.com

“Wir sind ja keine IT-ler”, sagt Roger Wurm. Er ist der Projektleiter des Weiterbildungsportals hoch & weit der HRK – dem freiwilligen Zusammenschluss von aktuell rund 270 staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland. “Folglich hat sich unsere Verwaltung nach kompetenten Beratern umgeschaut, die Erfahrungen bei der Durchführung europaweiter Ausschreibungen haben sowie Expertise im Vergaberecht und in der IT mitbringen”, so Wurm. Die Wahl fiel Ende 2019 auf Valora Consulting, weil dort alle geforderten Kompetenzen vorhanden sind. Ziel war die Realisierung der Plattform “hoch & weit”, auf der Interessierte die Weiterbildungsangebote deutscher Hochschulen abfragen können. Die Grundlage der Plattform ist eine Datenbank, in die Hochschulmitarbeiter über eine online verfügbare Eingabemaske Daten zu Weiterbildungsangeboten eintragen können. Darauf aufbauend steht Weiterbildungsinteressierten eine im Internet frei zugängliche grafische Benutzeroberfläche mit entsprechenden Suchmöglichkeiten und weiterführenden Informationen zur Verfügung.

Behörden Spiegel / November 2022

► PREISSTEIGERUNG

Auskömmlichkeit unklar Maßstab bleibt Beginn des Verfahrens Zwischen Bekanntmachung und Submissionstermin für eine Bauausschreibung fiel der Beginn des Krieges gegen die Ukraine. Schon wenige Tage nach Kriegsbeginn zeichnete es sich ab, dass die Baukosten wegen Materialverknappung sprunghaft steigen werden. Deswegen hat der Auftraggeber einige Tage nach der Submission von allen Bietern gefordert, sie sollten die Auskömmlichkeit ihrer Angebote auch unter den neuen Rahmenbedingungen bestätigen. Seine nach Submission aktualisierte Kostenschätzung sah nämlich eine um 50 Prozent erhöhte Bausumme als realistisch an. Diejenigen, die diese Bestätigung nicht abgaben, schloss er als unauskömmlich aus. Der Bestbieter wehrt sich gegen seinen Ausschluss – mit Erfolg. Die wiederholte Kostenschätzung kann nach Ansicht der Vergabekammer kein Maßstab für die Auskömmlichkeit der Angebote sein. Sie muss nämlich zwingend vor Abgabe der Angebote durchgeführt werden, weil ansonsten eine Manipulation der Vergabe durch den Auftraggeber möglich wäre. Hinzu kommt, dass in diesem Falle auch diese neue Kostenschätzung innerhalb von Tagen wieder obsolet wurde, weil sich die Preise derartig schnell veränderten. Eine noch spätere Kostenschätzung hätte womöglich zum Ausschluss aller Angebote führen müssen. Und im Übrigen, sagt die Vergabekammer, kann sich die Auskömmlichkeitsprüfung selbstverständlich nicht darauf beschränken, einfach die Bieter zu fragen, ob sie die Auskömmlichkeit bestätigen können. Das Verfahren muss ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe wiederholt werden. VK Westfalen (Beschl. v. 12.07.2022, Az.: VK 3-24/22)

► PUNKTEVERGABE

Nicht rund gelaufen Unzulässige gebrochene Zahlen Es sind oft Kleinigkeiten, die ein Vergabeverfahren in die Rechtswidrigkeit führen. So hatte ein Auftraggeber bei der Punktevergabe durch eine Jury nicht klargestellt, dass die Vorgabe, es würden nur ganze Noten vergeben, sich auf die Beurteilung der einzelnen JuryMitglieder bezieht und nicht auf den Mittelwert derer Bewertungen. Im Ergebnis war er also dazu genötigt, diese Mittelwerte auf ganze Zahlen zu runden. Dummerweise führt das im Vergleich zu den ungerundeten Werten dazu, dass die beiden führenden Bieter dadurch die Plätze tauschen. Der Streit war damit unausweichlich. Er endet vor dem Kammergericht, das Folgendes feststellt: Einerseits war es richtig, auf kaufmännisch ganze Noten zu runden. Andererseits war es aber intransparent, dass die Jury-Mitglieder nicht wussten, ob ihre Bewertungen gemittelt werden sollten oder ob sie sich auf ganzzahlige Noten einigen sollten. Damit war die Grundlage der Jury-Entscheidungen schon erodiert. Im Ergebnis war die Entscheidung des Auftraggebers, unter diesen Umständen die Jury (krankheitsbedingt mit

geänderter Besetzung) erneut nach nun klargestellten Regeln entscheiden zu lassen, nicht zu beanstanden. Denn es ist so, dass zwar die Kriterien zwingend bekannt gemacht werden müssen, nicht aber die Methode ihrer Auswertung. Sie darf nur freiwilligen Angaben dazu in den Vergabeunterlagen nicht zuwiderlaufen. Das Kammergericht erlaubt in diesem Ausnahmefall auch die Korrektur der ungeeigneten Methode nach Submission, um eine Rückversetzung des Verfahrens zu vermeiden. KG Berlin (Beschl. v. 27.06.2022, Az.: Verg 4/22)

► NACHUNTERNEHMER

Zweifelsfall Prüflabor Schwierige Abgrenzung Ein Nachunternehmer zeichnet sich dadurch aus, dass er Aufgaben wahrnimmt, die eigentlich der Auftragnehmer selbst erledigen müsste. Er steht dazu nur in Vertragsbeziehung zum Auftragnehmer, nicht aber zum Auftraggeber. Lieferanten sind demgemäß keine Nachunternehmer, ebenso wenig wie z. B. ein Geräteverleih. Ein Grenzfall ist das Prüflabor z. B. für die Bestimmung von Asbestfasern in Bestandsgebäuden. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat nun Regeln für die Abgrenzung aufgestellt. Legt der Auftraggeber fest, dass eine bestimmte Prüfstelle einzuschalten ist oder ist eine Prüfung verlangt, die ein Auftragnehmer z. B. aus rechtlichen Gründen gar nicht selbst durchführen kann, so ist das Prüflabor kein Nachunternehmer. Kann und darf jedoch der Auftragnehmer grundsätzlich selbst diese Leistung erbringen und hat der Auftraggeber keine Vorgabe dafür gemacht, wer prüfen soll, kann das Prüflabor Nachunternehmer sein und müsste als solcher auch angegeben werden. Das ist für einen Bieter schwer zu beurteilen, der sich mit diesen Prüfleistungen gar nicht auskennt und deswegen einen Dritten einschalten will. Im konkreten Fall hat das BayObLG festgestellt, dass es zwar unüblich, aber durchaus möglich ist, dass sich ein Asbestsanierungsbetrieb selbst als Prüflabor akkreditieren lässt. Demnach ist das Einschalten eines externen Labors eine Nachunternehmerleistung. BayObLG (Beschl. v. 31.08.2022, Az.: Verg 18/21)

► KARTELLVERSTOSS

Ermittlungsergebnis abwarten Zuvor kein Ausschlussgrund Der Anbieter von Schienenpersonenverkehrsleistungen hat Probleme mit seiner Familie: Seine Großmuttergesellschaft im Konzern musste schon ein Bußgeld wegen verbotener Marktabsprachen zahlen. Und gegen die Muttergesellschaft ermittelt die EU-Kommission. Das nimmt ein Konkurrent zum Anlass, den Ausschluss dieses Bieters zu fordern. Ihm seien die Verstöße seiner Konzernahnen zuzurechnen. Doch so einfach ist die Lage nicht. Die Großmutter betreibt reinen Güterverkehr. Der ist nach dem Eisenbahngesetz organisatorisch und kaufmännisch vollständig vom Personenverkehr zu trennen. Der Verstoß geschah also in einer komplett anderen Konzernsparte und kann da-

her dem aktuellen Bieter nicht zugerechnet werden. Die Untersuchung der EU-Kommission gegen die Konzernmutter betrifft den Verleih und Verkauf gebrauchter Eisenbahnwagen, also auch ein völlig anderes Geschäft als die Erbringung von Verkehrsleistungen. Das ist zwar eine etwas eigentümliche Konzernstruktur, ändert aber nichts an der Tatsache, dass alle drei Gesellschaften vergaberechtlich als eigenständige Wirtschaftsteilnehmer zu betrachten sind. Und letztlich ist auch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens regelmäßig nicht ausreichend für den Ausschluss. Einen für einen Ausschluss hinreichenden Anhaltspunkt des Verstoßes gewährt erst das Ermittlungsergebnis. Der Bieter wurde dennoch ausgeschlossen. Er war fachlich ungeeignet. VK Südbayern (Beschl. v. 06.07.2022, Az.: 3194.Z3-3_01-21-72)

► SELBSTAUSFÜHRUNG

Verbotenes Gebot Offensichtlich Falsches sofort rügen! Die den Auftrag vergebende Kommune will Breitbandkabel verlegen lassen. Sie sieht in der Notwendigkeit einer zügigen Wiederherstellung der Straßendecke nach der Verlegung eine kritische Tätigkeit. Deswegen glaubt sie, es sei ihr erlaubt, von den Bietern zu verlangen, dass diese vom Gesamtprojekt 50 Prozent und von der Herstellung der Hausanschlüsse 80 Prozent selbst ausführen. Dieses Selbstausführungsgebot steht allerdings nicht in den Mindestbedingungen für den Auftrag, sondern findet sich als K.-o.-Kriterium in der Anforderung an ein Qualitätssicherungskonzept. Ein nicht zum Zuge gekommener Bieter lässt das Verfahren von seinem Rechtsbeistand prüfen und rügt erst dann die Rechtswidrigkeit dieses Selbstausführungsgebotes. Zu spät, meint die Vergabekammer Sachsen. Diesen Passus der Vergabeunterlagen müsse der Bieter bereits bei der Bearbeitung seines Angebotes gesehen haben, zum einen, weil er für ihn unmittelbar kalkulationsrelevant ist, zum anderen, weil er ja auch genau so angeboten hatte. Schon damals aber hätte er diese Vorgabe auch rügen müssen. Dass es dem Auftraggeber nicht erlaubt ist, eine solche Quote vorzuschreiben, ergibt sich unmittelbar aus der VOB/A-EU. Diese Vorschrift ist branchenbekannt. Ein erfahrener Bieter hätte auch ohne Rechtsberatung wissen können und müssen, dass dieses Gebot vermutlich rechtswidrig ist. Er hätte sich also rechtzeitig rechtlichen Rat einholen müssen. Weil er den Fehler nicht vor Angebotsabgabe gerügt hat, bleibt sein Nachprüfungsantrag erfolglos. VK Sachsen (Beschl. v. 25.06.2021, Az.: 1/SVK/009-21)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

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-7372 -7213

Bürger/innenbeauftragter Sven Feß, ROR

-7554

Referat B4 Internationales im Bildungsbereich Pierre Lang, RSchD

Referat B5 Entwicklungszusammenarbeit, Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Demokratiepädagogik Isabelle Kiehn, OStR’in m.d.W.d.G.b. -7983

Referat A5 Haushalts-, Kassen-, Rechnungswesen, Zuwendungen, Angelegenheiten des Rechnungshofes, Bau und Liegenschaften Karin Schmitz, MR’in -7556

Referat A6 IT-Services Tim Feyerabend, RB

-7876

Referat A4 Fachliche Rechtsangelegenheiten, Normgebung, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Dienst und Arbeitsunfälle Judith Ollig, MR’in -7293

-7378

-7278

Referat B3 Bildungsgerechtigkeit, Arbeitswelt, Gesunde Schule Annerose Wannemacher, MR’in

Referat A3 Justiziarat, Zentrale Vergabestelle Martin Ackermann, MR

-7262 -7298

-7389

Referat C5 Berufliche Schulen Reiner Groß, RSchD Nicole Stephan, StR’in m.d.W.d.G.b. Referat C6 Lehrkräfteaus- und -weiterbildung, Qualitätssicherung an Schulen, Lehrplanentwicklung Kerstin Bay, RSchD’in

Referat D6 Personalverwaltung Lehrkräfte 3 – Besoldung, Beamtenversorgung, Tarifentgelte Daniela Feld, RAR’in -7429

Referat D5 Personalverwaltung Lehrkräfte 2 – Personalverwaltung und Grundsatzfragen Martina Bost, MR’in -7504

Referat D4 Personalverwaltung Lehrkräfte 1 – Einstellungsverfahren und Privatschulen Thorsten Diedrich, StD m.d.W.d.G.b. -7481

Referat D3 Digitale Bildung 3 – Haushalts- und Rechtsangelegenheiten, Schulstatistik Michael Weller, RR -7354

Referat D2 Digitale Bildung 2 – Technische Grundsatzfragen und Schulverwaltungssysteme Guy Philipp Bollbach, StR m.d.W.d.G.b. -7440

Referat D1 Digitale Bildung 1– Pädagogische Grundsatzfragen und Einsatz von Bildungstechnologien Gerrit Müller, StR m.d.W.d.G.b. -7236

Abteilung D

Digitalisierung an Schulen und Personalverwaltung Lehrkräfte Cemil Kirbayir, RSchD -7533

-7969

-3300

-7409

Behördliche Datenschutzbeauftragte Jutta Krüger, RBe -7372 Beschwerdestelle gem. § 13 AGG Jörn Kölsch, RD -7226 Sicherheitsbeauftragte Jörg Walter, RB -7331 Ina Weirich, ROR’in -7485 Ombudsstelle BEM an Schulen -7282 Heidi Messemer, StR’in Friedrich Singer, FSRe Pflegelotsen Pauline Beyer, RBe -7319 Wolfgang Rößler, RB -7224 Elternguide -7536 Dominique Althaus, Le’in

Referat E4 Allgemeine und politische Weiterbildung Willi Kräuter, RB -7214

Referat E3 Schulsport und Schulfahrten Marion Herzog, RSchD’in

Referat E2 Rechtsangelegenheiten und Controlling für die frühkindliche Bildung Ulrike Lang, MR’in -3221

Referat E1 Frühkindliche Bildung und Betreuung Daniel Treser, StR m.d.W.d.G.b. -7564

Abteilung E

Frühkindliche Bildung, Weiterbildung, Schulsport Dr. Michael Franz, LMR

Abteilung F

-7463

-7360

Referat F6 Industriekultur und Denkmalpflege, Landesgeschichte N.N.

Referat F5 Künstlerische Hochschulen, Hochschulrecht, referatsübergreifende Haushalts- und Verwaltungsangelegenheiten der Abteilung Annette Ruffing, MR’in -7468

Referat F4 Förderprogramme Kultur, Industriekultur und Berufliche Schulen Thorsten Henkes, RB -7893

Referat F3 Regionale und nationale Kultureinrichtungen Dr. Anna-Maria Norekian, MR’in

Referat F2 Allgemeine Kunst- und Kulturpflege, Breiten- und Soziokultur, Bibliotheken Jörg Sämann, RB -7458

Referat F1 Grundsatzangelegenheiten der Kultur, Industriekultur und der kulturellen Bildung, Internationale Zusammenarbeit Uschi Macher, RBe -7297

Kultur, Industriekultur, Denkmalpflege Nil Berber, RBe

Referat M2 Ministerrats- und Parlamentsangelegenheiten, KMK, überregionale Koordinierung, bildungspolitische Grundsatzangelegenheiten, Koordinierung digitale Teilhabe in der Bildung Gabriele Lambert, RBe -7270

Referat M1 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Lukas Münninghoff, RB

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Ministerium für Bildung und Kultur Saarland Stand: November 2022

Personelles

Vorsitzende des Hauptpersonalrates Anna Haßdenteufel, OStR’in -06897/7908-147 Vorsitzender des Personalrates -7474 Peter Loris, RB Vertrauensfrau der Schwerbehinderten Anja Schuff, KoRe’in -7398

-7274 -7329

-7390

-7205

Gymnasien Sylvio Schaller, RSchD Andrea Zimmermann, RSchD’in

Referat C4

Referat C3 Gemeinschaftsschulen Sabine Bleyer, RSchD’in N.N.

Förderschulen Pascal Decker, MR

Referat C2

Referat B2 Schulentwicklung und Ganztagsschulen Monika Hommerding, MR’in -7349 -7201 Stephanie Forster, RD’in

-7314

Referat A2 Organisations- und Personalentwicklung Controlling -7446 Lars Altenkirch, MR

-7201 -6670

Referat C1 Grundschulen Christine Ewen, MR’in N.N.

Referat B1 Multiprofessionalität in der Bildung Stephanie Forster, RD’in Anna Viktoria Fretter, RR’in

Referat A1 Personalangelegenheiten und allgemeine Verwaltung Kerstin Becker, RR’in -7271

Abteilung C

Jan Benedyczuk

Staatssekretär

Foto: BS/Holger Kiefer

Christine Streichert-Clivot

Ministerin

Allgemeinbildende Schulen, berufliche Schulen Dr. Kathrin Andres, LMR’in -7350

-7410

-7252

-7203

Büro der Ministerin Büroleiter Nico Schanding, RB Persönlicher Referent Iven Burg, RB

Abteilung B

Prüfungsamt für das Lehramt an Schulen Charlotte Marchal-Ruppenthal, MR’in -7689

Antikorruptionsbeauftragte Jutta Krüger, RBe

Frauenbeauftragte Anika Schmitt-Riechelmann, ROR ’in -7340

Bildungspolitische Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten Nicole Cayrol, RBe -7348

Zentralabteilung Oliver Suhr, MDgt

Abteilung A

Ministerium für Bildung und Kultur Saarland Trierer Straße 33 66111 Saarbrücken Telefon: 0681/501-00 Telefax: 0681/501-7500 Internet: www.bildung.saarland.de

Ministerium für Bildung und Kultur Saarland

Behörden Spiegel / November 2022 Seite 11


Diplomaten Spiegel

Seite 12

Behörden Spiegel / November 2022

Deutschland ist meine zweite Heimat Berliner Gespräch mit dem mongolischen Botschafter Dr. Mandakhbileg Birvaa

Seit rund einem Jahr präsentiert er den Mongolischen Staat in Deutschland: Botschafter Dr. Mandakhbileg Birvaa.

(BS/ps) Das mongolische Heer ist mit 100.000 Mann den 40.000 auf deutsch-polnischer Seite zahlenmäßig und vor allem ob ihrer modernen, operativen Kriegsführung taktisch hoch überlegen. Mit leichter Kavallerie fügen sie den verdutzten Alliierten schwere Verluste zu, galoppieren davon und lassen allenfalls Strohpuppen auf den Pferden zurück, um die Gegner, etwa 1241 bei der Schlacht bei Liegnitz, so über ihre wahre Truppenstärke zu täuschen.

D

er russische Fürst Potjomkin greift die Idee gut 500 Jahre später auf und lässt, vor dem Besuch seiner Zarin Katharina 1787, im neu eroberten Neurussland Dörfer aus bemalten Kulissen errichten, um so seine “Aufbauerfolge” vorzutäuschen. Letztere, sogenannte “Potemkinsche Dörfer”, erfreuen sich bis heute allüberall großer Beliebtheit. Die Absätze an den Stiefeln der mongolischen Kavallerie auch. Sollten sie weiland verhindern, dass der Reiter bei wildem Galopp aus den Steigbügeln rutscht und koppheister vom Pferd fällt, haben die Fersenerhöhungen mittlerweile bei Absatzschuhen, Pumps oder Stöckelschuhen eher modische Funktionen. Auch in der Mongolei, einem friedlichen, 1,6 Millionen Quadratkilometer großen Land, in dem seine 3,3 Millionen Einwohner bequem Platz haben, weil nur zwei auf einen Quadratkilometer kommen. Bei uns sind es 230!

Seit fast einem Jahr im Amt Unsere engen bilateralen Beziehungen zu dem am dünnsten besiedelten Staat der Welt reichen bis in die 1920er-Jahre zurück, als die ersten mongolischen Studenten nach Deutschland kommen. Seitdem sind wir ein beliebtes Studienland, vor allem als die Regierungen in Bonn und Ulaanbaatar 1974 diplomatische Beziehungen aufnehmen. 2024 werden diese 50. Nach dem demokratischen Neuanfang der Mongolei 1990, bis dahin faktischer Bestandteil der Sowjetunion, machen die Demokratisierung und der Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen beachtliche Fortschritte hin zu einer gegenseitigen vertrauensvollen Partnerschaft in allen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Mandakhbileg Birvaa kann, als er im Dezember letzten Jahres Botschafter bei uns wird, zufrieden sein. Der 58-Jährige kennt Land und Leute noch aus seiner Studienzeit in Leipzig, wo er bis 1987 Jura studiert, danach von 1993 – ’98

in Heidelberg seinen Magisteranschluss macht und zum Dr. jur. promoviert. 1999 tritt er in den diplomatischen Dienst und kommt, im Wechsel mit Positionen im Außenministerium in Ulaanbaatar, immer wieder an die Botschaft in Deutschland, bis er 2021 deren Hausherr in Berlin wird. Da fügt es sich gut, dass im Frühjahr dieses Jahres die Entwicklungshilfe mit der Mongolei weitergeht. “Dafür sind wir Bundeskanzler Olaf Scholz sehr dankbar”, betont Dr. Birvaa, “weil so unsere Beziehungen fortgeführt und ausgebaut werden können. So ist gerade die Vergabe von Stipendien und Ausbildungsplätzen an junge Mongolen in Deutschland eine wünschenswerte und geeignete Form der Zusammenarbeit.”

Duales Bildungssystem übernehmen Was auch für unser duales Berufsausbildungssystem gilt, von dem die Ostasiaten hoffen, dass es auch bei ihnen vor Ort

funktioniert. Die dortigen Unternehmer wollen, so der Plan, nicht mehr länger Lieferanten billiger Rohstoffe sein, sondern die Wertschöpfung durch neue Technologien und besseres Know-how erhöhen. “Made in Germany” für Fernost. Die Reform des Berufsbildungssystems wird von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) begleitet und berät ausgewählte Bildungseinrichtungen bei der Verbesserung der formalen technischen Ausbildung sowie bei der Etablierung eines kooperativen Ansatzes zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Im Rahmen des GIZ-Projektes “Kooperative Berufsbildung”, das zudem durch die Schweiz und Australien kofinanziert wird, lernen über 100 ostasiatische Berufsschüler in Fächern wie Metall- und Straßenbau, Krankenpflege und Informatik an deutschen Schulen in Ulaanbaatar. Seit die Mongolei den friedlichen Übergang zu einem demokra-

Fotos: BS/Botschaft der Mongolei

tisch-parlamentarischen Regierungssystem vor über 30 Jahren geschafft hat, ist die politische Lage dort stabil. “Durch demokratische Wahlen”, so Botschafter Birvaa, “gibt es regelmäßige, reibungslose Regierungswechsel nach den Wahlen. Momentan ist die Volkspartei an der Macht.” “Die wirtschaftliche Situation ist wegen der Corona-Pandemie und des Russland-Ukraine-Konflikts nicht einfach. China als Abnehmer von unseren Rohstoffen betreibt eine strikte Anti-Covid-Politik, sodass unsere Exporte in das Nachbarland geringer geworden sind. Und die Treibstoff-Importe aus Russland, von denen wir zu 100 Prozent abhängen, sind, wie die Weltmarktpreise, seit dem 24. Februar 2022 deutlich gestiegen”, berichtet der Botschafter.

Der Anfang ist gemacht Zum Glück funktionieren die heimischen zwölf Kohlekraftwerke, mit deutscher Entwicklungshilfe modernisiert, gut, sodass die Fernwärme bezahlbar ist. Hauptgarant der Energieversorgung bleiben vorerst die fossilen Brennstoffe Kohle und Heizöl. In der Zukunft will man aber umweltverträglichere neue Lösungen finden und peilt bis 2030

an, die lokale Stromproduktion zu etwa 30 Prozent auf Basis erneuerbarer Quellen bestreiten zu können. Die Regierung in Ulaanbaatar und die Asiatische Entwicklungsbank planen gemeinsam mehrere Solar- und Windprojekte. Zudem entsteht im Westen des Landes ein größeres Wasserkraftwerk. Wie auch immer – der Anfang ist gemacht.

Von -30 bis +40 Grad Celsius Im Tourismus braucht es eines solchen nicht, denn die Mongolei ist mit ihren Steppen, Hochgebirgen und Wüsten schon längst vor allem bei Naturliebhabern und Abenteuertouristen sehr beliebt. Trotz des Klimas! Im Winter können die Temperaturen auf bis zu minus 30 Grad sinken und im Sommer in der Wüste Gobi bis auf 40 Grad ansteigen. Viele der Gebiete stehen unter Naturschutz. Eines der interessantesten Ziele ist der Nationalpark Gobi Gurwan Saichan. Hier wurden unter anderem die bisher weltweit größten Saurierknochen gefunden. Sehr sehenswert sind der Terchin Tsagaan, ein “weißer See” mitten in einer Vulkanlandschaft, die Bergregion Changai, mit mehr als 40 heißen Quellen und natürlich

Ulaanbaatar, das auf 1.650 Metern liegt, umgeben vom Berg Bogd Khan Uul.

Zweite Heimat Deutschland In der Stadt selbst gibt es zahlreiche ehrwürdige Klöster, Tempelanlagen und viele Museen wie das für Naturkunde oder das der Schönen Künste. Um all das und anderes mehr zu besuchen, dürfte man wohl vier Urlaube brauchen. Schließlich ist die Mongolei auch vier Mal größer als Deutschland. “Es ist meine zweite Heimat. Über 20 Jahre habe ich hier in Leipzig, Heidelberg und Berlin gelebt. Deshalb fällt mir auch so viel ein, wenn ich an Deutschland denke: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx, Martin Luther, die Wartburg, das Völkerschlacht-Denkmal Leipzig, das Heidelberger Schloss, Schloss Bellevue, der Berliner Fernsehturm, der Gendarmenmarkt, BMW, Mercedes-Benz, VW Golf, Bundesliga-Fußball, Bratwurst und Bier. Von daher möchte ich auch mit niemandem tauschen. Rein theoretisch”, schmunzelt Mandakhbileg Birvaa, “könnte ich es mal mit einem Zauberer versuchen.”

Rezept des Botschafters Tsuivan – Eintopf mit Gemüse, Fleisch und frischen Nudeln

Zutaten: Nudelteig: 300 g Mehl, 2 dl Wasser, Öl Eintopf: 200 g Fleisch ohne Knochen (Lamm, Rind, ev. Schwein), 350 g Weißkraut, Karotten oder sonstiges Gemüse,1 Zwiebel, in halbe Ringe geschnitten, 2 gehackte Knoblauchzehen, 2-4 dl Wasser, Salz, Pfeffer, Öl, ev. einige in Ringe geschnittene Frühlingszwiebeln. Zubereitung der Nudeln: Mehl und Wasser zu einem festen Teig kneten, 15 Min ruhen lassen, dann in zwei Teilen kreisförmig ausrollen. Auf einen davon Öl gleichmäßig verteilen. Das zweite Teigstück darauflegen und dessen obere Fläche auch “einölen”. Die aufeinanderliegenden “Rundlinge” halbieren und die eine Hälfte auf die andere legen, sodass wieder eine eingeölte Seite nach oben zu liegen kommt. Die nun vier aufeinanderliegenden Hälften wieder zusammen halbieren, und eines der Viertel gleichermaßen auf das andere legen. Von hier an nur noch in eine Richtung zweimal halbieren, bis ein Stapel

von ca. 7x25 cm Fläche und etwa 5 cm Höhe entsteht. Von diesem Stapel ca. 0,4 cm breite Nudeln schneiden und übereinanderlegen. Zubereitung Fleisch und Gemüse: Gemüse und Fleisch in schmale Streifen/Stücke schneiden und in einem großen Topf die Hälfte der Zwiebelringe in Öl leicht andünsten. Die Karottenstreifen (oder anderes Gemüse) dünsten, Fleisch dazugeben und anbraten und mit Knoblauch, Salz und Pfeffer kräftig würzen. Nun Weißkraut dazu geben und bei geschlossenem Deckel einige Minuten garen lassen. Mit Wasser aufgießen, bis zwei Drittel des Garguts bedeckt sind, ziehen lassen und den Rest der Zwiebelringe dazugeben. Garen des Eintopfes: Nudeln in Stapeln auf das restliche Gargut legen. Deckel zu und erst öffnen, wenn die Nudeln al dente sind. Die Nudelstapel haben eine ganz leicht rötlich-braune Färbung angenommen und kleben von außen noch leicht. Mit einem Schneidebrettchen etc. kühle Luft in den

Topf fächeln. Die Nudeln werden an der Oberfläche trocken, hören auf zu kleben. Mit Stäbchen oder einer Gabel die Nudeln voneinander trennen. Den ganzen Topfinhalt mischen, ein paar in Ringe geschnittene Frühlingszwiebeln daruntermischen. Auf dem Teller anrichten und mit Tomatenschnitzen oder Petersilie garnieren. Dazu

werden z. B. Suutei Tsai, ein salziger Tee, Arkhi, ein 12 prozentiger Milchschnaps, oder Wodka getrunken. Wer als Mann keinen Wodka trinkt, kann sehr schnell als “Weichei” abgestempelt werden. Auch verschiedene Biersorten hat das Land zu bieten, jedoch sind sie meist teurer als der Wodka.


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / November 2022

KNAPP

Großteil erhält mehr als 10,5 Prozent

Belange stärker berücksichtigen

Auftakt zur Tarifrunde 2023 von Bund und Kommunen

(BS/jf) Die kommunalen Interes-

(BS/Jörn Fieseler) Wird diesmal bei der Tarifrunde von Bund und Kommunen alles anders? Die Situation ist eine besondere, die Forderungen sind es auch. Bei den Verhandlungen geht sen müssen stärker bei Gesetzes diesmal “nur” um eine lineare Entgelterhöhung. Auf strukturelle Anpassungen in der Entgelttabelle oder für besondere Berufsgruppen haben die Arbeitnehmervertreter verzichtet. gebungsverfahren des Bundes Und doch wird es ein hartes Ringen werden. berücksichtigt werden. So eine Mit einem Paukenschlag haben die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und der DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) die anstehende Tarifrunde mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem Bund eröffnet: • 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens 500 Euro pro Monat, • 200 Euro mehr für Auszubildende, Studierende und Praktikanten, • weiterhin die unbefristete Übernahme von Auszubildenden und • eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Forderungen sind nicht gerade klein. Auch wenn auf strukturelle Änderungen wie die Reduzierung der Arbeitszeit oder Änderungen beim bedeutsamen Thema Arbeitsvorgang bewusst verzichtet wurde. Und sie unterscheiden sich nicht so sehr von den Forderungen der IG Metall oder vom Abschluss des Marburger Bundes (MB) mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die Ärzte an den Universitätskliniken. Erstere fordert acht Prozent mehr Lohn. Die TdL wiederrum hat sich mit dem MB auf eine 3,35 prozentige lineare Erhöhung ab dem 1. September 2023 und eine Einmalzahlung von 4.500 Euro als Corona-Prämie geeinigt. Bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Kein angemessener Ersatz “Eine Einmalzahlung ist kein angemessener Ersatz für eine vernünftige lineare Erhöhung”, heißt es unisono von Verdi und dem DBB. Schließlich sei die Inflation kein kurzfristiges Phänomen. Außerdem würden die Preise mit Sicherheit nicht auf das alte Niveau zurückfallen. Es ist eben eine besondere Situation, mit extremen Faktoren. “Die Inflationsentwick-

Steigerung der monatlichen Entgelte und Auswirkung der Mindesterhöhung von 500 Euro Entgeltgruppe

Erfahrungsstufe 1

2

3

4

5

6

651,06

721,67

788,55

833,15

843,55

526,79

562,61

602,57

657,12

713,23

750,15

E 14

477,01

509,45

551,81

598,82

651,22

688,83

E 13

439,68

475,23

515,70

559,64

611,34

639,40

E 12

394,06

434,96

482,77

535,81

598,05

627,59

E 15 Ü E 15

E 11

275,33

417,95

453,30

491,66

544,15

573,69

E 10

366,69

396,17

429,68

466,02

506,50

519,79

E 9c

355,99

382,29

410,89

441,70

474,83

498,58

E 9b

334,00

358,65

374,12

419,89

447,01

478,43

E 9a

322,26

343,50

364,16

410,14

420,54

447,09

E8

305,59

326,01

340,15

354,27

369,41

376,69

E7

287,06

300,08

324,59

338,73

352,07

359,23

E6

281,76

301,12

314,70

328,13

341,32

348,04

E5

270,51

289,29

301,97

315,40

327,89

334,34

E4

257,93

276,94

292,88

302,81

312,73

318,54

E3

253,96

274,40

279,37

290,74

299,27

307,08

E2Ü

237,47

261,24

269,78

281,16

288,99

300,47

E2

235,43

256,11

261,12

268,28

284,01

300,47

211,63

215,13

219,51

223,59

234,09

E1

Blau markiert die Entgeltgruppen und -stufen, die von der Mindesterhöhung profitieren.

Grafik/Quelle: BS/eigene Berechnungen auf der Grundlage der Entgelttabelle des TVöD VKA, gültig vom 1. April 2022 bis 31. Dezember 2022

lung, Lebensmittel-, Energieund Benzinpreise reißen tiefe Löcher in die Haushaltskassen der Beschäftigten. Viele von ihnen wissen nicht, wie sie sich mit ihren Familien über Wasser halten sollen, einige können Mieten oder Heizkosten nicht mehr zahlen”, unterstreicht Frank Werneke, Vorsitzender von Verdi. Deshalb stehe die Sicherung der Einkommen durch einen Inflationsausgleich im Zentrum der Tarifrunde.

Bis zu 25 Prozent mehr Besonders die Forderung eines Mindestbetrages von 500 Euro

würde fast allen Beschäftigten zugutekommen. In den meisten Entgeltgruppen würden die Tabellenwerte dadurch höher ausfallen als die eigentliche Forderung von 10,5 Prozent (siehe Tabelle). So bekämen Beschäftigte in der Entgeltgruppe eins in den ersten beiden Stufen fast 25 Prozent mehr Gehalt. Und selbst in der Entgeltgruppe 9c beliefe sich die Erhöhung mit knapp 15 Prozent (Stufe eins) bis auf die lineare Forderung von 10,5 Prozent (Stufe sechs) mehr Gehalt. Entsprechend eindeutig fiel die Reaktion der Arbeitgeberseite aus. “Die Forderungen der

Gewerkschaften überraschen in dieser Höhe und berücksichtigen nicht die schwierige finanzielle Lage der kommunalen Haushalte und Unternehmen”, betont Karin Welge, VKA-Präsidentin und Verhandlungsführerin der kommunalen Arbeitgeber.

Enorm schwierige Lage Auf 15,4 Milliarden Euro würde sich die Entgelterhöhung belaufen. Trotz allem Verständnis für die Sorgen der Beschäftigten angesichts der hohen Inflation befänden sich die kommunalen Haushalte weiterhin in einer enorm schwierigen Lage. Zudem

7. Dezember 2022

träfen die hohe Inflation und die damit einhergehenden Preissteigerungen auch die Kommunen und kommunalen Unternehmen. “Die Umsetzung der Gewerkschaftsforderungen sind in dieser Form schlicht nicht leistbar”, lautet deshalb Welges Urteil. “Letztlich muss ein Verhandlungsergebnis stehen, das die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Wir müssen jetzt mit den Gewerkschaften am gleichen Strang ziehen und gemeinsam schauen, wo die Spielräume in den schwierigen Verhandlungen liegen können. Die kommunalen Arbeitgeber stehen jedenfalls bereit für konstruktive Verhandlungen.”

Warnstreiks vorprogrammiert Auch ohne das Ringen um strukturelle Verbesserungen werden die Verhandlungsrunden nicht einfach. Beide Gewerkschaften haben in jeweils über einem Dutzend Branchentagen mit ihren Mitgliedern diskutiert und diese auf die kommenden Verhandlungen eingeschworen. Eines ist jedoch absehbar: Die erste und zweite Verhandlungsrunde am 24. Januar 2023 und am 22. / 23. Februar 2023 werden verhältnismäßig kurz ausfallen. Dazwischen und insbesondere vor der dritten Runde (27. bis 29. März 2023) werden die Gewerkschaften ihre Mitglieder mobilisieren und auf die Straße bringen. Denn, so sagt schon Siglinde Hasse, Geschäftsführerin der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) und eine der Verhandlungsführerinnen beim DBB: “Es bleibt bei dem gewerkschaftlichen Grundsatz, wer nicht bereit ist, für seine Forderungen zu kämpfen, wird auch nichts bekommen.”

Erkenntnis des diesjährigen Demo-Kommunalkongresses. Die Frage ist nur: wie? “Wir wollen die neuen Regeln im Baugesetz vorab einem PraxisCheck unterziehen”, kündigt Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (SPD), an. Mit der Gesetzesnovelle soll generell die Grundlage geschaffen werden, Planungen zu beschleunigen. Dazu soll der Gesetzentwurf, der nächstes Jahr fertiggestellt werden soll, einem Praxistest unterzogen werden. Eine Reihe von Modellkommunen soll den Entwurf vorab testen. Die so gemachten Erfahrungen sollen anschließend in den Entwurf eingearbeitet werden, bevor er in den Deutschen Bundestag eingebracht wird. Auch SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan wünscht sich eine Renaissance bei der Berücksichtigung kommunaler Belange auf Bundesebene. “Wir müssen viel mehr fragen, welche Auswirkungen die Entscheidungen auf kommunaler Ebene haben.” So habe seine Partei beim Strukturwandelstärkungsgesetz für die vier Braunkohleregionen im Willy-Brandt-Haus eigens eine Arbeitsgruppe mit Bundesund Landtagsabgeordneten sowie (Ober-)Bürgermeistern und Stadtverordneten aus den betroffenen Gebieten in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen eingerichtet, die Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzes erarbeitet hat. Persönlich vertritt der SPD-Politiker die Meinung, dass bei jedem Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag ein sogenannter Kommunalcheck ein- und durchgeführt werden sollte. Bislang handele es sich dabei aber um seine Einzelmeinung. Die Kommunalen Spitzenverbände sind dem Vorschlag gegenüber offen.

kostenfrei

Klimaschutz und Infrastruktur – von der Agenda zur Umsetzung  fast 100 Referenten/-innen aus kommunaler Praxis, Politik, Wissenschaft und (Kommunal-) Wirtschaft  Hauptprogramm und parallele Fachforen, Workshops und Breakouts  Networking mit den Referenten/-innen und anderen Teilnehmenden in der Weblounge

neuestadt.org/kongress

Grafik: © VectorMine, stock.adobe.com

.org


Kommunalpolitik

Seite 14

A

llein in den letzten 15 Jahren mussten sich die Kommunen mit der Finanzkrise (2008/2009), der Fluchtmigration (ab 2015), der Corona-Pandemie (ab 2020) und nicht zuletzt mit den Auswirkungen der Energiekrise und des Ukraine-Krieges mit vier großen Krisen auseinandersetzen. Diese Krisen bringen bekannte und scheinbar bewährte Abläufe durcheinander, sie verlangen zwar nach Orientierung. Gefragt ist jedoch auch ein flexibles und manchmal auch neues Handeln. Besonders die Arbeitswelt unterliegt einem noch nie dagewesenen Wandel. Das System „alte Arbeitswelt“ stößt mit seinen herkömmlichen Karrierepfaden und Arbeitszeitmodellen jedenfalls an seine Grenzen. Es braucht eine neue Form von Arbeit. “Old Work” soll in Blankenheim Vergangenheit sein. In der Gemeinde Blankenheim steht der Umbau einer denkmalgeschützten Immobilie zu einem Rathaus an. Diese Maßnahme wird auch aus Städtebaumitteln gefördert. Wenn nicht jetzt, wann dann soll man den Startschuss für einen Kulturwandel wagen? Und “Wann dann” ist das zukünftige inhaltliche und räumliche Konzept in die neue Stoßrichtung zu bringen? Bürgermeisterin Meuren orientiert sich an “New Work”, einem Synonym für das Arbeiten in der Zukunft. Es ist jedenfalls mehr als nur ein Hype. Es ist mehr als Homeoffice und flexibles Arbeiten.

Mehr als ein neues Bürogebäude Arbeit soll sinnstiftend sein. Du kannst arbeiten, wo und wann du willst, und zwar jenseits von Organigrammen und jenseits von Hierarchien. New Work bedeutet aber auch, etwas auszuprobieren und eine Fehlerkultur zu entwickeln. Bevor das Rathaus in Blankenheim fertiggestellt ist, steht eins bereits heute fest: Es geht mehr als um ein neues Bürogebäude. Es geht um einen zumindest für die öffentliche Verwaltung revolutionären Change-Prozess. Jennifer Meuren sieht es nicht so spektakulär, räumt jedoch auch ein, dass es sich um einen Kulturwandel handele.

“Arbeite, wo du willst” Der Leitgedanke “arbeite, wo du willst” macht eine Flexibilisierung des Raumprogramms erforderlich. Im Zuge der Corona-Krise hat sich auch im kommunalen Bereich das Homeoffice ausgeweitet. Meuren geht noch einen Schritt weiter: “Mobiles Arbeiten soll von jedem Ort außerhalb des

Kommunen brauchen New Work Orts- und zeitunabhängiges sowie sinnstiftendes Arbeiten in Blankenheim (BS/Rolf Hartmann) Von 2004 bis 2020 war ich gerne Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim, eine ländliche Gemeinde mit ca. 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, wunderschön im Süden von Nordrhein-Westfalen gelegen. Jennifer Meuren wurde mit 32 Jahren meine Nachfolgerin und Blankenheims erste Bürgermeisterin. Sie ist 23 Jahre jünger als ich. Es liegt in der Natur der Sache, dass Sie als Vertreterin einer viel jüngeren Generation strategisch spürbar anders unterwegs ist. Auch beim Thema “New Work”.

definieren. Es muss eine Kultur des Vertrauens entstehen. Mitarbeitende wollen nicht überwacht werden. Arbeitszufriedenheit ist ein wesentliches Element für die Bindung und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Diese wollen Entscheidungen nicht mehr bloß empfangen, sondern sie aktiv durch Teilnahme mitgestalten. Die Übertragung von Entscheidungsverantwortung auf Mitarbeitende führt zwangsläufig zu mehr Diskussionen. Dieser Umstand fordert aber nicht weniger Führung, sondern ein “Mehr an Führung”. Die Führungskräfte werden in ihrer Kontrollfunktion entlastet und haben mehr Kapazitäten für die eigentliche Führung, nämlich am System zu arbeiten und seine Einheit strategisch auszurichten. Jennifer Meuren beansprucht für sich die Freiheit, neue Konzepte und Prozesse ausprobieren zu wollen. Und wer etwas testet, wird manchmal feststellen: “Es funktioniert nicht.” Diese “Fehler machen zu dürfen”, ist wichtig. Nur so lernt man.

Nachwuchs wird es den Kommunen danken

Ob die Büros im Blankenheimer Rathaus künftig so aussehen werden, steht noch nicht fest, aber durch den Ansatz von New Work wird sich das Bürobild ändern. Foto: BS/Friends Stock, stock.adobe.com

einem Box-in-BoxSystem angeboten. Das spart Arbeitsflächen. Mit einem FlächenSharing soll eine Rolf Hartmann war von 2004 bis Ende Oktober 2020 Büreffiziente Flächengermeister der Gemeinde nutzung erreicht Blankenheim. Foto: BS/privat werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass in Blankenheim Rathauses möglich sein.” Daher das ortsflexible mobile Arbeisind Raumkonzepte gefragt, die ten außerhalb des Rathauses diesem mobilen Arbeiten von ermöglicht wird. Innerhalb des überall Rechnung tragen. Klas- Rathauses entstehen weiterhin sische Bürolandschaften seien klassische Bürobereiche, aber vor allem auch eine offene Workshopnicht mehr zeitgemäß. Das Raumkonzept in Blanken- Area sowie Kommmunikationsheim sieht daher viele offene Ar- und Erholungszonen. Für Bürgermeisterin Meuren beitsatmosphären mit kleineren Einheiten wie Büros, Bespre- steckt eine Strategie hinter dieser chungsnischen, dezentralen Kü- Planung. Sie erhofft sich deutlichen, Coffee-Areas vor. Das Büro che Vorteile im Wettbewerb um der Zukunft wird zunehmend zur Fachkräfte vor allem gegenüber Begegnungsstätte. Es muss eine der Privatwirtschaft. Diese hält gewisse funktionale Flexibilität sie hinsichtlich moderner Araufweisen. beitsmethoden, kreativen Denkens und moderner ArbeitsumgeOhne definierten Arbeitsplatz bung gegenüber dem Öffentlichen Für Mitarbeitende, die mobil Dienst nämlich (noch) für überlearbeiten möchten, wird es kei- gen. Sie erhofft sich auch einen nen definierten Arbeitsplatz mehr Bürokratieabbau und wichtige geben. Für diese werden offene Schritte zur vollendeten DigitaBüros mit Arbeitsnischen und lisierung. Das Arbeitsflächen-

Sharing und der damit verbundene sparsame Flächenverbrauch dienen der Vorbildwirkung der Gemeinde vor allem in Zeiten eines notwendigen reduzierten Ressourcenverbrauchs.

Auswirkungen auf Führung Das alles wird Auswirkungen auf die Führungskultur haben. Meuren möchte weg von der Präsensarbeitszeit und hin zur Vertrauensarbeitszeit. Es wird nicht mehr nach der Uhr, sondern nach Aufgaben gearbeitet werden. Sicherlich eine Vision, die eine hohe Selbstorganisation fordert. In aller Regel weiß schon das Team ganz gut alleine, was es ergebnisorientiert zu tun hat. Damit dieser Veränderungsprozess erfolgreich sein wird, müssen die Beschäftigten unbedingt mit ins Boot genommen werden. Der Change kann nicht durch Planung, sondern nur durch gemeinsames Lernen und Erleben gelingen. So ist es auch keine Überraschung, dass “New Work” nicht bei allen Mitarbeitenden auf Gegenliebe stößt. Nicht alle Menschen sind z. B. in der Lage in offenen Büros zu arbeiten. Es ist beabsichtigt, in mehreren Work-

shops die Konzeptentwicklung und vor allem die Umsetzung gemeinsam zu besprechen und zu gestalten.

Essenziell: gutes Change Management Bürgermeisterin Meuren nutzt die Umbauphase auch, um im jetzigen Rathaus schon mal ein Arbeitsumfeld von offenen Büros und Workshop-Areas zu trainieren. Hierfür soll der Ratssitzungssaal als Testfläche umgestaltet werden. Die Bürgermeisterin weiß, dass ein gutes Change Management essenziell sein wird. Sie wird die Unterstützung der Führungsebene brauchen. Vor allem diese muss den Kulturwandel aktiv begleiten. Sie wird eine innere Haltung aller Beschäftigten benötigen, die diesen Wandel vor allem als Chance begreifen. Bevor der Umzug ansteht, sind noch einige Hausaufgaben zu machen. Unabdingbar ist die vollumfängliche Einführung der digitalen Akte. Ein digitaler Post-Workflow ist aufgrund der funktionalen und räumlichen Flexibilisierung, aber auch wegen des ortsunabhängigen mobilen Arbeitens unerlässlich. New Work wird Führung neu

Öffentlicher Dienst und “New Work” – passt das zusammen? Sticht man nicht in ein Wespennest, welches auf Perfektion ausgerichtet ist und nicht mal eben “Fünfe gerade sein lassen” kann? Wie kann sich “New Work” in einem System entwickeln, in dem Führung oft als Karriere angesehen wird? Als Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen habe ich regelmäßigen Kontakt mit dem Verwaltungsnachwuchs. Die jungen Menschen verlangen regelrecht danach, Sinn in ihrer Arbeit zu sehen. Sie wollen mehr Freiheit für ihre Selbstorganisation. Dies sollte man nicht unterschätzen. In keinem Sektor ist soziale Verantwortung mehr gefordert als im Öffentlichen Dienst. Gibt es einen größeren Sinn, als für das Wohl von uns allen und vor allem für die Schwächeren in unserer Gesellschaft zu arbeiten? “Das ergibt auf jeden Fall Sinn für meine Arbeit!”, wird häufig geantwortet. Da hat der ­Public Sector der meistens auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Privatwirtschaft etwas voraus. Verwaltung kann auch “cool” sein. Es gibt also kaum etwas Sinnhafteres, als im Öffentlichen Sektor zu arbeiten. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Es ist nie zu spät für die Kommunen, den Wandel aktiv mitzugestalten. Der Nachwuchs wird es ihnen danken.

“Kein Bonbon für gute Zeiten”

D

ie Studie vergleicht das Mobilitätsverhalten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und zeigt, dass immer noch zahlreiche Barrieren die Zugänglichkeit erschweren: Defekte Fahrstühle, schlechter Straßenbelag, fehlende Schilder, unübersichtliche Apps oder komplizierte Fahrkarten-Automaten. Jeder vierte Mensch mit Beeinträchtigung (26 Prozent) empfindet zudem den Zeitaufwand für Wege als zu hoch. Betrachtet man die sozialen Aspekte von Mobilität, ist die Schere zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung am größten. Fast doppelt so viele Menschen mit Beeinträchtigung (29 Prozent versus 16 Prozent) fühlen sich in manchen Situationen unsicher und alleingelassen. Sie machen häufiger negative Erfahrungen mit anderen Fahrgästen sowie Servicepersonal. Für die Online-Befragung untersuchte die Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos, einer Ko-Forschenden-Gruppe sowie

Behörden Spiegel / November 2022

Inklusionsbarometer Mobilität 2022 legt Missstände offen (BS) Für Menschen mit Beeinträchtigung ist Mobilität in Deutschland immer noch stark eingeschränkt. Sie haben weniger oder schlechtere Möglichkeiten, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen als Menschen ohne Beeinträchtigung. Das sind zentrale Ergebnisse des Inklusionsbarometers Mobilität der Aktion Mensch, das erstmals einen repräsentativen Überblick über den Stand der inklusiven Mobilität in Deutschland liefert. Mobilitäts- und InklusionsExpertinnen und -experten die Aussagen von 1.000 Menschen mit und 500 Menschen ohne Beeinträchtigung.

Klare Unterschiede im Mobilitätsverhalten Das Barometer offenbart klare Unterschiede im Mobilitätsverhalten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und macht deutlich, wo Menschen mit Beeinträchtigung benachteiligt werden. Gründe hierfür sind neben der mangelnden Barrierefreiheit ein höherer Zeit- und Kostenaufwand oder schlicht fehlende Angebote. “Wir brauchen dringend eine Mobilitätswende, die den gleichberechtigten Zugang zu Angeboten für alle Men-

schen sicherstellt. Damit diese gelingt, müssen Menschen mit Beeinträchtigung von Anfang an in Planung und Umsetzung neuer Verkehrskonzepte einbezogen werden”, so Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, betont, wie wichtig es ist, Barrierefreiheit in Gesetzgebung wie Umsetzung mitzudenken – egal, ob im öffentlichen oder im privaten Sektor: “Barrierefreiheit ist kein Bonbon für gute Zeiten. Eine barrierefreie und damit moderne Mobilitätsinfrastruktur wird darüber entscheiden, ob wir in einem fortschrittlichen und zukunftsfähigen Land leben werden – oder eben nicht.”

Die Studie offenbart auch, wie wichtig nachhaltige Mobilität für alle Menschen ist: Zwei Drittel der Deutschen wollen klimafreundlich unterwegs sein und wünschen sich, dass es in Städten mehr Rad- und Fußwege gibt. Für Menschen mit Beeinträchtigung ist es jedoch häufig deutlich schwieriger, nachhaltig mobil zu sein, da sie aufgrund fehlender Barrierefreiheit in öffentlichen Verkehrsmitteln auf weniger klimafreundliche und zudem teurere Verkehrsmittel, wie zum Beispiel das Taxi, angewiesen sind.

Mobilitätssteckbriefe zu acht Metropolregionen Für die Studie wurden sechs Dimensionen von Mobilität be-

leuchtet: Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Zeit und Kosten, soziale Aspekte, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Daneben bietet das Inklusionsbarometer Mobilitätsportraits von Personen mit Beeinträchtigung sowie Steckbriefe zu inklusiver Mobilität in acht Metropolregionen in Deutschland. Ergänzt wird das Angebot durch vier Gastbeiträge von ausgewiesenen Expertinnen und Experten sowie Handlungsempfehlungen für verantwortliche Akteure wie Kommunen und Verkehrsbetriebe, etwa dass Vielfalt und Barrierefreiheit in der Mobilitätsplanung stärker berücksichtigt und Menschen mit Beeinträchti-

Sechs Dimensionen von Mobilität wurden im Inklusisonsbarometer Mobilität untersucht. Foto: BS/Aktion Mensch

gung in Planungsprozesse vor Ort einbezogen werden müssen. Das Inklusionsbarometer Mobilität kann unter www.aktionmensch.de/inklusionsbarometermobilitaet als Druckexemplar bestellt oder als barrierefreies PDF heruntergeladen werden.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / November 2022

“D

ie kommunalen Internetseiten sind die Visitenkarten der Städte, Gemeinden und Landkreise”, betont Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags. Über sie hätten die Bürgerinnen und Bürger häufig den ersten Kontakt zu ihrer Kommune, daher sei es wichtig, dass diese gut und übersichtlich gestaltet seien. Und er warnt: “Sonst gehen die Bürger zu den gut gemachten Landesportalen, die aber nicht die spezifisch lokalen Informationen bieten.” Christian Stuffrein, Referent für Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag, ergänzt, dass der digitale Zugang zu Verwaltungsleistungen und den Ansprechpartnern in den Verwaltungen wichtig sei. Außerdem sollten die maßgeblichen veröffentlichbaren kommunalpolitischen Beschlüsse der Kreistage, Gemeinderäte u.ä. abrufbar sein – dies sei in vielen Kommunen bereits gelebte Praxis. Diese sei wichtig für die Transparenz und damit für die Demokratie. Dabei stelle sich die Frage, wie Inhalte auf den kommunalen Internetseiten gewichtet würden. Auch inwiefern kommunale Verwaltungen sich in der Erstellung und Verbreitung von lokalen Nachrichten engagierten, müssten sich die Kommunen überlegen. “Viele Regionalzeitungen ziehen sich leider zurück, gleichzeitig ist es nicht die Aufgabe der Verwaltung, journalistisch tätig zu sein”, meint Stuffrein. Es könne lediglich um die Verbreitung kommunalpolitischer oder verwaltungsbezogener Informationen gehen.

Informationen über Informationen Bei kommunalpolitischen Beschlüssen und weiteren Verwaltungsinformationen sind die Städte, Gemeinden und Landkreise allerdings verpflichtet, sie vorzuhalten – “auch wenn diese nur zweimal im Jahr angeklickt werden”, erklärt Dr. Susanne Vielhauer, die Verantwortliche für Internet und Social Media bei der Stadt Aschaffenburg, da rechtliche Bedingungen oder Fördergelder an diese Informationsbereitstellung geknüpft sind. Dabei sei es nicht einfach, den vielen verschiedenen Zielgruppen, die eine kommunale Homepage habe, gerecht zu werden. Kulturelle wie touristische Angebote, Verwaltungsdienste und Kommunalpolitisches sowie spezifische Informationen wie zur CoronaPandemie, zum Energiesparen oder für ukrainische Flüchtlinge müssen untergebracht werden, ohne die Seite zu überladen, beschreibt sie das Problem. Und Andreas Pläsken, Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bottrop, betont: “Eine kommunale Internetseite ist anders als eine Kommerzielle!” Welche Mengen an Informationen kommunale Homepages bereithalten, sieht man am Beispiel der Stadt Baden-Baden. “1997 ging die erste Internetseite BadenBadens online, damals umfasste sie sechs Seiten”, erklärt Jonas Sertl, Leiter des Fachgebiets Presse, Medien und Kommunikation der Stadt. “Im Jahr 2022 sind es rund 900 Seiten.” Ein solches digitales Informationsungetüm lasse sich nicht einfach komplett neu organisieren. Die badenwürttembergische Stadt plane daher einen optischen Relaunch, der die Informationen für die Bürgerinnen und Bürger visuell leichter auffindbar mache, die Datenbanken blieben dabei aber gleich. “Vor allem die Suchfunktion werden wir in den Vordergrund stellen, das ist aufgrund der Größe unserer Internetseite das Wichtigste”, ergänzt Sertl. Um das digitale Informationsangebot zu vereinheitlichen, plädiert Schulz dafür, einen Baukasten anzubieten, aus dem

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Error 404 : Bürgermeister nicht gefunden Eine kommunale Internetseite ist anders als eine kommerzielle! (BS/Malin Jacobson) Für die einen ist es Ausdruck von Individualität und Kreativität, für die anderen bedeutet es in erster Linie Unübersichtlichkeit: Jede kommunale Internetseite ist anders. Während gerade kleinere Gemeinden schon auf der Startseite das Grußwort der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters abbilden – eventuell sogar mit Kontaktdaten – findet man auf anderen Homepages den Namen des kommunalpolitischen Vertreters nur über das Impressum oder langes Suchen.

Informationsgehalt und Darstellungsform zu vereinen, ist für viele Kommunen eine Herausforderung. Illustration: BS, Dach unter Verwendung von Hurca!, stock.adobe.com und 200 Degrees, pixabay

jede Kommune die Bausteine nutzen kann, die für sie in Frage kommen. Durch eine Vereinheitlichung würden die Aufwände für Design und Organisation der Inhalte für die einzelnen Städte und Gemeinden verringert und Bürgerinnen und Bürger hätten – zumindest innerhalb eines Bundeslands oder einer Region – das gleiche Nutzungserlebnis. In der Theorie könnten die Länder solche Standardbausteine vorhalten, da sie über mehr finanzielle und personelle Ressourcen verfügen. Allerdings sei es wichtig, die kommunalen Anforderungen zu berücksichtigen, welche die kommunalen Spitzenverbände besser kennen als die Landesregierungen, erklärt der Schleswig-Holsteiner. Zumindest brauche es aber mehr Kooperation zwischen den Kommunen. “Das ist finanziell und personell die einzige Chance für gute Ergebnisse.” Eine Einmischung von Bund, Ländern oder Verbänden hält Anna Adamczak, Leiterin des Fachbereichs Eins “Innere Dienste” der Stadt Munster in Niedersachsen, nicht für sinnvoll. Sie betont: “Es ist wichtig, dass wir eigenverantwortlich und kreativ unsere Internetseiten gestalten können.” Und auch Pläsken ist der Meinung, es sei gut, wenn Aussehen und Nutzungsgefühl einer Homepage den regionalen Gegebenheiten entsprächen.

Bürger steht im Mittelpunkt Dass Kommunen ähnliche Inhalte mit unterschiedlichen Begriffen betiteln, führt Adamczak auf unterschiedliche regionale Konnotationen zurück. “Viele Kommunen haben beispielsweise ein Bürgerhaus. Was das beinhaltet, ist aber sehr unterschiedlich. Für manche ist es ein Versammlungsort, in anderen Gemeinden ein Gebäude, in dem viele Angebote der Daseinsvorsorge zusammenkommen, und bei uns ein Ort der Freizeitgestaltung, der Begegnung, der Information und Ehrenamtlichkeit.” Das müsse auch digital dargestellt werden können, betont die Niedersächsin. Im Rahmen des für die nächsten Monate geplanten Relaunches sollen einige Begriffe aktualisiert werden. Dabei orientieren sich die Verantwortlichen an eigenen Recherchen, Stimmen aus der Bevölkerung und dem Feedback der weiteren Verwaltungsmitarbeitenden, berichtet sie und ergänzt: “Wir haben festgestellt, dass wir Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sehr viel mehr informativ finden als

die Bürgerinnen und Bürger und viele verwaltungsspezifische Begriffe für sie nicht eindeutig sind, beispielsweise das Wort Bürgerinformationssystem.” Bezüglich des Vokabulars will man sich auch in Aschaffenburg an den Suchbegriffen orientieren, die Bürgerinnen und Bürger eingeben, um die Benennung der Inhalte an deren Bedürfnissen auszurichten, erklärt Vielhauer. Die kreisfreie bayerische Mittelstadt plant einen größeren

Relaunch ihrer Website und befindet sich aktuell in der Vorbereitung der Ausschreibung. Die Aufmachung der Homepage, wie sie aktuell zu finden ist, sei bereits zehn Jahre alt und das letzte Update liege vier Jahre zurück, berichtet die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit. Dabei spiele die Frage, was die verschiedenen Zielgruppen brauchen und wünschen, eine große Rolle, führt sie aus. “Während die Bewohnerinnen und Bewohner

Aschaffenburgs vor allem Informationen über die Verwaltung wollen, braucht es im touristischen Bereich andere Informationen und viele Bilder. Hinzu kommt die Frage der Ansprache: Verwendet man das distanziertere und höfliche “Sie” oder ein informelleres “Du”?” Die Nutzerzentrierung in den Mittelpunkt zu rücken, kann auch Schulz unterstützen. Zu oft bilden seiner Meinung nach die Homepages der Städte, Gemeinden und Landkreise die Verwaltung und deren Komplexität ab, statt sich auf die Bedürfnisse der Bürger zu fokussieren. Um den Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu entsprechen, plane man auch im Rahmen des optischen Relaunchs der Internetseite Baden-Badens, sich auf Statistiken zu stützen, berichtet Sertl. Diese hätten in der Vergangenheit unter anderem gezeigt, dass Informationen zur CoronaPandemie am zweithäufigsten – nach der Startseite – geklickt worden seien. “Und unsere Seite mit den Flohmarktterminen hatte mehr Klicks als die zur Oberbürgermeisterwahl”, ergänzt er mit einem Schmunzeln. Auch die Anforderungen der EU-Richtlinien beeinflussen die Gestaltung der kommunalen Internetseiten, erläutert Vielhauer. Dazu gehörten beispielsweise der Datenschutz und die Barriere-

freiheit. Aber auch das Onlinezugangsgesetz (OZG) beeinflusse das Frontend – auch wenn es über einen anderen Server laufe als die Homepage. Dies sei mit ein Grund, weswegen man in Aschaffenburg den Relaunch plane. “Die grafischen Modernisierungen müssen auch zum OZG passen”, fordert auch Schulz. Die OZG-Bestandteile ließen sich zwar in bestehende Homepages integrieren, für viele Städte und Gemeinden würde es seiner Meinung nach aber Sinn ergeben, diesen aktuellen Umbruch als Anlass zu nehmen, die eigene Internetpräsenz zu überarbeiten. In Bottrop und Baden-Baden gebe es für die Implementierung des OZG eigene Arbeitsgruppen, berichten Pläsken und Sertl, sodass ähnlich wie bei der Barrierefreiheit und dem Datenschutz die Angebote für elektronische Formulare und Ähnliches nach und nach ergänzt würden. Des Weiteren sei man bei der Digitalisierung auch oft von den Vorgaben beziehungsweise Angeboten des jeweiligen Bundeslands abhängig, berichtet Sertl. Und Pläsken ergänzt abschließend, dass man als Stadt mittlerer Größe eben nicht die gleichen Darstellungsmöglichkeiten habe wie große Metropolen mit den entsprechenden Ressourcen. Dennoch ist eine übersichtliche Darstellungsweise nicht unbedingt von der Größe einer Kommune abhängig. Den gewählten Kommunalvertreter erst im Impressum, der vierten Unterkategorie, beispielsweise Start – Politik – Stadtspitze – Bürgermeister, oder dem Beschreibungstext der Bürgersprechstunde zu finden, kann jedenfalls nicht die Lösung sein.

Was geht, wenn nichts mehr geht? Notstromversorgung und ausreichende Bevorratung (BS/mj) Mit der Sorge um Energieknappheit steigt auch die Angst vor einem länger andauernden Stromausfall – einem sogenannten Blackout. Wenn man niemanden mehr anrufen kann, die Heizung ausfällt und die nächste Tankstelle lahmgelegt ist, bleibt nur noch die Hilfe vor Ort, in den Kommunen. “Die Stadt Rosenheim beschäftigt sich seit 2018 mit einem derartigen Szenario”, berichtet Oberbürgermeister Andreas März. Eine eingeschränkte Stromversorgung könne dann über Notstromaggregate erfolgen und die Stadtwerke Rosenheim hätten ebenfalls die Möglichkeit, über das Müllheizkraftwerk Strom zu erzeugen. Zudem arbeite man an einem flächendeckenden Sirenenwarnnetz und als Anlaufstellen im Ernstfall stünden die Feuerwehrhäuser in den einzelnen Stadtteilen bereit, führt er weiter aus. Auch die Stadt Landau trifft Vorkehrungen für einen möglichen Blackout. Angesichts der unsicheren Gesamtlage im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der Energiekrise bereite sich die kreisfreie Stadt auf verschiedene Szenarien vor, darunter auch einen flächendeckenden Stromausfall, so Oberbürgermeister Thomas Hirsch. Natürlich hoffe man, dass es nicht so weit komme, aber: “Die aktuelle Lage in Europa macht es erforderlich, dass wir uns mit Szenarien beschäftigen, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären.” Damit stellen die beiden wohl positive Ausnahmen in Bezug auf die Katastrophenvorsorge dar. Eine Umfrage des ARDPolitikmagazins Report Mainz ergab, dass lediglich die Hälfte der Kommunen, die an der Umfrage teilgenommen haben, über einen Einsatzplan für einen länger anhaltenden Stromausfall verfügen.

Lenkungsgruppen und Flyer In Rosenheim ist die “Lenkungsgruppe Blackout”, die sich in regelmäßigen Abständen trifft, für den Katastrophenplan zu-

mit: “In diesem Handzettel wird der Begriff Blackout definiert und es werden Handlungsempfehlungen für den Blackoutfall aufgelistet.”

Hilfe zur Selbsthilfe

Wenn der Strom ausfällt, geht nicht nur das Licht aus.

ständig, so März. Teil der Lenkungsgruppe seien demnach auch der Katastrophenschutz, Feuerwehr und Rettungskräfte, Polizei sowie die Stadtwerke Rosenheim. Zudem geht der Oberbürgermeister davon aus, “dass mit dem Blackout der Katastrophenfall ausgerufen würde. Dann käme der Krisenstab zusammen, dessen Zusammensetzung klar definiert ist.” Einen verwaltungsinternen Katastrophenschutzstab, der für die Federführung aller Maßnahmen verantwortlich ist, gibt es auch Landau. Zu den Vorkehrungen, berichtet Hirsch, gehört beispielsweise ein sogenannter Blackout-Test, bei dem die Notstromversorgung in städtischen Dienstgebäuden, vor allem im Rathaus, unter Last getestet wird. “Zudem bereitet die Verwaltung die Einrichtung von speziellen Anlaufstellen vor, von denen aus die Bürgerinnen und Bürger im Fall eines Blackouts einen Notruf absetzen können.” Des Weiteren ist die Warnung der Bevölkerung ein wichtiges

Foto: BS/Tom, pixabay.com

Thema für die Stadt in der Pfalz, so deren Oberbürgermeister. So konnte man kürzlich den Aufbau eines neuen, flächendeckenden Sirenennetzes abschließen. Hirsch: “Insgesamt stehen jetzt 15 topmoderne Sirenen in der Kernstadt und den Stadtdörfern bereit.” Mit ihnen sei es möglich, zusätzlich zu den Warn-Apps KATWARN und NINA sowie über Lautsprecherdurchsagen auch einzelne Sirenen im Stadtgebiet gezielt auszulösen, um ein bestimmtes Gebiet zu bewarnen. Und er ergänzt: “Nur wer die Sirenentöne kennt und zuordnen kann, profitiert im Ernstfall auch von ihnen.” Die Stadt Landau will aus diesem Grund in den kommenden Wochen Flyer zur Warnung der Bevölkerung in Notsituationen an alle Haushalte verteilen. Diese sollen auch einen QR-Code enthalten, den man einscannen und dann die Sirenentöne “probehören” kann. Flyer wurden auch in Rosenheim bereits an alle städtischen Haushalte verschickt, teilt März

Dabei sei es zwar wichtig, keine unnötige Panik zu machen, erklärt der Pfälzer, “aber gerade im Fall eines Blackouts spielt die Hilfe zur Selbsthilfe eine große Rolle”. Daher bittet die Stadt alle Bürgerinnen und Bürger, sich zuhause im persönlichen Umfeld auf mögliche Krisenszenarien wie einen länger andauernden Stromausfall vorzubereiten, etwa durch ausreichende Bevorratung. Um auch Menschen zu erreichen, die kein Internet haben, will die Stadt Landau in Kürze Checklisten zum Mitnehmen in den städtischen Dienstgebäuden auslegen. Nicht nur die Bürgerinnen und Bürger werden angehalten, die Kommunen bei der Katastrophenbewältigung zu unterstützen. So forderte Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, im Report Mainz: “Eigentlich müssten sich die Länder auf einen Masterplan zivilen Katastrophenschutz verständigen.” Dieser müsse gemeinsam mit den Kommunen und unter Hilfestellung seitens des Bundes umgesetzt werden. “Tatsächlich zeigt sich in der aktuellen Situation einmal mehr, dass es vor allem die Kommunen vor Ort sind, die die Last der Vorbereitungen auf einen möglichen Blackout zu schultern haben”, erklärt Hirsch und fordert Unterstützung vom Land durch landesweite Konzepte und Vorgaben sowie eine angemessene finanzielle Unterstützung in der ohnehin bereits angespannten Situation.


Personelles

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Behörden Spiegel / November 2022

Als Gesicht des Hauses der Innovation wirken Sie in entscheidender Position an der Zukunft unserer Region mit!

Gestalten Sie als Führungspersönlichkeit neue Arbeitswelten der Zukunft!

Führen Sie das neu gegründete Amt für Gebäudemanagement zum Erfolg!

Wir sind eine interdisziplinär ausgerichtete und weltoffene Universität mit aktuell rund 18.000 Studierenden und einem Fächerspektrum von den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zu Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften. Mit über 2.000 Beschäftigten zählen wir zu den größten Arbeitgebern der Region und bieten ein einzigartiges Umfeld für Lehre, Forschung und Weiterbildung. Als eine kreative Organisationsform vereint das „Haus der Innovationen“ Zusammenarbeit, Austausch und Begegnung. Dabei stellt es einen Ort der gemeinschaftlichen Ideenentwicklung für Start-ups, etablierte Unternehmen und angewandte Forschung dar und arbeitet dabei eng mit anderen Institutionen, wie dem Verein Startpunkt57, zusammen.

Misereor, das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit, setzt sich unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion für Menschen ein, denen das Recht auf ein Leben in Würde, Freiheit sowie ausreichender und gesunder Versorgung verwehrt bleibt. Hand in Hand arbeiten wir mit unseren Projektpartnern in Afrika, Asien und Lateinamerika und unterstützen die Menschen, ihr Leben aus eigener Kraft mit Blick auf die Bewahrung der Schöpfung und die Herausforderungen des Klimawandels nachhaltig positiv zu verändern.

Die Stadt Mettmann ist mit ihren etwa 40.000 Einwohner*innen eine dynamische und wachsende Stadt mit einem historischen Stadtkern. Die zentrale Lage und Nähe zur Metropolregion Rheinland, zur Landeshauptstadt Düsseldorf und der reizvolle Landschaftsgürtel mit dem weltberühmten Neandertal bieten eine hohe Lebensqualität. Zu dem organisatorisch neu gegründeten Amt für Gebäudemanagement gehören zukünftig die drei Abteilungen Technisches Gebäudemanagement, Kaufmännisches Gebäudemanagement sowie Infrastrukturelles Gebäudemanagement. Diese sind gemeinsam für die Instandhaltung, den Betrieb und die Unterhaltung der etwa 100 Objekte der Stadt Mettmann zuständig.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine kommunikationsstarke und engagierte Persönlichkeit als

Geschäftsführung (w/m/d) für das „Haus der Innovation“

Wir suchen im Zuge einer Nachfolgeregelung eine authentische Führungspersönlichkeit, die als

Geschäftsführung Interne Prozesse (w/m/d)

Für die erfolgreiche Leitung des neuen Amtes suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte Führungspersönlichkeit als

Amtsleitung Gebäudemanagement (w/m/d)

Diese attraktive Position wird je nach Qualifikation bis Entgeltgruppe 15 TVöD vergütet. Die Anstellung erfolgt zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2025. Es besteht eine ausdrückliche Perspektive auf Entfristung.

unser Werk organisatorisch und zukunftsorientiert weiterentwickelt. In dieser spannenden Funktion verantworten Sie die Bereiche Personal, Finanzen, IT, Wissens- und Beteiligungsmanagement sowie der Organisationsentwicklung. Gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer und dem Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit bilden Sie den geschäftsführenden Vorstand des Bischöflichen Hilfswerks Misereor.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Felix Maria Pawlaczyk, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Nutzen Sie den Gestaltungs- und Verantwortungsspielraum in dieser herausgehobenen Position sinnstiftend!

Unsere leistungsstarke Feuerwehr besteht aus einer hauptamtlichen Abteilung mit rund 50 Kräften und acht freiwilligen Abteilungen mit aktuell ca. 250 aktiven Mitgliedern, einer Alters- und Ehrenabteilung und der Jugendfeuerwehr. Haupt- und ehrenamtliche Kräfte übernehmen seit vielen Jahren gemeinsam und verlässlich eine Reihe wichtiger Aufgaben für unsere Stadt – mit hoher Professionalität und großem Engagement an 365 Tagen im Jahr. Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine motivierte und gestaltungsstarke Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Feuerwehr und Bevölkerungsschutz (w/m/d)

Die Kreisstadt Unna ist mit ihren ca. 60.000 Einwohner*innen eine aktive und lebendige Stadt im östlichen Teil der Metropole Ruhr und eine Stadt mit Geschichte und Zukunft. Der historisch geprägte Stadtkern mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten und restaurierten Fachwerkhäusern verleiht dem Stadtbild einen ganz besonderen Charme. Bei der Kreisstadt Unna zu arbeiten bedeutet eine zukunftsorientierte Planung mit der Tradition und Baukultur des Ortes zu verbinden. Darüber hinaus denken wir das Rathaus als Arbeitswelt der Zukunft stetig fort und legen dabei besonderen Wert auf moderne Arbeitsweisen, Digitalisierung, Kommunikation und Service. Daher versteht sich der Bereich Bauordnung der Kreisstadt Unna als bürgernaher Ansprechpartner in baurechtlichen Angelegenheiten. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine kommunikationsstarke und fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Die Besoldung dieser attraktiven Position erfolgt nach A 14 LBesG NRW bzw. EG 14 TVöD.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Gestalten Sie als tatkräftige und innovative Führungspersönlichkeit unsere historisch geprägte Stadt! Die Landeshauptstadt Erfurt ist mit ca. 214.000 Einwohner*innen eine attraktive und lebendige Stadt in der Mitte Deutschlands. Als größte Stadt Thüringens, stellt Erfurt mit seinen kurzen Wegen und seiner ausgezeichneten Infrastruktur eine vielversprechende Region für Arbeitnehmer*innen dar. Erfurt bietet neben wirtschaftlichem Wachstum und zukunftsorientierter Forschung auch eine hohe Lebensqualität und ist damit Teil der Impulsregion mit Jena, Weimar und dem Weimarer Land – und diese Impulsregion wächst. Neben bedeutenden kulturhistorischen Bauwerken im Kern der Altstadt, die jährlich zahlreiche Tourist*innen anzieht, verfügt Erfurt über moderne Stadtkonzepte und widmet sich den aktuellen Themen des Klimawandels, der Wohnraumgestaltung und der Mobilitätswende. Mit hohem baukulturellem Anspruch und Kreativität wurde Erfurt in den letzten Jahren modern und nachhaltig weitergebaut.

Amtsleitung Stadtentwicklung und Stadtplanung (w/m/d) Die Stelle ist nach A 16 BesO ThürBesG bzw. EG 15 TVöD bewertet. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Birger Abromeit oder Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Personelles

Behörden Spiegel / November 2022

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Steuern Sie komplexe Tiefbauprojekte als Leitung unseres neu gegründeten Amtes!

Mit Ihrer Innovationsstärke machen Sie unser Personalmanagement fit für die Zukunft!

Die Stadt Mettmann ist mit ihren etwa 40.000 Einwohner*innen eine dynamische und wachsende Stadt mit einem historischen Stadtkern. Die zentrale Lage und Nähe zur Metropolregion Rheinland, zur Landeshauptstadt Düsseldorf und der reizvolle Landschaftsgürtel mit dem weltberühmten Neandertal bieten eine hohe Lebensqualität.

Die Stadt Mettmann ist mit ihren etwa 40.000 Einwohner*innen eine dynamische und wachsende Stadt mit einem historischen Stadtkern. Die zentrale Lage und Nähe zur Metropolregion Rheinland, zur Landeshauptstadt Düsseldorf und der reizvolle Landschaftsgürtel mit dem weltberühmten Neandertal bieten eine hohe Lebensqualität.

Das organisatorisch neu gegründete Amt für Verkehr, Tiefbau und Grünflächen umfasst zukünftig die Abteilungen Verkehrsinfrastruktur/ Mobilität, Stadtentwässerung und Grünflächen.

Unterstützen Sie uns zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Für die erfolgreiche Leitung des neuen Amtes suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte Führungspersönlichkeit als

Amtsleitung Verkehr, Tiefbau und Grünflächen (w/m/d) Die Vergütung dieser unbefristeten Vollzeitstelle erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 14 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 14 TVöD. Auf Basis Ihrer fachlich exzellenten Kenntnisse steuern Sie wichtige Tiefbauprojekte souverän, wirtschaftlich und erfolgsorientiert. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Theresa Meister, Felix Maria Pawlaczyk oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Die Vergütung dieser unbefristeten Vollzeitstelle erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 14 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 14 TVöD. In dieser Querschnittsfunktion stehen Sie als erste Ansprechperson für die Belange der Verwaltungsmitarbeitenden zur Verfügung und bilden als Amtsleitung die relevante Schnittstelle zur Bürgermeisterin. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Theresa Meister, Felix Maria Pawlaczyk oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Amtsleitung Verwaltungsservice und Personalmanagement (w/m/d)

Die städtebauliche Weiterentwicklung ist für unsere Stadt von hoher Bedeutung. Neben verschiedenen Neubauprojekten im Bereich Hochbau, wie der Neubau und die Sanierung des Gymnasiums sowie der Neubau eines Ganzjahresbades, steht die Flächenentwicklung für Wohnen und Gewerbe bevor. Daher suchen wir im Zuge einer Nachfolgeregelung eine innovationsaffine Führungskraft als

Baubürgermeister*in (w/m/d) Die Besoldung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 2 LBesG BW. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Felix Maria Pawlaczyk, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Steuern Sie mit dem Ressourcenreferat die zukünftige Entwicklung der Stadt Coburg – sozial, ökologisch und wirtschaftlich stark!

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Als Geschäftsführung der GFW gestalten Sie die Zukunft Grevens!

Die Stadt Coburg mit ihren gut 40.000 Einwohner*innen ist ein pulsierendes Oberzentrum für die Region Nordbayern und Südthüringen und zählt zu den finanzstärksten Kommunen und stärksten Wirtschaftsstandorten in Bayern. Im Zuge einer Neuorganisation führt die Stadtverwaltung ihre zentralen Ressourcen (Finanzen, Personal, Organisation, Vergabewesen, IT) in einem Referat als Dienstleister für die gesamte Verwaltung zusammen. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir daher als Teil der vierköpfigen Verwaltungsspitze eine engagierte und verantwortungsbewusste Persönlichkeit als

Ihre Persönlichkeit macht den Unterschied. Sie sind auf der Suche nach einer abwechslungsreichen, fordernden und sinnhaften Tätigkeit? Dann sind Sie bei uns genau richtig! Unterlagen kann man kopieren. Persönlichkeiten nicht. Dieser Grundsatz treibt uns an – bei internen wie externen Stellenbesetzungen. Als die führende Personalberatung für den öffentlichen Sektor unterstützen wir unsere Kunden seit über 30 Jahren in allen Fragestellungen eines zukunftsorientierten Talentmanagements.

Leitung des Referats für Finanzen, Personal und IT als Berufsmäßiges Stadtratsmitglied (w/m/d)

Unsere Aufträge sind hierbei so facettenreich wie der öffentliche Sektor selbst: Von der Suche einer*eines CDO (w/m/d) für eine Großstadt über die Auswahl der Geschäftsführung eines Kulturbetriebes bis hin zur Begleitung von Entwicklungsprogrammen für die Führungsnachwuchskräfte eines kommunalen Unternehmens.

Es handelt sich um eine kommunale Wahlbeamtenstelle. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre; Wiederwahl ist möglich. Die Bezüge richten sich nach der Besoldungsgruppe A 16 BayBesG (bzw. B 2 in der zweiten Amtszeit).

Personalberaterin * Personalberater (w/m/d)

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Wir können uns unterschiedliche Modelle der vertraglichen Zusammenarbeit vorstellen. Für uns ist es selbstverständlich, dass Sie die Vorteile von Remote-Arbeit in Ihrer Tätigkeit in vollem Ausmaß ausschöpfen können.

Verstärken Sie unser motiviertes und dynamisches Team mit Ihrer Erfahrung als

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister und Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt steht Ihnen unter der Rufnummer 0228 265004 zfm-Geschäftsführer Edmund Mastiaux zur Verfügung.

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Die Stadt Metzingen ist für über 23.000 Menschen Heimat und Lebensmittelpunkt. Die dynamische und wachsende Stadt gehört nicht nur zum UNESCO-Biosphären-Gebiet Schwäbische Alb, sondern sorgt auch mit ihrer Weinbautradition für eine hohe Lebensqualität. Die weltweit bekannte ‚‚Outletcity Metzingen‘‘ zieht zudem jährlich rund 4 Millionen Gäste an. Diese einzigartige Verbindung zwischen Tradition und Moderne – sowohl dörflich, städtisch als auch international zu sein – ist ein Alleinstellungsmerkmal von Metzingen. Das bietet Chancen und Entwicklungspotenziale in alle Richtungen.

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Steuern Sie komplexe Projekte im Hochbau und der Stadtplanung – nachhaltig, innovativ und zukunftsorientiert!

Die Gesellschaft zur Entwicklung und Förderung der Wirtschaft in der Stadt Greven mbH (GFW) versteht sich als zentrale Ansprechpartnerin für alle Unternehmen, die in Greven expandieren, sich umstrukturieren oder neu ansiedeln wollen. Das übergeordnete Ziel ist hierbei die Positionierung Grevens als Standort des dynamischen Mittelstands. Kurze Wege, eine individuelle und kompetente Beratung sowie zukunftsorientierte Angebote gehören zum Selbstverständnis der GFW. Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine innovative, agile und kontaktstarke Persönlichkeit als

Geschäftsführung Wirtschaftsförderung (w/m/d) Gehen Sie davon aus, dass unsere vertraglichen Rahmenbedingungen Sie überzeugen werden. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Maren Kammerer, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Die Stadt Greven ist ein dynamisch wachsendes Mittelzentrum mit zurzeit 38.000 Einwohner*innen in unmittelbarer Nähe zu den Universitätsstädten Münster und Osnabrück. Zwischen diesen Oberzentren positioniert sich Greven selbstbewusst mit einer hervorragenden Verkehrs-, Bildungs- und Kulturinfrastruktur als Stadt mit einem hohen Freizeitwert.

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Kommunalpolitik

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Behörden Spiegel / November 2022

Vier Fragen – vier Antworten Interview mit Eliza Diekmann, Bürgermeisterin der Stadt Coesfeld Foto: BS/privat

Das Coesfelder Modell

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ehörden Spiegel: Seit nun mehr als einem Jahr ist der Windpark in Coesfeld-Lette aktiv. Er kann mehr als 40.000 Haushalte versorgen und damit weit mehr als die knapp 37.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt. Verbleibt die Energie in Coesfeld und der Region?

Erneuerbare Energien mit Bürgerbeteiligung (BS) In Coesfeld Letter Bruch steht der drittgrößte Windpark Deutschlands. Die Stadt Coesfeld setzt beim Projekt auf Bürgerbeteiligung – die Hälfte der Anteile des Parks halten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Neben dem Windpark setzt die Stadt auch auf andere Vorhaben, um die Energiewende voranzutreiben. Eliza Diekmann, Bürgermeisterin der Stadt Coesfeld, erklärt Paul Schubert im Interview, wie das “Coesfelder Modell” funktioniert und wie die Stadt mit der Ankunft von neuen Geflüchteten aus der Ukraine umgeht.

Eliza Diekmann: Auch wir speisen ganz normal ins Stromnetz ein und können theoretisch alle Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt versorgen. Wir haben aber keine autark aufgestellte Versorgung, wie man sich das zum Beispiel bei einem Einfamilienhaus vorstellt, das Photovoltaik-­Anlagen auf dem Dach besitzt und sich damit selbst versorgt. Aber wir tragen unseren Teil dazu bei, dass wir uns deutschlandweit unabhängig machen von Netzen und Lieferungen im internationalen Markt. Behörden Spiegel: Die Hälfte des Anteils am Windpark halten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Welche Vorteile hatte es denn eigentlich, sich dort finanziell zu beteiligen? Diekmann: Wir haben einen klassischen Bürgerwindpark der umfangreich mit Bürger­ beteiligung aufgesetzt ist. Das ist auch die Voraussetzung für den Erfolg des Projektes. Die Akzeptanz des Vorhabens war vom Start bis jetzt bei der Umsetzung sehr hoch, was sonst bei Windparks dieser Größe nicht immer der Fall ist. Der Zuspruch ist allerdings vonnöten, weil vor Ort die Veränderung der ­Landschaft und die negativen Einflüsse – die selbstverständlich so ein ­Windpark hat – auch Teil des Projektes sind. Damit die Menschen vor Ort profitieren können, haben wir einige Bausteine einbezogen, damit nicht nur ein externer Investor damit Geld verdient. Auf der einen Seite haben wir die Eigentümerinnen und Eigentümer der Flächen und alle Anliegerinnen und Anlieger

Windparks, egal wo sie stehen, verändern die Landschaft. Wenn sie mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger umgesetzt werden, ist der dringend benötigte Zuspruch höher. Foto: BS/Ed White, pixabay.com

beteiligt, indem sie für die Errichtung des Parks Pachtzahlungen erhalten. Des Weiteren hatten die Bürgerinnen und Bürger ­ itbetreiber zu die ­Möglichkeit, M sein und es wurde ein Bürgersparen eingerichtet. Bisher ist dort etwa eine Million Euro in Margen von 500 bis 5.000 Euro, die fest verzinst werden, zusammengekommen. On top haben wir noch die Möglichkeit, von den Überschüssen zu ­profitieren. Wir erwirtschaften jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag, der hier in unsere Bürgerstiftung fließt, mit der wir dann für die Stadt Kulturund soziale ­Projekte ­finanzieren können.

Diekmann: Wir möchten vor Ort in Coesfeld die Förderung von Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben. Der russische Angriffskrieg hat diese Entwicklung intensiviert, aber auch zuvor haben wir uns bereits mit weiteren nachhaltigen Projekten beschäftigt. Wir haben eine Biogasanlage vor Ort, mit der wir Biogas produzieren. Im nächsten Schritt werden wir einen Elektrolyseur in Betrieb nehmen, um dort grünen Wasserstoff produzieren zu können. Neben dem

Windpark möchten wir in anderen Projekten auch wieder mit dem “Coesfelder Modell” der Bürgerbeteiligung arbeiten. Gemeinsam mit der Politik sind wir dabei, das Thema der PV-Freiflächen im Stadtgebiet zu diskutieren. Auch dort sollen die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, sich zu beteiligen. Mit den PV-Anlagen möchten wir in der windstillen Zeit die Sonnenenergie ergänzen, um dann auch dort am Standort einen Elektrolyseur in die Nutzung zu bringen. Mit dem grünen Wasserstoff möchten wir eine Einspeisung ins Gasnetz ermöglichen, weil wir in Coesfeld geografisch an zwei Leitungen

liegen, mit denen wir die selbstproduzierte Energie für andere nutzbar machen können. Behörden Spiegel: Durch den Krieg in der Ukraine kommen wieder viele Geflüchtete nach Deutschland. Auch die Stadt Coesfeld ist davon betroffen. Auch in einer Turnhalle am Schulzentrum sind Geflüchtete untergekommen. Wie hat man sich darauf vorbereitet? Diekmann: Wir haben uns direkt zu Kriegsbeginn darauf eingestellt und Ressourcen auch aus verschiedenen Fachbereichen für das Thema eingespannt. Turnhallen als Unterkünfte für

Alle müssen mitkommen

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igitalisierung der Verwaltung ist ein Prozess, der eine Vielzahl von fortlaufenden Maßnahmen erfordert und bedingt. Und die Umsetzung des OZG ist ein zentraler Grundstein, ein Eckpfeiler, der zukünftigen behördlichen Verwaltungsleistungen. Einige sprechen im Hinblick auf die Zeit nach dem 31.12.2022 bereits vom OZG 2.0. Entscheidend ist aber, dass in allen Behörden auch eine tatsächliche Umsetzung erfolgt. Dabei spielen vor allem die Beschäftigten eine zentrale Rolle. Sie bilden das Bindeglied zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern und zwischen Verwaltung und Unternehmen. Es gilt deshalb einmal mehr, die Beschäftigten mitzunehmen und mit den Grundlagen des OZG vertraut zu machen. Eine praktische Umsetzung erfordert ein

Behörden Spiegel: Plant die Stadt weitere Engagements im Bereich der Erneuerbaren Energien?

Es geht weiter beim Onlinezugangsgesetz (OZG) (BS/Manuel J. Heinemann*) Zum 31.12.2022 muss das Onlinezugangsgesetz (OZG) umgesetzt sein. Eine Vielzahl der Verwaltungsleistungen wird dann noch nicht in elektronischer Form verfügbar sein. Es geht also weiter. Und das muss es auch. Verständnis der Zusammenhänge und Entwicklungen elektronischer Verwaltungsleistungen. Neben der nationalen Ebene ist dabei insbesondere auch die europäische Ebene miteinzubeziehen. Denn auch die EU hat Regelungen zu elektronischen Verwaltungsleistungen getroffen und diese mit der Single-DigitalGateway-Verordnung bereits umgesetzt. Die wesentlichen Bausteine und Anforderungen sind dabei mit dem OZG vergleichbar. Im Zentrum des elektronischen Zugangs zu Verwaltungsleistungen stehen die Nutzerinnen und Nutzer der jeweiligen Verwal-

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tungsleistung. Der Grundgedanke des elektronischen Zugangs zu Verwaltungsleistungen ist also stets ein nutzerzentrierter und anwenderbezogener Zugang.

und Bürgern. Die wesentlichen Herausforderungen sind hier: Sichere und funktionierende Nutzerkonten und eine sichere elektronische Identifizierung (eID).

Was jetzt zu tun ist?

Nutzerperspektive und eigene Kapazitäten

Die Herausforderungen bleiben auch für das Jahr 2023 hoch. Vorrangig bedarf es daher einer entsprechenden Steuerung. Sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene ist eine übergreifende Governance notwendig. Dabei ist die Führungsebene entscheidend. Sie muss die notwendigen Entscheidungen treffen und die Ziele offen kommunizieren. Im Mittelpunkt stehen Menschen. Sowohl die Beschäftigten auf interner Ebene als Leistungserbringer als auch die Bürgerinnen und Bürger als Leistungsempfänger. Auch wenn Unternehmen gleichermaßen Nutzende im Sinne des OZG sind, erfolgen die überwiegenden Verwaltungsleistungen in der Praxis gegenüber Bürgerinnen

Aufgrund der großen Zahl umzusetzender Verwaltungsleistungen sollten Behörden eine Priorisierung vornehmen. Dabei spielen zwei Maßgaben eine wesentliche Rolle. Zum einen die Nutzerperspektive: Vorrangig sollten die Verwaltungsleistungen elektronisch abgewickelt werden können, die aus Nutzerperspektive wesentlich sind. Das sind in der Regel Verwaltungsleistungen, die häufig erbracht werden oder die eine hohe, zumeist wirtschaftliche, Bedeutung für den Nutzenden haben. Diese sollten schnellstmöglich in einen elektronischen Zugang umgesetzt werden. Hierzu zählen insbesondere Sozialleistungen und fortlaufende Zahlungen.

Zum anderen die Perspektive der eigenen Kapazitäten und Möglichkeiten: Verwaltungsleistungen, die bereits in der elektronischen Umsetzung fortgeschritten oder in kurzer Zeit mit eigenen Mitteln umgesetzt werden können (Quick-Wins), sollten ebenfalls schnellstmöglich umgesetzt zur Verfügung gestellt werden. Oftmals sind dies Verwaltungsleistungen im Zusammenhang mit steuerlichen Verfahren, da diese bereits in der elektronischen Umsetzung fortgeschritten sind.

Zufriedenheit und Akzeptanz steigern Damit lassen sich vor allem zwei Nutzen erzielen: Die Zufriedenheit sowie die Akzeptanz der Nutzenden steigen. Aber auch die Zufriedenheit der eigenen Beschäftigten steigt regelmäßig. Dabei spielt vor allem aber auch die Wertschätzung der Beschäftigten eine Rolle. Sie müssen unterstützt und mitgenommen

Geflüchtete zu nutzen, war als allerletzte Lösung vorgesehen. In der Zwischenzeit haben wir sämtliche Wohnungen im gesamten Stadtgebiet angemietet, hergerichtet und bewohnbar gemacht. Darüber hinaus haben wir Immobilien gekauft und an die privaten Haushalte appelliert, ob diese in der Lage wären, eigene Wohnungen oder Zimmer zur Verfügung zu stellen. Dabei haben wir viel Solidarität erfahren und konnten damit einen Großteil der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer unmittelbar integrieren. Mittlerweile sind die Kapazitäten vollends erschöpft und es kommen weiterhin 20 bis 30 geflüchtete Menschen jede Woche bei uns an. In diesem Prozess fiel die Entscheidung, dass andere Lösungen gesucht werden müssen, um die Menschen a­däquat unterbringen zu können. Um handlungsfähig zu bleiben, haben wir die Turnhallen dann in die Planung miteinbezogen. Wir haben uns nicht für Bauzäune, sondern für ein Holzständerwerk entschieden, um eine in dieser Situation angemessene Umgebung zu schaffen. Wir sind dort von vielen Initiativen und dem DRK unterstützt worden. Seit einigen Wochen sind dort nun ukrainische Geflüchtete untergebracht und es werden täglich mehr. Wir haben dadurch zusätzliche Kapazitäten für bis zu 150 Menschen schaffen können. Wir möchten perspektivisch durch Container längerfristige Möglichkeiten schaffen. Die Turnhallen sollen keine dauerhafte Lösung bleiben, schließlich haben Schülerinnen und Schüler und Sportvereine durch die Pandemie verstärkt leiden müssen. Selbst das wird allerdings nicht reichen, sodass wir die Turnhallen noch für einige Monate als Unterkunft nutzen werden. Wir sind insgesamt absolut am Limit, aber haben auch die klare Ansage vom Land: “Auch wenn ihr Überlastung anzeigt, können wir darauf leider keine Rücksicht nehmen, die Leute werden kommen.”

werden. Und sie benötigen die notwendigen Fertigkeiten und Grundlagen zur Umsetzung. Behörden sollten deshalb neben den oft komplexen technischen Maßnahmen, insbesondere der IT-Infrastruktur, Cloud-Lösungen, Nutzerkonten, etc. und den notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit, der Datensicherheit und des Datenschutzes auch stets ein besonderes Augenmerk auf die eigenen Beschäftigten und die Bürgerinnen und Bürger haben. * Manuel J. Heinemann ist Hochschullehrer und Fachleiter Recht der Digitalisierung an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz.

Save the Date Die Vermittlung des notwendigen Wissens um die Herausforderungen des OZG in den kommenden Jahren zu bewältigen, ist Kern eines Webinars des Behörden Spiegel am 1. Dezember 2022. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www. fuehrungskraefte-forum.de Suchwort “Endspurt OZG”.


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / November 2022

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ehörden Spiegel: Die NRW. Bank ist seit längerer Zeit im Bereich der Nachhaltigkeit sehr aktiv. Wo liegen hier die aktuellen Schwerpunkte?

Rosczyk: Mit unseren Förderprogrammen verfolgen wir seit jeher ökologische und soziale Ziele der Nachhaltigkeit. Die Schwerpunkte sind dabei ganz unterschiedlich. Für mittelständische Unternehmen geht es ganz häufig um neue Prozesse, die zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz führen, Start Ups fördern wir bei Innovationen. Auch Kommunen haben eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, den European Green Deal umzusetzen. Hier gilt es, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen und die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. In den kommenden Jahren stehen vor allem die CO2-Reduktion in unserem Bundesland, der Umbau der Wirtschaft sowie eine neu ausgerichtete Energieversorgung hin zu mehr Erneuerbaren Energien im Mittelpunkt. Gleichzeitig müssen wir Vorkehrungen treffen, um die Klimaresilienz in unserem Bundesland zu erhöhen – auch hier unterstützt die NRW.BANK mit ihren Förderangeboten. Dazu haben wir unsere Nachhaltigkeitsleitlinien für das Jahr 2022 nochmals angepasst. Mit ihnen verpflichtet sich die NRW.BANK dazu, ihr Produktund Dienstleistungsportfolio auf das Ziel der weitgehenden Klimaneutralität im Jahr 2045 auszurichten.

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Nachhaltigkeit trotz Krisenlage Kommunale Investitionen im Einklang mit Klimaschutzzielen (BS) Die Kommunen in NRW ächzen unter der finanziellen Mehrbelastung der aktuellen Krisen. Die NRW.Bank leistet ihnen mit einer Vielzahl von Förderprojekten Unterstützung. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Aspekt der Nachhaltigkeit, mittlerweile mit verstärktem Blick auf die Taxonomie. Die Bereichsleiterin Förderberatung und Kundenbetreuung, Birgit Maria Rosczyk, gibt im Gespräch mit Uwe Proll und Marlies Vossebrecker Einblick in die aktuellen Investitionsschwerpunkte. Behörden Spiegel: Gibt es aktuell bei der Fördermittelbeantragung durch die Kommunen ein besonders gefragtes Themenfeld?

“Der Klimawandel wirkt sich schon jetzt spürbar auf Städte und Gemeinden aus.” Den Wert von nachhaltigen Investitionen der Kommunen erklärt Birgit Maria Rosczyk. Foto: BS/NRW.Bank

Behörden Spiegel: Die EU-Kommission hat den Begriff der Taxonomie eingeführt, welche die Verbindung von Nachhaltigkeitszielen mit Kreditierungen meint. Für die konkrete Umsetzung sind die Kommunen auf Kredite angewiesen. Ist man sich dort des Ausmaßes dieser großen Aufgabe bewusst? Rosczyk: Die EU-Taxonomie dient den Banken und Unternehmen als Orientierungshilfe, um nachhaltige Vorhaben zu

Es droht finanzielle Schieflage Mangelnde Investitionsfähigkeit gefährdet Wirtschaft (BS/mv) Die Prognosen laut der aktuellen Steuerschätzung sind alarmierend. Den Kommunen in Deutschland steht wohl die größte finanzielle Krisenlage seit Jahrzehnten bevor. Neben dem russischen Krieg sind dafür massiv gestiegene Ausgaben im Zusammenhang mit der Inflation verantwortlich.

identifizieren und Investitionen in solche Vorhaben zu lenken. Sie stellt allerdings keine Anforderungen an Kommunen und verpflichtet auch Banken aktuell nicht, Vorhaben, welche die strengen Taxonomie-Kriterien nicht einhalten, mit schlechteren Finanzierungsbedingungen zu versehen.

Behörden Spiegel: Demzufolge wirkt sich die Taxonomie auch auf Ihre Bank aus, da Sie die beantragten Projekte auf Nachhaltigkeit hin prüfen müssen.

Rosczyk: Das stimmt teilweise. Die Taxonomie ist ein Klassifikations-Werkzeug, das noch in den Anfängen steht. Unsere freiwillige “Mit unseren Förderpro­ Anwendung der Taxonogrammen verfolgen wir seit mie hängt auch davon ab, jeher ökologische und soziale wie praktikabel sie ausgestaltet ist, insbesonZiele der Nachhaltigkeit.” dere, wie die umfangreiWir sehen daher im Moment kei- chen Datenanforderungen zum ne Belastung der kommunalen Nachweis der Nachhaltigkeit Haushalte, die direkt auf die EU- von Vorhaben erfüllt werden Taxonomie zurückzuführen ist. können. Bei der RenaturiePerspektivisch ist zu erwarten, rung der Emscher sind wir diedass die EU-Taxonomie auch Kon- sen Schritt bereits gegangen. sequenzen für die Kommunen ha- NRW.BANK.Grüne EmscherLippe ist das erste Förderproben wird. Unabhängig von der EU-Taxo- gramm der NRW.BANK, das sich nomie gibt es natürlich auch im an der EU-Taxonomie orientiert. kommunalen Umfeld große Inves- Das heißt, die Bank unterstützt titionsbedarfe, um Infrastruktur damit ausschließlich Projeknachhaltig, klimaresistent und te, die den zum Zeitpunkt des energieeffizient zu gestalten. Wir Abrufs geltenden Kriterien des als NRW.BANK begleiten die Kom- neuen EU-Klassifizierungssysmunen auf diesem Transformati- tems für nachhaltige ökonomionspfad. sche Aktivitäten entsprechen.

Rosczyk: Durch unseren Kontakt zu den Kommunen und kommunalen Unternehmen wissen wir, dass diese mit verschiedenen Krisen zu kämpfen haben: die Corona-Pandemie und deren Nachwirkungen, die enormen Preissteigerungen in der Energieversorgung durch den Ukrainekrieg und die Unterbringung der ukrainischen Flüchtlinge. Der Klimawandel wirkt sich schon jetzt spürbar auf Städte und Gemeinden aus. Starkregen und Hitzeperioden nehmen deutlich zu. Kommunen müssen also auch Maßnahmen zur Klimaanpassung treffen. Ein wichtiges Thema ist auch die auskömmliche Gesamtfinanzierung für die Pflichtaufgaben einer Kommune. Hier stehen mitunter konjunkturabhängige Einnahmequellen durch zum Beispiel Gewerbesteuer und Grundsteuer dauerhaft hohen Ausgaben gegenüber. Am Beispiel der Unterbringung von Flüchtlingen sehen sich die betroffenen Kommunen dann mit schlagartig steigenden Kostengrößen und damit einhergehenden Prioritätenänderungen konfrontiert. In diesem Fall steht unser Förderprogramm NRW. BANK.Flüchtlingsunterkünfte – trotz mittlerweile gestiegener Zinsen – mit einer Null-ProzentFinanzierung zur Verfügung. Behörden Spiegel: In den Kommunen bestand schon vor der aktuellen Entwicklung durch die Krisen ein Infrastrukturdefizit. Darum sind viele öffentliche Einrichtungen, wie etwa Schulen, zur Schließung gezwungen. Welche Unterstützung kann die NRW.Bank den Kommunen hier anbieten?

Rosczyk: Die Infrastruktur ist für die Kommunen – als Hauptbereitsteller von notwendiger Infrastruktur und Daseinsvorsorge – immer ein Investitionsthema. Wir unterstützen hier mit passgenauen Förderkrediten – aber auch Beratung. Gerade im Bereich der Schulsanierung wurde durch unser Programm NRW.BANK Gute Schule 2020 in den letzten Jahren einiges erreicht. Diese Mittel wurden in den Jahren 2017 bis 2020 beantragt bzw. ausgezahlt und viele Schulprojekte befinden sich noch in der Umsetzungsphase. Behörden Spiegel: Bedingt durch die Inflation steigen die Preise auch für die Kommunen und damit verbunden auch die Zinsen, was sich wegen der Kreditbelastung der Kommunen negativ auswirkt. Dazu kommen demnächst noch massiv einbrechende Gewerbesteuereinnahmen. Können Sie das Ausmaß der bevorstehenden finanziellen Belastungen und Probleme für die Kommunen abschätzen? Rosczyk: Aus unseren Gesprächen mit Kommunen haben wir mitgenommen, dass neben der auskömmlichen Finanzierung von Pflichtaufgaben, jenseits von konjunkturellen Entwicklungen, die weiteren Finanzierungsbedarfe der einzelnen Kommunen unterschiedlich ausfallen. Die Pandemie und aktuell die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine stellen für die Kommunen auf vielen Ebenen – und letztendlich auch finanziell – eine enorme Herausforderung dar. Aber auch die laufenden, geplanten Investitionen müssen finanziert und in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden. Insbesondere bei den Investitionen stehen wir den Kommunen mit unserem Knowhow beratend zur Seite und natürlich mit unseren Förder- und Finanzierungsangeboten. In diesem Zusammenhang empfehlen wir den Kommunen auch immer, ihren Finanzierungsbedarf auszuschreiben, damit dauerhaft diversifizierte Refinanzierungsquellen aufgebaut und genutzt werden können. Denn auch unsere Möglichkeiten zur Finanzierung sind limitiert.

“Kommunales Zuwendungsmanagement”

Die Mehrbelastung multipler Krisen bringt die Kommunen in eine prekäre finanzielle Lage. Foto: BS/Markus Winkler, pixabay.com

Für Städte und Gemeinden befürchtet der Deutsche Städteund Gemeindebund (DStGB) eine enorme Finanzkrise. Die bedrohliche Situation resultiert aus vielschichtigen finanziellen Belastungen bei gleichzeitig verringerten Steuereinnahmen: Die Auswirkungen der Inflation, gestiegene Sozialausgaben, die erwartete Rezession sowie die finanzielle Beteiligung an staatlichen Entlastungspaketen stellen die Städte und Kommunen vor kaum mehr zu bewältigende Herausforderungen. Zudem machen sich die Folgen des russischen Krieges bemerkbar. Allein die Energiekosten könnten sich von bisher rund fünf Milliarden Euro auf bis zu 20 Milliarden Euro jährlich erhöhen. Der Hauptgeschäftsführer des DStGB, Dr. Gerd Landsberg, warnt vor der drohenden Notsituation: “Es wird schon sehr bald klar sein, dass die Finanzsituation der Kommunen prekär und ihre Handlungsund Investitionsfähigkeit massiv gefährdet ist.” Den negativen Prognosen liegen die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung zugrunde. Zwar ergeben sich daraus Steuerein-

nahmen der Kommunen in Höhe von rund 132 Milliarden Euro, allerdings bleiben die immensen Mehrkosten und Ausgaben auf der Gegenseite dabei unberücksichtigt. “Die heute veröffentlichten Zahlen der Steuerschätzung zeigen nur ein Zerrbild der zu erwartenden dramatischen Entwicklung der öffentlichen und kommunalen Finanzen”, erläutert Landsberg. Seiner Auffassung nach stehe die größte Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik bevor. Eine weitere Problematik ergibt sich aus der unzureichenden Investitionsfähigkeit der Kommunen, welche die Wirtschaft weiter schwächen könnte. Denn Bürgerinen und Bürger sowie Wirtschaft sind auf handlungsfähige Kommunen angewiesen. Die finanziellen Belastungen durch staatliche Leistungsversprechen, die auch von Kommunen mitfinanziert werden, müssten unbedingt nach ihrer Dringlichkeit geprüft werden, so Landsberg. Fördermitteln für Kommunen müssten Vorrang eingeräumt werden und die kommunale Beteiligung bei anderen Projekten gleichzeitig gemindert werden.

Kommunen bedienen sich für ihre Aufgabenerfüllung neben Auslagerungen bei privaten Gesellschaften und freien Trägern wie gemeinnützigen Vereinen, Stiftungen oder Wohlfahrtsverbänden. Dies betrifft in vielen Kommunen zuvorderst den Bereich Kinderbetreuung. Die privaten Anbieter bzw. freien Träger erhalten für ihre Tätigkeit finanzielle Zuwendungen. Der Anteil der geleisteten Zuwendungen an den gesamten Zuwendungen unterscheidet sich von Kommune zu Kommune. Nachfolgende Abbildung zeigt den Umfang und die Heterogenität zwischen den fünf hessischen kreisfreien Städten im Vorkrisenjahr 2019. Im südhessischen Darmstadt war der Anteil der Zuwendungen an den gesamten

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

ordentlichen Aufwendungen am höchsten (24,8 Prozent). Das Minimum lag im nordhessischen Kassel vor (11,5 Prozent). Die Spreizung ist immens. Die ordnungsmäßige Verwendung entrichteter Zuwendungen ist von allen Kommunen sicherzustellen. Lediglich die Intensität des Zuwendungsmanagements ist an die Höhe und die Fallzahl der gewährten Zuwendungen anzupassen. Zuwendungen werden entweder bei

der Kommune beantragt und nach eingehender Prüfung per Bescheid bewilligt oder anhand eines Zuwendungsvertrags gewährt. In beiden Fällen erfolgt die Verwendungsprüfung der Zuwendung über den von der Zuwendungsempfängerin bzw. dem Zuwendungsempfänger vorzulegenden Verwendungsnachweis. Für die kommunale Praxis sind folgende drei Punkte empfehlenswert:

Zuwendungen in den kreisfreien Städten im Jahr 2019 Darmstadt

Frankfurt am Main

Kassel

Offenbach am Main

Wiesbaden

Summe der ordentlichen Aufwendungen

659,0 Mio. €

4.136,2 Mio. €

844,7 Mio. €

458,9 Mio. €

1.366,7 Mio. €

davon Aufwendungen aus Zuwendungen

163,2 Mio. €

901,0 Mio. €

97,1 Mio. €

82,3 Mio. €

181,4 Mio. €

24,80%

21,80%

11,50%

17,90%

13,30%

Anteil der Zuwendungen

Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung auf Basis Großstädtebericht, S. 167

1. E inführung einer zentralen Zuwendungsdatenbank für die gesamte Kommune zur Überwachung des Zuwendungswesens: Hilft, den Überblick über die jeweilige Gesamtsumme an alle Zuwendungsempfänger zu behalten. 2. E inräumung von Örtlichen und Überörtlichen Prüfrechten: Kommunen sollten bei einer Zuwendungsgewährung an Dritte auf angemessene Prüfrechte für sich selbst sowie die Überörtliche Prüfung bestehen. 3. D urchführung örtlicher Prüfungen: Regelmäßige Prüfungen im Rahmen der Zuwendungsgewährung können einem möglichen Missbrauch oder der nicht ordnungsgemäßen Verwendung von gewährten Zuwendungsgeldern entgegenwirken. Lesen Sie mehr zum Thema “Zuwendungsmanagement” im Großstädtebericht, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6483 vom 19. November 2021, S. 166 ff. sowie im Konsolidierungsbuch 2021, S. 90. Beide Dokumente sind kostenfrei unter rechnungshof.hessen. de abrufbar.


Kommunaler Haushalt / Kommunale Infrastruktur

Seite 20

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ie Veränderung verschiedener Rahmenbedingungen, politischer Zielstellungen oder auch aktueller (regionaler) Herausforderungen führt dazu, dass sich auch die Fördermittellandschaft zur Unterstützung von Projekten zahlreicher Couleur auf allen Politikebenen und -bereichen seit einiger Zeit stark verändert. Die staatliche Interventionslogik zur Steuerung und Erreichung bestimmter Politikziele unterliegt in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren einem verstärkten Wandel und orientiert sich dabei von kameralistischen/ zuweisenden Grundsätzen zunehmend an unternehmerischen Werten und entwickelt sich hoch kompetitiv. Es gilt inzwischen daher mehr denn je, die Eigengesetzlichkeiten der Aufgabenfelder spezifischer Förderlinien herauszuarbeiten, ihre jeweilige rechtliche und organisatorische Einhegung zu beachten und auf dieser Grundlage die Erlangung von Fördergeldern projektbasiert zu gestalten. Zudem sind die “Krisen-Herausforderungen” derzeit immens: Investitionslücke, Energiekrise oder Corona-Krise. Auch hierfür bedarf es hinreichender Finanzmittel, diesen Krisen zu begegnen.

Förderungs- und genehmigungsrechtlich komplex Im Rahmen der Tagung “Fördermittellandschaft im Wandel” an der Universität Leipzig im September 2022 wurden diese Herausforderungen mit Kommunal-, Landes- und Bundesvertretern sowie Partnern aus der beratenden und Finanzwirtschaft diskutiert. Konsens war, dass Verwaltungshandeln vielfältigen Anforderungen unterliegt und mehrere Rationalitäten verbindet:

Behörden Spiegel / November 2022

Regelrechte “Projektitis” Fördermittellandschaft im Spannungsfeld von Bedarfen, Krisen und Strukturwandel (BS/Katja Müller/Dr. Oliver Rottmann) Für zahlreiche Bereiche der (technischen, sozialen, kulturellen) kommunalen Infrastrukturentwicklung und -instandhaltung, aber auch im Rahmen der Wirtschaftsförderung oder der Gestaltung des Strukturwandels sind für eine erfolgreiche Umsetzung Fördermittel unerlässlich. Nicht zuletzt auch zur Sicherstellung der Finanzierung entsprechender Maßnahmen. Zugleich bestehen mit Blick auf die Nutzung von Förderprogrammen für die Kommunen diverse Hürden, sei es bei der Auswahl geeigneter Programme, deren Beantragung und administrativen Durchführung oder hinsichtlich der erforderlichen finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen. Lieferketten oder Inflation) haben auch Auswirkungen auf die Finanzierung kommunaler Vorhaben – doch sind diese nun wesentlich teurer als noch vor kurzer Zeit.

Instrumentenkasten auf (Multi-)Krisenzeit anpassen

Fördermittel zu beantragen, ist im Fördergelddschungel nicht so einfach. Doch gerade in (Multi-)Krisen ist auch die Förderpolitik angehalten, auf diese Entwicklung zu reagieren. Foto: BS/magele-picture

einem komplexen Rechtsrahmen, ökonomischen Knappheiten sowie Prozesseffizienz im Umgang mit öffentlichen Mitteln. Im Fokus der Tagungsteilnehmer standen dabei neben Möglichkeiten der Nutzung von verschiedenen Finanzierungsoptionen im Instrumentenkasten der Finanzierungslandschaft auch Risiken der Beantragung und Umsetzung von kommunalen Vorhaben sowie beihilferechtliche Fragen im Kontext von Förderprojekten. Hier wurde deutlich, dass im Kontext von Förderpolitik die Komplexität von kommunalen Vorhaben nicht

nur förderrechtlicher, sondern auch genehmigungsrechtlicher Natur ist. Deutlich wurde, dass inzwischen von einer regelrechten “Projektitis” gesprochen werden kann. Kommunale Vertreter müssen allerdings die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und deren Auswirkungen vor Ort im Blick haben, insbesondere den sozio-demografischen Wandel und verschiedene Krisensituationen. Ein erster wichtiger Punkt ist daher die Sensibilisierung der Kommunen für diese Veränderungen und die daraus resultierenden Folgen. Mittels

Austauschformaten, festen kommunalen Wissenskooperationen und kommunalen Studieninstituten sollten sie befähigt werden, Zukunftstendenzen aufzugreifen und damit das eigene Personal niederschwellig zu sensibilisieren und weiterzubilden, ohne dass dieses die pflichtigen Aufgaben aus dem Blick verliert. Austauschformate und Wissenskooperationen – auch mit öffentlichen und privaten Unternehmen vor Ort – tragen dazu bei, kommunale Vorhaben im Sinne der Kommunalstrategie weiterzuentwickeln. Krisenauswirkungen (aktuell bspw. global verzögerte

Hier gilt es, den Instrumentenkasten von kommunaler Finanzierung an die aktuelle (Multi-) Krisenzeit anzupassen. Damit ist auch die Förderpolitik angehalten, so schnell wie möglich auf diese Entwicklung zu reagieren. Hier wurden regionalisierte Pauschalsätze für kommunale Leitprojekte als ein Instrument gefordert, um die Flexibilität von Kommunen in ihrer eigenen strategischen Gestaltung zu unterstützen und gleichzeitig zur Realisierung föderaler und übergeordneter Politikziele effizienter beitragen zu können. Mit Blick auf die Thematik Fördermittel werden auch digitale Anwendungen interessant, die als sinnvolle unterstützende

Werkzeuge gesehen werden. So wurde diskutiert, dass Datenverarbeitungssysteme und smarte Anwendungen sowie Künstliche Intelligenz, aber auch darauf bezogene Beratungsleistungen und technischer Support von Kommunen bei der Finanzierungsrecherche unterstützen können. Eine Finanzierung entsprechender Maßnahmen und Planungsleistungen kann folglich Risiken bei der Umsetzung von Fördermaßnahmen vermeiden und maßgeblich zu Projekterfolgen beitragen. Die Finanzierung dieser konsumtiven Leistungen sollte daher pauschalisiert und niederschwellig möglich sein. Insgesamt zeigt sich: Das Thema Wandel der kommunalen Finanzierung ist in zahlreichen Bereichen virulent und Kommunen sind bereit, einen Teil zur Gestaltung dieses Wandels beizutragen. Die Fördermittelgeber sind jedoch angehalten, den aktuellen Entwicklungen passgenau und prozesseffizient zu begegnen.

Katja Müller ist Mitglied des Kompetenzzentrums öffentliche Wirtschaft – Infrastruktur und Daseinsvorsorge – e. V. (KOWID e. V.) an der Universität Leipzig und Beraterin im öffentlichen Sektor/Fördermittel.

Dr. Oliver Rottmann ist Geschäftsführender Vorstand des KOWID e. V.

Fotos: BS/privat

Baustein für den Diskurs

Eine volatile Situation

Doppischer Kreisfinanzbericht als Gemeinschaftswerk in Hessen veröffentlicht

NRW-Stadtwerke in Zeiten der Energiekrise / Hilfe vom Land

(BS/Dr. Ulrich Keilmann*) Unter enger Einbindung kommunaler Finanzexperten hat die Überörtliche Prüfung (BS/mv) Die aktuelle Energiekrise bekommen besonders die Stadtwerke zu spüren. Hohe Kosten und zugemeinsam mit der Kommunalabteilung des Innenministeriums einen Kreisfinanzbericht veröffentlicht. Der sätzliche Energieabnehmer stellen eine große finanzielle Belastung dar. Auch die Diskussionen auf dem Bericht enthält neben finanzstatistischen Auswertungen aktuelle Haushaltsdaten und -vergleiche. Stadtwerke-Forum der NRW.Bank zeigten: Bürger und Politik müssen handeln. Transparenz über kommunale Finanzdaten ist sowohl für politische Entscheider im Land als auch für die politisch-strategische Haushaltssteuerung vor Ort in den Kommunen wichtig. Der Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit ist kein Selbstzweck. Er ist vielmehr Grundlage für eine kraftvolle kommunale Selbstverwaltung und Garant für die finanzielle Generationengerechtigkeit. Gleichzeitig befindet sich die kommunale Finanzberichterstattung seit über zehn Jahren in einer Umbruchphase. Auf der einen Seite arbeiten nicht nur die hessischen Kommunen auf Grundlage des doppischen Haushalts- und Rechnungswesens. Auf der anderen Seite basiert die Finanzstatistik im Wesentlichen immer noch auf kameralen Daten. Der vorliegende Kreisfinanzbericht versucht schon jetzt,

MELDUNG

Löcher stopfen (BS/mj) “Eine flächendeckend leistungsstarke digitale Infrastruktur ist für unser Land von zentraler Bedeutung”, kommentiert Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württembergs, die aktuellen Änderungen der Landesbauordnung (LBO). Diese sollen die digitale Infrastruktur stärken und Bürokratie abbauen. Zukünftig soll es möglich sein, innerorts 15 Meter und außerorts 20 Meter hohe Mobilfunkantennen ohne Baugenehmigung aufzustellen. Damit sollen der Ausbau des Mobilfunknetzes sowie das Schließen von Funklöchern beschleunigt werden.

Der Präsident des Hessischen Rechnungshofs

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport

Überörtliche Prüfung Kommunaler Körperschaften

Abteilung IV Kommunale Angelegenheiten

1

Erfahrungen zur Haushaltskonsolidierung

aus der Überörtlichen Prüfung Kommunaler Kreisfinanzbericht 2022 Körperschaften

Informationen zu unterstützen. Die Ergebnisse des Kreisfinanzberichts haben somit den besonderen Charakter, dass sie in den permanenten Prozess der Gestaltung der Haushaltsstrukturen der Landkreise einfließen können. Letztlich soll die aktuelle Umbruchphase der Finanzberichterstattung aufgegriffen werden. (Erst) ab dem Jahr 2025 tritt eine doppische Finanzstatistik in Kraft. Der Kreisfinanzbericht ist ein Versuch, kommunale doppische Praxis und Finanzstatistik schon jetzt miteinander zu verbinden. Angesichts der derzeitig vielfältigen kommunalen Herausforderungen wurde besonderer Wert darauf gelegt, den Bericht allein mit Landeskapazitäten zu erstellen. Allerdings haben die Landkreise im vertrauensvollen und freiwilligen Dialog sehr wertvolle Hinweise zur Abrundung der getroffenen Einschätzungen gegeben. Davon hat der Kreisfinanzbericht enorm profitiert. In diesem Sinne kann der Kreisfinanzbericht als Baustein für einen weiteren Diskurs rund um das Thema Kommunalfinanzen in Hessen angesehen werden – und das auf partnerschaftlicher Augenhöhe zwischen allen Ebenen und Institutionen.

Liefert zahlreiche Daten über die Finanzsitution der hessischen Landkreise: der Kreisfinanzbericht 2022 des Landesrechnungshofes. Foto: BS/LRH Hessen

beide “Welten” miteinander zu verbinden. Entsprechend zeigt der Bericht nicht nur den Sachstand der Vergangenheit auf, sondern gibt Entscheidungsträgern vor Ort wichtige Grundlagen und Handlungshinweise bei der Gestaltung gegenwärtiger und zukünftiger Haushaltsprozesse (Stichwort: Nachhaltigkeit). Hierfür wurden verschiedene Teilziele verfolgt: Erstens war angestrebt, unterschiedliche Ausgangslagen auf doppischer Datengrundlage vergleichbar zu machen, um so den Kommunen Erfolgspotenziale für nachhaltiges Handeln an die Hand geben zu können. Ebenfalls sollte die für eine Gesamtsteuerung der Landkreise notwendige Transparenz hergestellt werden, um damit die Entscheidungsträger vor Ort mit steuerungsrelevanten

Der Kreisfinanzbericht ist unter https://rechnungshof.hessen. de/infothek/kreisfinanzbericht abrufbar. * Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.

“Wie kommen wir durch den Winter?” stellte Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW. Bank, die wohl momentan drängendste Frage. Referentinnen und Referenten zeigten sich jedoch einig darin, dass der bevorstehende Winter noch gut zu bewältigen sei. Die Energiespeicher sind gefüllt und die Bürger üben sich in Sparsamkeit. Sorgenvolle Blicke richten sich hingegen auf den Winter 2023/24, für den mit einer deutlichen Verschlechterung etwa durch eine Gasmangellage zu rechnen ist.

Wirtschaftlicher Krieg gegen Europa Die gute Nachricht also: Die aktuelle Versorgung ist gesichert. Dennoch befinden sich viele Stadtwerke in einer prekären Situation und werden bei ausbleibenden Hilfen mit massiven finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie es sich bereits jetzt durch eine hohe Volatilität abzeichnet. Der Hauptgrund liegt auf der Hand: starke Preisschwankungen und Drosselungen der Energiezufuhr. Guntram Pehlke, Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Stadtwerke und Vorsitzender der VKU-Landesgruppe NRW, sprach gar von einem wirtschaftlichen Krieg gegen Europa. Die Stadtwerke geraten zunehmend in Liquiditätsprobleme. Einerseits müssen sie teure Vorfinanzierungen beim Einkauf von Strom und Gas leisten, andererseits gewinnen sie zusätzliche Abnehmer, die sich von ihren bisherigen Stromanbietern trennen und zum lokalen Grundversorger zurückkehren. Daher seien ein staatlicher Schutzschirm so-

wie klar definierte gesetzliche Rahmenbedingungen unbedingt erforderlich. Elke Kappen, Bürgermeisterin der Stadt Kamen, betonte, dass die Stadtwerke lange Zeit den kommunalen Haushalt gestärkt hätten und ihnen jetzt im Gegenzug eine Stärkung durch die Kommunen zustehe. Zudem appellierte sie an die Politik, schnell eine zufriedenstellende Lösung für die drohende Schieflage vieler Stadtwerke zu finden: “Ich würde mich sehr freuen, wenn die Probleme sachgerecht abgearbeitet würden und nicht parteipolitisch.”

Hilfsangebote für die Stadtwerke Die Bereichsleiterin der NRW. Bank für öffentliche Förderberatung, Birgit Maria Rosczyk, sicherte den Stadtwerken in diesem Zusammenhang die Unterstützung ihres Hauses durch Förderprogramme zu, jedoch ist auch für sie eine klar definierte Rahmensetzung der Politik für Liquiditätshilfen unabdingbar. Neben den geforderten staatlichen Vorgaben kommt es auch auf die Bürger selbst an: Um eine gute Versorgungslage im bevorstehenden Winter zu gewährleisten, müssen von Bürgern, Industrie und Wirtschaft 20 Prozent Gas eingespart werden. “Ohne Rückhalt aus der Bevölkerung ist die Energiekrise nicht zu stemmen”, so Pehlke. Angesichts dieser massiven Teuerung und einer möglichen Verknappung beim Erdgas ist ein Ausweichen auf elektrische Heizgeräte dennoch wenig ratsam, warnt Urs Reitis, Geschäftsführer der Bonn-Netz GmbH. Da auch der Strompreis ansteige, fielen

beim Heizen durch elektrische Heizlüfter durch deren hohen Stromverbrauch enorme Energiekosten an, so Reitis. Zudem drohten dann durch die Überlastung des Stromnetzes die befürchteten Stromabschaltungen durch die Stadtwerke, um so die Versorgungssicherheit garantieren und Schäden vorbeugen zu können.

Rettungsschirm für Stadtwerke verabschiedet Ein erstes Angebot von politischer Seite zur Unterstützung der Stadtwerke machte Silke Krebs, Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW. Im Fall konkreter finanzieller Engpässe sollten sich diese direkt an die Landesregierung NRW wenden, um Unterstützung zu erhalten. Mittlerweile ist nun ein Schutzschirm mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro durch die Landesregierung NRW verabschiedet worden. Zwar hatte der Bund unmittelbar zuvor ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Stadtwerke zugesagt, doch bei den vorausgegangenen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern konnte man sich auf keine einheitlichen Richtlinien einigen. Um die drohende Notlage der Stadtwerke schnell abzumildern, hat das Land NRW daher selbst die Initiative ergriffen. Pehlke zeigt sich zufrieden mit den finanziellen Fördergeldern und verweist erneut auf die Schlüsselrolle von Stadtwerken für die Energieversorgung der Bevölkerung: “Handlungsfähige Stadtwerke sind das Fundament der Daseinsvorsorge vor Ort.”


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / November 2022

D

ie Anforderungen an die Baubranche sind vielfältig. Klimaschutz und energetische Sanierung, die Forderung von bis zu 400.000 Wohnungen pro Jahr, der Arbeitskräftemangel, unterbrochene Lieferketten so­ wie die explodierenden Baustoff­ preise. Damit verbunden sind Kostensteigerungen und Zeitver­ züge. Darüber hinaus sind rund 400 Brücken in Deutschland zu sanieren, das Schienennetz zu elektrifizieren sowie die Wasser­ straßen weiter auszubauen. “Wir werden einen Nachfrageeinbruch erleben, der Konsum wird zu­ rückgehen und die Zinsen wer­ den steigen”, prognostiziert der stellvertretende Fraktionsvorsit­ zende der SPD im Bundestag, Detlef Müller. Davon werde auch die Bauindustrie nicht verschont. Weshalb die öffentliche Hand mehr denn je gefordert sei, zu bauen – und das so effizient wie möglich. “Wir müssen neue Wege beim Bauen beschreiten”, unter­ streicht Müller. Die von Misstrau­ en geprägte Baukultur müsse sich grundlegend wandeln, meint auch Loren. Bauherren, Planer, Ingenieure, Architekten und die ausführenden Firmen dürften sich nicht länger als Konkurren­ ten sehen. “Wir müssen bauen statt streiten”, bringt es Lorenz auf den Punkt.

Streitlos, digital und seriell Wie sich das Bauen in Deutschland verändern muss (BS/Jörn Fieseler) “Wenn wir die Ziele mit den Methoden von gestern erreichen wollen, werden wir scheitern”, sagt Tim Lorenz, Vizepräsident der Bauindustrie, und fordert einen Kulturwandel beim Bauen. Dafür sind drei Grundlagen zu schaffen: sowohl auf rechtlicher als auch auf arbeitstechnischer Ebene und drittens bei der Projektausschreibung. gang. Dafür sei der komplette Projektauflauf von der Vergabe bis zum Betrieb zu überdenken. Technische und nachhaltige Kriterien müssten anstelle des Preises eine Rolle spielen. Und selbstverständlich müsse die Zu­ verlässigkeit der Unternehmen zählen, fordert Lorenz weiter. Maßgeblich für eine partner­

schaftliche Zusammenarbeit sei, das Silodenken zu überwinden. “Planen und Bauen dürfen nicht länger getrennt, sondern müs­ sen zusammengedacht werden”, nennt Lorenz eine der wesentli­ chen Forderungen der Bauin­ dustrie und spricht damit auch Öffentlich Private Partnerschaf­ ten (ÖPP) an. Letztere sind für

den SPD-Politiker Müller jedoch im Straßen- und Tiefbau nicht zielführend. Der Bundestags­ abgeordnete plädiert daher für die Generalunternehmervergabe (GU-Vergabe).

GU-Vergabe oder ÖPP? “Eine GU-Vergabe bezieht sich nur auf das Bauen”, sagt hinge­

Design – Bau – Service

Design – Bau – Service

Schulgebäude mit

System

Kooperativ bauen, Silos überwinden Diesen Kulturwandel gelte es auf den Baustellen herbeizufüh­ ren, am besten durch eine part­ nerschaftliche Zusammenarbeit. Den Schlüssel dafür sieht der Vizepräsident der Bauindus­ trie in gegenseitigem Vertrauen und einem respektvollen Um­

building excellence

goldbeck.de

rlin SCHULBAU Be 22 20 1. .1 23 . – 24

Privatwirtschaftliche Ausbauprojekte Rekordinvestitionen beim Glasfaserausbau in Brandenburg (BS/Hans Güldenpenning*) Die Zahlen der aktuellen Markstudie Telekommunikation 2022 von Dialog Consult und VATM sind beeindruckend, denn noch nie wurde so viel eigenwirtschaftlich gebaut. Der Glasfaserausbau erfolgt nämlich nicht überwiegend mit Fördermitteln, der privatwirtschaftliche Ausbau der Glasfasernetze läuft aktuell rund um die Uhr. Rund 90 Prozent des gesamten Glasfaserausbaus erfolgen durch privatwirtschaftliche Ausbauprojekte. “Gleiche Chance für alle Haushal­ te, nicht nur der Ausbau in den Fördergebieten, das ist die Devise von immer mehr Gemeinden und Städten”, so erklärt es die Ge­ schäftsleitung der DNS:NET. Im Land Brandenburg investiert die DNS:NET-Gruppe intensiv in den FTTH-Ausbau für ländliche Regi­ onen und unterversorgte Städte. Der größte alternative Breitband­ versorger Brandenburgs realisiert dabei den Infrastrukturausbau mit Glasfaser überwiegend eigen­ wirtschaftlich, die Kommunen setzen durch Vereinbarungen zur Kooperation auf den siche­ ren und schnellen Ausbau. Ende September konnte im Havelland der nächste Spatenstich gesetzt werden. Nachdem in der Gemein­ de Wustermark im Havelland die Kooperationsvereinbarung mit der DNS:NET unterzeichnet wurde, begann nach gründlicher Planung und ebensolchen Dialog der eigenwirtschaftliche Ausbau für die ersten 4.000 Haushalte. Bei der Planung und dem Ausbau der Region gibt es eine sehr enge Abstimmung mit der Gemeinde. Um die Belastung für die An­ wohner so gering wie möglich zu halten, werden zum Beispiel be­ stimmte Trassen vorgezogen und möglichst mit anderen Bautätig­ keiten wie den Radwegen kom­ biniert. Insgesamt werden weit über 2.500 Gebäude versorgt, über 93.000 Meter Tiefbaugräben gezogen und über 500.000 Meter Glasfaserkabel verlegt. Auch in den kleineren Ortsteilen mit 300 bis 500 Einwohnern steht dann eine Datenrate von bis zu 2,5 Gbit/s zur Verfügung.

Landkreis Oberhavel holt auf Im Landkreis Oberhavel in Brandenburg sind mittlerweile drei Gemeinden mit Koopera­

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tionsvereinbarungen gestartet. Im Oktober entschieden sich die Gemeinden Mühlenbecker Land und Oberkrämer dazu. Die Grün­ de dafür benennt Bürgermeis­ ter Filippo Smaldino im Rathaus Mühlenbecker Land: “Ich bin schon vor einigen Jahren auf die DNS:NET zugegangen, damit endlich Glasfaser in unsere Ge­ meinde gelegt wird. Damals hat die DNS:NET Teile von Schildow mit Glasfaserleitungen in den Straßen erschlossen. Nun gehen wir den nächsten Schritt in der ganzen Gemeinde mit Glasfaser bis ins Haus.” Er betont weiter: “Aufgrund der guten Erfahrungen von damals freue ich mich sehr, dass wir nun wieder mit der DNS:NET zusammenarbeiten werden. Na­ türlich ist die Gemeinde offen für jeden Anbieter. Und wir legen großen Wert darauf, dass die unterschiedlichen Ausbauschrit­ te gut aufeinander abgestimmt werden. Ich bin mir sicher, dass wir mit der DNS:NET einen er­ fahrenen regionalen Partner an der Seite haben, der das Projekt zum Wohle unserer Bürgerinnen

und Bürger schnell und unkom­ pliziert voranbringen kann.” Mit­ hilfe der Kooperationsvereinba­ rung möchten das Mühlenbecker Land und die DNS:NET das Ge­ meindegebiet mit FTTH-Netzin­ frastruktur ausbauen und an den Brandenburger Glasfaser­ ring der DNS:NET anschließen.

FTTH-Ausbau ohne Lücken Auch die Gemeinde Oberkrämer setzt auf die flächendeckende Versorgung und orientiert sich genauso wie die Gemeinden Glie­ nicke Nordbahn und Mühlen­ becker Land am FTTH-Ausbau ohne Lücken. Bürgermeister Wolfgang Geppert stellt fest: “In den vergangenen Jahren gab es enorme Bemühungen und Investitionen, um die Gemein­ den zukunftssicher aufzustellen. Der Ausbau im Kita-, Hort- und Schulwesen oder der Straßenbau seien nur beispielhaft genannt. Als Wirtschaftsstandort mit dem Gewerbegebiet Vehlefanz, als Tourismusziel mit dem Müh­ lensee und namensgebender Windmühle und als Ort zum Leben und Arbeiten ist Ober­

krämer bestens aufgestellt, um seinen Einwohnern eine hervor­ ragende Lebensqualität bieten zu können. Eine gute digitale Infrastruktur, schnelle Daten­ raten über Glasfaser gehören einfach zur Lebensqualität und zur Standortentwicklung. Wir sind davon überzeugt, dass die Kooperationsvereinbarung und der privatwirtschaftliche Ansatz beim Glasfaserausbau, wie ihn die DNS:NET verfolgt, unserer Gemeinde dabei helfen werden, dass endlich alle Ein­ wohnerinnen und Einwohner vom schnellen BrandenburgNetz profitieren können. Insofern ist heute ein wegweisender Tag für Oberkrämer.” Zuvor war schon ohne Koopera­ tionsvereinbarung das Inte­resse der Einwohner an Glasfaser Made in Brandenburg groß. In der Gemeindevertretung gab es eine intensive Diskussion über die Optionen des schnelleren Ausbaus, wobei letztlich die Vor­ teile der Kooperationsvereinba­ rung klar wurden und damit alle Ortsteile nun schnell und unkompliziert in den Genuss von Glasfaser gebracht werden können. Nun steht fest, dass ganz Oberkrämer, darunter auch kleinere Ortsgebiete wie Neu-Fehlefanz mit knapp 200 Haushalten, eigenwirtschaftlich ausgebaut und versorgt werden kann. In der Gemeinde können durch die DNS:NET über 6.000 Gebäude mit Glasfaser direkt bis ins Haus ausgebaut werden. In den kommenden Wochen bis zum Jahresende sollen weitere Vereinbarungen in ganz. B.an­ denburg und in Sachsen-Anhalt starten. *Hans Güldenpenning ist freier Journalist.

gen Prof. Dr. Ing. Hans Christian Jünger, Leiter des Instituts für Baubetriebslehre an der Uni­ versität Stuttgart. Stattdessen müsse mindestens in einer Total­ unternehmervergabe Planen und Bauen zusammengefasst werden. Noch besser seien hingegen ÖPPProjekte, bei denen nicht nur das Planen und Bauen, sondern auch der Betrieb Bestandteil der Ausschreibung sei. Zudem spreche eine Reihe von Gründen für diese Projekte. So könne bei ÖPP-Projekten auf das Wie der Ausführung Einfluss genommen werden, zudem seien Effizienzvorteile hebbar. Auch wirtschaftlich seien die Projek­ te durch die Betrachtung der Lebenszykluskosten und die Be­ triebsphase durch das Bauunter­ nehmen vorteilhaft. “Durch den Lebenszyklusansatz unterstützen ÖPP-Projekte den Grundsatz der Nachhaltigkeit”, so Jünger. Zu­ dem könnten sie zur Termin- und Kostentreue beitragen, da flexibel auf Änderungen reagiert werden könne. Aufgabe des Bauherrn sei die strategische Ausrichtung des Projektes, dafür müsse er nicht die Bau- und Betriebsleistung durchdenken. Vergaberechtlich ließe sich dies durch eine funk­ tionale Ausschreibung bewerk­ stelligen. Und letztlich lieferen das gemeinsame Projektziel und der finanzielle Anreiz in der Be­ triebsphase einen besonderen Reiz für das Gelingen des Pro­ jekts. Damit führten sie zu einer hohen Stabilität.

Beispiel aus Bremen Diese Vorteile zeigten sich auch beim Partnerschaftsmodell der Berufsschule für Großhandel, Außenhandel und Verkehr in der Freien Hansestadt Bremen, sagt Simon Hollenbrink, Projekt­ manager bei der Goldbeck Pub­ lic Partner GmbH. Die Schule sei als ÖPP-Projekt gebaut und realisiert worden. Das Vergabe­ verfahren habe weniger als ein Jahr gedauert. Im Februar 2020 sei der Zuschlag erteilt worden, nur drei Monate später sei der Bauantrag gestellt und wieder drei Monate später, im August, sei mit der Baumaßnahme begon­ nen worden, deren Abnahme im Mai 2022 erfolgte. Damit habe der Schulbau weniger als zwei Jahre gedauert, obwohl für den Zugang zur Tiefgarage unter anderem eine Rechtsabbiegerspur im Stra­ ßenraum habe neu eingerichtet werden müssen. Insgesamt habe das Projekt­ volumen 31,3 Millionen Euro betragen, wovon eine Million für das Änderungsmanagement vorgesehen gewesen sei und vier

Millionen für die Bewirtschaf­ tung. Denn zum Gebäudebetrieb gehöre auch eine PhotovoltaikAnlage auf dem Dach der Schule, für die die Firme definierte Ener­ giemengen garantiere. Allerdings sei die Reinigung des Gebäudes kein Bestandteil des Betriebs. Dafür sei nach wie vor die Stadt zuständig, so Hollenbrink.

BIM als Grundlage In einem Punkt sind sich Lorenz und Müller einig: Building Information Modelling (BIM), die digitale Visualisierung von Bau­ plänen im Drei-D-Modell, ist für beide die Zukunft des Bauens. “BIM und der digitale Zwilling in der Stadtplanung erhöhen die Effizienz der Planung”, sagt Müller. Und Lorenz ergänzt, dass mit BIM der gesamte Lebenszyklus mitgedacht sowie Bau und Re­ cycling zusammengesehen wer­ den könnten, bevor auch nur ein Stein gesetzt werde. Doch dafür seien auch beim BIM die Anforderungen im Vorfeld klar zu definieren. Und: “BIM muss man sich auch leisten können”, so Müller. Deshalb dürfe BIM nicht nur im Hochbau, sondern müsse auch bei der Verkehrsplanung und beim Bau von Verkehrsinf­ rastruktur zum Einsatz kommen.

Vergaberecht vereinfachen Parallel zum Einsatz von BIM sei jedoch auch das Vergaberecht weiter zu digitalisieren und zu vereinfachen. Dazu gehört für den Sozialdemokraten auch die Entschlackung der Honorarord­ nung für Architekten und Inge­ nieure (HOAI). Besonders nach der Phase zwei könnten einzelne Schritte herausgenommen wer­ den, so Müller. Zudem bedürfe es eines BundLänder-Paktes für die Beschleu­ nigung von Planungs- und Ge­ nehmigungsverfahren. “Wir haben alle vergaberechtli­ chen Möglichkeiten, wir können es machen”, ist Dr. Andreas Iding, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Partnerschaftsmo­ delle bei der Bauindustrie und Geschäftsführer der Goldbeck Services GmbH, überzeugt. Was es noch brauche, seien Projekte mit hohem Wiederholungspoten­ zial, um modular und seriell zu bauen. Allerdings hat auch er nichts gegen weitere Erleichte­ rungen im Vergaberecht. Diese könnten noch in dieser Legislatur kommen. So erwä­ ge man im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Reform des Verga­ berechts, bestätigt Dr. Philipp Steinberg, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im BMWK. Ak­ tuell sei seine Abteilung mit der Energiekrise und der Übernahme des größten Gasimporteurs und -händlers Uniper beschäftigt. Doch denke man bereits über eine Reform nach, beispielsweise beim § 97 IV Gesetz gegen Wett­ bewerbsbeschränkungen (GWB) und dem Zwang zur Aufteilung in Fach- und Teillose.

BIM-Portal online Gemeinsames Verständnis schaffen (BS/jf) Klara Geywitz. B.ndesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (SPD), und Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr (FDP), haben das BIM-Portal freigeschaltet. “Wir wollen das Bauen in Deutschland schneller machen und dazu ist das BIM-Portal ein wichtiger Schritt. Denn mit Building Information Modeling, mit digitalen Bauwerksmodel­ len, gehen wir gemeinsam einen wichtigen Schritt Richtung Digi­ talisierung in der Bauwirtschaft”, sagt Geywitz. Damit werde eine Plattform etabliert, auf der die Anforde­ rungen zum Bauen mit BIM klar definiert, präzise formuliert und geteilt werden könnten. “Das hilft Auftraggebern und Auftragneh­ mern sowie den Herstellern von

Bauprodukten beim Erstellen von Projekten und Produktdaten. Das Portal soll das zentrale Medium des Bundes für Informationen, Wissen und Austausch rund um den BIM-Einsatz werden”, ergänzt Wissing. Dazu gehörten insbesondere Angaben, wann, wer, in welcher Detaillierung und in welchem Format die angefor­ derten Daten geliefert werden sollen, um auf dieser Grundlage Prozesse steuern und Entschei­ dungen treffen zu können. Mehr unter: https://via.bund. de/bim/infrastruktur/landing


Kommunale Infrastruktur / Kommunale Sicherheit

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Behörden Spiegel / November 2022

Sekt oder Selters Kommunaler Umgang mit Energie (BS/Dorothee Frank) Energie war bisher genug vorhanden. Dank russischem Gas, energiefreundlichen Leuchtmitteln, Öffentlich-Privaten-Partnerschaften und trotz der Pandemie stabilen Einnahmen fanden Kommunen es selten notwendig, ihre Beleuchtung an die Aktivitäten ihrer Bürger anzupassen. Es wurde beleuchtet, was zu beleuchten ging. Im beschaulichen rheinischen Meckenheim beispielsweise auch der zu einer Schrebergartensiedlung führende Weg zwischen Wald und Friedhof – dies natürlich auch nachts um drei.

W

enn allerdings vom Bürger erwartet wird, dass er sparsam mit Energie umgeht, damit der Gasvorrat auch bei Minusgraden den Winter über hält, dann sorgt der großzügige kommunale Umgang mit den knappen Vorräten nicht gerade dafür, dass der Bürger bereit ist, seine Heizung herunter zu drehen. Die Rede ist hier nicht von der nahenden Weihnachtsbeleuchtung, zwei Straßenzüge mit LED-Beleuchtung über vier Stunden fallen wirklich kaum ins Gewicht. Die Rede ist von beleuchteten Apfelplantagen und Friedhöfen, die Nacht für Nacht Energie aus den Vorräten saugen. Das Schlimmste, was übrigens bei Gasmangel passieren könnte, sind nicht frierende Bürger, sondern der Ausfall der lebensmittelprodu­zierenden Betriebe. Diese sind e ­ inerseits sehr energieintensiv und haben andererseits – wie viele andere auch – mit staatlicher Förderung vor einigen Jahren auf Gas umgestellt. Ein Blackout träfe also nicht die Komfortzone, sondern die für das Überleben wichtigen Zweige der deutschen Industrie. Wenn der Meckenheimer Bürger die Wahl hätte zwischen einem des Nachts durchgehend beleuchteten Friedhof und dem Vorhandensein von Brot beim Bäcker, würde er wahrscheinlich das Brot wählen. Eine Einschätzung, die auch Sebastian Schuster, Landrat des Rhein-Sieg-Kreises – zu dem auch Meckenheim gehört –, teilt. Er rief seine Kommunen dazu auf: “Energie sparen – damit es für alle reicht!” Als entsprechende Maßnahmen des Rhein-Sieg-Kreises sowie seiner Städte und Gemeinden zählt der Landkreis unter anderem auf: “Ausschalten der Straßenbeleuchtung wo immer möglich von 23:00

bis 6:00 Uhr.” Die Formulierung “wo immer möglich” führte allerdings dazu, dass es bisher fast nirgendwo möglich war.

Abwiegeln und ablehnen Die Liste der Gründe, welche die Kommunen des Rhein-SiegKreises vorbringen, ist lang. Die Stadt Bornheim verweist darauf, dass “eine solche Abschaltung erfahrungsgemäß auch das Sicherheitsempfinden der Anwohner empfindlich stört. Dem trägt die Stadt Bornheim Rechnung, sodass eine konkrete Ausschaltzeit in Bornheim bisher nicht festgelegt wurde und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht kommen wird.” Auch Bad Honnef sieht das Abschalten der Leuchten durchaus kritisch: “Dunkelheit bereitet vielen Menschen Unbehagen. Deshalb steht die Stadt Bad Honnef bereits seit mehreren Wochen im intensiven Austausch mit den Fachberatern des Ordnungsamtes und der Polizei, um die Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsempfinden und die objektive Sicherheit zu prüfen.” Das Abschalten der Straßenbeleuchtung in kompletten Straßenzügen sei nicht geplant. Dabei sieht Bad Honnef durchaus das Potential durch die Abschaltung der Beleuchtung. So sagte der Pressesprecher dem Behörden Spiegel: “Allein durch eine 30-minütige Verzögerung beim Einschalten der Beleuchtung wird die Stadt über 46.000 Kilowattstunden an Strom, der insbesondere in den Dämmerungs- und Nachtstunden auch aus Erdgas erzeugt wird, einsparen können. Weitere 10.000 Kilowattstunden Strom jährlich wird die Abschaltung der sogenannten Objektbeleuchtung von Kirchtürmen und Kreisverkehren ab 23:00 Uhr bringen.”

Es existiert genug Einsparpotential bei der Straßenbeleuchtung. Ob dieses auch genutzt wird, hängt allerdings stark vom Willen der Verwaltung der Kommunen ab. Einige positive Beispiele zeigen, dass eine erfolgreiche Umsetzung tatsächlich möglich ist. Foto: BS/Penny, pixabay.com

Wie in den meisten Kommunen stammen allerdings auch viele Leuchtmittel in Meckenheim noch aus jener Zeit, als Geld und Energie genug vorhanden waren. Wege werden beleuchtet, ohne dass dort überhaupt Menschen wohnen. Höchstens Hundespaziergänger oder Jogger könnten somit zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh in den Genuss der Beleuchtung kommen. Argumente wie Angsträume werden angezweifelt. Zwar mag ein Friedhof durchaus für einige Menschen ein Angstraum sein, diese könnten diese Bereiche allerdings problemlos meiden, da die Wohngebiete abseits liegen. Dennoch werden die menschenleeren Wege weiterhin beleuchtet.

Der Pressesprecher der Stadt Meckenheim teilte dem Behörden Spiegel mit: “Hinsichtlich der Straßenbeleuchtung wird an über 3.000 Straßenlaternen (53 Prozent, insgesamt gibt es 5.600 Straßenlaternen) für die komplette Brenndauer (ab Dämmerung bis in die Morgenstunden) der Nachtabsenkmodus eingestellt. Das bedeutet, dass von zwei LEDLeuchtmitteln pro Laterne nur ein Leuchtmittel geschaltet wird. Dadurch wird 50 Prozent Energie eingespart.” Weitere Maßnahmen seien derzeit nicht geplant. Wenn allerdings das Ausschalten von 50 Prozent der Beleuchtung bereits 50 Prozent Energie einspart, was ließe sich dann erst durch weitere Maßnahmen erreichen?

Datenschutz versus Verbraucherschutz Probleme bei der polizeilichen Verkehrsunfallaufnahme (BS/Peter Schlanstein) Die Aufnahme beziehungsweise Bearbeitung von Verkehrsunfällen zählt zu den originären gesetzlichen Aufgaben der Polizei. Neben Erster Hilfe und Abwehr von Gefahren für die Verunglückten sowie der Gewährleistung der Sicherheit für übrige Verkehrsteilnehmer an der Unfallstelle werden Grundlagen für die Prüfung geschaffen, ob sich Beteiligte strafbar gemacht oder Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen haben. Weiterhin dient die Verkehrsunfallaufnahme der objektiven Klärung des Sachverhaltes, was auch für die Sicherung und Durchsetzung ziviler Ansprüche von Bedeutung ist. Erkenntnisse aus der Unfallaufnahme und -analyse tragen überdies zur Erarbeitung von Konzepten zur Senkung der Schwere und Anzahl von Verkehrsunfällen bei und bilden daher eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Verkehrsunfallprävention. Entscheidungserheblich für die Analyse eines Verkehrsunfalls sind neben Aussagen von Beteiligten oder eventuell vorhandenen Zeuginnen und Zeugen oftmals technische Fakten, soweit diese gesichert werden oder im Nachhinein noch zu erheben sind. Infolge zunehmender Ausstattung moderner Fahrzeuge mit elektronischen Baugruppen und Fahrerassistenzsystemen wandelt das Kraftfahrzeug sich immer stärker in einen rollenden Computer. Umgekehrt ist die Verkehrsunfallaufnahme schon heute dadurch geprägt, dass infolge fahrdynamisch wirkender Systeme immer weniger sichtbare Spuren auf der Fahrbahn vorhanden sind, die den Unfallablauf zumindest teilweise erkennen lassen. Es wird deshalb immer schwieriger aufzuklären, wer den Unfall verursacht hat: welcher Mensch oder welche Maschine. Vorhandene Datenspeicher elektronischer Bauteile im Auto sind jedoch in der Lage, die Ursachen-

zusammenhänge für ein konkretes Unfallgeschehen mit hoher Aussagekraft zu objektivieren.

Langjährige Forderung bleibt bisher unerfüllt Bereits seit 50 Jahren fordert der Deutsche Verkehrsgerichtstag aus Gründen der Rechtssicherheit in bislang 15 Jahresveranstaltungen von 1973 bis 2019, einen Unfalldatenspeicher (UDS) oder andere praktikable Möglichkeiten der Auswertung von Fahrzeugdaten für Kraftfahrzeuge verbindlich einzuführen, wie zuletzt den kostengünstigeren Ereignisdatenrecorder (EDR), der als Sammelspeicher keine eigene Sensorik benötigt.

und Fahrzeugverhalten, einschließlich Datum und Zeit eines Unfallereignisses, ergeben sich nach Einschätzung von Experten nicht nur erhebliche Einschränkungen der Möglichkeiten der konkreten Unfallaufklärung, kein Verbraucher- und Opferschutz und keine Rechtssicherheit, sondern auch eine nur mangelhafte Unfallforschung und nur eine schwache Erfüllung der herstellerseitigen Produktbeobachtungspflicht.

Keine Informationen zu Ort, Datum und Zeit

Ein Teil der digitalen Kraftfahrzeug-Daten soll deshalb in Zukunft weltweit normiert in den EDR gespeichert und nach Unfällen abgerufen werden können. Dazu hat das EU-Parlament im Rahmen einer Verordnung über die Peter Schlanstein ist Dozent an der Hochschule für Polizei Typgenehmigung und öffentliche Verwaltung von KraftfahrzeuNordrhein-Westfalen. gen bereits Ende 2019 (VO-[EU] Foto: BS/E. Koßmann 2019/2144) beschlossen, dass von Juli 2022 an neue FahrzeugtyOhne eine solche EDR-Aufzeich- pen u. a. mit Systemen zur ereignung wenigstens der letzten fünf nisbezogenen Datenaufzeichnung Sekunden zum konkreten Fahr- (EDR) ausgerüstet sein müssen.

Doch nach einem Anfang 2022 gefassten Beschluss der EUKommission soll der EDR – aus vorgeblichen Gründen des Datenschutzes – nicht in der Lage sein, Informationen zu Ort, Datum und Zeit von Ereignissen, namentlich Verkehrsunfällen, zu erfassen und zu speichern. Diese Entscheidung geht insbesondere auf eine hartnäckige Forderung der deutschen Dachorganisation der Verbraucherzentralen (vzbv) zurück, die einen verpflichtenden Einbau eines Unfalldatenschreibers zur Unfallrekonstruktion als unverhältnismäßig ansieht und diesen daher grundsätzlich ablehnt. Das ist wirklich ein Eigentor für den Verbraucherschutz und für die Verkehrssicherheit. Der ursprüngliche Zweck der EDR-Vorschrift für Neufahrzeuge war die Bereitstellung einer Datenquelle, die dazu beitragen sollte, der Rechtssicherheit zu dienen und künftige Unfälle zu vermeiden. Durch den Ausschluss des Abrufs von Standort- und Zeitinformationen werden die Gerätedaten für Verkehrsunfallopfer und für die Verkehrssicherheitsforschung praktisch unbrauchbar. Es ist zu hoffen, dass diese Gesetzgebung so schnell wie möglich überarbeitet werden kann.

Und welches Signal könnten Kommunen dadurch senden? Die Gemeinde Alfter befürchtet wiederum, dass die Stadt juristisch belangt werden könnte. Eine Pressesprecherin teilte dem Behörden Spiegel mit: “Es ist zu prüfen, inwieweit die Gemeinde Alfter für eventuelle Schäden aufgrund fehlender Straßenbeleuchtung haftbar gemacht werden kann (Verkehrssicherungspflicht).”

Mögliche Umsetzung Königswinter sieht es hingegen etwas positiver: “Ein nächtliches Abschalten der Straßenbeleuchtung dürfte grundsätzlich überall dort möglich sein, wo keine Verschlechterung der Verkehrssicherheit befürchtet werden muss. Hier befinden wir uns als Stadtverwaltung in der Prüfung und Umsetzungsplanung.” Neben den vielen – den meisten – Kommunen des Rhein-SiegKreises, die einem Abschalten von Straßenleuchten negativ gegenüberstehen, gibt es allerdings

auch Ausnahmen. Die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid ist so ein positives Beispiel. Die Gemeinde verfügt über 1.303 Leuchten. “Davon werden bereits heute 1.122 Leuchten in der Zeit von 24:00 bis 4:30 Uhr abgeschaltet. Die übrigen 171 Leuchten brennen aktuell durchgehend, da es sich um Kreuzungsbereiche und Gefahrenstellen handelt.” NeunkirchenSeelscheid war also in der Lage, fast 90 Prozent seiner Leuchten über Nacht abzuschalten. Die Gemeinde Windeck schaffte es ebenfalls, 79 Prozent ihrer Leuchtstellen zwischen 24:00 und 5:00 Uhr auszuschalten. Auch Hennef ist in der Umsetzung für eine nächtliche Abschaltung von rund 50 Prozent der vorhandenen Straßenleuchten. So gibt es Gemeinden, die sich der Herausforderung stellen, welche die Gasmangellage für alle in Deutschland bietet. Und es gibt Gemeinden, die hoffen, es möge doch alles einfach weiterhin wie bisher bleiben.

Waches Auge Videoüberwachung in Limburg wird ausgeweitet (BS/jb) Im Jahr 2002 wurde erstmalig eine Videoschutzanlage im Bereich des Limburger Bahnhofs eingerichtet. Die bestehende Anlage wurde nun um 17 Kameras erweitert, so dass jetzt insgesamt 35 Kameras zur Verfügung stehen. Die Videotechnik am Bahnhof wurde bereits im Jahr 2014/15 modernisiert. Damals installierte man hochauflösende Full-HDKameras. Die neuen Kameramodelle sind nun um 360 Grad zusätzlich schwenkbar. Durch die Erweiterung um 17 neue Kameras können nun zusätzliche Bereiche der Innenstadt videoüberwacht werden. Der hessische Datenschutzbeauftragte, Prof. Dr. Alexander Roßnagel, stimmte dem Vorhaben zu. Ziel des Systems sei eine umfangreiche Kriminalitätsanalyse mit detaillierter geografischer Darstellung der Hotspots in der Limburger Innenstadt. Die hessische Landesregierung stellt seit 2018 jährlich 1,3 Millionen Euro für die Installation zur Verfügung. Seit vergangenem Jahr wird der Ausbau in hessischen Städten und Gemeinden mit 2,8 Millionen Euro unterstützt. Das Land übernimmt bei der Aufstellung moderner Videoschutzanlagen zwei Drittel der entstehenden Kosten.

“Mit moderner Videotechnik können wir öffentliche Plätze noch sicherer machen. Die Kameras schrecken Straftäter ab, erhöhen die Reaktionsfähigkeit der Polizei, stärken das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und erleichtern das Aufklären von Straftaten“, sagt Innenminister Stefan Sauer (CDU).

Neben dem Bahnhof werden nun auch weitere Plätze der Limburger Innenstadt videoüberwacht. Foto: BS/Molicris, pixabay.com


Zahlen und Daten

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SPIELHALLE

Zertifizierung von Spielhallen Gesteigerte Prüfqualität stärkt den Verbraucherschutz und begrenzt den Schwarzmarkt

Gute Spielhallen erkennen — Die Zertifizierung als Vollzugshilfe Webinar am 6.12.2022

(BS/mfe) Ordnungs- und Vollzugsbehörden werden durch eine Zertifizierung entlastet. Experten erwarten eine bessere Begrenzung des wachsenden Schwarzmarktes. Zudem kann die Zertifizierung rechtliche Grundlage für Ausnahmeregelungen sein.

Über

70.000

Menschen arbeiten in der Automatenwirtschaft.

75 % In einer Spielhalle dürfen derzeit maximal

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*

Geräte stehen.

davon sind Frauen.

4

1

Die Außengestaltung ist länderspezifisch geregelt

2

Kameras und datenschutzrechtlicher Hinweis sind Pflicht

3

Zutritt ab 18 (bzw. 21) und Rauchverbot

4

Öffnungszeiten, Anschrift des Betreibers, Hinweise zu Glücksspielsucht etc.

5

Alter und Sperrstatus werden überprüft. Daten werden nicht gespeichert

6

Personal beaufsichtigt alle Automaten und das Spielverhalten der Gäste

7

Informationsmaterial zum Spielerschutz und zu Hilfeeinrichtungen

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Aktuelles Jugendschutzgesetz sowie Spiel- und Gewinnpläne

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Zugang nur durch Freischaltkarte oder -code

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Zulassung, Info-Aufkleber der BZgA, Name und Firmenanschrift des Betreibers

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Feuerlöscher müssen ausreichend vorhanden, gut sichtbar, frei zugänglich und aktuell geprüft sein

12

Ansprache auffälliger Spielgäste durch geschultes Personal

13

Flucht- und Rettungswege sind eindeutig beschildert, gut sichtbar, frei zugänglich, nicht verschlossen oder mit Panikschlössern versehen

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Abstand, Anzahl und ggf. Sichtblenden können landesspezifisch variieren

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Zentrale Dokumente

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Zertifikate

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Sicherheitsrelevante Arbeitsprozesse

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Bearbeitung gesetzlich vorgeschriebener Dokumente und Vorgänge

Über

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Einzelkriterien entscheiden über die Zertifizierung von Spielhallen.

* In Berlin und Hamburg maximal acht Geräte Illustration: BS/DAW Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


Kommunale Sicherheit

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er siebte Bundeskongress zum Glücksspielwesen fand mit vielen Vertretern der Behörden, Kommunen, der Glücksspielbranche und Präventionsbeauftragter in Berlin statt. Zu den Referenten gehörten Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes der deutsche Automatenwirtschaft, Mathias Dahms, Präsident des deutschen Sportwettenverbands, Ronald Benter und Benjamin Schwanke, die Vorstände der neuen gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL), Manfred Stoffers, Vorstand der Gauselmann Gruppe, Susanne Heimerl, Oberregierungsrätin im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Andreas Schumacher, Referat Polizei- und Ordnungsrecht, Organisation, Glücksspielaufsicht im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz, und viele weitere Vertreter von Staat, Glücksspielbranche, Kommunen und Wissenschaft.

Behörden Spiegel / November 2022

Gemeinsam gegen illegales Glücksspiel 7. deutscher Bundeskongress zum Glücksspielwesen diskutiert über Regulierungen (BS/sr) Auch mehr als ein Jahr nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag gibt es zwischen der Glücksspielbranche und Regulierern einige Diskussionen. Sowohl zur Auslegung der Regierung als auch zu den im Staatsvertrag gesetzten Zielen gibt es unterschiedliche Auffassungen, die auf dem Bundeskongress deutlich wurden.

Kampf gegen den illegalen Markt

Da beide Parteien in Bezug auf die Glücksspielregulierung unterschiedliche Ziele verfolgen, wurde schnell klar, dass ein gemeinsamer Nenner nicht immer einfach zu finden ist. Wieder und wieder betonten jedoch alle Seiten, dass ein gemeinsamer Ansatz zur Regulierung erstrebenswert sei und man sich für weitere Beschlüsse gerne an einen Tisch setzen könne. Eine optimale Lösung könnte ohne die Beteiligung aller Parteien wahrscheinlich auch gar nicht zustande kommen, da das Glücksspielwesen einen schwierigen Balanceakt schaffen muss zwischen Spielerschutz, Attraktivität und Wirtschaftlichkeit. Ob eine optimale Lösung jedoch tatsächlich existiert, ist fragwürdig. Zumindest konstatierte Edgar Quasdorff, ehemaliger Vertreter des Landes NRW im Glücksspielkollegium, dass das Thema Werbung im Glücksspiel immer ein Streitpunkt bleiben werde. Auch wenn er Recht hat, sollte durch zukünftige Zusammenarbeit beiden Seiten eine angenehme Existenz zu ermöglichen sein. Die Ziele der Regulierer und die Baustellenliste der Glücksspielbranche sind umfangreich. In den kommenden Jahren werden die Diskussionen zu den Themen wohl zunehmen.

Der Fokus liegt für Steingaß dabei auf dem Online-Markt. Erst mit dem neuen Glückspielsstaatsvertrag sei dort eine echte Auseinandersetzung von illegalen mit legalen Anbietern möglich geworden. Was die Bekämpfung des illegalen Online-Marktes angeht, ist seit Anfang Juli die GGL zuständig. Benter und Schwanke gaben zu dem Thema auch an, bereits mehrere Verfahren gegen größere Anbieter eingeleitet zu haben. Wie erfolgreich sie in der Bekämpfung sind, kann aber noch nicht abgeschätzt werden. Auch im terrestrischen Bereich (Spielhallen, Casinos etc.) ist die Bekämpfung des illegalen Marktes alles andere als abgeschlossen. Arndt Borgmann vom Ordnungsamt der Stadt Hamm verdeutlichte diesen Umstand mit Zahlen und Bildern. Er berichtete über die Zähigkeit des Prozesses, da es sehr einfach sei, Ersatzgeräte für die illegalen Anbieter zu organisieren. Er erzählte von einem Fall, in dem ihn ein Besitzer des illegalen Gerätes direkt gefragt habe, ob ein gerade im Internet gefundenes Angebot für einen Spielautomaten in Ordnung wäre. Eines ist also deutlich: Es bleibt auf vielen Ebenen viel zu tun, damit die Ziele, die Steingaß ansprach, umsetzbar werden. Die Vertreter der Glücksspielbranche online und terrestrisch befürworten die Ziele von Steingaß. Sie bemängelten jedoch immer wieder, dass die aktuellen Regulierungen für diese Ziele hinderlich seien. Es seien Maßnahmen nötig, um den legalen Markt in seiner Attraktivität zu stärken. Ein Vorschlag der Automatenbranche ist die Abschaffung von Regulierungen wie der Technischen Richtlinie fünf. Diese macht das Spielen an den Automaten laut Vertretern der Branche höchst unattraktiv. Die Richtlinie reduzierte Limits, Gewinne und führte die sogenannte Spielerkarte ein, die für das Spielen an einem Automaten nötig ist. Ob tatsächlich Hand in Hand gearbeitet wird, um den Schwarzmarkt zu bekämpfen und einen attraktiven und sicheren Markt zu schaffen, wird sich noch zeigen. Auf dem Kongress standen jedoch alle Zeichen auf Zusammenarbeit. Der Erfolg der GGL, die im kommenden Jahr ihre Aufgaben vollständig übernehmen wird, dürfte entscheidend für den weiteren Regulierungsweg innerhalb Deutschlands werden.

Michael Stübgen, Innenminister des Landes Brandenburg. Er setzte seine Hoffnung auch in die GGL, die mit Beginn 2023 ihre vollen Aufgaben übernehmen wird. Foto: BS/Bildschön

Nicole Steingaß läutete mit ihrer Rede die letzte Diskussionsrunde des Kongresses ein und fasste die Ziele der nächsten Jahre für den Glücksspielmarkt in Deutschland zusammen. Foto: BS/ Bildschön

Fahrplan für Regulierung Eines der großen Themen des Kongresses wurde von Georg Stecker angesprochen: der Konflikt zwischen legalem und illegalem Markt. Seine Botschaft war, den legalen Markt zu stärken, damit dieser dem illegalen Markt ebenbürtig oder überlegen sei. Ein wichtiges Thema bei diesem Vorhaben sei zweifellos die Regulierung der Werbung. Die Glücksspielbranche interessierte daneben die Frage nach Justierungen und Änderungen am Glücksspielstaatsvertrag und ab wann mit diesen zu rechnen sei. Laut Benjamin Schwanke und Ronald Benter ist dies frühestens

Das Eröffnungsforum diskutierte die Eckpfeiler einer an Qualität orientierten Glücksspielregulierung in Deutschland. V.l.n.r.: Benjamin Schwanke, Uwe Proll, Prof. Dr. Gerhard Meyer, Simon Priglinger-Simader, Andreas Engler. Foto: BS/Bildschön

2026 der Fall, bei größeren Problemen könnte aber auch der erste Zwischenbericht 2023 schon Änderungen veranlassen. Die Vertreter der Glücksspielbran-

che wünschten sich schnellere Anpassungen der Regelungen, wie etwa bei der Mindestdauer eines Spiels von fünf Sekunden. Es klang jedoch deutlich an, dass

dies nur in absoluten Ausnahmefällen passieren würde, falls größere Missstände offensichtlich würden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die GGL selbst noch

Alles kommt auf den Prüfstand (BS) Es war ein langer Prozess, aber nun war er erfolgreich: die Zertifizierung von Spielhallen. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert Georg Stecker, weshalb eine derartige Prüfung sinnvoll ist. Die Fragen an den Sprecher des Vorstandes der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW) stellte Marco Feldmann.

B

ehörden Spiegel: Warum ist eine Zertifizierung für Spielhallen wichtig?

Behörden Spiegel: Was bringt eine Zertifizierung noch? Stecker: Viele Servicekräfte sind nach einer erfolgreichen Zertifizierung zu Recht stolz auf das Geleistete und identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen und den eigenen Aufgaben. Außerdem ist eine Zertifizierung ein positives Signal an die Behörden. Schließlich ist sie ein sichtbarer Nachweis für einen funktionierenden Spieler- und Jugendschutz und die Einhaltung aller Bestimmungen. Das kommt auch bei den Kundinnen und Kunden gut an! Deshalb bin ich der festen Überzeugung: Wer auf dem Markt bestehen möchte, kommt an der SpielhallenZertifizierung nicht vorbei. Behörden Spiegel: Welche Vorteile hat die Zertifizierung für kommunale Behörden? Stecker: Meistens obliegt den kommunalen Ordnungsbehörden die Kontrolle von Betrieben mit Spielangeboten im Allgemeinen sowie von illegalen Spielorten im Speziellen. Vollzugsbehörden sind jedoch oftmals durch die Vielzahl ihrer Zuständigkei-

“Ich rate allen Unternehmerinnen und Unternehmern dringend, die eigene Spielhalle so schnell wie möglich zertifizieren zu lassen, wenn es nicht schon geschehen ist.”

Georg Stecker ist Sprecher des Vorstandes der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW). Foto: BS/DAW, Urban

ten und durch den allgemein zunehmenden Personalmangel nicht in der Lage, eine flächendeckende und tiefgehende Prüfung gewährleisten zu können. Behörden Spiegel: Was bringt das den Ordnungsämtern vor Ort? Stecker: Die Zertifizierung von Spielhallen entlastet die Behörden. Da unabhängige Prüforganisationen die Qualität der Spielhalle in fünf unterschiedlichen Verwaltungs- und Rechtsgebieten nach über 130 Einzelkriterien auf den Prüfstand stellen, können Ordnungsämter wieder stärker Einrichtungen überprüfen, die ihre Qualität noch nicht durch eine Zertifizierung nachgewiesen haben. Behörden Spiegel: Wie war der Prozess des Antragverfahrens? Stecker: Die Zertifizierungsstandards sind bei der DAkkS, der nationalen Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland, akkreditiert. Das Antragsverfahren für das Programm einer Spielhallenzertifizierung erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Jahren.

Dabei ist zu beachten, dass sich in der Folge des Glücksspielstaatsvertrages 2021 auch die Bestimmungen in vielen Ländern geändert haben. Das Programm musste diese Änderungen ordnungsgemäß berücksichtigen, was das längere Verfahren erklärt. Behörden Spiegel: Wer führt die Zertifizierung durch? Stecker: Seit diesem Jahr können verschiedene unabhängige Prüforganisationen, wie zum Beispiel TÜV Rheinland, InterCert und ClarCert, Spielhallen nach dem akkreditierten DAWBranchen-Standard prüfen und zertifizieren. Behörden Spiegel: Was ändert sich noch durch die SpielhallenZertifizierung?

im Aufbau ist und daher nicht so bald mit verlässlichen Zahlen rechnet. Besonders zutreffend dürfte diese Einschätzung dabei für den in Deutschland ebenfalls jungen Online-glücksspielmarkt sein.

Gemeinsamer Nenner?

Spielhallen-Zertifizierung bringt Anbietern zahlreiche Vorteile

Georg Stecker: Ich rate allen Unternehmerinnen und Unternehmern dringend, die eigene Spielhalle so schnell wie möglich zertifizieren zu lassen, wenn es nicht schon geschehen ist. Bei einer Zertifizierung kommen alle Prozesse auf den Prüfstand. Dadurch gewinnen Sie neue Einblicke in die Abläufe des eigenen Unternehmens und können Verbesserungspotenziale optimal nutzen. Das zahlt sich aus.

Eine gute Zusammenfassung der übergreifenden Ziele der nächsten Jahre lieferte dabei wohl Nicole Steingaß, Staatssekretärin im Ministerium des Inneren und für Sport Rheinland-Pfalz. Sie sieht drei drängende Aufgaben für den Glücksspielmarkt und seine Regulierer in den nächsten Jahren: 1. Transformation des Schwarzmarktes, 2. effektive Bekämpfung illegaler Angebote, 3. engmaschige Aufsicht.

Stecker: Gut geführte Spielhallen, die ihre Qualität durch eine Zertifizierung nachgewiesen haben und die mit dem bundesweiten Sperrsystem OASIS Jugend- und Spielerschutz auf hohem Niveau garantieren, müssen deutlich gestärkt werden. Nur so können sie ihren wichtigen Auftrag, das Glücksspiel in legale Bahnen zu lenken, erfüllen. Behörden Spiegel: Was braucht es dafür? Stecker: Dazu gehören eine deutliche Steigerung der Attraktivität, eine Erhöhung der Gerätezahl und die Möglichkeit, dass in Spielhallen andere Produkte des legalen Glücksspiels angeboten werden dürfen. Warum hier nicht auch einen Lottoschein verkaufen? Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen.

Mehr zum Thema Welche Vorteile hat die Zertifizierung von Spielhallen für den Alltag von Vollzugsbehörden? Dieser Frage geht das Webinar "Gute Spielhallen erkennen – die Zertifizierung als Vollzugshilfe" des Behörden am 6. Dezember von 10 bis 11:30 Uhr nach. Weitere Informationen unter: www.gluecksspielwesen.de/termine/.


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Berlin und Bonn / November 2022

Nachbauen statt nachnutzen

KNAPP

Viele strukturelle Hemmnisse bei der OZG-Umsetzung

Abgeordnetenportal SH gestartet

(BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) offenbart nach anfänglichen Sortierungen, zwischenzeitlichen Umsetzungsschwierigkeiten, aber dennoch lösungsorientiertem Vorgehen nun wieder Konflikte. Den Wunsch nach einer systematischen Aufarbeitung zu Lessons Learned und eine schleppende EfA-Implementierung in der (BS/gg) Die Abgeordneten des Fläche adressiert nun auch das Kanzleramt. Eine gemeinsame strategische Ausrichtung, wie es weitergehen soll, und ein belastbares OZG-Betriebskonzept fehlen. Schleswig-Holsteinischen Landtags Mit dem Auslaufen der Frist zur Umsetzung des OZG wachsen der Unmut und die Unsicherheit einiger Bundesländer, wie es mit der Digitalisierung in Deutschland weitergeht. Zum einen kursieren widersprüchliche Informationen aus dem Bundesministerium des Inneren, ob Mitte Dezember, wie angekündigt, ein Eckpunktepapier für ein OZG-Folgegesetz oder tatsächlich schon ein Gesetz verabschiedet werden soll. Ein vor einigen Wochen geleakter Referenten-Entwurf gilt als veraltet. Er beinhaltet u. a. die Abschaffung der Umsetzungsfrist sowie die Stärkung des Nutzerkontos Bund. Die Länder wiegen sich jedoch in Unsicherheit, ob die von ihnen Anfang des Jahres in Workshops eingebrachten detaillierten Punkte für ein mögliches Folgegesetz berücksichtigt wurden und bemängeln insbesondere die Kommunikation des BMI. Bis zur Sitzung des IT-Planungsrats lagen den Ländern kaum Informationen vor. Sie werfen dem Bund vor, Tatsachen schaffen zu wollen. Zum anderen hatte der Bund für drei Jahre rund 1,5 Milliarden Euro aus Konjunkturmitteln zur Verfügung gestellt, damit Bund und Länder gemeinsam nach dem EfA-Prinzip (“Einer für alle”) Verwaltungsleistungen weiter digitalisieren und ausrollen können. Diese Förderung endet 2022, obwohl ein nicht unerheblicher Teil der Summe noch gar nicht abgerufen wurde. Der Entwurf des Bundeshaushalts 2023 sieht stattdessen nur noch rund 382 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte vor. Die Länder SchleswigHolstein, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg fordern, dass der Bund im nächsten Jahr die zugesagten, aber noch nicht abgerufenen Mittel bereitstellt. Ansonsten könnten viele EfAProjekte nicht fertig umgesetzt

Nachgebaut statt nachgenutzt: Aufgrund hoher Kosten bei der Nutzung des EfA-Prinzips entscheiden sich viele Länder, Leistungen lieber selbst zu bauen. Foto: BS/Michael Gaida, pixabay.com

und ausgerollt werden oder die Länder müssten dies über eigene Gelder weiterfinanzieren. Judith Gerlach, Digitalministerin des Freistaates Bayern, sieht den “Abschluss laufender EfA-Projekte in Gefahr”. Dirk Schrödter, Digitalisierungsminister und Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holstein, ergänzt: “Mit seinem einseitigen Aufkündigen von Verabredungen gefährdet der Bund die Umsetzung des OZG und entzieht sich damit der gemeinsamen, gesamtstaatlichen Verantwortung für eines der zentralsten Reformvorhaben des deutschen Staatswesens, nämlich die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.” Dennoch wollen Länder wie Hessen und Bremen “zu Ende führen, was wir angefangen haben. Es wäre verrückt, auf der Hälfte des Weges aufzuhören”, so Dr. Martin Hagen, IT-Staatsrat der Freien und Hansestadt Bremen,

im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Aus Sicht vieler Länder müsste ein OZG-Folgegesetz deutlich weiter gehen als jetzt geplant. Hessen fordert z. B. die Volldigitalisierung und die Stärkung bestehender Strukturen zur OZG-Umsetzung. Zudem wünschen sich mehrere Länder, darunter NRW und Berlin, ein gemeinsames Zielbild, wie die Verwaltungsdigitalisierung mit medienbruchfreien Prozessen, z. B. einer Umkehrung des Schriftformerfordernisses, und damit die weitere Umsetzung des OZG aussehen kann. “Wir müssen sorgfältig analysieren, warum eine EfA-Implementierung flächendeckend nicht ausgerollt werden kann”, so Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär und CIO Berlins. Das EfA-Prinzip suggeriert einmalige Kosten, in Flächenländern kann es jedoch dazu kommen, dass Implementierungen durch

Dienstleister mehrfach abgerechnet werden. Hinzu kommt, dass für bestimmte Leistungen eine Eigenentwicklung nach Wirtschaftlichkeitsprüfung günstiger ist als die Abrufungskosten von EfA, so Thüringens Staatssekretär und CIO Dr. Harmut Schubert. “Die bisherigen strategischen Annahmen haben sich als falsch erwiesen”, konstatiert auch Kleindiek. So hat beispielsweise Dataport im Themenfeld Arbeit und Ruhestand, unter Federführung von NRW, den Antrag auf Aufhebung des Kündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung als EfA-Leistung unter Beteiligung des Landschaftsverbands Rheinlands (LVR) entwickelt. Leistungsverantwortlich hierfür sind Schleswig-Holstein und Hessen. Der einheitliche Ansprechpartner für die EfA-Nachnutzung bei d-NRW hat sich jedoch in diesem Fall gegen eine Nachnutzung ausgesprochen. Damit kann

der LVR nach eigenen Angaben die EfA-Leistung vergaberechtlich nicht nachnutzen. Konsequenz: Der LVR plant nun statt der Nachnutzung den eigenständigen Nachbau des Dienstes. Auch Hessen plant aufgrund hoher Kosten, den EfA-Dienst nicht nachzunutzen. Der Kerngedanke des EfA-Prinzips, einer baut, alle nutzen nach, wird somit durch die gelebte Praxis ad absurdum geführt. “Letztlich muss auch die Registermodernisierung in einem OZG-Folgegesetz mitgedacht werden und nicht als separates Projekt laufen”, fordert Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, CIO von NRW. Dies könnte, wie im Fall des Digitale-FamilienleistungenGesetzes, in einer Art Generalklausel münden, die auf Ebene der Fachgesetze ansetze, schlägt auch Dr. Hagen vor. Eine solche würde es Behörden erlauben, “Daten zum Zwecke der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen auszutauschen”, so der Bremer. Der Unmut der Länder geht so weit, dass der Niedersächsische Innenminister Boris Pistorius in einem Brief das Bundeskanzleramt einschaltet. Er beklagt darin den “Wegfall der Bundesmittel Ende des Jahres 2022” und warnt für das Themenfeld Gesundheit vor “einem Stopp der Weiterentwicklung und des Rollouts”, was auch für andere Themenbereiche gelten könnte. Der Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, weist Kritik an den beteiligten Akteuren zurück, hebt aber gleichzeitig hervor, “ergebnissoffen zu eruieren, ob es für eine beschleunigte und bessere Digitalisierung möglicherweise strukturelle Hemmnisse gibt”, die gemeinsam beseitigt werden müssten. Die strukturellen Hemmnisse scheinen aber dermaßen vielfältig, dass eine zügige Lösung in die Ferne rückt.

können ab sofort ein neues digitales Tool für die parlamentarische Zusammenarbeit nutzen. Mit dem von Dataport entwickelten Abgeordnetenportal Schleswig-Holstein steht den Nutzenden eine zentrale Plattform zur Verfügung, auf der sie wichtige Informationen, Dokumente und Vorlagen gebündelt an einem Ort finden. Zahlreiche Abläufe und Prozesse, die bislang analog stattfanden und viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nahmen, können fortan auf digitalem Wege bearbeitet werden. “Mit dem Abgeordnetenportal hat die Landtagsverwaltung den verfassungsrechtlichen Auftrag umgesetzt, den Landtag auch in Krisenzeiten digital handlungsfähig zu halten. Wir haben die Investition aber zugleich genutzt, um parlamentarische Arbeitsabläufe auch in normalen Zeiten vermehrt digital anzubieten und so den Abgeordneten die Arbeit zu erleichtern”, sagt Prof. Dr. Utz Schliesky, Direktor des SchleswigHolsteinischen Landtages.

Kooperation zwischen BSI und Singapur

(BS/bhi) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und sein Gegenstück in Singapur – die Cyber Security Agency Singapore (CSA) – erkennen gegenseitig ihre IT-Sicherheitszertifikate an. BSI-Vizepräsident Dr. Gerhard Schabhüser und der Chief Executive der CSA, David Koh, unterzeichneten eine entsprechende Vereinbarung. Konkret erkennt das BSI das Cybersecurity Labelling Scheme (CLS) der Singapurer an, während die CSA im Gegenzug das IT-Sicherheitskennzeichen des BSI anerkennen. Das IT-Sicherheitskennzeichen des BSI entspricht damit einem Cybersecurity Label der Stufe 2 im südostasiatischen Stadtstaat. Andersherum erhalten Produkte mit einem Cybersecurity Label der Stufe 2 oder höher leichter ein ITSicherheitskennzeichen des BSI.

ZUKUNFTSKONGRESS

BAYERN

Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, Panithan

DAS BAYERISCHE DIGITALGESETZ MOTOR FÜR DEN SERVICEORIENTIERTEN DIGITALEN FREISTAAT

9. FEBRUAR 2023 | München

www.zukunftskongress.bayern

BehoerdenNews

zkonbayern23

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BehoerdenSpiegel


Informationstechnologie

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KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Behörden Spiegel / November 2022

November 2022

Genossenschaftsidee digital Die Genossenschaftsidee bietet für einige Herausforderungen der Digitalisierung erfrischend moderne Lösungen. Zugleich können bestehende Genossenschaften von der Digitalisierung profitieren. Genossenschaften werden mitunter mit Selbsthilfevereinen der Arbeiterbewegung des vorletzten oder mit landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften des letzten Jahrhunderts verbunden. Dabei sind Genossenschaften auch heute fast allgegenwärtig: Sei es als oft stark regional orientierte Volks- und Raiffeisenbanken oder als Wohnungsbaugenossenschaften, die in Deutschland über zwei Millionen Wohnungen vermieten. Auch für digitale Angebote finden sich verschiedene Genossenschaftsmodelle, die digitale Services für Berufsgruppen oder zivilgesellschaftliche Organisationen anbieten, oder unter deren Dach sich Gebietskörperschaften und öffentliche IT-Dienstleister zur Bündelung ihrer Aktivitäten zusammenschließen. Dabei zeichnet sich das Verhältnis zwischen genossenschaftlicher Organisation und Digitalisierung dadurch aus, dass beides eine Lösung für Herausforderungen des jeweils anderen sein kann: Digitale Tools schaffen neue Lösungen für die genossenschaftliche Arbeit und genossenschaftliche Organisationsformen bieten Lösungen für verschiedene Herausforderungen der Digitalisierung.

Digitale Selbstversorgung Eine Herausforderung der Digitalisierung besteht in der Bereitstellung von Infrastruktur und geteilten Diensten für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unterneh-

men und andere Organisationen, die bisher nicht im hinreichenden Maß darüber verfügen. Hier lassen sich interessante Anwendungsfelder finden, die vom genossenschaftlichen Ausbau der “letzten Meile” beim Internetzugang über den Aufbau einer Cloud-Infrastruktur bis hin zur Bereitstellung von Kommunikationsdiensten reichen. Durch die genossenschaftliche Organisationsform wird nicht nur der Selbsthilfeaspekt solcher Vorhaben unterstützt, die Abstimmungsmechanismen erlauben auch einen höheren Grad der Selbstbestimmung bei der Ausgestaltung. Dadurch ergibt sich die Chance, sich von großen Plattformen zu differenzieren, was auch in anderen Anwendungsfeldern wie etwa bei Suchmaschinen und Online-Marktplätzen Vorteile bieten könnte.

Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen Auch für die kommunale IT-Zusammenarbeit lassen sich etliche Beispiele für Genossenschaftsmodelle finden. Sie zielen in ihrer Mehrheit auf die gemeinsame Beschaffung von Hard- und Software oder auf die Entwicklungen und den Betrieb von Fachsoftware. Durch die Zusammenarbeit lassen sich nicht nur Entwicklungs- und Betriebskosten besser aufteilen und die Nachfrage bündeln, die Rechtsform erleichtert auch die Beauftragung. Dass für solche interkommunalen Kooperationen

Die Sicherheitsplattform für Ihre Geschäftslösung

Knox stellt auf jeder Ebene von Samsung Galaxy-Geräten sicher, dass vertrauliche und sensible Daten geschützt bleiben, ganz gleich, wo Sie sich befinden. Ihr gesamtes Gerät ist von innen heraus in Echtzeit geschützt. Auf diesen Schutz können Sie vertrauen. Knox ist eine Sammlung von Diensten und ermöglicht: • Schutz vor Angriffen von außen und Schadsoftware • Einheitliche Verwaltung von Arbeitsgeräten • Rebranding und Anpassung an Ihre Bedürfnisse

Genossenschaften werden gedanklich oftmals primär mit der Landwirtschaft in Verbindung gebracht, dabei sind sie in vielen Bereichen von Staat und Wirtschaft anzutreffen. Foto: BS/Zonc, Photos/Pixabay

oftmals andere Rechtsformen gewählt werden, dürfte nicht zuletzt durch die geringere öffentliche Aufmerksamkeit und die in einigen Ländern schwächere rechtliche Flankierung erklärbar sein. Nicht nur Kommunen bedienen sich des Genossenschaftsgedankens. Auch im Bereich der Hochschulen oder der öffentlichen ITDienstleister finden sich teils viel beachtete Beispiele, bei denen über Genossenschaften die Zusammen-

Einer dieser Dienste ist Knox Platform for Enterprise. Es ist speziell für Unternehmen entwickelt worden und bietet Sicherheit sver waltu ngsfu nktionen für Ihre geschäftlichen Geräte und Daten mit höchsten Standards. Auf Knopfdruck können Sie alle Geräte mit dem Common Criteria (CC)Modus sofort CC-konform machen. Zudem werden eine einheitliche Verwaltung von Benutzerdaten und ausführliche Gerätenutzungsanalysen ermöglicht. Greifen Sie auf die feinen Details zu, die über die Funktionen standardmäßiger Android-Unternehmensanwendungen hinausgehen, wie auf native Steuerelemente. Trennen Sie private Apps selbst auf unternehmenseigenen Geräten vom Arbeitsprofil. Führen Sie Integritätsprüfungen per Fernzugriff durch, um zu erkennen, ob Geräte kompromittiert wurden oder nutzen Sie die hochentwickelten VPN-Einstellungen, die weit über den marktübli-

arbeit etwa durch die gemeinsame Nutzung von Betriebs- und Entwicklungskapazitäten gebündelt wird.

Digitalisierung von Genossenschaften Ebenso wie anderen Organisationen bietet die Digitalisierung auch Genossenschaften jenseits der IT-Branche neue Möglichkeiten. Hier ist nicht nur die Nutzung von immer mehr verfügbaren Tools

chen Standards liegen. Mit der Knox Platform for Enterprise kontrollieren Sie Geräte flexibel mit tiefgreifenden HardwareFunktionen, die nur mit Knox zugänglich sind. Hardware-Schlüssel können neu zugeordnet werden, um bestimmte Anwendungen und Aufgaben unmittelbar zu starten. Die Funktionen für die „Geräteeinrichtung“ bei Ihren Geräten können kontrolliert werden, indem Sie sie automatisch auf „aktiviert/deaktiviert“ setzen. Zudem können Sie die Änderung einzelner Einstellungen sperren oder die „Geräteeinrichtung“ vollständig ausblenden. Sperren Sie nicht genehmigtes Löschen von Geräten und/oder Flashing von Custom-ROM sicher auf Systemebene. Mit der Knox Platform for Enterprise gestalten Sie einen sicheren Umgang mit unternehmenseigenen Geräten und sorgen für ein geschütztes Arbeitsumfeld.

zu nennen, auch Spezifika der genossenschaftlichen Rechtsform lassen sich etwa durch erweiterte Kommunikations- und Abstimmungstools unterstützten. Davon profitieren Genossenschaften insbesondere im Bereich Organisation, aber auch hinsichtlich ihrer geografischen Reichweite, wenn beispielsweise Mitgliederversammlungen online durchgeführt werden können. Beide Seiten – sowohl die Möglichkeit,

Haben Sie noch Fragen? Kontaktieren Sie uns und sprechen Sie mit einem unserer Vertriebsmitarbeiter, um mehr über die Knox-Lösungen zu erfahren. Nach umfangriecher Beratung können Sie über uns die Lizenzschlüssel er-

Herausforderungen der Digitalisierung mit einer Genossenschaft zu begegnen, als auch Chancen, die für Genossenschaften durch die Digitalisierung entstehen – zeigt das neue White Paper “Genossenschaften im digitalen Zeitalter” auf. Beispiele, wie modern und passend die über 150-jährige Organisationsform in digitalen Kontexten sein kann, finden Sie online unter: www.oefit.de/publikationen .

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Mail: info@jambo-gmbh.de Tel.: 0291 90 21 575


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / November 2022

U

mgekehrt muss auch der Staat die Bürgerinnen und Bürger besser erreichen. Die gegenwärtige Krise und die Notwendigkeit, bspw. in kurzer Zeit Unterstützung zielgenau denjenigen zukommen zu lassen, die sie brauchen, unterstreichen die Notwendigkeit, Verwaltungsvorgänge und -infrastruktur zu digitalisieren. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist dabei ein erster wichtiger Schritt.

Verantwortung der Arbeitsund Sozialverwaltung Der Sozialstaat und damit auch die Arbeits- und Sozialverwaltungen sind eine zentrale Säule unserer Demokratie. Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sind für die Ansprüche von Millionen von Menschen zuständig, die sich oft in herausfordernden Umbruchoder Krisenzeiten befinden. In Deutschland wurden 2021 gut 1,4 Millionen Rentenneuanträge gestellt, die Bundesagentur für Arbeit (BA) bearbeitet täglich etwa 9.600 Anträge auf Arbeitslosengeld, 5.500 Anträge auf Kindergeld und seit dem Beginn der Corona-Krise zugleich Millionen Kurzarbeitergeld-Anträge. Allein in der BA arbeiten 95.000 Menschen, die Rentenversicherung hat über 60.000 Beschäftigte. Diese Zahlen verdeutlichen, um was für eine Mammutaufgabe es sich bei der Sozialverwaltung handelt. Ob Rentenbescheid, Hilfe bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung oder Reha-Angebote nach einem Unfall: Die Behörden stehen dabei in besonderer Verantwortung, weil sie sehr sensib-

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Aus technischem Fortschritt auch sozialen Fortschritt machen KI-Einsatz in der Arbeits- und Sozialverwaltung im Dienste der Menschen (BS/Lilian Tschan) Im Alltag nutzen wir immer selbstverständlicher digitale und KI-basierte Technologien, etwa um bequem online einzukaufen, eine Wohnung zu suchen oder per Spracheingabe von unserem Smartphone E-Mails zu verschicken. Sobald wir jedoch in Kontakt mit dem Staat treten, haben wir es leider noch zu oft mit Papier, langen Wartezeiten und komplizierten Abläufen zu tun. Die Bundesregierung hat sich deshalb in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Verwaltung digitaler, innovativer und bürgerfreundlicher zu gestalten. Denn eine moderne, effiziente Verwaltung stärkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat – gerade in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit erleben. le Daten verarbeiten und sicherstellen müssen, dass all diese Leistungen möglichst unkompliziert, schnell und fehlerfrei bei den Betroffenen ankommen. Für die Arbeits- und Sozialverwaltungen ist es deshalb von höchster Bedeutung, die Potenziale von KI-Anwendungen umfassend und verantwortungsvoll zu nutzen. Insbesondere bei Prozessen mit großem Routineanteil, etwa dem Bearbeiten von Anträgen, kann KI helfen, die Beschäftigten von monotonen Aufgaben zu entlasten, Abläufe zu vereinfachen und so Wartezeiten für die Bürgerinnen und Bürger zu verkürzen.

Leitlinien für den verantwortungsvollen KI-Einsatz Unser Ziel als Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist, dass die Services der Verwaltung genauso einfach, intuitiv und schnell werden, wie es die Bürgerinnen und Bürger von anderen digitalen Dienstleistungen gewohnt sind. Deshalb hat das BMAS für seinen Geschäftsbereich “Selbstverpflichtende Leitlinien für den KI-Einsatz in der behördlichen Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung” entwickelt, die jetzt veröffentlicht werden. Sie wurden seit Mai 2021 im “Netzwerk KI in der

Über kurz oder Lang – Für ein digitales Deutschland –

Hochrisiko-Bereich fallen, etwa wenn es um die Gewährung von Sozialleistungen geht. Die Leitlinien sind deshalb Lilian Tschan ist Staatssekretärin im Bundesministeeine wichtige Vorrium für Arbeit und Soziales. bereitung für die Behörden auf das Foto: BS/BMAS Inkrafttreten der KI-Verordnung. Arbeits- und Sozialverwaltung” Danach werden sie als sinnvolle erarbeitet, in einem behörden- Unterstützung für die Praxis übergreifenden, partizipativen dienen, um einen verantworund anwendungsorientierten tungsvollen, fairen und menAustausch. Dabei sind die Erfah- schenzentrierten KI-Einsatz zu rungen von über 40 Expertinnen fördern. und Experten aus 20 Behörden Wertebasiert und menscheneingeflossen. zentriert gestalten Zudem wurden wichtige Empfehlungen, etwa der OECD und Neben konkreten Handlungsder Enquete-Kommission des empfehlungen und praktischen Bundestages zu KI oder der EU- Checklisten enthalten die LeitliKommission berücksichtigt: So nien auch eine Wertegrundlage nutzen die Leitlinien beispiels- für den KI-Einsatz: Transparenz, weise einen risikobasierten Nichtdiskriminierung und GeAnsatz, der auch im KI-Ver- meinwohlorientierung sind notordnungsentwurf der EU-Kom- wendige Voraussetzungen, damission zum Tragen kommt. Die- mit aus technischem Fortschritt ser sieht vor, KI-Systeme anhand auch sozialer Fortschritt wird. ihres potenziellen Risikos einzu- Die Leitlinien zeigen außerdem stufen und die Anforderungen an sehr konkret, wie die Einfühihre Entwicklung, Kontrolle und rung von KI-Anwendungen in Nutzung entsprechend anzu- den Behörden menschenzenpassen. Viele KI-Anwendungen triert gestaltet werden kann, in der Arbeits- und Sozialver- also so, dass der Nutzen für die waltung werden dabei in den Menschen stets im Mittelpunkt steht. Hierfür ist es insbesondere wichtig, frühzeitig umfassende Beteiligungsmöglichkeiten für spätere Nutzende und Betroffene zu schaffen, also für die Bürgerinnen und Bürger, die

Ohne Fehler kein lernender Staat

Beschäftigten in Behörden sowie für Datenschutzbeauftragte und Personalvertretungen.

Folgen abschätzen, Datenqualität sicherstellen Gerade beim Einsatz von KIAnwendungen in der öffentlichen Verwaltung ist es wichtig, erwartbare Folgen frühzeitig abzuschätzen, mögliche Risiken zu bewerten und diese zu minimieren. Wenn ein KI-System z. B. bei der Bearbeitung von Anträgen auf Sozialleistungen unterstützt, kann ein Fehler des Systems schwerwiegende Folgen für die Antragsteller haben. Grundsätzlich gilt: Je größer das potenzielle Risiko auf individueller oder gesellschaftlicher Ebene, desto höher müssen die Anforderungen an Qualität und Kontrolle der Systeme sein. Eine hohe Datenqualität ist dabei Voraussetzung für ein funktionierendes, diskriminierungsfreies KI-System und muss genau geprüft werden. Schlechte Qualität der Daten kann zu einem Bias, also einer Verzerrung in den Daten, und in der Folge zu diskriminierenden Ergebnissen führen. Diskriminierung entsteht auch, wenn bestehende Ungleichheiten reproduziert werden. Deshalb müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mögliche Ursachen von Bias und Diskriminierung sensibilisiert werden, um aktiv gegenzusteuern. Eine diverse Aufstellung der Teams in Bezug auf Geschlecht, Alter, Herkunft etc. kann dabei helfen.

Wie ein KI-System funktioniert und konkrete Ergebnisse berechnet, muss für unterschiedliche Zielgruppen verständlich und nachvollziehbar sein. So sollten Behördenmitarbeitende u. a. in die Lage versetzt werden, Empfehlungen eines KI-Systems richtig einzuordnen und zu bewerten. Für Bürgerinnen und Bürger muss klar werden, wie eine sie betreffende Entscheidung zustande gekommen ist und welche Rolle ein KI-System dabei gespielt hat. Besonders wichtig ist, dass für Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft transparent bleibt, ob sie es mit einem Menschen oder einer Maschine zu tun haben. Mit der Veröffentlichung der Leitlinien für den KI-Einsatz in der behördlichen Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung ist die Zusammenarbeit im Netzwerk “KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung” nicht abgeschlossen. Die Leitlinien sind ein lebendes Dokument, das regelmäßig an neue technologische, gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen angepasst wird, z. B. nach Verabschiedung der europäischen KI-Verordnung. Außerdem werden die Leitlinien im Praxistest erprobt. Dafür wird das BMAS die Einführung konkreter KI-basierter Modernisierungsprojekte in den Arbeitsund Sozialverwaltungen fördern. Die Leitlinien stehen auf der Webseite der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter www.denkfabrik-bmas. de kostenfrei zum Download zur Verfügung. Sie wollen sich mit dem Netzwerk austauschen oder haben Feedback zu den Leitlinien? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an: ki-in-der-verwaltung@bmas. bund.de

Eine Kolumne von Christina Lang

Irren ist menschlich. Eine Redewendung, die wir alle kennen. Fehler gehören zu unserem Leben dazu. Und doch ist der Begriff noch immer sehr negativ besetzt. Bereits in der Schule gibt es klare Konsequenzen für Fehler: schlechte Noten. Wer einen Fehler macht, wird dafür bestraft. Eine Erfahrung, die unsere Haltung zu Fehlern auch im Erwachsenenalter und in der Arbeitswelt erheblich prägt. Möglichst keine Fehler machen, lautet infolgedessen das Anspruchsdenken an uns selbst und an andere. Fehler, Kurskorrekturen oder gar Scheitern werden insbesondere von Politik und Staat in der öffentlichen Wahrnehmung kaum verziehen. Verständlich also, dass in der Verwaltung vielerorts Anreizstrukturen und eine Denkweise vorherrschen, die auf eine größtmögliche Vermeidung von Risiken und Fehlern abzielen. Doch wer davor zurückschreckt, Fehler zu machen, sie zuzulassen und über sie zu sprechen – etwa aus Angst vor negativen Folgen –, läuft Gefahr, wichtige Erkenntnisse und Lernpotenziale verstreichen zu lassen. Zudem werden Fehler größer, wenn man nicht offen und transparent mit ihnen umgeht. Fast schlimmer noch: Sie wiederholen sich, wenn man nicht gemeinsam schaut, worin die Ursache lag und was sich für die Zukunft ableiten lässt. Der erste wichtige Schritt: Fehler machen ausdrücklich erlauben. In unserer noch jungen Geschichte beim DigitalService haben wir schon viele Fehler gemacht. Hat uns das geschadet? Im Gegenteil!

SIE SORGEN DAFÜR, DASS DAS ÖFFENTLICHE LEBEN FUNKTIONIERT. Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService. Foto: BS/DigitalService

Wir haben unser erstes Jahr bewusst als "Jahr des Lernens" ausgerufen und viel ausprobiert. Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, kalkulierte Risiken einzugehen und ja, Fehler zu machen. Wir haben sie nicht provoziert, aber wenn sie passiert sind, haben wir uns Zeit genommen zu verstehen, wieso sie passiert sind, und haben daraus gelernt. Kein Fehler ist einfach nur ein Fehler. Sie sind facettenreich und müssen ähnlich wie Erfolgsfaktoren analysiert werden. Entscheidend dabei ist, das Was und das Wie zu verstehen, das Wer ist hingegen nachrangig. Denn Fehler können und werden jedem passieren. Daher ist auch der nächste Schritt umso wichtiger: aus Fehlern lernen. Die Erkenntnisse, die sich bei der nachträglichen Auseinandersetzung gewinnen lassen, bieten das große Potenzial für zukünftige Verbesserungen. Wer sich oder etwas verändern möchte, braucht also nicht nur eine gesunde Fehlerkultur, sondern auch eine offene Feedback- und Lernkultur. Erst die Reflektion und Auswertung der Fehler machen eine

wahre Veränderung möglich. Eine gelungene Lernkultur zeichnet sich dadurch aus, dass in der Organisation zunächst offen und transparent über Fehlentscheidungen diskutiert wird, damit im Folgeschritt konkrete und vor allem konstruktive Verbesserungsvorschläge entstehen können, die dann ähnliche Fehler in der Zukunft verhindern. Und bei allem Enthusiasmus dafür, Fehler zu machen, den gleichen Fehler sollte man, wenn möglich, nur einmal machen. Deshalb ist es toxisch, wenn Fehler verleugnet oder vertuscht werden und die ersten Fragen lauten: „Wer ist für den Fehler verantwortlich und wer hat Schuld?” Ganz entscheidend ist deshalb die Haltung von Führungskräften, wenn Fehler besprochen und reflektiert werden. Nur durch einen offenen Umgang mit Fehlern und der darauf aufbauenden Lernkultur entsteht der Mut, den die handelnden Akteure in Politik und Verwaltung brauchen, um eingetretene Pfade zu verlassen, Neues auszuprobieren und gute Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

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as beinhaltet nur die Digitalstrategie Deutschlands zum E-Procurement? “Wir fördern und nutzen konsequent Daten über den öffentlichen Einkauf zur Herstellung von Transparenz, zur Erleichterung des Zugangs für interessierte Wirtschaftsteilnehmer und als Basis einer strategisch sowie nachhaltig ausgerichteten Beschaffung. Dazu zählen ein nationaler Bekanntmachungsservice und die Nutzung einheitlicher Datenstandards.” Abgesehen davon, dass es im Oberschwellenbereich seit Jahrzehnten auf EU-Ebene den Bekanntmachungsservice Tenders Electronic Daily (TED) und im nationalen (Unterschwellen-)Bereich privatwirtschaftliche Bekanntmachungsservices gibt: Es zeigt sich hier ein Denken, das Digitalisierung als reine “Elektrifizierung” bestehender Prozesse sieht – nicht als Möglichkeit, mit digitalen Systemen den Prozess selbst bzw. das ganze Geschäftsmodell zu ändern. Erst mit einer Organisationänderung aber lassen sich die Nutzenpotenziale der Digitalisierung wirklich heben. Weiter heißt es in der Digitalstrategie: “Wir wollen auch die Möglichkeiten der öffentlichen Beschaffung nutzen, um innovative Lösungen zu priorisieren und dadurch deutschen und europäischen Innovationen aus Forschung und Entwicklung eine echte Chance und Wachstumspotenziale zu eröffnen und damit die digitale Souveränität entlang der gesamten Innovationskette bis hin zur Anwendung stärken.”

Neugestaltung öffentlicher Beschaffung Diese Aussage ist richtig, widerspricht sich aber im oben zitierten Punkt selbst: Eine reine Elektrifizierung bestehender Prozesse eröffnet keine “Chancen und Wachstumspotenziale”. Wie sieht aber nun ein Beschaffungssystem aus, das die Digitalisierung zur Neugestaltung öffentlicher Beschaffung nutzt? Zunächst das Realisieren einer Preisersparnis durch Bedarfsbündelung und den Zuschlag von Rahmenverträgen, nicht über 15 bis 20 Busse, sondern über Hunderte oder Tausende. Jede beschaffende Stelle kann dann über ein E-Procurement-System Busse aus dem Rahmenvertrag abrufen. Im System der BBG sind dies über alle Produktgruppen hinweg dokumentierte 18 Prozent Preis­ ersparnis. In vielen Bereichen (Büroartikel, Medikamente, IT, Möbel, Schulbedarf, Treibstoffe,

Behörden Spiegel / November 2022

Ein “Weiter so” bei der Beschaffung? Ein Blick in die Digitalstrategie der Bundesregierung (BS/Robert Müller-Török/Alexander Prosser) Am 31. August 2022 beschloss die Bundesregierung die Digitalstrategie. Wie bekannt, ist die öffentliche Beschaffung in Deutschland auch 2022 noch weit von den europäischen Benchmarks für E-Procurement entfernt, z. B. dem portugiesischen Institute of Public Markets, Real Estate and Construction (IMPIC) oder der österreichische Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG). Der Status der öffentlichen Beschaffung in Deutschland von heute ist typischerweise: Jede Stelle beschafft für sich selbst, Bündelung von Bedarfen oder Professionalisierung der Beschaffung findet überwiegend nicht statt. So gibt es eine “Zentrale Beschaffungsstelle” der Stadt Coburg, die aufgrund einer Zweckvereinbarung auch vom Landkreis Coburg und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden genutzt wird. Dies ist allerdings nicht die Regel, sondern insbesondere behördenübergreifend die Ausnahme. So kommt es dann etwa zu einer EU-weiten Ausschreibung eines einzigen Standardgelenkomnibusses durch die Plauener Omnibusbetrieb GmbH (2022/S 153-438459). nicht aus dem E-Shop bedient werden können, · Lieferantenmonitoring zur Qualitätssicherung. Die Bedingung für ein solches System und eine solche Agentur ist freilich, dass die einzelnen ausschreibenden Stellen über eine elektronische Materialwirtschaft verfügen müssen. Dies ist in der öffentlichen Verwaltung Deutschlands nach Beobachtung und Wissensstand der Autoren die absolute Ausnahme. Wie wir aus der hoffentlich vergangenen Pandemie gelernt haben, war die Bewirtschaftung und Verteilung der lebenswichtigen Impfstoffe papierbasiert und ineffizient, welche in Österreich durch die BBG logistisch und IT-technisch problemlos vollständig und effizient abgewickelt werden konnte. Auch die portugiesische Impfkampagne gehörte zu den erfolgreichsten der EU.

Bestandteil eines deutschlandweiten E-Procurement-Systems soll u. a. ein E-Shop zum Abruf von Rahmenverträgen sein. BS/Gerd Altmann, pixabay.com

Strom, Telefonie/Internet, Facility Management, Pkws etc.) gibt es bereits eine vollständige oder wenigstens weitgehende Standardisierung. Hier können Bedarfe ohne Weiteres zusammengefasst werden. In anderen Bereichen, wie etwa dem ÖPNV, muss eine Standardisierung erst vorgenommen werden (“Deutschlandbus”). Durch diese Standardisierung ergeben sich Vorteile in der Logistik, wenn nicht jede Stelle ihr eigenes System betreibt. Aus den Rahmenverträgen der BBG erfolgen 54 Prozent der Abrufe von Ländern und Gemeinden, die gesetzlich berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, aus den Rahmenverträgen des Bundes abzurufen und die dafür freiwillig eine Service Charge bezahlen – einfach, weil es billiger ist. Wesentlich billiger. Zusätzlich ergibt sich eine erhebliche Prozesskostenersparnis, da die Abrufe ohne eigenes Ver-

gabeverfahren, ohne Vorlauf und rechtssicher aus bereits rechtskräftig zugeschlagenen Rahmenverträgen erfolgen.

Deutschlandweites ­E-Procurement-System Dies wäre Digitalisierung, die sich nicht in der Elektrifizierung des bestehenden Verfahrens erschöpft. In einer traditionell papierbasierten Welt sind derartige Rahmenverträge für tausende Artikel realistisch nicht an die Beschaffungsstellen zu verteilen oder die Abrufe zu organisieren. Daraus ergibt sich, dass jeder für sich einzeln Markterkundung, Ausschreibung, Bewertung der Angebote, Zuschlag und gegebenenfalls das Einspruchsverfahren durchführt. Erst die Digitaltechnik ermöglicht ein fundamental anderes und wesentlich besseres Geschäftsmodell. Von einem deutschlandweiten E-Procurement-System, welches

Teil einer Digitalstrategie sein sollte, wäre zu erwarten: · die Schaffung einer nationalen zentralen Beschaffungsagentur, · die rechtliche Verpflichtung aller ausschreibender Stellen aller Ebenen, sich dieser Agentur zu bedienen – ohne Ausnahmen, sieht man vielleicht vom militärischen Teil der Bundeswehr ab. Außerdem: Die Schaffung eines von dieser Agentur betriebenen E-Procurement-Systems, bestehend aus · einer Materialwirtschaft, welche die Einzelbedarfe aller teilnehmenden öffentlichen Stellen bündelt und über Funktionen wie Abrufe aus Rahmenverträgen, Lieferaviso, Wareneingangsbuchung, Qualitätsprüfungen und deren Ergebnisse bis zur Rechnungsstellung verfügt, · einem E-Shop zum Abruf aus Rahmenverträgen, · einem Abwicklungssystem für Einzelausschreibungen, die

Erhebliches jährliches ­Einsparpotenzial Es hat den Anschein, als ob eine effiziente elektronische Beschaffung, wie sie vom Unions-

recht ermöglicht und auch erwünscht wird, nicht Bestandteil der Digitalstrategie ist. Nimmt man das Gesamtvolumen der öffentlichen Beschaffung Deutschlands von 500 Mrd. Euro (lt. OECD 2019), nimmt man konservativ nur die Hälfte als relevant an, so sprechen wir bei 18 Prozent Preiseinsparungseffekt von einem Potenzial von 45 Mrd. Euro nachhaltig jährlich. In Zeiten, in denen für die Schulden der öffentlichen Hand bald wieder erhebliche Zinsen zu zahlen sein werden, ist dies eine relevante Größe. Hinzu kommen Prozesskosten­ ersparnisse; nimmt man die Busbeschaffung aus Plauen, so wird die EU-weite Ausschreibung intern mutmaßlich 15 bis 30 Personentage bedeuten, dazu ggf. externe Rechtsberatung. Hinzu kommt das aufwendige Einholen von Vergleichsangeboten im Unterschwellenbereich, was durch einen E-Shop völlig unnötig würde. Es ist festzuhalten, dass das Milliardenpotenzial von EProcurement weiterhin ungenutzt bleiben wird – zumindest wenn man die Digitalstrategie Deutschlands als vollständig und erschöpfend ansieht. Kern des Problems ist der dabei zu beobachtende Denkfehler, Digitalisierung nur als Abbildung des Bestehenden zu sehen – Fax raus, E-Mail rein. *Robert Müller-Török, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg; Alexander Prosser, WU Wien, Institut für Produktionsmanagement

MELDUNG

Gleichstellung im digitalen Raum (BS/mj) “Strukturelle Benachteiligung existiert auch in digitalen Räumen”, weiß Katharina Fegebank, Gleichstellungssenatorin der Stadt Hamburg. Mit dem “Innovation in Digital Equality Award” (IDEA) zeichnet die Hansestadt daher technische Innovationen oder innovative Konzepte für die Gleichstellung von Frauen im digitalen Raum aus. In diesem Jahr erhalten die Projekte “Saferspaces” und “UrbView” den mit insgesamt 25.000 Euro dotierten Förderpreis. Die beiden Projekte teilen sich das Preisgeld, welches der Weiterentwicklung bestehender Projekte und Tools oder der Umsetzung innovativer Konzepte dienen

soll. “Saferspaces” wird für die Entwicklung der gleichnamigen App ausgezeichnet. Die App will bei sexuellen Übergriffen und Diskriminierung niederschwellig Hilfe bieten und Betroffene mit Menschen, die vor Ort für das Wohlbefinden aller im Einsatz sind, vernetzen. “UrbView” will mittels KI Stadtplanerinnen und -planer sowie Architektinnen und Architekten über wahrgenommene Bedrohungspotenziale von Straßen und öffentlichen Plätzen informieren. Grund dafür ist, dass Frauen und Menschen, die Teil der LSBTI*-Community sind, häufig Opfer von verschiedenen Formen physischer, verbaler und nonverbaler Belästigung werden.


Cloud

Behörden Spiegel / November 2022

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Verwaltungscloud schneller aufbauen

Eine souveräne Cloud

Von Ankerkunden, Hyperscalern und einem Regelinstrument

Delos Cloud will zeitlichen Vorsprung nutzen

(BS/bhi) Der Aufbau der Deutschen Verwaltungscloud geht so manchem zu langsam. Viele Akteure – Bund, Länder und Kommunen – mischen mit, das (BS/sp) Bereits im Ampelvertrag der Regierungskoalition wird die Produkt gab es so noch nie und die Anforderungen und Erwartungen sind hoch. Neue Abstimmungsverfahren und Finanzierungsideen sollen helfen. Schaffung einer Multicloud-Strategie als Teil der Digitalstrategie verortet. Diese Strategie ist auch ein Wink mit den Zaunpfahl an IndustrieteilDa stellt sich die Frage, wie nehmer, unter der Prämisse der digitalen Souveränität eigene Lösungen Harald Joos, Abteilungsleiter weit die Ministerien mit den anzubieten. SAP baut nun eine Cloud-Infrastruktur – insbesondere für Informationstechnik, CIO und Ausschreibungen für die Verwal- Behörden – auf. Die Prozesse sollen DSGVO-konform in Deutschland IT-Beauftragter im Bundesmitungscloud inzwischen gediehen abgewickelt werden. nisterium der Finanzen (BMF)

Gemeinsame Standards Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie Bundes-CIO, sieht Fortschritte bei der IT-Kooperation zwischen Bund und Ländern. Gemeinsame Standards und Schnittstellen zu definieren, sei das Wichtigste. Daher sei es gut, dass das CIO-Board, wo sich die CIOs von Bund und Ländern koordinierten, Entscheidungen nun mit Zwei-Drittel-Mehrheit statt einstimmig fälle. Hinter der Multicloud-Strategie steckt nämlich die Idee, Produkte

Harald Joos, Abteilungsleiter, CIO und IT-Beauftragter des Bundesministeriums der Finanzen (links), geht der Aufbau der vertrauenswürdigen Infrastruktur für die Verwaltungscloud zu langsam. Das sagte er im Gespräch mit Moderatorin Dr. Eva-Charlotte Proll (rechts). Screenshot: BS/Hilbricht

verschiedener Hyperscaler sowie Open-Source-Produkte alle interoperabel zugänglich zu machen. Nicht zuletzt sei auch der Link zu Gaia-X – dem europäischen Cloud-Projekt – mit zu bedenken, so Richter.

Ankerkunden Joos stimmt zu: “Wir müssen mehr standardisieren.” Die Hyperscaler hätten die Cloud gerade deswegen erfunden, weil sie es sonst nicht mehr geschafft hätten, ihre Produkte auf den vielen unterschiedlichen Systemen zum Laufen zu bringen. “Wenn es nicht absolut identisch ist, funktioniert es nicht”, erklärt der CIO.

Joos betonte jedoch, dass Standards nicht nur eine Definitionsfrage seien. “Konzepte und Nachfrage am Markt bringen mehr Standards”, erklärt der BMF-Abteilungsleiter. Die Multicloud-Strategie ziele darauf ab, viele verschiedene Produkte von amerikanischen und europäischen Firmen sowie OpenSource-Projekte abzufragen. Bund, Länder und Kommunen müssten als Ankerkunden am Markt fungieren, “damit wir langsam ein Gegengewicht zu den amerikanischen Angeboten aufbauen können”. So hole der Staat sich die Datensouveränität zurück.

Neuaufstellung der öffentlichen IT Cloud-Service-Portal und Koordinierungsstelle für Deutsche Verwaltungscloud (BS/Martin Schallbruch*) Der Begriff der Zeitenwende trifft auch auf die Art und Weise zu, wie die öffentliche Hand ihre Informationstechnik betreibt und weiterentwickelt. Die seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands erheblich verschärfte Cyber-Sicherheitslage, die Anforderungen an den Staat zum parallelen Management mehrerer Krisen und der sich täglich verschärfende Fachkräftemangel: Das alles zwingt zur Neuaufstellung. Kooperative digitale Plattformen von Kommunen, Ländern und Bund müssen im Kern der Überlegungen stehen, insbesondere die Deutsche Verwaltungscloud sollte schnell aufgebaut werden. Govdigital und ihre Mitglieder unterstützen dabei mit konkreten Projekten. Die Bewältigung der Herausforderungen erfordert eine Transformation der öffentlichen IT hin zu mehr Agilität, Resilienz und Kooperation. Nur so kann schnell auf sich verändernde Lagen und Anforderungen reagiert und die Cyber-Sicherheit gewährleistet werden – bei gleichzeitig steigendem Personalmangel. Ein Schlüsselfaktor für diese Transformation ist die Veränderung der Liefer- und Betriebsmodelle der IT hin zu cloudbasierten Lösungen. Sie sind Chance und Notwendigkeit zugleich. Viele Hersteller bieten ihre Lösungen nicht mehr on premise an. Gleichzeitig können cloudbasierte Lösungen die Standardisierung, Agilität und Betriebssicherheit der öffentlichen IT erhöhen. Mit der vom IT-Planungsrat beschlossenen Deutschen VerwaltungscloudStrategie (DVS) soll die CloudTransformation der öffentlichen Verwaltung vorangebracht und gleichzeitig die digitale Souveränität der deutschen Verwaltung

leistern als Cloud-Standorte, dem Cloud-Service-Portal sowie einer zentralen Koordinierungsstelle. Die Koordinierungsstelle soll für die Anbindung der verschiedenen Cloud-Anbieter an die Verwaltungscloud und die übergreifende Nutzung von Cloud-Diensten in der gesamten deutschen Verwaltung sorgen. Das Cloud-ServicePortal ist für die Buchung und Nutzbarkeit der Cloud-Services die zentrale Komponente. Die Genossenschaft der öffentlichen IT-Dienstleister govdigital erprobt nun erstmals praktisch Kernbestandteile der Verwaltungscloud. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat die govdigital beauftragt, ein Minimal Viable Product (MVP) für die künftige Koordinierungsstelle zu entwickeln. Ziel ist es, die Konzepte der AG-Cloud des IT-Planungsrates praktisch zu erproben und weiterzuentwickeln. Gesteuert wird das Projekt von einem Lenkungskreis unter dem Vorsitz des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), in dem auch die AG Cloud des ITPlanungsrats und die Föderale IT-KoMartin Schallbruch ist CEO der govdigital eG. operation (FITKO) Foto: BS/Ole Heinrich, govdigital eG vertreten sind. Govdigital bringt die Umsetzungskompetenz und das Know-how der öffentlichen gestärkt und gesichert werden. IT-Dienstleister in das Projekt Die wesentlichen konzeptionellen ein: Gemeinsam mit den MitArbeiten sind bereits geleistet; gliedsunternehmen AKDB, Datajetzt geht es an die Umsetzung. port, DVZ, ekom21, Governikus, IT.NRW, KDO und Komm.ONE Cloud-Service-Portal zentrale haben wir ein Team aufgestellt, Komponente das bis Anfang 2023 das ProDas Rahmenwerk der DVS fußt jekt durchführt. Bei dem Aufbau auf drei wesentlichen Kernelemen- der Strukturen der Deutschen ten: den öffentlichen IT-Dienst- Verwaltungscloud profitiert die

sind. “Die Ausschreibungen sind schon gemacht, aber keiner weiß, wo sie in Summe sind”, erklärt Joos. Noch schreibe jedes Land, jede Kommune, jedes Ministerium und jede Behörde eigenständig aus. “Wir wollen die Bedarfe zu einer Marktmacht bündeln”, erläutert der BMF-CIO. “Unser Ziel ist, die Leistungsbeschreibung in diesem Jahr fertig zu machen und im nächsten Jahr auszuschreiben. Dabei ist das BMI an vorderster Stelle. Wir hoffen, im nächsten Jahr einen Zuschlag zu haben”, setzt Joos hinzu. Die Delos Cloud GmbH und die Telekom müssten beim Rechenzentren-Aufbau zwei Gänge höher schalten. Ansonsten würden sie den Zuschlag nicht kriegen können.

Finanzierung Die Finanzierung der Cloud stellt die Verantwortlichen ebenfalls vor Herausforderungen. Über “neue Modelle” werde nachgedacht, sagt Richter. Bei EfALeistungen beispielsweise sei es oft so, dass die Kosten nach Häufigkeit des Abrufs über den Königsteiner Schlüssel erstattet würden. Grundsätzlich brauche es ein Regelinstrument der Digitalisierung. “Im Moment sind wir von Konjunkturmitteln und Projektfinanzierung abhängig”, kritisierte der BMI-Staatssekretär. “Wir müssen aber erkennen, dass Digitalisierung eine Daueraufgabe ist.” Jeder – Bund, Länder und Kommunen – müsse einen Beitrag leisten.

Die Verantwortlichen von SAP und Delos Cloud im Gespräch mit Uwe Proll über den Aufbau der neu geplanten Behörden-Cloud. Screenshot: BS/Schubert

Zu diesem Zweck hat die SAP die Firma Delos Cloud GmbH gegründet. SAP zufolge sollen in der neuen Firma die bestehenden Erfahrungen der Hyperscaler genutzt werden. Die Delos werde unabhängig arbeiten. Nach Nikolaus Hagl von SAP gibt es keine Abnahmeverpflichtung auf Kundenseite – der Bund habe weder den Auftrag erteilt noch sei er an der Finanzierung beteiligt.

Delos Cloud in der Validierung beim BSI Georges Welz ist CEO der neu geschaffenen GmbH. Aktuell bearbeite das Projekt mehrere Felder. Neben dem Aufbau der Rechenzentren an zwei Standorten würden auch die interne Struktur diskutiert und Kommunikationskanäle zu Bund, Ländern und kommunaler Ebene geschaffen. Des Weiteren finde eine Einbindung in den Vergabeprozess statt. Aktuell werde

die Lösung vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) validiert, so Welz. Dass außereuropäische Firmen Rechenzentrumsinfrastruktur auf deutschem Boden errichten, um die datenschutzrechtlichen Fragestellungen zu lösen, ist neu. Dennoch habe man damit noch keine Rechtssicherheit, merkt Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker an. Der Professor für IT-Sicherheitsrecht erklärt: “Solange wir keine Hardware-Souveränität erreichen können, ist die Etablierung von Technologie-Souveränität auch weit entfernt.” Die Lösung von SAP und Arvato Systems soll Ende 2024 einsatzbereit sein. Das Interview mit Nikolaus Hagl von SAP und Georges Welz, CEO der Delos Cloud GmbH, kann unter digitaler-staat.online/mediathek in der Rubrik “Digitalisierung” abgerufen werden.

Genossenschaft von den Erfahrungen anderer übergreifender Projekte, insbesondere dem Marktplatz für EfA-Leistungen.

Quelle: Geoportal Berlin / [DOP20RGB]

geht es zu langsam. Auf dem digitalen Thementag “Ab in die Cloud! Souverän, multi und sicher” auf der Behörden SpiegelPlattform digitaler-staat.online diskutierten er und andere über die Deutsche Verwaltungscloud. Der Aufbau der vertrauenswürdigen Infrastruktur aufseiten der Hyperscaler dauere zu lange, kritisierte Joos. Der Staat brauche jedoch die Unternehmen, denn die Verwaltungsserver schafften die benötigte Skalierbarkeit nicht.

Ziel sind erste buchbare Services Ziel des Projektes ist es, ein Portfolio erster buchbarer Services aufzustellen, die dann auch tatsächlich im Cloud-ServicePortal gebucht und über die reichweitenstarke Inhouse-Kette der govdigital bezogen werden können. Neben der technischen Bereitstellung der Plattform geht es auch darum, die Beschaffungs- und Nutzungsprozesse zu etablieren und zu erproben, Musterverträge auszugestalten sowie ein Identity- und AccessManagement (IAM) für das CloudService-Portal aufzubauen. Die Erfahrungen und Ergebnisse sollen Anfang 2023 dazu dienen, die nächsten Entscheidungen des IT-Planungsrats zum Aufbau der Verwaltungscloud vorzubereiten. Als govdigital ist uns dabei wichtig, die mit dem EfA-Marktplatz begonnene operative Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der öffentlichen IT-Dienstleister weiter auszubauen. Für alle öffentlichen IT-Dienstleister hat die Cloud-Transformation eine hohe Priorität. Das gilt auch für die CIOs in den Kommunen, den Ländern und im Bund. Die Umgestaltung eigener betrieblicher Infrastrukturen, die Weiterentwicklung von Basis-, Fach- und Online-Diensten zu Cloud-native-Anwendungen, der Bezug sicherer und vertrauenswürdiger Cloud-Dienstleistungen vom Markt – der Umfang der Transformation ist gewaltig. Leistungsstarke Kooperationsmechanismen sind unverzichtbar. Das MVP “Koordinierungsstelle Deutsche Verwaltungscloud” ist ein Beitrag zu ihrem Aufbau.

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Informationstechnologie

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Letztes Mittel Lösegeld

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ehörden Spiegel: Wenn die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) morgen von einer Ransomware-Attacke betroffen wäre, welche Daten wären weg? Dr. Herpig: Ich hoffe, dass keine Daten weg wären, und wir sie aus einem Backup ziehen würden – aber das beträfe in erster Linie unsere Forschungsprojekte. In meinem Themenfeld, der internationalen Cyber-Sicherheitspolitik, arbeiten wir unter anderem an Analysen zur Implementierung von Cyber-Normen, der staatlichen Rolle bei IT-Sicherheit von Freier Software, den ResilienzBedürfnissen von Kommunen sowie an Übungen als Methode zum besseren Verständnis von Cyber-Sicherheitspolitik.

Behörden Spiegel: Und wie sind Sie nach innen aufgebaut? Dr. Herpig: Die SNV ist unterteilt in Themenfelder, z.B. die Stärkung digitaler Öffentlichkeit, Digitale Grundrechte oder Internationale Cyber-Sicherheitspolitik. In meinem Themenfeld arbeiten neben mir vier Projektleiterinnen und Projektmanagerinnen und eine studentische Hilfskraft. Dazu haben wir organisationsweit ein Team für Finanzen, Kommunikation und Personal, sowie die Geschäftsführung. Behörden Spiegel: Was wäre Ihre Empfehlung an eine Kommune, die Opfer eines RansomwareAngriffs wird? Dr. Herpig: Das oberste Ziel einer Kommune ist es, operative Abläufe wiederherzustellen, d.h. Sozialleistungen auszuzahlen, Kfz-Anmeldungen zu gewährleisten usw. Hier muss man abwägen, wie das am schnellsten wieder gelingt, dabei kann man sich auch auf analoge (Notfall-) Verfahren stützen, so es sie denn

Behörden Spiegel / November 2022

Bessere Regulierung im Kampf gegen Cyber-Angriffe (BS) Die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) ist ein Think Thank, welcher sich Fragen der Digitalisierung und neuen Technologien widmet. Mit Dr. Sven Herpig, Leiter für das Forschungsfeld "Internationale Cybersicherheitspolitik", sprach Dr. Eva-Charlotte Proll u.a. über Regulierungsnachbesserungen im IT-Sicherheitsbereich und ein verbessertes Lagebild durch ausgeweitete Meldepflichten für Kommunen. noch gibt. Ein Weg beinhaltet, als letztes Mittel, Lösegeld zu bezahlen. Rein finanzrechtlich ist es für Kommunen vermutlich schwierig, Kriminellen Geld zu überweisen, aber Umwege über einen IT-Dienstleister sind denkbar. Dieser könnte Bitcoins oder Monero kaufen und der Kommune die Dienstleistung des Datenbefreiens in Rechnung stellen. Polizeiliche Stellen wollen das natürlich in jedem Fall vermeiden, denn jede Geldzahlung macht Cyber-Kriminelle stärker. Gleichzeitig hat aber die Aufrechterhaltung des Betriebs für viele KMUs und Kommunen aus unterschiedlichen Gründen oberste Priorität. Behörden Spiegel: Wie können wir Kritische Infrastrukturen (KRITIS) in Deutschland besser schützen? Dr. Herpig: Wir müssen differenzieren. Im Finanzsektor legt man auf der einen Seite seit Jahren viel Wert darauf, Sicherheit herzustellen. Auf der anderen Seite zählen viele kleine kommunale Versorger per Definition nicht einmal zu den Kritischen Infrastrukturen und unterliegen deswegen nicht deren Regulierung. Wir müssen hier Schwellenwerte generell niedriger setzen und Kommunen mehr unterstützen. Auf jeden Fall müssen Meldepflichten ausgeweitet werden – das könnte auch Bundesland-spezifisch im Rahmen einer Risikoanalyse erfolgen, denn wir brauchen ein

2.0 abgedeckt. Daneben könnte der Cyber Resilience Act – der eigentlich auch ein IT-Security-by-Design Act ist – Regulierungsnachbesserungen veranlassen. Letztlich ist zu klären, wie genau die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Sicherheit in der “Es gibt zu viele Akteure, Informationstechnik (BSI) ausgestaldie sich in Deutschland mit tet sein soll und wie Cyber-Sicherheit beschäftigen.” aktive Cyber-Abwehr praktisch umDr. Sven Herpig leitet bei der Stiftung für neue Verantwortung das Forschungsfeld Internationale gesetzt wird. Ganz Cybersicherheitspolitik. Foto: BS/Proll grundsätzlich sind wir in Deutschland schon Vorreiter bei gutes Lagebild. Wir müssen uns der Regulierung von IT-Sicheraber auch eingestehen, dass wir heit, aber besser geht immer. nicht alles absichern können. Und bei der sich immer weiterAlso müssen wir Infrastruktu- entwickelnden Gefährdungslage ren resilienter gestalten, unter brauchen wir das auch. anderem müssen Notfallpläne Behörden Spiegel: Wann sollte existieren und geübt werden, dass sie schnellstmöglich wieder denn ein IT-Sicherheitsgesetz 3.0 kommen? einsatzbereit sind. Behörden Spiegel: Brauchen wir ein IT-Sicherheitsgesetz 3.0? Dr. Herpig: Der Regulierungsrahmen offenbart noch einige Möglichkeiten, die wir ausreizen können. Gleichzeitig wird auf EU-Ebene mit der zweiten NISDirektive, der Network Information Security Directive, ein weiterer Rahmen gesetzt. Vieles haben wir durch das IT-Sicherheitsgesetz

Dr. Herpig: Normalerweise werden während einer Legislaturperiode die Gesetzgebungsvorhaben formuliert und danach entstehen die strategischen Dokumente. In der letzten Legislatur hat das dazu geführt, dass die "Cybersicherheitsstrategie" ein paar Wochen vor der Wahl verabschiedet wurde. Allein das ist hochproblematisch. Umgekehrt bedeutet dies, dass jetzt schon

erste Entwürfe vorliegen sollten, damit sie in den nächsten zwei bis drei Jahren umgesetzt werden können. Beim IT-Sicherheitsgesetz 2.0 hat es sehr lange gedauert, bis die Regulierung und die Gesetzgebung finalisiert wurden. Externen Akteuren, wie der SNV, wurde trotzdem nicht ausreichend Zeit eingeräumt, Vorschläge einzubringen. Behörden Spiegel: Sollten Kommunen als KRITIS eingestuft werden? Dr. Herpig: Wenn die Frage darauf abzielt, ob Kommunen Basis-IT-Sicherheitsmaßnahmen umsetzen und Vorfälle melden sollten, dann ist die Antwort: Ja. Denn einige Funktionen, wie das Auszahlen der Sozialleistungen sind elementare Funktionen der Daseinsvorsorge. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass Kommunen das leisten können. Das heißt, es braucht hier Unterstützung der Länder. Behörden Spiegel: In der Diskussion um Hacker-Angriffe ist der Begriff eines Cyber-Hilfswerks gefallen. Wie sähe dies im Idealfall aus? Dr. Herpig: Die AG KRITIS hat hierfür ein Konzept erstellt, welches meines Erachtens dem Gedanken des Cyber-Sicherheitsnetzwerkes des BSI ähnelt. Es geht vereinfacht gesagt darum, dass wir bei Großschadenslagen, z. B. wenn bei drei Universitäten im gleichen Bundesland die

Rechner verschlüsselt wurden oder man 35.000 verschlüsselte IT-Systeme auf einmal hätte, auf ein Freiwilligen-Netzwerk, eine Art Technisches Hilfswerk für IT-Infrastrukturen, zurückgreifen können. Die Teams liefern Arbeitskapazität, um solche Vorfälle so schnell wie möglich zu mitigieren und den operativen Betrieb wiederherzustellen. Hier sind sicherlich juristische und andere Details noch zu klären, aber wir müssen uns bei begrenztem Personal dringend Gedanken darüber machen. AnhaltBitterfeld hat z.B. auf durch die Bundeswehr geleistete Amtshilfe zurückgegriffen. Aber die Bundeswehr kann nicht jedes Mal bei einem IT-Sicherheitsvorfall ausrücken. Natürlich existieren auf Bundesebene auch eine begrenzte Anzahl an Mobile Incident Response Teams des BSI. Und dann existiert noch eine Handvoll in den Ländern, wie beim Hessen 3C. Aber auch diese können Vorfälle nur koordinieren und unterstützen. Ab einem bestimmten Punkt braucht man zwar koordinierende Stellen, aber auch vor allem viele Hände. Behörden Spiegel: Brauchen wir insgesamt mehr Akteure für Cyber-Sicherheit oder weniger? Dr. Herpig: Es gibt zu viele Akteure, die sich in Deutschland mit Cyber-Sicherheit beschäftigen. Die erste "Cybersicherheitsstrategie" hat neue Akteure mit dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum hervorgebracht. Seit ein paar Jahren ist eine Konsolidierung überfällig. Wir müssen prüfen, welche Akteure wir wirklich brauchen, wo Aufgaben übertragen werden können und welche zentralen Institutionen mehr Handlungsfähigkeit benötigen, wie der Nationale CyberSicherheitsrat, das Nationale Cyber-Abwehrzentrum.

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Cloud

Behörden Spiegel / November 2022

S

overeign Clouds bauen die Brücke zwischen Möglichkeiten und Anforderungen: Sie bieten Innovationen aus einem reichen (Hyperscaler-)Ökosystem von Diensten und eine nahezu unlimitierte Skalierbarkeit. Sie erfüllen aber auch ComplianceVorgaben – und zwar über eingebaute Souveränitäts-Kontrollen. Die T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud ist eines der ersten derartigen Angebote im europäischen Markt.

Mitten in der digitalen Dekade Für die EU sind die 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts die “digitale Dekade”. In ihr wird darüber entschieden, ob sie und ihre Mitgliedsstaaten auch zukünftig im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein werden. Fällt der Passus von der “Wettbewerbsfähigkeit”, driften die Gedanken zunächst in Richtung Unternehmen und Wirtschaft. Aber auch öffentlichen Einrichtungen als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen kommt ein bedeutender Anteil an der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der EU-Mitgliedsländer zu. Dabei bildet Deutschland keine Ausnahme. Schlagworte wie E-Government (Onlinezugangsgesetz), aber auch konkrete gesetzliche Vorgaben für bestimmte Branchen (wie z. B. das digitale Versorgungsgesetz) sind die Rahmenbedingungen für die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. Dabei müssen sowohl europäische als auch nationale Vorgaben und Ziele berücksichtigt werden. Die

Die Cloud als Zukunftsplattform – aber bitte inklusive Souveränität Kombination von Lösungen als Schlüsselfaktor (BS) In der digitalen Dekade kommen auch auf Behörden neue Anforderungen zu. Viele Dienste müssen online im Self-Service für Bürgerinnen und Bürger angeboten werden. Cloud-Umgebungen bieten für solche Anwendungen die perfekte Plattform – wenn sie denn im Einklang mit den gängigen gesetzlichen Vorgaben eingesetzt werden können. und Krisen aufstellen. Auf dem Weg dorthin wird der Einsatz von Hyperscaler-Clouds unverzichtbar. Und das aus zwei Gründen: Die Hyperscaler offerieren flexible, kosteneffiziente und gegen Gefahren aus dem Internet optimal abgesicherte Infrastruktur-Ressourcen, die für den digitalen Umbau wichtig sind. Gleichzeitig können aus den Ökosystemen der Hyperscaler viele fortgeschrittene, vorkonfektionierte IT-Services für Innovationsprojekte genutzt werden. Deutschlands Traum von der Digitalisierung, insbesondere im Umfeld öffentlicher Institutionen, benötigt aber einen Rahmen, der alle regulatorischen Anforderungen bedient, z. B. die EU-DSGVO. Plus Souveränität – eine Forderung, die auf verschiedenen Ebenen der öffentlichen Verwaltung laut wird: vom Bund über die Länder bis hin zu den Kommunen. Darüber hinaus ist Souveränität auch eine zentrale Prämisse des IT-Planungsrates und der Strategie der Deutschen Verwaltungscloud. Damit stehen auf der einen Seite die Digitalisierungspotenziale, die sich zu einem großen Grad

Souveräne Cloud-Lösungen “powered by Google Cloud”.

EU beispielsweise fordert, dass alle EU-Bürgerinnen und -Bürger bis 2030 zentrale öffentliche Dienste online nutzen können. 80 Prozent der Menschen sollen eine verifizierte und valide digitale Identität haben. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel steht das Thema “digitaler Aufbruch” weit oben auf der Agenda. Die Realität hingegen sieht anders aus: Platz 13 für Deutschland im Gesamtranking des europäischen DESI-Index. Die digitale Verwaltung kommt lediglich auf Platz 17. Digitales Mittelmaß. Im Teilindex Onlinedienste, der die Verfügbarkeit digitaler Verwaltungsleistungen misst, rangiert Deutschland sogar nur knapp vor den Schlusslichtern Liechtenstein, Tschechien, Rumänien, Belarus, Belgien, Griechenland, Lettland und der Slowakei.

Kurs auf die digitale Verwaltung Die 2020er-Jahre sind damit insbesondere für Deutschland entscheidend, um die digitale Transformation der Verwaltung voranzutreiben. Ziele sind smarte Städte und Kommunen, die Bürgerinnen und Bürger als Kunden sehen und deren digitale Verwaltung Effizienz und positive Nutzererfahrungen kreiert. Digitale Prozesse und Strukturen sollen das Land für zukünftige Herausforderungen

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aus den Innovationspotenzialen und technischen Möglichkeiten der US-Hyperscaler-Ökosysteme speisen. Auf der anderen Seite stehen regulatorische Rahmenbedingungen, die den breitflächigen Einsatz der entsprechenden Clouds für viele Services unterbinden. Eine souveräne Cloud weist den Ausweg aus diesem Dilemma. Sie verbindet Digitalisierung mit einem Fundament für Souveränität, Selbstbestimmung und Compliance.

Startschuss für souveräne Clouds Mit der T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud starteten im April 2022 T-Systems und Google Cloud ein erstes Hyperscaler-basiertes Sovereign-Cloud-Angebot für den deutschen Markt. Es bietet ein Ökosystem hochinnovativer und skalierbarer CloudLösungen für unterschiedlichste Souveränitätsanforderungen und richtet sich u. a. an den öffentlichen Sektor und Kunden mit hoheitlichen Aufgaben in Deutschland, die verschiedene Compliance-Anforderungen erfüllen müssen. Google Cloud stellt die technische Plattform bereit, T-Systems steuert die Souveränitätsaspekte bei. OpenSource-Expertise verbindet sich mit der Sicherstellung von Compliance-Anforderungen. Die Souveränität der Plattform

setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Datensouveränität, betriebliche Souveränität und Software-Souveränität (Open Source, offene Schnittstellen). Sie bietet Nutzerinnen und Nutzern nicht nur volle Kontrolle über die Daten, sondern erlaubt auch Szenarien, in denen “Survivability” (Überlebensfähigkeit) gefordert wird – auf gut Deutsch: Services bleiben zuverlässig verfügbar, auch im Fall von extrem unwahrscheinlichen massiven geopolitischen Verwerfungen bzw. Gefügeänderungen (sogenannten Black Swan Events). Der mögliche Einsatz von alternativen Open-Source-Lösungen erhöht darüber hinaus die Wahlfreiheit für Nutzerinnen und Nutzer. Insgesamt werden unter dem Mantel der T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud drei verschiedene Cloud-Varianten für verschiedene Souveränitätsbelange angeboten. Die drei Varianten sind interoperabel, damit werden hybride Szenarien möglich. Neben der heute bereits verfügbaren “Sovereign Controls”Variante, die auf der Google Public Cloud beruht, werden

Grafik: Google

zukünftig zwei weitere Varianten mit zusätzlich erhöhtem Souveränitätslevel angeboten: die “Hosted Cloud” und die “Supervised Cloud”. Google Cloud baut bereits in der “Sovereign Controls”-Variante souveräne Kontrollmechanismen in die Plattform ein und gibt diese in die Hand von T-Systems. Für den Support der Sovereign Cloud setzen Google und T-Systems nur EU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ein. Zu den eingebauten Kontrollpunkten zählen: Zugangskontrolle und -transparenz, Datenresidenz-Kontrolle, Monitoring und externes Schlüsselmanagement (lokal und extern betrieben durch T-Systems). In den späteren Ausbauphasen der Plattform kann zusätzlich das Management der Kundenidentitäten komplett über T-Systems erfolgen. Eine erweiterte Sicherheitsüberwachung von außerhalb der Plattform wird über ein Security Operations Center (SOC) von T-Systems möglich. Mit der T-Systems Supervised Cloud plant der Partner darüber hinaus eine auf Google-Cloud-­ Komponenten basierende “semi-connected” Variante einer Cloud (“Caging”). Hierbei wird die Umgebung physisch – getrennt von anderer Google-Cloud-Infrastruktur– durch T-Systems betrieben. Updates durch die Google Cloud werden zu vereinbarten Zeiten und ausschließlich

unter Kontrolle der T-SystemsKollegen durchgeführt. Die dritte Sovereign-CloudVariante, die “Hosted Cloud”, richtet sich an Nutzer mit höchsten Souveränitätsansprüchen an sensible Datenhaltung und baut auf der Google Distributed Cloud auf. Diese garantiert völlige operationelle Kontrolle sowie Unabhängigkeit dank dedizierter Hardware und vollständiger Trennung von der Google Public Cloud (“Air Gap”-Fähigkeit). Sie wird von T-Systems betrieben, auf Wunsch auch im Rechenzentrum eines Kunden der öffentlichen Hand (On-Premises). Der eingesetzte, Open-Sourcebasierte Software-Stack bietet Kunden die Möglichkeit, ihre Anwendungen jederzeit auf eine andere Plattform zu migrieren. Die T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud erlaubt damit schon heute die Realisierung von Digitalisierungsprojekten mit Souveränitätsanforderungen. Dazu gehören beispielsweise auch Services, die dem Datenschutz genügen müssen – eine häufige Rahmenbedingung im Umfeld von Behörden, wo personenbezogene Daten verarbeitet werden. Mit der weltweiten C5-Zertifizierung und der DSGVO-Attestierung im Rahmen des EU Code of Conduct erfüllt die Plattform diese Ansprüche. Auch wenn jede der genannten Varianten allein bereits eine umfangreiche Anzahl an Anwendungsfällen abzudecken imstande ist, entfalten die genannten Lösungen ihre wahre Stärke dann, wenn man sie kombiniert. Die unterschiedlichen Souveränitätsgrade und Fähigkeiten der einzelnen CloudPlattform-Lösungen bilden die perfekte Komplementär für eine “Sovereign Hybrid Cloud”. Sie ist eine Symbiose zweier oder aller der genannten Lösungen zur Schaffung der perfekten Balance aus Souveränität und innovativsten Cloud-Diensten. Die Flexibilität und Migrierbarkeit von Workloads zwischen den Varianten minimiert die Abhängigkeit von einem Anbieter und schafft die Voraussetzung zur effizienten Umsetzung komplexer Anwendungsfälle, ohne auf notwendige Souveränitäts-Aspekte verzichten zu müssen.

Sprachbarrieren beseitigen – fiktives Einsatzbeispiel Tagtäglich betreuen EU-Einwanderungsbehörden eine große Anzahl an Hilfesuchenden. Dabei ist die Sprachbarriere zwischen Flüchtenden sowie Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern eine der alltäglichen Herausforderungen für reibungslose Abläufe in Behörden. Spezialisierte

Fachkräfte für Übersetzungen beispielsweise für Syrisch, Persisch oder Paschto sind Mangelware – und entsprechend teuer, wenn sie überhaupt verfügbar sind. Das Resultat sind lange Bearbeitungszeiten der Asylanträge – und das bei der ohnehin kontinuierlich steigenden Arbeitslast der Mitarbeitenden. Digitale Übersetzungsdienste sind im Markt schon lange verfügbar – warum können sie nicht eingesetzt werden, um die Abläufe zu beschleunigen? Sie könnten hier erhebliche Erleichterung schaffen. Echtzeit-Übersetzungsdienste erlauben eine Verständigung zwischen Personal und Antragstellenden, gleichzeitig lassen sich Basisinformationen in digitalen Kanälen bündeln. Hier könnten sich Antragstellende im Self-Service informieren oder sogar Standardprozesse via Internet anstoßen. Ein Chatbot in ihrer Muttersprache würde sie dabei anleiten. Doch gesetzliche Vorgaben, die beispielsweise die konsequente Einhaltung des Datenschutzes fordern, verhindern den Einsatz solcher digitalen Hilfsmittel. Und damit entgehen den Behörden noch weitere Vorteile: Die Inhalte aus dem Informationsportal könnten optional um Daten aus einem Wissens-Graph ergänzt werden. Dieser bietet die Möglichkeit der Ergänzung von öffentlich zugänglichen Informationen wie z. B. Adress- und Firmendaten, die Antragstellern die Eingabe bzw. Beantwortung von Fragen erleichtern und gleichzeitig zur Erhöhung der Datenqualität beitragen. In ähnlicher Weise könnten digitale Services auch in konkreten Interviews helfen: Der Fragenkatalog ist für die meisten Asylsuchenden identisch. Ein datenbasierter Algorithmus könnte die Fallbearbeitenden hier unterstützen: Er macht zu bestimmten Schlagworten Vorschläge für die weitere Moderation und Gesprächsführung und erlaubt so eine Steigerung der Effizienz der Interviews. Abgerundet würde das Ganze durch Services, die sicherstellen, dass die Anwendung gegen unbefugte Nutzung und Angriffe aus dem Internet geschützt ist. Google Cloud mit seiner globalen Netzwerk- und SicherheitsArchitektur präsentiert sich auch hier als idealer Partner. Mit den zusätzlichen Souveränitätskontrollen entstand die T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud. Sie macht die Realisierung des oben beschriebenen Szenarios schon heute möglich. Die Kombination der Umgebungen bleibt jedoch bei rationaler Betrachtung von Aufwänden/Kosten und Risiken

Das Beste beider Welten – die Vision einer “Sovereign Hybrid Cloud”

ganz klar die überlegene Variante, auch wenn sie zu Beginn ggf. ein Umdenken erfordern würde.

Unterschiedliche Aspekte der Souveränität bedienen Einige der Daten, wie z. B. Informationen, die über das SelfService-Portal abgerufen werden, müssen zumindest während der Bearbeitung durch CloudServices keine gesonderten Souveränitäts-Anforderungen erfüllen. Interviewdaten hingegen sind vertraulich. Sie unterliegen den strengen deutschen Datenschutz- bzw. Trust-Anforderungen. Damit würde unser fiktives Fall-Beispiel zu einem typischen Szenario, das eine Sovereignoder in Teilen gar eine “Hosted Cloud” als Plattform fordert. Die zu realisierenden Services müssen auf eine Fülle von Optionen aus einem hochentwickelten Cloud-Ökosystem zurückgreifen können (Übersetzungsdienste, Datenanalysen, Machine Learning etc.) sowie skalierbar sein. Das alles spricht für eine Cloud, welche die schnelle Realisierung digitaler Services erlaubt – weil aus dem Ökosystem entsprechende Services existieren. Diese vermeiden umfangreiche Entwicklungsarbeiten “von Grund auf” und beschleunigen so die Realisierung. Hier würden sich die T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud (in großen Teilen) und komplementär die “klassische” Google Cloud anbieten. Die Handhabung personenbezogener Daten hingegen erfordert eindeutig eine Plattform, die gewährleistet, dass die geltenden Compliance-Vorgaben eingehalten werden. Bei der Sovereign Cloud wird dies durch die eingebauten Souveränitätskontrollen “mitgeliefert”. Sie muss über die Datensouveränität hinaus einen weiteren Souveränitätsaspekt erfüllen: Als kritische Funktion innerhalb von Krisenzeiten benötigt sie – zumindest im Hinblick auf ihre Grundfunktionen – ein hohes Maß an “Survivability”. Diese Dimension der Souveränität könnte u. a. durch die Nutzung von OSSbasierten Diensten zur Umsetzung der Kernkomponenten von Anwendungen und Diensten hoher Portabilität erreicht werden. Im Zusammenspiel mit der hohen Interoperabilität der angebotenen Plattform-Komponenten können so umfangreiche “Survivability”-Szenarien geplant und umgesetzt werden. Die digitalen Lösungen erhalten so eine verlässliche und leistungsfähige Plattform, die alle Aspekte an Funktionalität sowie Compliance abbildet und mitträgt. Eine souveräne Cloud lässt sich für eine Vielzahl von Szenarien innerhalb der öffentlichen Verwaltung sinnvoll einsetzen. Sie erlaubt nicht nur die schnelle Realisierung von innovativen Services, sondern verbindet diese mit den regulatorischen Rahmenbedingungen. Eine separate Einführung von SouveränitätsMechanismen über Projekte ist nicht nötig. Die souveräne Cloud bringt alles mit.

Grafik: Google


Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz 2022

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Behörden Spiegel / November 2022

Digitale Verwaltung RLP 2022 Resilienz im Fokus

Es muss noch viel getan werden

Sozialer Aspekt muss mitgedacht werden

Zukunft nach dem OZG

(BS/Matthias Lorenz) Die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt war dem Minister anzumerken. Alexander Schweitzer, in der rheinlandpfälzischen Landesregierung zuständig für die Themen Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, mahnte auf dem Kongress “Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz” des Behörden Spiegel: “Resilienz ist kein Zukunftsthema mehr.” Angesichts von Ukraine-Krieg, Energiekrise und SabotageAnschlägen müssten sich alle auf weitere schlechte Nachrichten einstellen. “Inwieweit die Menschen den Staat als handlungsfähig wahrnehmen, entscheidet darüber, wie sehr sie bereit sind, sich mit der Demokratie insgesamt zu identifizieren”, so der SPD-Politiker und Schirmherr des Kongresses.

(BS/Tim Rotthaus) Dass es sich bei der Verwaltungsdigitalisierung und der Umsetzung des Onlinezugangsgesetztes (OZG) um eine Daueraufgabe handelt, ist den meisten Experten und Verantwortlichen schon lange klar. Wie der aktuelle Stand der Verwaltungsdigitalisierung ist, was bisher erreicht wurde und wo die Reise in Zukunft hingeht, wurde auf dem Kongress Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz 2022 kontrovers diskutiert.

Die Überzeugung des Ministers lässt sich dabei folgendermaßen auf den Punkt bringen: Ein handlungsfähiger Staat muss ein digitalisierter Staat sein. Dabei steht für ihn nicht nur die digitale Verwaltung im Fokus. Vielmehr geht es ihm auch um soziale Aspekte: “Wir rennen gegen die Zeit an, beispielsweise beim Thema Demografie”, sagt Schweitzer. Je größer ihm die Herausforderungen erschienen, desto mehr gelange er zu der Überzeugung, dass man die Digitalisierung auf allen Ebenen durchsetzen müsse. “Es gibt kaum noch andere Möglichkeiten, Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation zu unterstützen und auch zukünftig für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.” Digitalisierung müsse auch dazu beitragen, das Teilhabeversprechen der Demokratie aufrechtzuerhalten.

Riesennachholbedarf Trotzdem ist eine effektive Verwaltung für einen handlungsfähigen Staat unerlässlich. Durch die Pandemie hätten viele Bürgerinnen und Bürger die Erfahrung gemacht, dass die Digitalisierung den Alltag präge, erklärt Schweitzer. Die Wahrnehmung sei allzu oft, dass der Staat hier noch nicht so weit sei. “Wir haben einen Riesennachholbedarf und müssen weiter an Tempo zulegen, um die Ansprüche der Bürger zu erfüllen.” Auch der Staatssekretär und CIO des Landes Rheinland-Pfalz, Fedor Ruhose, ist der Ansicht, dass der Staat durch digitale Verwaltung resilienter werde. “Durch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen werden Freiräume für die Verwaltung geschaffen, durch die sie sich wieder verstärkt um die wichtigen Anliegen kümmern kann.” Deswegen sei es unter anderem wichtig, dass es nach der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) eine neue Dynamik für eine durchgängige und nutzerorientierte Verwaltungsdigitalisierung gebe. Hierfür müsse unter anderem das Einer-für-Alle-Prinzip weiterentwickelt werden. Daneben brauche es auch eine dauerhafte

Alexander Schweitzer, der Digitalminister des Landes Rheinland-Pfalz, hält die Digitalisierung für unerlässlich, damit der Staat handlungsfähig bleibt. Foto: BS/Albert

Finanzierung. Schließlich müsse auch ein Anreizsystem für die Digitalisierung entwickelt werden. “Digitalisierungsdividenden sollen dort verbleiben, wo sie erwirtschaftet werden”, fordert Ruhose. Ebenfalls wird in der Landeshauptstadt Mainz die Meinung vertreten, dass bei der Digitalisierung der soziale Aspekt nicht zu kurz kommen dürfe. Wie die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) erläutert, betrachte man in der städtischen Digitalstrategie “mainzDIGITAL” neben den Handlungsfeldern Digitale Verwaltung, Intelligente Infrastruktur, Wirtschaft und Mobilität auch das Handlungsfeld Bildung und Zusammenleben. “Digitale Fähigkeiten müssen so selbstverständlich in der Gesellschaft verankert sein wie Lesen, Schreiben und Rechnen”, sagt Matz. Deswegen setze man an den Mainzer Schulen Digitalscouts ein. Dadurch würden digitale Themen schon dort beleuchtet, erläutert die Wirtschaftsdezernentin. Ein anderes Schulprogramm habe sich speziell mit der IT-Sicherheit befasst. “In dem Moment, wo die Themen

bei den Schülern adressiert sind, werden auch die Eltern mit eingebunden”, weiß Matz. Eine digitale Grundbildung erachtet auch Minister Schweitzer als sehr relevant. “Wir müssen auch jene ansprechen, bei denen die Digitalisierung in der Ausbildung noch keine Rolle gespielt hat.” Inzwischen würden rund 400 Digitalbotschafter in ganz Rheinland-Pfalz die Weiterbildungsarbeit in Sachen Digitalisierung unterstützen.

Breitbandausbau weiter forcieren Damit die Gesellschaft die Vorteile der Digitalisierung nutzen kann, muss schließlich auch für eine passende Infrastruktur gesorgt werden. Aufgrund der Topografie sei der BreitbandAusbau im Land nicht ganz einfach, beschreibt Schweitzer die Situation. Falls der eigenwirtschaftliche Ausbau nicht funktioniere, müsse auch der Staat eingreifen. Manuela Matz fordert in diesem Zusammenhang, eine Förderung auch für die Bekämpfung von grauen Flecken im städtischen Raum aufzuerlegen. Bisher habe man sich weitestgehend auf den ländlichen Raum fokussiert.

Der Breitbandausbau soll in Rheinland-Pfalz demnächst mit einer weiteren digitalen Antragsplattform unterstützt werden. Bereits zur Verfügung steht das OZG-Breitband-Portal, welches von Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Hessen und der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) entwickelt wurde. Im Rahmen des Kongresses startete Minister Schweitzer nun auch das neue Daten-Informations-Portal für den Breitbandausbau. “Auf der neuen Plattform können rheinland-pfälzische Kommunen ihre Anträge auf eine Landesförderung im Rahmen der Graue-Flecken-Förderung künftig auch digital und medienbruchfrei beim Land einreichen”, erklärt Schweitzer in diesem Zusammenhang. Neben der digitalen Antragstellung für Kommunen soll das Portal künftig auch relevante Informationen zur Breitbandversorgung sowie zum Breitbandausbau bereithalten. Dazu gehören etwa die durch das Land initiierten, flächendeckenden Netzdetailplanungen, welche den Kommunen einen Überblick über den geplanten Netzausbau durch die Telekommunikationsunternehmen liefern.

Die Bilanz fällt eher nüchtern aus. “Wir stehen noch ganz am Anfang und müssen noch viel mehr machen“, erklärt Marco Brunzel, Dozent an der Universität Speyer. Für die schleppende Umsetzung gebe es viele Gründe, zwei der größten Hürden seien jedoch die fehlenden Nutzerkompetenzen und niedrige Anwenderzufriedenheit, so Brunzel weiter. Um die Umsetzung voranzutreiben, müsse in diesen Bereichen noch einiges getan werden. Dennoch sieht der Digitalisierungsexperte eine positive Entwicklung. Es gebe jetzt schon mehr Kooperationen zwischen den einzelnen Akteuren. So werde auf Bundes- und Landesebene erfolgreich miteinander kommuniziert und zusammengearbeitet. “Wir müssen uns den Maschinenraum des Föderalismus genau anschauen”, erklärt Brunzel. Dort wo Kooperationen möglich und sinnvoll seien, müssten diese auch eingegangen werden.

Wirtschaft vernachlässigt Die Verwaltungsdigitalisierung betrifft jedoch nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Wirtschaft. Dr. Christine Brockmann, Vorstand des Arbeitskreises Wirtschaftliche Verwaltung e. V., ist der Meinung, dass bei Diskussionen über die OZG-Umsetzung und der Verwaltungsdigitalisierung ein zu großer Fokus auf die Bürgerinnen und Bürger gelegt wird. Es gebe viel zu wenig Angebote, die sich an die Wirtschaft richteten, so Brockmann. “Die Prozesse wurden für

die Wirtschaft nicht zu Ende gedacht.“ Firmen und Wirtschaftsvertreter hätten häufig mit den gleichen Verwaltungsapparaten und -prozessen zu tun, erläutert Brockmann weiter. Es wäre daher von Vorteil, wenn diese Prozesse so einfach wie möglich gehalten würden. Momentan sei die Interaktion zwischen der Wirtschaft und der Verwaltung, aber auch zwischen Verwaltung und Bürgern, immer noch zu analog. Brockmann sieht in dem OnceOnly-Prinzip eine Lösung des Verwaltungsstaus. Mit dieser Herangehensweise soll es möglich sein, dass Unternehmen und Bürger gewisse Nachweise nur noch einmalig erbringen müssen. Diese Nachweise werden dann zwischen den verschiedenen Behörden digital geteilt, damit sie nicht nochmals erbracht werden müssen. Ziel müsse es sein, dass die Verwaltung für alle Beteiligten nicht spürbar sei, so Brockmann. Eine weitere Gefahr der eher schleppenden Umsetzung des OZG sieht Marcel Boffo vom Referat E-Government, Kooperation mit EU, Bund, Ländern und Kommunen aus dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung RheinlandPfalz, darin, dass Deutschland im europaweiten Vergleich abgehängt werden könnte. Viele Nachbarn der Bundesrepublik würden schon seit einiger Zeit Konzepte wie das OnceOnly-Prinzip erfolgreich anwenden. “Wir können nicht warten, bis wir ein Gesamtkonzept entwickelt haben”, warnt Boffo.

Bei der OZG-Umsetzung gebe es zu wenig Angebote, welche sich an die Wirtschaft richteten, kritisiert Dr. Christine Brockmann. Foto: BS/Janno Nivergall, pixabay.com

Innovatives Workshopformat

Lessons learned

Networking im Fokus

Beim Kongress gab es neben klassischen Diskussionsformaten auch innovative Workshopformate. Hier konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv mit dem Thema der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes beschäftigen und Expertinnen und Experten dazu aus erster Hand befragen. Deutlich wurde: Bei der OZG-Umsetzung ist man noch längst nicht so weit, wie es sich die politisch Verantwortlichen wünschen würden. Auch das Erreichen der Ziele des OZG-Boosters steht mittlerweile auf der Kippe. Foto: BS/Albert

Immer im Mittelpunkt standen bei Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz 2022 die Lessons learned aus verschiedenen Digitalisierungsprojekten wie dem OZG. Klar ist, dass viele Fehler gemacht wurden. Allerdings ist eine angemessene Fehlerkultur für das Gelingen der Verwaltungsdigitalisierung zwingen notwendig, da Fehler immer wieder passieren werden. Die Kunst besteht darin, aus einmal gemachten Fehlern zu lernen, damit sich diese nicht wiederholen.

Zwischen den einzelnen Programmpunkten bestand genügend Raum für den fachlichen und informellen Austausch zwischen den Gästen, Experten und Ausstellern. Diese Gespräche wurden nach den corona-bedingt digitalen Ausgaben der Veranstaltung von allen Beteiligten sehr geschätzt. Das Networking soll deswegen auch beim nächsten Kongress Digitale Verwaltung RheinlandPfalz im Mittelpunkt stehen. 2023 findet die Veranstaltung am 27. November statt – natürlich wieder in Mainz. Foto: BS/Albert

Foto: BS/Albert



IT-Sicherheit

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ehörden Spiegel: Es wird zurzeit viel über Cyber-Attacken in der Ukraine gesprochen, wie ist der gegenwärtige Status quo?

Behörden Spiegel / November 2022

Cyber-Angriffe als Kriegswaffen Die Rolle von APT-Gruppen im Ukraine-Krieg

Lipovsky: Wir beobachten eine Zunahme der Cyber-Angriffe nicht nur bezüglich ihrer Zahl, sondern insbesondere in der Vielfallt der Angriffstaktiken und ihrer Aggressivität seit dem Beginn der Invasion im Februar. Diesem Ausschlag geht allerdings eine bereits seit acht Jahren andauernde Dynamik zunehmender Angriffe voraus. Bereits zum Ende des Jahres 2013 und im beginnenden Jahr 2014 konnten wir erstmals eine Zunahme derartiger Attacken beobachten. Diese Beobachtung korreliert mit der geopolitischen Situation in der Ukraine. Denn auf die Angriffe folgten der Krieg im Donbass und die Annexion der Krim.

(BS) Im Ukraine-Krieg spielen neben Panzern, Raketen und Bodentruppen auch Cyber-Angriffe eine bedeutende Rolle. Robert Lipovsky kennt die federführenden “Advanced Persistent Threat”(APT)-Gruppen des Konflikts. Deren Vorgehensweise und Taktiken sowie die Frage, inwiefern sie auch der Bundesrepublik schaden können, erläutert Lipovsky im Gespräch mit Jonas Brandstetter.

Behörden Spiegel: Welche Art von Angriffen wurden im Winter 2013/14 durchgeführt und welche Ausmaße hatten sie?

struktur, hatten Auswirkungen in der gesamten Ukraine. Auch über die Landesgrenzen hinaus konnten sie Wirkung erzielen. Auch NATO-Staaten und Weltkonzerne waren betroffen. Diese herausstechenden Ereignisse stellen aber lediglich die Spitze des Eisberges dar, denn es gab noch viele weitere Attacken. Insbesondere Kritische Infrastruktur wurde gezielt angegriffen. Außerdem waren Behörden, das Militär, das Transportsystem und Wahlprozesse Cyber-Angriffen ausgesetzt.

Lipovsky: Damals überwachten wir insbesondere die Black Energy-Malware, die von der APT-Gruppe Sandworm eingesetzt wurde. Später wendete sich Sandworm anderer Malware zur Durchführung ihrer Angriffe zu. Besonders zum Jahreswechsel 2013/14 beobachteten wir massenhaft Attacken. Einige dieser Cyber-Angriffe konnten auch international viel Aufmerksamkeit erregen. Deshalb standen bestimmte Gruppen zu dieser Zeit im Rampenlicht. Die medienwirksamen Attacken, wie zum Beispiel die Angriffe auf die Energieinfra-

“Die Zuordnung eines Angriffes erweist sich als um ein Vielfaches schwieriger, wenn Open Source Software zum Einsatz kommt.” Robert Lipovsky ist Principal Threat Intelligence Researcher bei ESET. Foto: BS/ESET

Behörden Spiegel: Welche APT-Gruppen sind zurzeit am aktivsten? Lipovsky: In den Nachrichten tauchen vor allem die Aktivitäten

von Sandworm auf. Die aktivste Gruppe ist aber Gamaredon. Zwar führt die Gruppe nicht die technisch anspruchsvollsten Angriffe durch, diese aber mit der höchsten Schlagzahl. Ziel der Angriffe Gamaredons ist es, zunächst Zugriff auf ein Netzwerk zu erhalten. Sie greifen dafür unspezifisch jede Institution an, die sie infiltrieren könnten. Erst in einem zweiten Schritt wird in ausgewählten Netzwerken die InvisiMole-Malware installiert. An dieser Stelle findet also ein Wandel in der Vorgehensweise statt. Die Ausführungskette der InvisiMole-Malware ist entsprechend lang und komplex. Außerdem werden Verbindungen zwischen verschiedenen APTGruppen deutlich.

Behörden Spiegel: Bedeutet das, dass mit komplexeren Methoden auch mehr Erfolg erzielt werden kann? Lipovsky: Das muss man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Manche APT-Gruppen nutzen eigens entwickelte Malware, die auch neuartige Technologie einsetzen kann. Man kann sie also durchaus als technisch hoch entwickelt bezeichnen. Andere Gruppen hingegen verwenden Malware, die so auch im Darknet erhältlich ist. Aber die Operationen und der Aufwand, mit dem sie diese Technik verwenden, zeugt von großen Wissen und technologischer Versiertheit. Bisweilen kann es sogar vorteilhaft sein, generische Malware einzusetzen, denn dies erlaubt es, unerkannt zu bleiben. Die Zuordnung eines Angriffes zu einer bestimmten Gruppe erweist sich als um ein Vielfaches schwieriger, wenn Open-Source-Software zum Einsatz kommt. Behörden Spiegel: Können Sie das an einem Beispiel festmachen? Lipovsky: Zwischen 2015 und 2022 mussten wir drei Angriffe auf das Stromnetz der Ukraine feststellen. Verursacher dieser Attacken ist die APT-Gruppe

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Sandworm. Bei deren ersten Angriff auf das Stromnetz im Dezember 2015 kam die Malware BlackEnergy zum Einsatz. BlackEnergy ist zugleich überhaupt die erste Malware, derer sich Sandworm bediente. Während des zweiten Angriffes ein Jahr später nutzte Sandworm eine andere Angriffsmethode. Die damals angewendete Malware Industroyer ist bereits technisch komplexer als die Cyber-Waffe, die zur Durchführung des ersten Angriffs auf das Stromnetz diente. Die technische Komplexität der Angriffe erreichte im April 2022 erneut ein Plateau. Eine weiterentwickelte Variante von Industroyer war in der Lage,zzz direkte Befehle an die technische Infrastruktur zu senden und Schaltkästen zu zerstören. Doch

die wirkliche Komplexität des Angriffes liegt nicht in der technischen Finesse der angewendeten Software, sondern vielmehr im tiefen Wissen der Angreifenden über ihr Ziel. An diesem Beispiel wird die Zielstrebigkeit und der Ressourcenaufwand der attackierenden APT-Gruppen deutlich. Behörden Spiegel: Können auch nicht staatliche Akteure derartig komplexe Angriffe durchführen? Letztendlich kommt es auf die Motivation an. Alle Attacken, die wir beobachten konnten, setzen ein hohes Ausmaß an technischen Fähigkeiten und Ressourcen voraus. Wir sehen aber nicht was hinter den Kulissen passiert. Es ist deshalb denkbar, dass es sich um staatlich gelenkte Gruppen handelt, aber auch bezahlte Söldner sind nicht ausgeschlossen. Letztendlich taucht auf unseren Schreibtischen nur der Programmcode auf, alles darüber hinaus bleibt ein Ratespiel. Wir können allerdings mit Sicherheit sagen, dass dies nicht die Arbeit von Einzelpersonen ist.

Feueralarm oder Ransomware? Notfallübungen gegen Cyber-Angriffe hilfreich (BS/sp) Feueralarmübungen sind Teil jeder Einrichtung. Etwa einmal im Jahr, müssen Mitarbeitende zeigen, wie sie sich korrekt bei einem Feuer verhalten haben. Die Gefahr von Feuerausbrüchen ist zwar jederzeit gegeben, aber eher unwahrscheinlich. Anders sieht es bei der Cyber-Angriffsgefahr aus. “Die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Cyber-Angriff ist höher als die Gefahr eines Feuers in einem Gebäude”, sagt Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung und CIO des Freistaates Sachsen. Notfallübungen, die für einen Cyber-Angriff sensibilisierten, hätten die wenigsten Unternehmen, resümiert Popp.

Dr. Timo Hauschild vom BSI erläutert auf der protekt 2022 die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf die deutsche IT-Infrastruktur. Foto: BS/Schubert

Besonders schutzwürdig seien dabei Kritische Infrastrukturen (KRITIS). Sie seien – wie Nordstream 1 und 2 und die Kabel der Bahn jüngst gezeigt hätten – auch physisch gefährdet. Auch die öffentliche Verwaltung und der Staat fallen laut Popp unter KRITIS – wenngleich sie nicht durch das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) der Regulierung unterliegen.

Ausländische Anteilsstrukturen in den Blick nehmen Trotz der zunehmenden Gefahr, die KRITIS ausgesetzt sind, sieht Ministerialrat Andreas Reisen, Referatsleiter “Cybersicherheit für die Wirtschaft und Gesellschaft” im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), “noch keine breit angelegten Kampagnen gegen KRITIS in Deutschland”. Dennoch würden Supply-Chain-Attacken zunehmen, also Angriffe auf Lieferketten, die viele Bereiche in ihrer Arbeit beeinträchtigten. Aus diesen Grund forderte der Referatsleiter auf der protekt 2022, Lieferanten und Dienstleisterverfügbarkeit für Unternehmen mit ausländischen Anteilsstrukturen besonders in den Blick zu nehmen. Des Weiteren verlangte er eine Ausweitung der Meldepflichten, die auch für physische KRITISVorfälle gelten sollten. Aktuell sei im BSIG der Fokus vorrangig auf IT-Störungen gerichtet.

Das BMI plane aktuell, “den generellen Erfahrungsaustausch, wenn es sich um akute, noch anhaltende Störungen handelt, zu verstärken”, so Reisen. Da Ausfälle von kritischen Dienstleistungen auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene zukünftig nicht auszuschließen seien, müsse mit den Betreibenden früher und häufiger in den Austausch gegangen werden.

Sabotageakte auf KRITIS in Szenarien einbauen Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bereitet man sich auf verstärkte Sabotageakte gegen KRITIS vor: “Das werden wir in unsere Szenarien einbauen”, so Dr. Timo Hauschild, Fachbereichsleiter für Kritische Infrastrukturen im BSI. Der IT-Experte appellierte an die KRITIS-Einrichtungen, sich resilienter gegen Ausfallszenarien im Bereich Internet und IT zu machen. “Es ist im Allgemeinen zu empfehlen, unterschiedliche Soft- und Hardwareprodukte im Einsatz zu haben.” Er appellierte ferner, sich an der 2007 vom BSI gegründeten UP KRITIS zu beteiligen. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-private Kooperation zwischen Betreibern Kritischer Infrastrukturen, deren Verbänden und den zuständigen staatlichen Stellen. “Der Austausch ist in diesen Zeiten wichtiger denn je”, resümiert der Abteilungsleiter.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / November 2022

Seite 35

Rechenzentren im Blackout

Gefahr so hoch wie nie

Keine Sicherheitsmaßnahme, die das verhindern könnte

BSI-Lagebericht 2022

(BS/bhi) Der Strom fällt aus. Und kommt für 14 Tage nicht wieder. Der Blackout ist ein Albtraum-Szenario für die Kritische Infrastruktur (KRITIS). Für (BS/bhi) “Die Bedrohungslage im Cyber-Raum ist angespannt, dynaRechenzentren heißt es – ist der Strom weg, sind die Daten weg. Dennoch bereiten sich die meisten Rechenzentren nur auf kurze Stromausfälle vor. misch und vielfältig und damit so hoch wie nie.” So fasst Dr. Gerhard Schabhüser, der Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der die KRITIS-Betreiber über eine Informationstechnik (BSI), den Lagebericht der Cyber-SicherheitsRechenzentren sind große behörde zusammen. An allen Fronten ist es mehr geworden: mehr Risikoanalyse zu betrachten”. Stromverbraucher. Die Server Alle zwei Jahre sind KRITIS- Ransomware-Vorfälle, mehr bekannt gewordene Schwachstellen, mehr und zugehörigen KühleinheiBetreiber außerdem gesetzlich “Distributed Denial of Service”-Angriffe (DDoS). ten ziehen oft die Energie eines kleinen Stadtteils. Durch den anhaltenden Trend zur Cloud speichern zudem immer mehr Behörden, Unternehmen und Privatpersonen ihre Daten und Anwendungen in Rechenzentren statt auf dem eigenen Computer. Das macht die Serverfarmen allerdings zu einem neuralgischen Punkt der Cyber-Sicherheit. Vor allem physisch sind sie äußerst verletzlich. Doch nicht alle Rechenzentren gelten vor dem Gesetz als besonders schützenswerte KRITIS.

Was ist kritisch? “Betreiber von RechenzentrenAnlagen werden ab einem Schwellenwert von 3,5 Megawatt (MW) nach dem BSI-Gesetz (BSIG) als Kritische Infrastruktur reguliert”, teilt ein Sprecher des BSI mit. Solche Rechenzentren müssen besondere Sicherheitsauflagen erfüllen. Die Leistung von 3,5 MW entspricht der unteren Leistung eines Windkraftrades beziehungsweise von 10.000 Durchschnittshaushalten. Rechenzentren mit weniger Leistung sind zunächst einmal keine KRITIS. Es sei denn, sie sind Teil einer anderen Kritischen Infrastruktur, wie z. B. des Sektors Energieversorgung. Auch diese Rechenzentren unterlägen den BSIG-Pflichten, ergänzt Holger Berens. “Das reicht aus unserer Sicht allerdings nicht aus, da es eine Vielzahl von Rechenzentren gibt, die aus dem bisherigen Gesetzesraster fallen. Hier muss

Mit diesem Diesel-Notstromaggregat eines Rechenzentrums lässt sich ein Stromausfall überbrücken. Aber es besteht kein Gesetz, wonach Rechenzen­ trumsbetreiber genug Treibstoff für einen Blackout bereithalten müssen. Foto: BS/Natascha, stock.adobe.com

nachgebessert werden”, fordert der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen (BSKI).

Schutzmaßnahmen Welche Schutzmaßnahmen muss ein Rechenzentrum aber ergreifen, wenn es zur KRITIS zählt? Im IT-Grundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stehen Vorgaben, wie Rechenzentrumsbetreiber sich auf Stromausfälle vorbereiten sollten. Zunächst empfehlen die Spezialistinnen und Spezialisten der CyberSicherheitsbehörde, dass die Rechenzentrumsbetreiber Netz­ ersatzanlagen (NEA) oder eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) bereithalten. Vor dem Ernstfall sollten die Verantwortlichen den Betrieb der NEA testen – unter Last. Entsprechend diesen Vorgaben betreibt zum Beispiel die Stadt Mannheim ihre zentralen IT-

Datenstrukturen. “Gegen kurze Stromausfälle und Spannungsschwankungen werden an den Anforderungen ausgerichtete sogenannte unterbrechungsfreie Stromversorgungen eingesetzt”, heißt es aus der Stadtverwaltung. “Für längere Ausfälle des Stromnetzes sind autarke, zuverlässige Netzersatzanlagen einsatzbereit, wodurch die zentralen IT-Daten vor Ort zur Verfügung stehen.”

Wie viel Sprit? Da stellt sich die Frage, für wie viele Tage Rechenzentren eigentlich Treibstoff für ihre NEA vorrätig halten müssen. “Der Zeitraum der Vorkehrungen ist gesetzlich nicht festgelegt und individuell durch den Betreiber zu berücksichtigen”, erklärt ein Sprecher des BSI. Die Betreiber könnten selbst Treibstoff bevorraten oder Versorgungsverträge mit Dienstleistern schließen. Ob eine Vorbereitung auf einen Blackout sinnvoll sei, sei “jeweils durch

verpflichtet, zu prüfen, ob ihr Rechenzentrum den Stand der Technik umsetzt. Geprüft werden auch die Maßnahmen, die die Stromversorgung gewährleisten. Den Bericht müssen KRITIS-­Betreiber dem BSI anschließend zur Verfügung stellen. “Darin werden jedoch keine Details genannt, etwa zur Dauer der Kraftstoffbevorratung”, heißt es aus dem BSI.

Vollständiger Datenverlust Der Vorstandsvorsitzende des BSKI sieht klare Schwierigkeiten. “Wenn es wirklich zum Blackout käme, dann wären das nicht nur 40 min oder ein paar Stunden, die ich durch Notstromaggregate überbrücken kann”, betont ­Berens. “Was ist, wenn der Strom wirklich weg ist?” Rechenzentren – gerade die großen – schützten sich vor einem Datenverlust durch redundante Systeme. Oft gebe es dort mehrere parallele Stromversorgungen und kritische Daten seien in einem anderen Rechenzentrum gespiegelt. Doch bei einem echten Blackout sei das keine Hilfe, betont Berens. “Denn wenn der Strom weg ist, nützen mir Redundanzen nichts. Ich wüsste keine Sicherheitsmaßnahme, die einen vollständigen Datenverlust bei einem Blackout verhindern könnte. Es sei denn, man diversifiziert und hält ein Back-Up in einem anderen Rechenzentrum vor, dass mindestens ein paar hundert Kilometer entfernt ist.”

Vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Mai 2022: Das ist der Berichtszeitraum des BSI-Lageberichts 2022. In diese Zeit fallen die schlimmsten Cyber-Sicherheitsvorfälle der letzten Jahre. Zuerst war da der Ransomware-Angriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Die komplette Kreisverwaltung wurde verschlüsselt und war monatelang arbeitsunfähig. Erst im Oktober wurde bekannt, dass dabei eine Umweltdatenbank unwiderruflich zerstört wurde. Im Lagebericht heißt es: “Ransomware-Angriffe stellen eine der größten Cyber-Bedrohungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dar.”

Mehr Schwachstellen Kurz vor Weihnachten 2021 wurde dann die Log4J-Schwachstelle bekannt. Über solche Schwachstellen hacken sich Kriminelle in fremde IT-Systeme. Die Log4J-Java-Bibliothek war als Open-Source-Software in vielen anderen Programmen verbaut. Daher war die Bedrohungslage außergewöhnlich hoch. Das BSI schaltete auf Warnstufe Rot. Im letzten Jahr wurden insgesamt zehn Prozent mehr Schwachstellen bekannt als im Jahr 2020. Diese Schwachstellen waren laut “Common Vulnerability Scoring”-System (CVSS) oft besonders kritisch. Laut BSI hat die Zunahme aber einen Grund. Im Berichtszeitraum hat das Cyber-Sicherheitsamt ein Mel-

deformular für Schwachstellen online gestellt. Dadurch konnten Sicherheitsforscher und Betroffene Schwachstellen leichter beim BSI melden. Über das Formular kam es zu 139 Meldungen, eine Zunahme um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (25 gemeldete Schwachstellen).

Angriff auf die Ukraine Schließlich überfiel Russland gegen Ende des Berichtszeitraums die Ukraine. In der Folge gab es Spill-over-Effekte und DDoSAttacken, mit denen sowohl vermutlich russische Angreifer als auch Hacktivisten versuchten, gegnerische Webseiten lahmzulegen. Doch schon zuvor hatten DDoS-Angriffe deutlich zugenommen. Das BSI zitiert Zahlen des Mitigationsdienstleisters Link11. Solche Dienstleister kümmern sich um die Abwehr dieser Cyber-Bedrohungen. Laut diesen Zahlen kam es schon im Jahr 2021 zu 41 Prozent mehr DDoSAngriffen als noch im Jahr davor.

APT-Angriffe Daneben berichtet das BSI über die neuen Entwicklungen im Bereich der Advanced Persistent ­Threats (APT). Bei diesen Angriffen suchen Hacker nach Zugängen zu Computer-Systemen, um über einen langen Zeitraum Informationen zu sammeln und Sabotage durchzuführen. Mittlerweile griffen die Täter verstärkt Firewalls und Router an.

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IT-Sicherheit

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hne sich auf das Niveau alarmistischer Angstmacherei herabbegeben zu wollen, kann dennoch nicht abgestritten werden, dass eine gewisse Goldgräberstimmung unter Cyber-Kriminellen herrscht. Heiko Löhr, Gruppenleiter Cybercrime beim Bundeskriminalamt (BKA),bezeichnet CyberKriminalität und Ransomware im Speziellen deshalb als die Top-Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Besonders große Unternehmen geraten in den Fokus, weil ein erfolgreicher Angriff hier enorme Gewinnmargen verspricht. Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes oder kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) sollte diese Tatsache aber unter keinen Umständen zum Aufatmen verleiten. Denn etwa seit Jahresmitte 2021 beobachtet das BKA auch zunehmend Angriffe auf die öffentliche Verwaltung. “Die Angriffe erfolgen flächenmäßig und schwachstellenorientiert”, konstatiert der Experte des BKA.

Kriminelle professionalisieren sich Markus Hartmann ist Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen und kennt als solcher die Strukturen hinter RansomwareAttacken. Die Angriffe, die seiner Behörde gemeldet werden, machen deutlich: die Täter sind gut vernetzt und gehen arbeitsteilig vor.

E

s geht um beamtenrechtliche Fragen. Schönbohm beruft sich in seinem Eilantrag darauf, dass das BMI sich fürsorglich und schützend vor seinen Präsidenten hätte stellen müssen. Es geschah das Gegenteil. So schien es auch der BSI-Vizepräsident Dr. Gerhard Schabhüser zu sehen, der in einem Brief an das BMI diesen Vorwurf erhob. Die Angelegenheit kann zu einer veritablen Krise für das BMI werden. Da der Spitzenbeamte Schönbohm (B8) kein politischer Beamter ist, damit nicht in den einstweiligen Ruhestand, sondern nur auf eine stellengleiche andere Funktion versetzt werden kann, ist die Sache prekär. Denn eine B8-Stelle steht derzeit nicht zur Verfügung. Auf das gleichdotierte Präsidentenamt beim Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das BMI vorgesehen, die Chefin des Beschaffungsamtes des BMI, Dr. Ruth Brand, zu befördern. Auch die freiwerdende Stelle des THW-Präsidenten möchte das BMI mit einer Präsidentin besetzen. Der Versuch, Schönbohm unter Mitnahme seiner Bezüge auf den Posten einer kleineren Bundesbehörde zu verschieben,

Behörden Spiegel / November 2022

Cyber Crime – ein Wachstumsmarkt Es gibt zwei Gruppen: Opfer und die, die noch nicht wissen, dass sie Opfer sind (BS/jb) Nicht erst seitdem der Cyber-Angriff auf die Gemeinde Anhalt-Bitterfeld bundesweit durch die Schlagzeilen ging, ist die Bedrohung durch Ransomware und andere Methoden von Cyber-Kriminellen den Sicherheitsbehörden bekannt. Die Gewinnmargen sind enorm und die Angriffe werden zunehmend raffinierter. Gleichzeitig sinkt die Einstiegshürde, weil sogenannte Crime-as-a-Service-Anbieter ihre Dienstleistungen im Darknet feilbieten.

Mit Cyber-Kriminalität setzen Kriminelle enorme Summen um, doch die Bedrohung ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Foto: BS/geralt, pixabay.com

Die Branche ist dynamisch und hat ihren Modus Operandi angepasst. Statt die Daten schlicht zu verschlüsseln, erweist es sich als gewinnbringender, diese selbst zu verkaufen oder mit ihrer Veröffentlichung zu drohen. Auch muss sich nicht mehr eine einzelne Gruppe für die Ausführung der gesamten Tat verantwortlich zeichnen. Die komplexen Handlungsketten eines RansomwareAngriffs können modular wie ei-

ne Dienstleistung in Anspruch genommen werden. Unter der Bezeichnung Crime-as-a-Service ist dieses Phänomen den Sicherheitsbehörden bekannt.

Sind Behörden machtlos? Auch die Sicherheitsbehörden passen sich der Situation an. Dabei stehen ihnen aber Hindernisse im Weg. Die Täterinnen und Täter bedienen sich unter anderem des Tor-Browsers, VPN-

oder Bot-Netzen sowie H-Spots, um ihre Identität im Internet zu verschleiern. Umso problematischer ist es daher für die Sicherheitsbehörden, dass der rechtliche Rahmen den Providern vorschreibt, Daten nur kurzfristig zu speichern. Wenn die Sicherheitsbehörden auf diese zurückgreifen müssen, sind sie in vielen Fällen bereits nicht mehr vorhanden. Sollte es jedoch gelingen, Daten zu ergattern,

nimmt die Auswertung bisweilen Monate in Anspruch. Während internationale Kooperation aufseiten der Kriminellen nur einen Mausklick entfernt ist, gestaltet sie sich für die Strafverfolgungsbehörden als herausfordernd. Wenn Beamtinnen und Beamten um Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland bitten, reicht kein simpler Mausklick. Der Weg zur Amtshilfe ist bürokratisch aufwendig und muss juristisch abgesichert werden. Trotz dieser Widrigkeiten gelingen immer wieder Ermittlungserfolge. So konnte durch eine transeuropäische Kooperation verschiedener Polizeien der Programmierer hinter der weitverbreiteten Maleware Emotet in der Ukraine aufgetan und sein Schadprogramm deaktiviert werden. Um aber solche wirkungsmächtigen Einsätze durchzuführen, muss genügend qualifiziertes Personal vorhanden sein. Aus diesem Grund bietet zum Beispiel die Bayerische Polizei seit 2011 eine Sonderausbildung im technischen Kriminaldienst an. Diese befähigt speziell zur Polizeiarbeit im Internet, berichtet Dr. Evi Haberberger vom Landeskriminalamt (LKA) Bayern.

Personalie Schönbohm geht in die zweite Runde Bisher kein gravierendes Fehlverhalten nachweisbar (BS/Uwe Proll) Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat gegen das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) erlassene Amtsausführungsverbot einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) eingereicht. Das BMI ist aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen zum eingereichten 50-seitigen Schriftsatz Stellung zu beziehen. eine solche Lage manövriert hat. Es ist üblich, dass nach einem Regierungswechsel nicht nur im eigenen Ministerium, sondern auch bei Neubesetzung nachgeordneter Behörden personell “aufgeräumt” wird. Doch eher bei einem anstehenden Wechsel. Dafür liegen detaillierte Listen vor, welche Positionen mit eigenen Leuten besetzt werden können. In diesem Fall geschah das allerdings aufgrund einer Satiresendung, deren Sachlichkeit wir in unseren Newslettern Digitaler Dem Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik Arne Schönbohm (BSI) ist es derzeit untersagt, seinen Amtsgeschäften nachzukommen. Nun hat er gegen das Amtsausführungsverbot einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) eingereicht. Foto: BS/Dombrowsky

ist durch seinen Eilantrag keine Option mehr. Sollte das Gericht die Aussetzung der Ausübung der Geschäftstätigkeit des BSIPräsidenten widerrufen, wäre

das der Super-GAU. Das BMI wird alles daransetzen, eine solche Rechtslage zu verhindern. Doch stellt sich die Frage, warum sich das BMI ohne Not in

Staat und Cyber Security, Netzwerk Sicherheit und Verteidigung. Streitkräfte. Wehrtechnik hinterfragt haben (www.behoerdenspiegel.de/newsletter). Überhaupt sei zu klären, welche Rolle die Sendung ZDF Magazin Royale einnimmt. Darin wurden nachrichtendienstliche Informationen über die KGB-Firma Protelion öffentlich gemacht, die nur dem BMI, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Die Bestrebungen der Polizei, das Bewusstsein für die Gefahr von Cyber-Attacken zu stärken, macht deutlich, dass niemand den Gefahren aus dem Internet schutzlos ausgeliefert ist. Denn um möglichen Angriffen vorzubeugen, kann auf zwei Ebenen angesetzt werden. Neben technischen Ausfällen sind es vor allem Bedienerfehler, die Kriminellen den Weg in die digitale Infrastruktur ebnen. “Etwa 85 Prozent aller erfolgreichen Angriffe sind mit menschlichem Fehlverhalten verbunden,“ weiß Andreas Fuchs. Als Head of Strategy and Vision bei DriveLock ist er jeden Tag mit dem Wettrennen zwischen Cyber-Kriminellen und den Anbietern von Cyber-SicherheitsDienstleistungen befasst. Um in diesem Wettrennen an der Spitze zu stehen und dem Wachstumsmarkt Cyber-Kriminalität nicht weiter Tür und Tor zu öffnen, braucht es ein grundlegendes Umdenken. Auch Arne Jensen ist als Regional Sales Manager von Netskope in den digitalen Wettlauf zwischen Angreifern und Verteidigern eingebunden. Er macht deutlich, dass technische Lösungen keine organisatorischen Probleme aus der Welt schaffen können. Stattdessen müsse man eine Grundsensibilität für die sehr reale Gefahr eines Cyber-Angriffs schaffen. Um den Kampf gegen den Wachstumsmarkt Cyber-Kriminalität erfolgreich zu bestreiten, ist ein grundlegender Kulturwandel bezüglich IT-Sicherheit notwendig.

sowie dem BSI zur Verfügung standen. In einer anderen Sendung wurden geheime Akten aus der NSU-Affäre in Hessen öffentlich gemacht. Welche Rolle spielt das ZDF Magazin Royale bzw. die Rechercheagentur bei den Affären? Weder belegt noch entkräftet stehen gegen Jan Böhmermann und sein satirisches Format die Vorwürfe noch im Raum, in die Abhöraffäre, die zur Ibiza-Affäre in Österreich zur Regierungskrise führte, verwickelt zu sein. Seit Geheimunterlagen aus dem NSUKomplex über das ZDF Magazin Royale veröffentlicht wurden, hat das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Strafanzeige wegen “unrechtmäßiger Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumente” gegen Unbekannt gestellt.

Fact Checking gegen Desinformation Hohe psychische Belastungen für Faktencheckerinnen und Faktenchecker (BS/sp) Desinformation verbreitet sich in den sozialen Medien sechsmal schneller als wahre Nachrichten, konstatiert die Studie “The spread of true and false news online” von Vosoughi, Roy & Aral (2018). Vor allem beim Angriffskrieg Russlands in der Ukraine werden Narrative von staatsnahen russischen Medien verbreitet, die als “Rechtfertigungen” für den völkerrechtswidrigen Einmarsch dienen sollen. Fact Checking Teams kämen in ihrer Arbeit nicht mehr hinterher, so Prof. Dr. Christian Stöcker, Studiengangsleiter Digitale Kommunikation an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW). Am bekanntesten sei die Verschwörungstheorie von Biolaboren in der Ukraine. Nach ihr solle dort angeblich zusammen mit der US-amerikanischen Regierung über Biowaffen geforscht werden und die Labors an “Virenausbrüchen” beteiligt sein. Diese Falschinformationen verbreiteten sich über prominente russische staatsnahe Medienunternehmen und bekannte russische Influencer, erzählte der Studiengangsleiter auf dem Microsoft Event “EXPLAINED Cybersecurity - Demokratien im Visier: Wie schützen wir uns vor hybriden Bedrohungen?” vom 20. Oktober. Die Desinformationskampagne blieb allerdings nicht nur in der Blase russischer Propagandisten, sondern wurde auch vom bekannten rechtspopulistischen Moderator Tucker Carlson auf Fox News und Sprechern des chinesischen Außenministeriums wiederholt. Stocker

bekräftigte, dass Desinformationen durch Fact Checking nur kurzfristig gehemmt werden könnten. Dadurch, dass immer schnell neue Fake News geschaffen werden könnten, kämen die Faktenchecker nicht mehr mit der Löschung und Kommentierung hinterher, erklärte er.

Hohe psychische Belastung Einer dieser Faktencheckerinnen ist Sarah Thust. Sie arbeitet beim Medienunternehmen CORRECTIV, das Faktenchecks für Facebook durchführt. Nutzende, die einen Post auf Facebook geliked, geteilt oder kommentiert haben, der durch das Kollektiv moniert wurde, erhalten eine Notiz mit einem Hinweis, der ergänzende Informationen zum Posting enthalte. “Dabei wird auch fehlender Kontext ergänzt”, so Thust. Auf ähnliche Art und Weise verfährt das Unternehmen NewsGuard Technologies GmbH. Es analy-

siert Online-Nachrichtenwebsiten auf Glaubwürdigkeit und Transparenz und kontaktiert Websitenverantwortliche bei erfolgter Evaluierung. Roberta Schmid, Managing Editor & Vice President Partnerships Germany bei NewsGuard merkt an, dass klassische Online-Nachrichtenmedien für junge Menschen nicht mehr die Hauptquelle für politische Informationen seien: “Dafür gehen sie auf TikTok”, so die Analystin. Faktencheckerinnen und Faktenchecker sind in ihrer Arbeit hohem psychischem Druck ausgesetzt. Insbesondere im Bereich Social Media würden sie eine hohe Anzahl an “fragwürdigen” Inhalt prüfen müssen, erklärte Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende vom Verein für liberale Netzpolitik (LOAD e. V.). “Auf Social Media Plattformen muss Transparenz geschaffen und die verantwortlichen Faktenchecker psychisch entlastet werden”, folgert Riedel.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / November 2022

KNAPP

Probleme des Systems?

Bedrohliches ­Russland

Teilweise Ersatzvornahmen bei der Passagierkontrolle

(BS/df) Das Zentrum für Mi-

(BS/Marco Feldmann) Die Bundespolizei hat zum Teil mit eigenen Vollzugskräften bei der Passagierkontrolle an deutschen Flughäfen unterstützen müssen. Diese Ersatzvornahme litärgeschichte und Sozialwismuss unbedingt eine Ausnahme bleiben. Denn die Luftsicherheitskontrolle gehört nicht zu den originären Zuständigkeiten der Bundespolizei. Nicht umsonst bedient sie sich hier senschaften der Bundeswehr Beliehener. (ZMSBw) führt jedes Jahr eine Auch der Einsatz unbeliehener Kräfte der privaten Sicherheitsdienstleister dürfe nicht zu oft stattfinden, so Carsten Glade, Abteilungsleiter für Gefahrenabwehr im Bundespolizeipräsidium. Hier sieht er die privaten Dienstleister in der Pflicht. Diese müssten sich – ebenso wie die Flughafenbetreiber – in Zukunft verbessern. Aus seiner Sicht würden Probleme im Bereich der Luftsicherheitskontrollen noch zu oft bei der Bundespolizei “abgeladen”, obwohl diese die Schwierigkeiten kaum selbst beheben könne. Glade, der die Ersatzvornahme mit einer Bestimmung aus dem Bundespolizeigesetz begründete (Paragraf 20) und Regressforderungen ankündigte (sofern hier nicht schon Zahlungen erfolgt sind), appelliert an die privaten Sicherheitsunternehmen: “Vertrauen ist keine Einbahn­straße.” Schließlich habe der Bund die Dienstleister während der Corona-Pandemie auch finanziell unterstützt. So seien z. B. auch zu Corona-Hochzeiten 45 Prozent der Kontrollstunden bezahlt worden, auch wenn tatsächlich weniger bestellt worden sei. Und hier habe es Zeiten gegeben, in denen deutlicher weniger als zehn Prozent der Kontrollstunden tatsächlich erbracht worden seien. Glade machte deutlich, dass die Bundespolizei rund 10.000 zusätzliche Vollzugskräfte benötigen würde, sollte sie die Luftsicherheitskontrollen wieder selbst übernehmen müssen.

Ganzheitliche Betrachtung der Luftsicherheit angemahnt Eine andere Sichtweise vertritt Udo Hansen, Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) (siehe auch Oktober-2022-Ausgabe,

Bei den Passagierkontrollen an Deutschlands Flughäfen gibt es immer wieder Probleme. Die Bundespolizei, die eigentlich nicht primär zuständig ist, wird massiv in Anspruch genommen. Das darf nicht so bleiben. Denn das System hierzulande ist eigentlich ein anderes. Foto: BS/Mihail, stock.adobe.com

Seite 45). Er verlangt, dass Luftsicherheit für den gesamten Flughafen betrachtet werden müsse. Die Airports müssten als einheitliches Schutzobjekt begutachtet werden. Hansens Meinung nach liegt der öffentliche Fokus derzeit zu oft noch auf den Passagierkontrollen. Er kritisierte zudem das “Zuständigkeitsgewürge” im Bereich der Luftsicherheit. Hier seien Verantwortlichkeiten noch zu stark zersplittert, so der BDLS-Präsident. Hinzu komme, dass die Ausbildung von Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten in Deutschland deutlich länger dauere als im benachbarten Ausland, u. a. in Österreich und Frankreich.

Zu wenige operativ tätig Eine zu lange Erholungsphase zurück zur Professionalisierung der Kontrollabläufe am Flughafen

BER bemängelt der Leiter der dortigen Bundespolizeiinspektion, René Kexel. Am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) gibt es aus seiner Sicht genügend Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten in Lohn und Brot, aber zu wenige in der tatsächlichen Arbeit. Hierzu trage insbesondere die hohe Krankheitsquote von bis zu 30 Prozent bei. Des Weiteren gebe es am BER eine defizitäre Passagiersteuerung durch den Flughafenbetreiber sowie zu weitgehende Handgepäckregelungen der Airlines. Hier brauche es unbedingt effizientere Kontrolltechnik. Erfolgversprechend ist aus Kexels Sicht zudem deutlich mehr Fläche an den Kontrollstellen, u. a. um Überholungsmöglichkeiten für Passagiere zu schaffen. Mehr Platz erlaube den Reisenden außerdem mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung

der Kontrollen sowie eine deutliche Erhöhung des Durchsatzes von Kontrollspuren. Letzteres könne dann auch dazu beitragen, Peaks zu entzerren. Dies könne auch durch die Möglichkeit zur Vorabbuchung von Kontrollzeiten geschehen, meint Kexel. Den hohen Krankenstand bei den privaten Sicherheitsdienstleistern räumt auch Oliver Damer ein. Der geschäftsführende Direktor von I-SEC Deutsche Luftsicherheit gesteht zudem zu, dass der erforderliche Personalaufbau nach der Corona-Krise nicht in der Geschwindigkeit erfolgt sei wie es der schnell ansteigende Bedarf erforderlich gemacht hätte. Hierfür macht er aber u. a. bürokratische Hürden verantwortlich. Dazu gehörten extrem lange Bearbeitungszeiten von Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Mitarbeitende.

Berlin Security Conference 2022

Diese Vorgänge bezeichnet auch Abteilungsleiter Glade als “Flaschenhals für die Gewinnung neuen Personals”. Gleichwohl dürften hier keine inhaltlichen Abstriche gemacht werden. Denn, so Oliver Krambrich vom Bundeskriminalamt (BKA): “Es besteht weiterhin eine hervorzuhebende abstrakte Gefährdung des Luftverkehrs.” Probleme gibt es nicht nur bei der Passagierkontrolle. Auch die anderen Bereiche der Luftsicherheit, wie die Kontrollen der Beschäftigten und der Fracht, wurden von den Folgen der Corona-Pandemie hart getroffen. Hier seien massive wirtschaftliche Verluste entstanden, so der ehemalige Geschäftsführer von Securitas Aviation Service, Andy Matthias Müller, und Peter Haller. Der geschäftsführende Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste und BDLSVizepräsident erläutert dabei insbesondere die Situation in der Frachtkontrolle. Auch hier gebe es zu viele zuständige Behörden, zahlreiche offene Stellen, eine hohe Personalfluktuation sowie eine extrem hohe Durchfallquote von über 90 Prozent bei Prüfungen. Hinzu komme, dass die entsprechenden Kräfte in diesem Bereich – anders als ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Passagier- und der Beschäftigtenkontrolle – aufgrund einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen vor ihrem täglichen Dienstantritt nicht kontrolliert würden. Dies berge die erhöhte Gefahr von Innentäterinnen und Innentätern, warnt Haller. Er plädiert für eine Vereinheitlichung der Schulung und Prüfung in allen Bereichen der Luftsicherheit sowie Kombinationseinsätze der Mitarbeitenden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Befragung der deutschen Bevölkerung durch, um zu ermitteln, wie die Haltung gegenüber der Bundeswehr und sicherheitspolitischen Themen ist. Infolge des Ukraine-Krieges wurde Russland nun zum ersten Mal von einer Mehrheit als Bedrohung wahrgenommen. Demnach ­empfinden 66 Prozent (ein Plus von 31 Prozentpunkten) Russlands Außen- und Sicherheitspolitik als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands. Zudem hat sich der Anteil ­derjenigen, die sich durch Krieg in Europa persönlich bedroht fühlen, im Vergleich zum Vorjahr von 15 auf 45 Prozent verdreifacht. Der Sicherheitsgarant für die deutsche Bevölkerung ist dabei die NATO. 58 Prozent (ein Plus von drei Prozentpunkten) sagen, Deutschland sollte sich sicherheits- und verteidigungspolitisch vorrangig in der NATO engagieren.

How-to Risikokommunikation (BS/bk) Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben ein gemeinsames Handbuch zur Risikokommunikation veröffentlicht. Die Publikation “Risikokommunikation – ein Handbuch für die Praxis” soll einen übersichtlichen Einstieg in das Thema ermöglichen und einen Überblick zu den wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen liefern. Zudem enthält das Handbuch eine Checkliste zur Entwicklung von Strategien für die Risikokommunikation. Die Veröffentlichung richtet sich an die Verantwortlichen für Zivil- und Katastrophenschutz in den Kommunen, im Risikomanagement, in den Presse- und Öffentlichkeitsstellen.

Rechtzeitig a nmelden! www.euro-d efence.eu (Anmeld eschluss: 21.1

1.2022)

30. November – 1. Dezember 2022, Vienna House Andel’s Berlin Top-Referenten/-Referentinnen, u. a. Jonas Gahr Støre, Ministerpräsident von Norwegen

Olaf Scholz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO

Bjørn Arild Gram, Verteidigungsminister von Norwegen

Dr Pål Jonson, Verteidigungsminister von Schweden

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Verteidigung, Deutschland

Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigem Amt, Deutschland

Nana Brink, Stellvertretende Vorsitzende von WIIS.de

Admiral Joachim Rühle, Chef des Stabes SHAPE, Belgien

Antti Kaikkonen, Verteidigungsminister von Finnland

Foto Olaf Scholz: photothek.net/Köhler & Imo

Weitere Informationen: www.euro-defence.eu


Innere Sicherheit

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Spranger hat viel vor

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ehörden Spiegel: Frau Spranger, Sie sind Innensenatorin Berlins. Was steht auf Ihrer Agenda? Iris Spranger: Meine Agenda verfügt über mehrere tragende Säulen. Zum einen wäre da die Sicherheit im Wohnumfeld, sie betrifft jede und jeden und ist mir daher sehr wichtig. Ein Faktor, der sich auf diese Sicherheit auswirkt, sind zum Beispiel kriminalitätsbelastete Orte. In Berlin haben wir sieben davon, darunter auch das Kottbusser Tor. Hier wollen wir eine neue Polizeiwache errichten, die sogenannte “Kotti-Wache”. Das wird zwar auch mal kontrovers diskutiert, ich bin aber davon überzeugt, dass dieser Ansatz richtig ist. Behörden Spiegel: Was muss hier passieren? Spranger: Nach vielen Jahren Diskussion und runden Tischen muss es hier nun dringend vo­ rangehen. Denn gegen die kriminalitätsbelasteten Orte muss zum einen konsequent, zum anderen nachhaltig vorgegangen werden. Klar ist: Dort, wo Kriminalität passiert, muss die Polizei auch präsent sein. Die “Kotti-Wache” ist ein Element eines ganzheitlichen Ansatzes. Nun sind auch die anderen Akteurinnen und Akteure gefragt, ihren Beitrag zu leisten, denn allein mit polizeilichen Mitteln lässt sich das Problem nicht lösen. Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Spranger: Einen weiteren Schwerpunkt lege ich auf die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) und bandenmäßiger Kriminalität. Wir stellen eine Entwicklung in der Kriminalität fest, von den relativ festen Strukturen der OK hin zu eher bedarfsorientierten, also eher bandenmäßigen Zusammenschlüssen. Dagegen gilt es auch weiterhin konsequent vorzugehen. Außerdem ist mir die Verkehrssicherheit wichtig – gerade vor dem Hintergrund der verkehrsreichen Hauptstadt. Mir geht es hierbei um die Bekämpfung der Hauptunfallursachen und die Sicherheit besonders verletzlicher Gruppen.

Auf Worte können rasch Taten folgen Auch die Innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sieht

während der Pandemie, besser reagieren zu können. Die Änderung des Rettungsdienstgesetzes folgt nach jetzigem Stand zeitnah durch die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses.

Berlins Innensenatorin hat klare Linie

(BS) Sie ist seit Ende letzten Jahres die erste Innensenatorin des Landes Berlin: Iris Spranger. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel spricht sie über ihre Kernforderungen. Die derzeitigen Blockadeaktionen von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten sieht sie äußerst kritisch. Das Interview Behörden Spiegel: Wäre mehr führten Uwe Proll und Marco Feldmann. Eigenständigkeit für die Berliner Behörden Spiegel: Können Sie ein Beispiel nennen? Spranger: Auch hierzu nur ein kleines Beispiel: In den nächsten Jahren beschaffen wir mehr stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen sowie Geschwindigkeitsmessanhänger – insgesamt sind 60 in Planung. Aktuell wirken sich natürlich auch die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auf die Verkehrssicherheit aus. Hier gehe ich als oberste Dienstherrin von Polizei und Feuerwehr mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln vor. Denn deren Protestformen sind inakzeptabel. Die Berlinerinnen und Berliner dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden. Behörden Spiegel: Welche Rolle spielen hier Gerichte? Spranger: Ich wünschte mir, dass die Justiz noch schneller wird. Hier sollten Richterinnen und Richter ein rechtsstaatliches Zeichen setzen. Die Blockiererinnen und Blockierer sind eine Gefahr für andere und gefährden sich selbst. Die Polizei Berlin hat sehr schnell und konsequent auf dieses Phänomen reagiert. Wir nehmen Ermittlungen auf, Personen in Gewahrsam, verschicken Gebührenbescheide und führen Gefährderansprachen durch. Wir tun alles, nun sind andere gefragt. Behörden Spiegel: Jetzt sprachen wir über das polizeiliche Agieren nach außen, also gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Was wollen Sie denn für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Bundeshauptstadt erreichen? Spranger: Ein entscheidender Punkt meiner Agenda ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Polizei und Feuerwehr, sie liegt mir sehr am Herzen. Allein

könnte auch unberechtigten, pauschalen Vorwürfen begegnet werden. Gegen solche pauschalen Anschuldigungen verwahre ich mich. Deshalb wollen wir die Körperkameras flächendeckend einführen. Ich kann mir auch einen Einsatz in geschlossenen Räumen, etwa bei Fällen häuslicher Gewalt, sehr gut vorstellen. Das ist in Berlin derzeit rechtlich noch nicht zulässig. Behörden Spiegel: Und wie steht es um den Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG)?

“Klar ist: Dort, wo Kriminalität passiert, muss die Polizei auch präsent sein.” Iris Spranger (SPD) ist seit Dezember 2021 Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin. Seit 2011 ist sie zudem Mitglied des Abgeordnetenhauses. Von 2006 bis 2011 war Spranger Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen. Foto: BS/Feldmann

bei der Polizei Berlin beträgt der Sanierungsstau 1,8 Milliarden Euro. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb bin ich – anders als alle meine Vorgänger – auch selbst Mitglied des Aufsichtsrates der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Behörden Spiegel: Welche Elemente gibt es hier noch? Spranger: Das ist aber nur ein Element. Weitere sind die Arbeitszeitmodelle, die Stärkung des Rettungsdienstes der Berliner Feuerwehr, das Rettungsdienstgesetz und einiges mehr. Zu den beiden letztgenannten Punkten habe ich bei mir im Hause eine regelmäßig tagende Steuerungsgruppe eingesetzt. Der Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen treibt diesen Reformprozess voran und hat mein volles Vertrauen. Dass Rettungswagen an Notaufnahmen abgewiesen werden, ist auch ein erschwerender Faktor, den ich angehen möchte, dessen sich aber ein anderes Ressort annehmen muss.

Behörden Spiegel: Weshalb soll die Pensionsgrenze bei der Polizei Berlin angehoben werden? Spranger: Der Vorschlag dazu kommt von der Senatsverwaltung für Finanzen. Ich stelle mich dem aber entgegen, werde ihm nicht zustimmen. Denn mit der Pensionsgrenze liegt Berlin jetzt schon im Bundesdurchschnitt. Eine Erhöhung ist nicht angezeigt. Zumal es den Belastungen in der Hauptstadt nicht gerecht werden und dann auch noch die Personalgewinnung zusätzlich erschweren würde. Behörden Spiegel: Braucht es weitere Bodycams für die Berliner Sicherheitsbehörden? Spranger: Derzeit läuft ein Probelauf bei Polizei und Feuerwehr mit insgesamt 30 Geräten. Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf insgesamt 300 weitere Bodycams verständigt. Diese werden bis Jahresende beschafft. Sie sind hilfreich für die Transparenz polizeilichen Handelns. Damit

Spranger: Ich bin dafür, auch die sogenannten Taser flächendeckend als Einsatzmittel einzuführen. Denn sie können den Schusswaffengebrauch unnötig machen und eine bestehende Lücke der Einsatzmittel schließen. Behörden Spiegel: Die Situation bei der Berliner Feuerwehr ist sehr angespannt. Es gab schon Anpassungen in der Leitstelle sowie der Notrufannahme. Dennoch wird von mehreren Seiten eine Reform des Rettungsdienstgesetzes gefordert. Was planen Sie hier? Spranger: Durch die bereits erwähnte Steuerungsgruppe sind wir hier schon sehr weit. Deren Mitglieder werden sich der Thematik jetzt nochmal sehr genau annehmen und z. B. die Code-Reviews für die Leitstelle der Berliner Feuerwehr nochmals prüfen. Problematisch ist, dass Rettungswagen zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil für Sachverhalte alarmiert werden, die eben keine Notfälle darstellen. Behörden Spiegel: Und wie steht es um eine Reform des Rettungsdienstgesetzes? Spranger: Ich stelle mir u. a. vor, dass wir mehr Flexibilität bei der Besetzung von Rettungsmitteln gewinnen, um auf besondere Auslastungen, wie z. B.

Wohl kein “heißer Herbst”

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ieses Wording gefalle seiner Behörde nicht, unterstrich der Referatsleiter für Gremienund Öffentlichkeitsarbeit beim Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), Marco Haase. Er wollte aber auch nicht ausschließen, dass es einen “kritischen Herbst” geben könne. Denn es seien zwar bei Weitem nicht alle Demonstrierenden Extremisten. Es habe sich jedoch eine kleine Gruppe he­ rauskristallisiert, die sich keinem vorhandenen Phänomenbereich zuordnen ließe, auch wenn Bezüge in den Rechtsextremismus sowie in die Reichsbürgerszene feststellbar seien. Die Anhänger dieses neuen ex­ tremistischen Phänomenbereichs versuchten, in der Mitte der Gesellschaft Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen. Dabei spielten sie insbesondere mit Ängsten vor einer Gasmangellage sowie vor hohen Stromrechnungen. Außerdem agitierten die Personen, deren quantitatives Potenzial sich in der Hansestadt im niedrigen zweistelligen Bereich bewege, im Internet, warnte Haase im Rahmen einer Diskussionsrunde auf der Behörden Spiegel-Plattform “Digitaler Staat Online”.

Behörden Spiegel / November 2022

Situation muss aber weiter beobachtet werden (BS/mfe) Politikerinnen und Politiker warnten jüngst vor einem “heißen Herbst”. Es wird ein wieder deutlich zunehmendes Demonstrationsgeschehen erwartet. Ob es dabei immer friedlich bleibt, ist äußerst fraglich. Zumal angesichts der Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine (u. a. massiv steigende Energie- und Benzinpreise) teilweise schon “Aufstände” prognostiziert wurden (von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock). Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) rechnen dennoch eher nicht mit einem “heißen Herbst” hierzulande. keinen “heißen Herbst” herannahen. Gleichwohl dürfe das derzeitige Protestgeschehen, das sich auch Extremisten zunutze machten, nicht unterschätzt werden. Anderenfalls könnten Worten schnell Taten und Gewalt folgen, warnte sie. Hier brauche es weiter eine Beobachtung der Situation – ganz ohne Hysterie. “Hier müssen wir wachsam sein”, verlangte Kaddor. Zumal die Proteste inzwischen eine gewisse Verselbstständigung erfahren hätten, so Dr. Alexander Leistner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Dort gebe es mittlerweile eine gewisse Beliebigkeit an Themen und Ressentiments sowie einen harten Kern an Demonstrierenden, die nicht aufgrund aktueller Probleme vor Ort seien. Diese Feststellung treffe noch stärker in den neuen als in den alten Bundesländern zu, so der Wissenschaftler. Nicht zuletzt deshalb gewinne die wissenschaftliche Analysefähigkeit der Verfassungsschutzbehörden immer weiter an Bedeutung, betonte Haase.

Diskutierten über einen eventuellen “heißen Herbst” (im Uhrzeigersinn von oben links nach unten rechts): Uwe Proll (Moderator), Marco Haase, Lamya Kaddor und Dr. Alexander Leistner. Screenshot: BS/Feldmann

Denn Extremismus beginne weit vor dem Begehen von Straftaten. Hier sei der Verfassungsschutz als “demokratisches Frühwarnsystem” gefragt.

Berlin bereitet sich vor Ungeachtet der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit eines “heißen Herbstes” trifft die Berliner Polizei umfangreiche Vorbereitungen auf eventuelle Mangellagen bei der Versorgung. Das gelte sowohl nach innen als auch nach außen, machte Poli-

zeipräsidentin Dr. Barbara Slowik deutlich. Dabei würden unterschiedliche Facetten betrachtet. Dazu zähle u. a. die eigene Energiesicherheit. Zudem würden derzeit bei der Polizei Berlin ein Koordinierungsgremium zu diesem Thema aufgebaut und eine einschlägige Rahmenkonzeption kontinuierlich weiterentwickelt. Des Weiteren würden die eigenen Ressourcen gestärkt und Stresstests unterzogen. Dies gelte etwa für Notstromaggregate. Zugute komme der Berliner Polizei au-

ßerdem, dass sie – anders als andere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – weiterhin über eigene Tankstellen verfüge. Hier brauche es wieder mehr Engagement der Politik, meint der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. In der Vergangenheit hätten wegen strenger Auflagen viele Tanklager und -stellen der Polizeien abgebaut werden müssen. Dies müsse rückgängig gemacht werden. Zudem brauche es auch wieder mehr polizeieigene Bevorratung, findet der GdP-Chef.

Kommunikationswege berücksichtigen Auch aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sind zu viele Polizeien nicht ausreichend auf einen eventuellen Blackout vorbereitet. Er unterstrich: “Hier ist noch viel zu tun.” Dies gelte nicht zuletzt auch für die polizeilichen Kommunikationswege, meint Wendt. Gut vorbereitet sind die Polizeien aus Wendts und Kopelkes

Feuerwehr, etwa beim Führen ihrer Personalakten, sinnvoll? Spranger: Die Personalakten der Berliner Feuerwehr werden auch in Zukunft bei der Polizei Berlin geführt werden. Denn es ist sinnvoll, nur eine Aktenführung zu haben. Das gelegentlich angebrachte Argument, dass Polizistinnen und Polizisten dann über Dienstunfälle von Feuerwehrfrauen und -männern entscheiden würden und das mit einem polizeilichen Blick, greift zu kurz. Es sind hauptsächlich Verwaltungsbeamtinnen und -beamte, die dort eingesetzt werden und unvoreingenommen entscheiden. Behörden Spiegel: Sie sind die erste Innensenatorin Berlins. Wirkt sich das auf Ihr Amtsverständnis aus? Spranger: Als erste Berliner Innensenatorin habe ich möglicherweise einen anderen Blick auf bestimmte Themen als meine männlichen Vorgänger. Die Innere Sicherheit in Berlin ist inzwischen sehr weiblich gesteuert, denn neben mir gibt es ja noch eine Bundesinnenministerin und eine Polizeipräsidentin. Das finde ich gut. Davon mal abgesehen, dass wir alle es gewohnt sein dürften, in harten und männlich dominierten Bereichen zu arbeiten. Mir kommt hier deutlich meine Durchsetzungsstärke zugute. Behörden Spiegel: Gibt es eine feministische Innenpolitik? Spranger: Für mich heißt Innenpolitik Sicherheit aller. Die Betrachtung der unterschiedlichen Kriminalitätsfelder gehört klar hierzu. Leider gibt es einige mit hoher Dunkelziffer, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Darauf möchte ich den Blick lenken, wie zum Beispiel auf die häusliche Gewalt oder Femizide.

Sicht hingegen auf die Bewältigung von Demonstrationen. Diese Lagen dürften jedoch nicht zu dynamisch werden und zu lange andauern, meint der GdPBundesvorsitzende. Dann könnte es Probleme geben. Kopelke sieht grundsätzlich auch Versammlungsleiterinnen und -leiter stärker als bislang in der Pflicht (mehr dazu auf Seite 40). Denn die Arbeit der Versammlungsbehörden werde immer schwieriger, auch weil Kooperationsgespräche mit Anmeldenden zunehmend schwierig würden. Dabei sei ganz klar: “Unsicherheit im Einsatzraum können wir uns nicht erlauben.” Polizeipräsidentin Slowik sieht es in diesem Zusammenhang als Vorteil an, dass die Versammlungsbehörde in Berlin bei der Polizei angesiedelt ist. Das erleichtere vieles. Zumal ihre Behörde jährlich rund 7.000 Versammlungen schütze. Hier komme es auch entscheidend auf die Kommunikation zwischen Polizei, Versammlungsleitung und Demonstrationsteilnehmenden an, machte Slowik, die sich noch nicht endgültig festlegen wollte, ob es in der Bundeshauptstadt einen “heißen Herbst” geben werde, klar. Die komplette Veranstaltung können Sie hier anschauen.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / November 2022

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Nicht überall eigene Treibstofflager

Kolonnenschieber und Betrüger

Polizeien teilweise unzureichend auf Blackout vorbereitet

Zoll ermittelt trotz struktureller Schwierigkeiten

(BS/Marco Feldmann) Nicht alle deutschen Polizeibehörden sind gut auf einen möglichen Ausfall Kritischer (BS/bhi) Die Organisierte Kriminalität (OK) hat in den letzten Jahren zunehmend Schwarzarbeit und SozialInfrastrukturen (KRITIS) vorbereitet. So gibt es nicht mehr bei allen Polizeibehörden eigene Treibstofflager. leistungsbetrug als Geschäftszweig entdeckt. Kriminelle diversifizieren und professionalisieren, während Die derzeitige Situation infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat aber oftmals einen Anpas- die Hauptzollämter (HZA) versuchen, nicht den Anschluss zu verlieren. sungsprozess ausgelöst. So verfügt die Polizei Bremen zwar über eine eigene Tankstelle (ebenso wie die Hamburger Polizei). Weitere Lager sind derzeit aber weder vorhanden noch in Planung. Auch eine Satellitenkommunikation sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen, heißt es. Bevorratungen befänden sich noch in der Prüfung. In Sachsen existiert ein polizeiliches Grundsatzdokument, in dem mögliche Szenarien und Handlungsfelder für einen Blackout beschrieben sind. Die Landespolizei betreibt auch eigene Lager, allerdings keines für Treibstoff. Zudem ist die Wiederinbetriebnahme einer Tankstelle vorgesehen. Eine Versorgung der polizeilichen Dienststellen mit Satellitentelefonen befindet sich im Freistaat derzeit in der Planungs- und Implementierungsphase. Weitere Details waren – ebenso wie in mehreren anderen Bundesländern, u. a. Hessen – mit Hinweis auf Geheimhaltungsvorschriften nicht zu erfahren. Auch in Niedersachsen gibt es derzeit keine Polizei-eigenen Treibstofflager. Allerdings werden in den Landeskraftfahrzugwerkstätten Kfz-Ersatzteile und Betriebsstoffe gelagert. Außerdem existieren Reserven für verschiedene Krisen- und Katastrophenfälle. Diese Reserven sollen insbesondere zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes dienen. Zu den zentral sowie dezentral im Land vorgehaltenen Gütern gehören u. a. Zelte, Feldbetten, Schlafsäcke und Notstromaggregate. Gleiches gelte für Munition, Schutzausstattung sowie die Ausstattung mit Digitalfunkgeräten, heißt es aus dem Hannoveraner Innenministerium. In Niedersachsen wird darüber hinaus im Laufe des kommenden Jahres mit der Betriebsbereitschaft der Infrastruktur eines redundanten Betriebs- und Notfallnetzes für Sprach- und Datenkommunikation via Satellit gerechnet.

Netzersatzanlagen in Baden-Württemberg Über eigene Kraftstoffreserven verfügt die baden-württembergische Polizei. Außerdem gibt

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ehörden Spiegel: Herr Kukuk, welche neuen Möglichkeiten bietet Breitbandkommunikation für die Sicherheitsbehörden?

es dort Satellitentelefone an als besonders wichtig eingestuften polizeilichen Stellen. Wichtige Einrichtungen und Liegenschaften sind laut Innenministerium mit Netzersatzanlagen ausgestattet. Zudem können Dienstfahrzeuge je nach Bedarf als mobile Wachen genutzt werden. In Nordrhein-Westfalen wird der Ausbau der Notstromversorgung polizeilicher Einrichtungen weiter vorangetrieben. Zudem werden im bevölkerungsreichsten Bundesland weitere Tankkapazitäten geschaffen und die vorgehaltenen Treibstoffvorräte aufgestockt. Des Weiteren wurden – trotz mehrerer Rückfallebenen des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – zusätzlich Satellitentelefone beschafft. Ziel ist es, die Kommunikationsfähigkeit in Krisensituationen weiter zu verbessern.

Keine gesonderte Bevorratung in Schleswig-Holstein Seitens des sachsen-anhaltinischen Innenministeriums heißt es, dass die polizeilichen Liegenschaften grundsätzlich mit Notstromaggregaten oder Netzersatzanlagen abgesichert seien. Auch würden Kraftstoffe in ausreichender Menge von der Polizei selbst bevorratet. Eine solche gesonderte Bevorratung existiert in Schleswig-Holstein nicht. Begründet wird dies damit, dass das Land den Kreisen und kreisfreien Städten jeweils zwei Notstromaggregate zur Verfügung gestellt habe, die sich im Blackout-Fall für den Betrieb von Tankstellen nutzen ließen. Darüber hinaus erhält jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt vom Land eine große Netzersatzanlage, die koppelbar ist. Eine wesentliche Verstärkung der bereits existierenden Satellitenkommunikation ist im hohen Norden allerdings nicht vorgesehen. Bei der Berliner Polizei liegt eine einschlägige Rahmenkonzeption bereits vor. Sie orientiert sich an drei Szenarien (Verteuerung, Verknappung und partieller Ausfall der Energieversorgung). Bei der Behörde seien genügend Notstromaggregate vorhanden. Die

konkrete Ausgestaltung von Alarmierungen einzelner Dienstkräfte in der Bundeshauptstadt obliege den einzelnen Dienstbereichen. Hierfür gebe es Alarmierungslisten. Weitere Möglichkeiten befänden sich derzeit in der Prüfung, heißt es. Gleiches gelte für abgestufte Maßnahmen zum Transport von Dienstkräften zur Dienststelle.

Acht eigene Tankstellen der Polizei Berlin Im Gegensatz zu manch anderer Landespolizei verfügt die Polizei Berlin über eigene Tankstellen. Fünf können von Kraftfahrzeugen genutzt werden, drei von Wasserfahrzeugen. Ihr Betrieb sei über Notstromaggregate gewährleistet. Ein darüber hinausgehendes Treibstofflager existiert nicht. Gleichwohl finden Bevorratungen statt. Diese beträfen grundsätzlich “und in erster Linie die zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes erforderlichen Bereiche”, heißt es seitens der Polizei. Zu diesen Bereichen gehörten u. a. der Bürobetrieb, Bekleidung, Ausrüstung, Munition sowie Ersatzteile. Die Nutzung von Satellitenkommunikation innerhalb der Polizei ist momentan jedoch nicht geplant. Die Bundespolizei verfügt – zumindest an einigen Dienststellen der Bereitschaftspolizei – über eigene Tankstellen und weitere, zur Bewältigung eines Blackouts einschlägige Infrastruktur. Dies ist allerdings nach Angaben zuverlässiger Quellen nicht mehr flächendeckend der Fall. Oftmals gebe es deshalb auch Absprachen mit örtlichen Feuerwehren oder dem Technischen Hilfswerk für Unterstützungsleistungen im Ernstfall. Satellitenkommunikation ist derzeit nur sehr vereinzelt im Einsatz. Hier wird offenbar – eine offizielle Reaktion des Bundespolizeipräsidiums gab es bis Redaktionsschluss nicht – derzeit händeringend beschafft. In einigen anderen Bundesländern, wie z. B. Bayern und Hamburg, sind die Beratungen der Mitglieder speziell eingesetzter polizeilicher Arbeitsgruppen zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

“Irgendwann haben wir in der Praxis festgestellt, dass es organisierte Tätergruppen in der Schwarzarbeit gibt”, berichtet der Leiter des Dortmunder Hauptzollamts (HZA). Für Jörg Helmig liegen die Gründe auf der Hand: “Da können sie enorme Gewinne machen.” Diese Täter seien “hochkriminalisiert und professionell”. In Anlehnung an den Begriff der “Organisierten Kriminalität” hat der Zoll intern für das Phänomen die Bezeichnung “Organisierte Formen der Schwarzarbeit” (OFS) gefunden.

Leicht durchzuführen Dahinter verbergen sich sogenannte Kettenbetrugsfälle. Diese kämen in zwei Formen vor, berichtet Reinhard Mayr, Ständiger Vertreter des Leiters des HZA Rosenheim. Auf der einen Seite steht der Abrechnungsbetrug. Eine Firma kauft von einer anderen Scheinrechnungen. “Das ist eine ganz einfache Methode, um viel Geld zu verdienen. Sie brauchen nichts als einen Computer, einen Drucker und ein bisschen Kreativität für das Firmenlogo, das Sie auf die Rechnung drucken”, erklärt Mayr. Die Scheinrechnung werde ordentlich verbucht und das Geld überwiesen. Dann träfen sich Rechnungssteller und Auftraggeber. Das Geld werde in bar zurückgegeben – abzüglich der Steuern und Abgaben, die der Scheinrechnungssteller als Provision behalte. Auf der anderen Seite gebe es den sogenannten “Kolonnenschieber”. Dieser Fall sei häufig im Baugewerbe, bei der Reinigung oder unter Eisenflechtern anzutreffen. Laut Mayr beschäftigt eine Kriminelle oder ein Krimineller dabei gleich mehrere Schwarzarbeiterinnen oder Schwarzarbeiter: die “Kolonne”. Diese würde an andere Firmen vermietet, inklusive Scheinrechnungen. Die gefälschten Rechnungen würden oft von mehreren Sub-Sub-Unternehmen geschrieben, sodass das ganze Geflecht äußerst schwer zu durchschauen sei. Ein zweites, sehr einträgliches Geschäft für die Kriminellen ist laut Helmig der Sozialleistungsbetrug. “Organisierte Tätergruppen holen gezielt gan-

Das Baugewerbe ist schwer von organisierter Schwarzarbeit betroffen. Teilweise beschäftigen “Kolonnenschieber” ganze Arbeitsgruppen von fünf bis zehn Mann, ohne Steuern und Sozialabgaben zu zahlen. Foto: BS/Hands off my tags! Michael Gaida, pixabay.com

ze Familien aus Südosteuropa nach Deutschland”, berichtet der Dortmunder. “Sie werden hier mit Scheinarbeitsverträgen ausgestattet, sodass der Anschein entsteht, es habe schon eine sozialleistungspflichtige Anstellung stattgefunden. Die Anträge für Leistungen und Kindergeld sind perfekt ausgefüllt. Das Geld wird auf Scheinkonten überwiesen, wo die Täter es sofort abheben.” Die Familien würden zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht und zusätzlich für Schwarzarbeit missbraucht, um da auch noch Profit herauszuschlagen, so Helmig. “Die Täter professionalisieren sich in einer Geschwindigkeit, mit der wir nur sehr schwer mithalten können”, fasst der Dortmunder HZA-Leiter das Problem zusammen, vor dem der Zoll steht. “Wir müssen schneller werden bei der Bearbeitung von Verfahren”, sagt er. Die Bearbeitung der komplexen Verfahren in diesem Bereich dauere teilweise Jahre. Hinzu komme das Problem der Personalverteilung. Maximal 40 Prozent ihrer Beschäftigten sollen die Hauptzollämter per Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für den Arbeitsbereich “Organisierte Formen der Schwarzarbeit” einsetzen. An Brennpunkten dürfen sie bis zu 50 Prozent einsetzen, dennoch herrscht laut Helmig Personalnot. Doch er und die anderen Hauptzollamtsleiter haben Vorschläge, wie die Arbeit verbessert werden könnte. Eine große Baustelle ist aus ihrer Sicht

Die Zukunft ist hybrid Erweiterung von TETRA-Digitalfunk um sicherheitskritische Breitbandapplikationen

die Informationsgewinnung. Dabei geht es einerseits um die technische Ausstattung. Helmig wünscht sich u. a. Auswerterechner für Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) für sämtliche Einheiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Außerdem braucht es seiner Ansicht nach eine Anbindung der FKS an die Informationssysteme der Polizei. “Aus meiner Sicht ein absolutes Muss, damit wir den Anschluss nicht verlieren”, sagt der Dortmunder.

Gesetze anpassen Doch die Gesetze, die die Ermittlungen des Zolls regeln, werden den realen Problemen in den Augen von Markus Tönsgerlemann nicht immer gerecht. “Wo will man hin mit der FKS?”, fragt der Leiter des HZA Frankfurt am Main. Seiner Ansicht nach sollte der Gesetzgeber den OFS-Begriff etwas weiter ziehen, um die OKStrukturen hinter der Schwarzarbeit nachhaltig zu zerschlagen. Zusätzlich müsse beim Datenschutz nachreguliert werden. Für den Zoll fehlten Aufgaben und Befugnisse zur Lagebilderstellung. Als Beispiel nennt er das Sozialgeheimnis. Demnach dürfen Sozialleistungsträger ihre Daten über Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nicht an andere Behörden weitergeben. “Das ist ein Hindernis in der Zusammenarbeit mit anderen Behörden”, kritisiert Tönsgerlemann. “Hier wäre ein etwas pragmatischeres Vorgehen sinnvoll.”

Einsatzkräfte enorm wichtig und aus dem täglichen Einsatz unserer Sicherheitskräfte nicht mehr wegzudenken.

(BS) In Breitbandlösungen liegt die Zukunft der Kommunikation für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Das TETRADigitalfunknetz wird dadurch allerdings keinesfalls obsolet. Vielmehr sind hybride Netze gefragt. Das findet auch Axel Kukuk. Die Fragen an Behörden Spiegel: Die KritiAxel Kukuk: Durch den Einsatz Regional Vice President for Sales Central Europe, Nordics & Baltics bei Motorola Solutions stellte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann. sche Infrastruktur (KRITIS) ist

Einsatz von sicherheitskritischen Breitbandapplikationen können die Einsatzkräfte der BOS erheblich bei der Lagebeurteilung und Lagebewältigung unterstützt werden. Denn die Breitbandkommunikation erleichtert die Übermittlung von Bildern und Videos. Das bringt den Einsatzkräften einen deutlichen Mehrwert, etwa bei der Suche nach Personen oder bei der Bewertung von Situationen. Fotos sind immer besser als Personenbeschreibungen, die sehr fehleranfällig sind. Gleichwohl wird die Sprachkommunikation über das sichere und hochverfügbare TETRA-Digitalfunknetz auch in Zukunft der entscheidende Faktor sein, um Einsätze erfolgreich zu bestreiten. Behörden Spiegel: Wie könnte das Kommunikationsnetz der BOS von morgen, also in der Zukunft, aussehen? Kukuk: Es wird auch in Zukunft verlässliche Sprachkommunikation benötigt. Hier haben

wir in Deutschland und Europa mit dem TETRA-Standard einen Standard, der sich bewährt hat. Darüber hinaus sollten zusätzlich Breitbandnetze aufgebaut werden, um die Einsatzkraft der Beamtinnen und Beamten zusätzlich zu erhöhen und ihnen die Arbeit zu erleichtern. Das gilt auch außerhalb Deutschlands. In Zukunft braucht es also hybride Netze. Behörden Spiegel: Welche Lösungen gibt es hierzu derzeit auf dem Markt? Kukuk: Es läuft bereits eine Reihe von Projekten, im Rahmen derer wir unseren Kunden Breitbandapplikationen und Videosicherheitslösungen liefern. Das reicht von festen Videoinstallationen über Bodycams bis hin zu mobilen Polizeiapplikationen, die heute schon bei über der Hälfte der Einsatzkräfte in Großbritannien im Einsatz sind. Neu im Portfolio ist eine mobile Applikation

“Es wird auch in Zukunft verlässliche Sprachkommunikation benötigt.” Axel Kukuk ist Regional Vice President for Sales Central Europe, Nordics & Baltics bei Motorola Solutions. Foto: BS/Motorola Solutions

für das Einsatzfahrzeug auf Basis von Apple Car Play. Sie ermöglicht Beamtinnen und Beamten den direkten Zugriff auf einsatzkritische Daten über eine einzige, intuitive Schnittstelle im Auto. Diese Software wird heute schon von der Western Australia Police genutzt, die über 84.000 Vorfälle im Monat über die Software von Motorola Solutions abwickelt. Behörden Spiegel: Welche Expertise hat Motorola Solutions im Bereich Breitbandapplikationen?

Kukuk: Wir bei Motorola Solutions verfügen über langjährige Erfahrung bei der Bereitstellung sogenannter “Mission-critical”Lösungen. Dazu gehören neben Push-to-Talk-Anwendungen vor allem auch Push-to-Video- oder Push-to-Data-Anwendungen. Behörden Spiegel: Herr Kukuk, welche Rolle spielen Standards für Ihr Unternehmen? Was halten Sie eigentlich von proprietären Lösungen? Sind die sinnvoll oder kontraprduktiv?

Kukuk: Wir sind der festen Überzeugung, dass standardbasierte Lösungen besser geeignet sind, den Anforderungen der BOS zu genügen, da sie Wettbewerb schaffen und kontinuierliche Investitionen in Innovationen sicherstellen. Notwendige Schnittstellen und Standards werden von einem globalen Konsortium von Standardisierungsorganisationen im Bereich Telekommunikation (3GPP) definiert und zur Verfügung gestellt. Proprietäre Lösungen sind in diesem Bereich nicht zielführend. Behörden Spiegel: Heute werden verstärkt moderne Videolösungen von den BOS-Einsatzkräften genutzt. Wie hat sich der Markt diesbezüglich zuletzt Ihrer Erfahrung nach entwickelt? Kukuk: Der Videobereich ist für Motorola Solutions das derzeit am stärksten wachsende Segment. Bodycams sind für BOS-

vermehrt in der Diskussion und zeigt ihre Verwundbarkeit. Welche Rolle spielen Cyber SecurityLösungen und wie müssen die Sicherheitsbehörden hier investieren?

Kukuk: Cyber Security ist ein unglaublich wichtiges Feld, das immer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Die Zahl der Angriffe oder Angriffsversuche nimmt rasant zu. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass Cyber Security nicht extra gedacht wird. Vielmehr kommt es darauf an, dass Cyber Security innerhalb einer Lösung von Anfang an mitgedacht wird. Ansonsten entfaltet sie keinen Mehrwert. Es bringt nichts, eine Lösung zu erwerben und dann Cyber Security auf diese aufsetzen zu wollen. Cyber Security muss im Produkt- und Lösungsverbund von Anfang an mitgedacht werden. Genau das machen wir bei Motorola Solutions mit dedizierten Teams und hunderten von Ingenieurinnen und Ingenieuren.


Innere Sicherheit

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ehörden Spiegel: Herr Kopelke, Sie sind der neue Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Welche Punkte und Inhalte sind Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders wichtig? Jochen Kopelke: Da hat der jüngste Bundeskongress schon einiges vorgegeben. Das gilt etwa für Fragen der fairen Besoldung und Entlohnung sowie für gute Arbeitsbedingungen und eine effektive Digitalisierung der polizeilichen Arbeit. Diese Themen paare ich mit meinen Akzenten. Dazu gehören ebenfalls die Digitalisierung und die effiziente Datenerfassung. Außerdem geht es mir darum, wieder Attraktivität in die gewerkschaftlichen Spitzenpositionen sowie die Gremienarbeit zu bringen. Es geht darum, die Gewerkschaft der Polizei wieder praktisch, knackig und realistisch zu formen. Ich bin mir sicher, dass mir das gelingen wird. Behörden Spiegel: Sie sind der jüngste Bundesvorsitzende in der GdP-Geschichte. Was bedeutet das für Sie und für die Gewerkschaft?

Kopelke: Nicht nur der Geschäftsführende Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei hat sich verändert und ist verjüngt. Auch viele Landesbezirke haben neue, jüngere Vorsitzende gewählt. Ich bin also nur ein Teil des Generationenwechsels. Im Bundesvorstand haben wir den Lebensalters- und den Erfahrungsschnitt so angepasst, dass wir modern aufgestellt sind, ohne an Erfahrung und Wissen einzubüßen. Behörden Spiegel: Werden Sie die interne Kommunikation der Gewerkschaft verändern? Kopelke: Kommunikation ist heute viel schneller und digitaler als früher. Außerdem läuft sie auch auf der persönlichen Ebene anders. Hier gibt es also zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Aber natürlich ist Gremienarbeit sehr wichtig, auch

Mehr Attraktivität schaffen GdP-Bundesvorsitzender Kopelke über seine Ziele (BS) Mit gerade einmal 38 Jahren ist er der jüngste Bundesvorsitzende in der Geschichte der Gewerkschaft der Polizei. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht Jochen Kopelke über seine wichtigsten Ziele – sowohl innerhalb der Gewerkschaft als auch im politischen Raum. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann. im Sinne der innergewerkschaftlichen Demokratie. Ich bin sehr gremientreu und halte viel von unseren innergewerkschaftlichen Entscheidungsprozessen. Das bringt starke Positionen zutage.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten Finnland hat hier schon fast traditionsgemäß einen zeitlichen Vorsprung: Notwendige Gesetzesänderungen wurden verabschiedet, die Verträge mit den skandinavischen Betreibern sind abgeschlossen und der Aufbau des breitbandigen BOS-Netzes ist in vollem Gange. Das kleine Belgien verfügt bereits seit einigen Jahren über breitbandige Dienste für ausgewählte BOS. Seit Dezember letzten Jahres bestimmt nun ein königliches Dekret, dass die drei kommerziellen Betreiber den BOS Sonderrechte und nationales Roaming einräumen müssen. Auf dieser Basis will das belgische Astrid

die Debattenkultur verbessert werden. Die Ausrüstung muss modernisiert werden und viel mehr professionelles Training im Berufsalltag muss möglich sein. Behörden Spiegel: Droht ein “heißer Herbst”?

Behörden Spiegel: Dem neuen Geschäftsführenden Bundesvorstand gehören nicht mehr so viele Landesvorsitzende an wie früher. Welche Folgen hat das? Kopelke: Das verstehe ich als Chance und nicht als Herausforderung für uns. Im neuen Geschäftsführenden Bundesvorstand setzen wir auf Fähigkeiten und Qualitäten, die der einzelne Mensch einbringen kann. Damit orientieren wir uns mehr an den Menschen und ihren Fähigkeiten und weniger an der Länge des Verbleibs in gewerkschaftlichen Führungspositionen. Behörden Spiegel: Was bringt das? Kopelke: Der neue Geschäftsführende Bundesvorstand ist weiblicher und jünger geworden. Außerdem verfügen seine Mitglieder wieder mehr über sehr vielfältige Kompetenzen, u. a. im IT-Bereich oder dem echten Polizeidienst. Wir haben hier eine sehr gute Mischung gefunden, die uns gut zu Gesicht steht und unseren Positionen Authentizität verleiht. Behörden Spiegel: Was braucht es, damit die Polizei im Digitalisierungsprozess Schritt halten kann? Kopelke: Die Gewerkschaft muss sich dieses Themas verstärkt annehmen. Hier setze ich große Hoffnungen in die Fähigkeiten der Mitglieder des neuen Geschäftsführenden Bundesvor-

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke (l.), stellte sich den Fragen von Behörden Spiegel-Chefredakteur und -Herausgeber Uwe Proll. Screenshot: BS/Hilbricht

“Es geht darum, die Gewerkschaft der Polizei wieder praktisch, knackig und realistisch zu formen.” standes, um detaillierter Einfluss nehmen zu können. Denn es gilt viele Fragen zu beantworten. Dazu zählen etwa jene nach den Einflüssen der stärkeren Technisierung und Digitalisierung auf die Mitarbeitenden sowie auf die Organisation Polizei. Außerdem stellt sich die Frage nach den Potenzialen von Big Data und dem Zusammenschluss verschiedener Datenbanken für die Polizeibehörden. Einschlägige Projekte wie P20 sind gut, müssen aber an Geschwindigkeit gewinnen. Unsere Personalräte müssen an Projekten beteiligt sein und die Gewerkschaft der Polizei muss in den richtigen Momenten ansprechbar für den Ist-Stand und die Zukunftsvisionen sein. Behörden Spiegel: Die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten nimmt immer weiter zu. Was ist dagegen zu tun? Kopelke: Die Dimension dieses

Problems ist schockierend. Das zeigt das entsprechende Lagebild des Bundeskriminalamtes eindrücklich jedes Jahr aufs Neue. Inzwischen gibt es auch massive Übergriffe auf andere Berufsgruppen, wie etwa Mitarbeitende der Ordnungsdienste oder Busfahrerinnen und Busfahrer. Die Gesellschaft ist offenbar immer weniger in der Lage, zu diskutieren und zu argumentieren. Inzwischen fliegen viel schneller die Fäuste. Das muss sich wieder ändern. Behörden Spiegel: Was muss unternommen werden? Kopelke: Hier braucht es aus unserer Sicht u. a. den verstärkten Einsatz von Bodycams, auch im Kontext häuslicher Gewalt. Denn in solchen Fällen ist der Einsatz der Geräte bislang oftmals noch nicht statthaft. Hier müssen rechtliche Hürden abgebaut werden. Außerdem muss

Kopelke: Die Corona-Pandemie hat zu einer gesellschaftlichen Spaltung und einer stärkeren Konfrontation beigetragen. Inzwischen werden Versammlungen immer kurzfristiger angemeldet. Außerdem sind die Anmeldenden oftmals nicht mehr so kooperativ wie früher. Wenn es nicht mehr gelingt, Kooperationsgespräche zwischen Versammlungsleitung und Polizei zu führen, ist die Gefahr hoch, dass Versammlungslagen und damit dann auch polizeiliche Einsätze eskalieren. Denn wir stellen auch fest, dass das Gewaltpotenzial zunimmt. Hier ist die Bundesregierung gefordert, den möglicherweise “heißen Herbst” bereits im Vorfeld abzukühlen. Ängste der Bevölkerung müssen durch klare soziale Politik genommen werden. Behörden Spiegel: Sind die Polizeien ausreichend auf eventuelle Mangellagen vorbereitet, etwa in Bezug auf die Versorgung mit Treibstoff oder Gas? Kopelke: Nein, die Polizeien sind hier nicht ausreichend vorbereitet. Wir brauchen unbedingt wieder eigene Lager der Polizei, z. B. für Kraftstoff. Es müssen wieder Vorräte aufgebaut und Planungen auf weitere Sicht betrieben werden. Denn anderenfalls kann nur sehr schwer oder gar nicht auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagiert werden. Outsourcing-Prozesse müssen zurückgenommen wer-

BOS weltweit

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ie europäischen BOS-NetzBetreiber treffen sich regelmäßig, um über den Stand ihrer Projekte zu berichten und Erfahrungen auszutauschen. Eine davon ist, dass es der überwiegenden Mehrheit nicht gelungen ist, von ihren Regulierungsbehörden ausreichende und brauchbare Frequenzen für die geplanten Dienste zu erhalten. So versucht man durchgehend, sich über komplexe und langjährige Verträge mit den nationalen Betreibern die gewünschten Dienste einzukaufen. Einig sind sich die BOS, dass sie dabei auf keinerlei Funktionalitäten aus der TETRAbeziehungsweise Tetrapol-Welt verzichten wollen. Gemeinsam ist den Europäern auch das Bestreben, zumindest ein eigenes dezidiertes Kernnetz für das Management von (Vor-)Rechten und Teilnehmern zu etablieren.

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den. Außerdem braucht es mehr mobile Lösungen, etwa mit Blick auf Polizeiwachen oder Satellitenstationen. Wir brauchen mehr gebündelte Krisenkompetenzen der verschiedenen BOS-Sparten und mehr Training und Vollübungen im Alltag. Behörden Spiegel: Sie fordern die freie Heilfürsorge für Polizistinnen und Polizisten bundesweit. Wie soll das gelingen und was soll das bringen? Kopelke: Die freie Heilfürsorge ist für Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeiberuf von entscheidender Bedeutung. Denn sie bedeutet auch einen monetären Vorteil, da sich die Beamtinnen und Beamten bei der freien Heilfürsorge nicht selbst versichern müssen. Zudem ist die freie Heilfürsorge Ausdruck der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die zu den althergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt. Polizistinnen und Polizisten haben Anspruch auf den höchsten medizinischen Standard und gute psychologische Hilfe. Diesen Standard für Polizeibeschäftigte wollen wir wieder überall sehen und spüren. Behörden Spiegel: Sie wollen wieder mehr Bundeseinheitlichkeit im Polizeibereich. Wie soll das gelingen? Denn Polizei ist nun einmal Ländersache. Kopelke: Es braucht bei der Besoldung, im Zulagenwesen und bei den Einstiegsvoraussetzungen mehr Bundeseinheitlichkeit. Gleiches gilt für die rechtlichen Grundlagen, etwa im Versammlungsrecht. Denn ansonsten werden Verbundeinsätze immer weiter erschwert. Außerdem besteht dann die große Gefahr, dass die Polizeien sich Bewerberinnen und Bewerber gegenseitig abwerben und wegnehmen. Das komplette Interview findet sich hier.

Bereich nutzen können. Mit dem wachsenden Ausbau von 5G wird AT&T auch dieses Spektrum FirstNet zur Verfügung stellen.

Viele Wege führen ins Breitband

(BS/Dr. Barbara Held) International erwarten die Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zeitgemäße Kommunikationsmittel zur Unterstützung ihrer Arbeit. Die zuständigen Betreiber der nationalen BOS-Digitalfunknetze streben allesamt die flä- BOS-Funk zwischen “Grassroot” und Investmentkapital chendeckende Implementierung von Breitbanddiensten an. Wege und Geschwindigkeit unterscheiden sich allerdings erheblich. bis 2026 mit einem landesweiten BOS-Breitbandnetz in den Wirkbetrieb gehen. Frankreich hat eine entsprechende Ausschreibung erfolgreich abgeschlossen und Mitte Oktober den Projektstart für sein hybrides Radionetz der Zukunft (“Reseau Radio du Futur”) verkündet, das dezidierte Teile mit den Diensten kommerzieller Betreiber kombinieren wird. Rund 700 Millionen Euro sind für das Netz vorgesehen, das rund 400.000 Einsatzkräften dienen soll. Andere Länder, wie zum Beispiel Spanien und Deutschland, sind noch in der Konzeptions- und Planungsphase. Dass die Einführung spezieller landesweiter Breitband-Dienste für BOS selbst bei Nutzung kommerzieller Betreiber eine organisatorische, technische und auch finanzielle Herausforderung bleibt, führt ausgerechnet das Vereinigte Königreich vor, das mit seinem Emergency Services Network (ESN) eigentlich vor allen anderen Ländern schon 2016 in den Wirkbetrieb gehen wollte. Das Vorhaben verstrickte sich in der Komplexität der Migration. Das Projekt ist bis heute nicht abgeschlossen und der Airwave-Vertrag für das alte TETRA-Sprechfunknetz wurde bereits mehrfach verlängert. Es war ein Verdienst der diesjährigen Critical Com-

munications World (CCWorld) in Wien, neben den Europäern auch BOS-Netzbetreibern aus anderen Weltgegenden eine Bühne zu geben. Aus Südkorea war Dongchan Kim angereist, Vizepräsident und technischer Direktor des dortigen BOS-Funkbetreibers SafeNet. Dabei handelt es sich um ein landesweit einheitliches Netz für alle BOS, das unterschiedliche Kommunikations- und Notrufkanäle und Dienste integriert. Wie so oft gab auch hier eine Katastrophe den Anstoß für Finanzierung und Aufbau der Infrastruktur: 2014 sank die überladene Fähre Sewol vor der Küste. Über 300 Menschen, darunter viele Jugendliche, starben. Besatzung und Kommunikationsmittel hatten versagt. Das gab den Ausschlag für die Entscheidung, im Ministerium für Inneres und Sicherheit SafeNet als “Katastrophen- und Sicherheitskommunikationsnetz” zu etablieren. Das SafeNet Forum, eine Stiftung, in der sowohl Behörden als auch Wissenschaft und Industrie organisiert sind, fungiert demgegenüber als “Stakeholder”-Vertretung, die Anforderungen und Standards vorgibt. Nach drei Jahren Pilotphase ging das koreanische SafeNet 2018 mit noch eingeschränkten BOS-Funktionen auf LTE-Basis

in einigen Regionen in Betrieb. Seitdem wird es ständig ausgebaut, Infrastruktur und Dienstleistungen werden auf Basis von 3GGP-Standards weiterentwickelt, auch Richtung 5G. Derzeit bedient es rund 180.000 Terminals in 339 Behörden und Organisationen. Eine Erweiterung auf 240.000 Nutzerinnen und Nutzer ist vorgesehen. Dabei bieten die endlos lange Küste und die vielen Inseln etliche topologische Herausforderungen, die u. a. schiffsbasierte Basisstationen erforderlich machen. Hier wird eMBMS beziehungsweise LTE Broadcast erfolgreich eingesetzt.

Public Privat Partnership in den USA Das Erfolgsmodell des amerikanischen BOS-Breitbandfunks erklärte die kommissarische Direktorin der FirstNet-Behörde Lisa Casias. Anders als die meisten vergleichbaren Projekte weltweit verfügt FirstNet über zwei Mal zehn MHz dedizierte Frequenzen im 700-MHz-Bereich. Unter dem Eindruck der Attentate von 9/11 hatte der Kongress der Etablierung der FirstNet-Behörde im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums zugestimmt und diese mit landesweitem Spektrum sowie einer Anschubfinanzierung von sieben Milliarden Dollar ausgestattet.

2017 schloss die FirstNet-Behörde einen Partnerschaftsvertrag über 25 Jahre Laufzeit mit dem nationalen Betreiber AT&T. Der Konzern erhielt Geld und die Frequenzen. Im Gegenzug verpflichtete er sich, die FirstNet-Infrastruktur inklusive eines eigenen Kernnetzes sowie des Teilnehmer- und Endgerätemanagements aufzubauen, zu betreiben und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus muss er jährlich Millionensummen aus seinen Gewinnen an FirstNet abführen. Die Behörde ihrerseits koordiniert die Zusammenarbeit mit den Bundesstaaten und der Regierung in Washington. Sie organisiert das Anforderungsmanagement mit den BOS und steuert die strategische Ausrichtung von FirstNet inklusive Finanzierung. Fünf Jahre nach Vertragszeichnung hat AT&T alle 50 Bundesstaaten an FirstNet angebunden. 95 Prozent der vertraglich zugesicherten Abdeckung sind erreicht. Mehr als 25.000 BOS gehören landesweit zu den Abonnenten. Den BOS stehen eine reichhaltige Auswahl an Endgeräten, Accessoires und zunehmend mehr Apps zur Verfügung. Darüber hinaus profitieren die FirstNet-Kunden davon, dass sie zusätzlich zu ihrem dedizierten Spektrum auch die nationalen AT&T-Frequenzen im 700-MHz-

Kein Zufall war es, dass Kanada einen Berater auf das Podium schickte: Philip Crnko von der Firma Black Castle Networks berät den Halton Regional Police Service, das heißt die Polizei einer prosperierenden Gemeinde im Bundesstaat Ontario. Die kanadische Topologie zwischen dichtbevölkerten Metropolen, entlegenen Ortschaften und riesigen unbewohnten Territorien führt schon normal zu extrem hohen Telefonkosten. Erst recht teuer wird ein resilientes BOS-Netz. Erschwerend kommt hinzu, dass es in Kanada keine kommerziellen Betreiber von landesweiten Netzen gibt, sondern eher ein “Patchwork” von Netzen. Zusammen mit der benachbarten Gemeinde Peel habe Halton die Public Safety Broadband Network Innovation Alliance (PIA) als eine Art “Grassroots”-Bewegung gegründet, berichtet Crnko. Nach drei Aufbaujahren betreibt PIA mit 25 Basis-Stationen das erste BOS-Breitbandnetz Kanadas, das ein Gebiet mit rund 2,5 Millionen Einwohnern abdeckt: “Ein Riesenerfolg!” Zu der rasant wachsenden Zahl der Mitglieder gehören nicht nur BOS und Verwaltungsinstitutionen, sondern auch Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS). Hinzu kommen als “beratende Mitglieder” kommerzielle Netz-Betreiber, Industrie und Dienstleister.


Innere Sicherheit

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enn die Polizeien seien hier mit immer komplexeren und arbeitsintensiveren Sachverhalten konfrontiert, berichtete Florian Westrich, stellvertretender Abteilungsleiter für phänomenübergreifende Analyse im Landeskriminalamt (LKA) RheinlandPfalz. So gebe es Fälle, in denen bei einer Serverüberwachung fast zwei Millionen E-Mails gesichert worden seien. Außerdem hätten Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) stattgefunden, bei denen bis zu 120.000 Kommunikationsverbindungen hätten ausgewertet werden müssen. Und beim Ausheben eines Darknet-Rechenzentrums habe man zwei Millionen Gigabyte an Datenmengen festgestellt. Das sei händisch nicht mehr zu bewältigen. Hier brauche es technische Unterstützung, auch durch Künstliche Intelligenz (KI), so Westrich auf dem Digitalen Polizeitag des Behörden Spiegel. Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass im Digitalen den Polizeibehörden deutlicher weniger Straftaten überhaupt bekannt würden als im analogen Raum. Im Digitalen blieben pro angezeigtem Fall 135 andere unentdeckt. Im Realen betrage dieses Verhältnis nur eins zu 15. Auch sei die Aufklärungsquote im digitalen Raum deutlich niedriger (30 Prozent, während es im realen Leben 60 Prozent seien).

Gewaltmonopol stärker durchsetzen Über diese Probleme könne auch die positive Entwicklung der Fallzahlen in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) nicht hinwegtäuschen. Denn es gebe kein höheres Hellfeld bei Straftaten. Ganz im Gegenteil: Es sei davon auszugehen, dass sich Delikte hier vermehrt in das Dunkelfeld verschöben. Um das künftig zu verhindern, müssten die Polizeien agiler und schneller werden. Zudem bräuchten sie dringend das Instrument der Vorratsdatenspeicherung. Der derzeit diskutierte Ansatz des “Quick Freeze” reiche nicht aus,

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ehörden Spiegel: Herr Schöppl, in der Schweiz gehören mehr als 80 Prozent der Kantons- und Stadtpolizeien zu Ihren Kunden. Was bieten Sie ihnen an?

Albert Schöppl: In der Schweiz liefern wir Vorgangs- und Fallbearbeitungssysteme sowie Einsatzleitsysteme für Polizeien und für das Militär an. Die Basis ist unsere Lösung myABI sowie unser Einsatzleitsystem PELIX© zum Beispiel bei der Polizei Basel-Land, der Stadtpolizei Luzern und der Kantonspolizei Graubünden. Teilweise werden unsere Lösungen in der Schweiz auch von Feuerwehren und Rettungsdiensten genutzt. Außerdem unterstützen wir unsere dortigen Kunden durch Beratung in der Frage, wie sie ihre Prozesse durch Digitalisierung und Prozessoptimierung verbessern können. Hier pflegen wir mit den Organisationen schon seit Jahren eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Behörden Spiegel: In Deutschland haben Sie kürzlich den Zuschlag für das Einsatzleitsystem der Polizei Sachsen erhalten. Was haben Sie hier im Angebot? Schöppl: In Sachsen haben wir den Zuschlag für ein Workflowbasiertes Einsatzleitsystem erhalten, das stark auf logistischen Prinzipien aufbaut. PELIX© wird dabei erweitert um Komponenten aus unserer Lösung für Vorgangs- und Fallbearbeitung myABI sowie aus mLogistics®, unserer Fieldservice-Management-Lösung für die Industrie.

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Digitalisierung hat auch Schattenseiten Probleme mit der der polizeilichen Strafverfolgung im digitalen Raum (BS/Marco Feldmann) Kriminalität verlagert sich zunehmend ins Digitale. Das gilt ganz besonders für Wirtschaftsstraftaten, die zunehmend internationalisiert begangen werden. Dieser Prozess wird durch die fortschreitende Digitalisierung verstärkt und erschwert die Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung.

am Platze. Viel wichtiger sei es, dass die angebotenen Lösungen und Anwendungen von den Beamtinnen und Beamten vor Ort akzeptiert und als einsatzfähig angesehen würden. Hilfreich und sinnvoll wäre des Weiteren ein eigenes BOS-Breitbandnetz mit einem ausreichenden Frequenzspektrum, so Akmann, der außerdem Aufenthaltsverbote für Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten ankündigte.

Kommunikation von entscheidender Bedeutung

Florian Westrich, stellvertretender Abteilungsleiter im Mainzer Landeskriminalamt (LKA), sieht erhebliche Probleme bei der polizeilichen Kriminalitätsbekämpfung im digitalen Raum.

betonte Westrich. Auch Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyber-Kriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, sieht Schwierigkeiten im Digitalen für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Dieser Bereich werde noch zu sehr als ausschließlicher Einsatz- und Ermittlungsraum der Kriminalpolizei und nicht der Schutzpolizei angesehen. Zudem werde dort das staatliche Gewaltmonopol derzeit kaum zur Anwendung gebracht. Das zeige sich an den wenigen Anzeigen, die dort oder aufgrund dort begangener Straftaten erstattet würden. Diese Zurückhaltung berge die Gefahr, dass der digitale Raum zugleich als rechtsfreie Zone betrachtet werde, warnte der Wissenschaftler. Hinzu komme, so Rüdiger, dass die Polizeien – anders als in den Niederlanden – selbst kaum im digitalen Raum präsent seien. Hier sei eindeutig eine eingeschränkte Kommunikations- und Ansprechbarkeit festzustellen. Zudem seien die vorhandenen Angebote kaum kind- und ju-

Manuel Höferlin, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, lobte den derzeit diskutierten Ansatz des “Quick Freeze”.

gendgerecht aufgebaut. Dies sei aber sehr wichtig. Denn Kriminalprävention sei auch durch eine starke polizeiliche Präsenz im Netz zu erreichen, meint der Forscher.

Datenschutz muss gewahrt werden Dabei müsse allerdings der Datenschutz beachtet und eingehalten werden, verlangte Dr. Vyacheslav Bortnikov vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Er unterstrich, dass der Datenschutz die polizeiliche Digitalisierung keineswegs aufhalten wolle. Eine nachhaltige Digitalisierung sei aber nur im Einklang mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen möglich. Wichtig seien in diesem Zusammenhang die frühzeitige Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben sowie die Einbeziehung der Datenschutzaufsichtsbehörden. Des Weiteren brauche es grundsätzlich hinreichend bestimmte und klare Rechtsgrundlagen. Und: Die Datenschutzgrundsätze, zu denen u. a. jene der

Sieht Digitalisierung als “Treiber von Innovation”: Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann.

Zweckbindung sowie der Datenminimierung zählten, müssten eingehalten werden. Aus diesem Grunde sei KI-Einsatz durch Polizeien zwar nicht unmöglich, aber datenschutzrechtlich immer genauestens zu prüfen. Hier verwies Bortnikov auf eine noch in diesem Jahr anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe zu einem Datenabgleichsparagrafen (Paragraf 25) im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). Das Verfahren könnte — je nach Ausgang — massive Auswirkungen auf die polizeiliche Praxis haben.

Bund sollte teilweise übernehmen Welche Folgen der aktuell diskutierte Ansatz des “Quick Freeze” anstelle der Vorratsdatenspeicherung haben wird, bleibt abzuwarten. Diese Idee bringe aber mehr als der Status quo und die Vorratsdatenspeicherung, die schon mehrfach gescheitert sei, findet der Innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin. Westrich

Screenshots: BS/Feldmann

sieht das anders. Die geplante Speicherfrist von vier Wochen reiche nicht aus, da Delikte im digitalen Raum später bekannt würden als in der realen Welt. Höferlin ist außerdem der Meinung, dass Cyber Crime-Fälle ab einem bestimmten Schweregrad – etwa bei Angriffen auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS) – auf Bundesebene bearbeitet und verfolgt werden sollten. Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum in seiner jetzigen Form hält der Abgeordnete zudem für unzureichend. Denn aus seiner Sicht müsse die Digitalisierung der Polizei ihr mehr Handlungsfähigkeit und Effizienz bringen. Ähnlich äußerte sich der Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport, Torsten Akmann. Er unterstrich: “Digitalisierung ist der Treiber von Innovation.” Zugleich eröffne sie aber auch neue Kriminalitätsformen, auf deren Bekämpfung sich die BOS einstellen müssten. Bewältigt werden könne die fortschreitende polizeiliche Digitalisierung nur gemeinsam. Einzelund Länderegoismen seien fehl

Komplett webfähig BOS-Lösungen eines Schweizer Marktführers auch in Deutschland

Der Forderung nach einem eigenen BOS-Breitbandnetz schloss sich der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, an. Schließlich sei “Kommunikation das A und O für die Polizei”. Deshalb brauche es zudem einen bundesweit einheitlichen polizeilichen Messenger. Aus seiner Sicht muss künftige Informations- und Kommunikationstechnik der Polizeibehörden einfach und benutzerfreundlich gestaltet sein. Wichtig seien auch Medienbruchfreiheit sowie eine ständige Anpassung der Technik an die technologische Entwicklung. All dies sei momentan nicht oder kaum gegeben. In Zukunft muss laut Kopelke gelten: “Der Mensch gehört in den Mittelpunkt der Digitalisierung bei der Polizei.” Dazu müssten Nutzerinnen und Nutzer deutlich mehr eingebunden werden. Des Weiteren brauche es dringend gemeinsame Standards und effektive mobile Lösungen – sowohl hinsichtlich der Hard- als auch der Software. KI könne die Arbeit der Beamtinnen und Beamten nur ergänzen, keinesfalls ersetzen, meint Kopelke. Und der Gewerkschaftschef hat noch zwei Anliegen: Zum einen müssten die BOS unbedingt selbst die Hoheit über ihre Daten besitzen. Zum anderen sollten die datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Deutschland harmonisiert werden. Denn unterschiedliche rechtliche Regelungen würden die polizeiliche Arbeit in diesem Bereich behindern.

Behörden Spiegel: Was ist denn das Besondere an den Lösungen und Angeboten Ihrer Firma LogObject?

(BS) Anwendungen des Unternehmens LogObject sind inzwischen nicht mehr nur in der Schweiz im Einsatz. Auch deutsche Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) nutzen sie demnächst. Darüber sprach Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann mit Albert Schöppl, Schöppl: Unsere Lösungen sind nicht nur technologisch innovativ Vertriebsleiter und Management-Berater bei der LogObject-Gruppe.

“Alle unsere Lösungen basieren auf einer einheitlichen technologischen Plattform.“ Albert Schöppl ist Vertriebsleiter und Management-Berater bei der LogObject-Gruppe. Foto: BS/LogObject AG

Besonders diese wird durch die Kundenanforderungen mit hohem Tempo ständig innovativ weiterentwickelt. Hiervon kommt nun ein interessanter Teil an Funktionen der Polizei zugute. Das geht deshalb, weil alle unsere Lösungen auf einer einheitlichen Technologie aufsetzen und die meisten Bausteine beliebig kombinierbar sind. Behörden Spiegel: Was ist das Besondere in Sachsen? Schöppl: In Sachsen geht es insbesondere um die intelligente Kombination aktiver und reaktiver Aktivitäten, eine Integration ins Geoinformationssystem von ESRI, das in Sachsen Standard ist, sowie um eine ganze Reihe funktionaler Erweiterungen, um die hohen Ansprüche der Landespolizei zu erfüllen.

Behörden Spiegel: Die Lösung im Freistaat gilt als komplett webfähig. Was bedeutet das?

Behörden Spiegel: Und wie steht es um eine mobile Anwendung?

Schöppl: Die Lösung ist komplett webfähig und arbeitet auf Basis von HTML5. Das heißt, dass die Anwendenden nur einen der Standard-Browser benötigen, um auf 100 Prozent der Funktionen zuzugreifen. Es ist also keinerlei Client-Installation notwendig. Das macht das Ausrollen der Lösung, aber auch die Sicherheitsaspekte entsprechend einfach. Gleichzeitig können wir damit auch die Standard-Funktionen, die die Browser bereits mitbringen, den Userinnen und Usern zukommen lassen. Als Beispiel ist hier die FensterAufteilung zu nennen, die die neue Version von Google Chrome bietet. Das ist auch mit Blick auf die Usability sehr hilfreich.

Schöppl: Unsere mobile Anwendung ist eine native App, die auf beliebigen Geräten und Betriebssystemen läuft. Damit können wir Daten zwischenspeichern beziehungsweise cachen und so eine Offline-Fähigkeit unterstützen. Das geht einfach technisch mit HTML5 derzeit noch nicht, da man damit noch nicht zwischenspeichern kann. Behörden Spiegel: Ihre Lösungen gelten als sehr stark modularisiert und flexibel. Welche Vorteile hat das für Ihre Kundinnen und Kunden? Schöppl: Alle unsere Lösungen basieren auf einer einheitlichen technologischen Plattform. Sie

wurden von jeher stark modularisiert entwickelt. So können einzelne Teile der Produkte mit relativ geringem Aufwand untereinander getauscht werden. Das bietet unseren Kundinnen und Kunden extrem gute Gestaltungsmöglichkeiten. Seit einigen Jahren gehen wir zusätzlich in Richtung Micro Services-Entwicklung und Containerisierung, was in der Industrie zunehmend Standard wird. Damit werden die Lösungen noch flexibler. Behörden Spiegel: Was ist noch speziell?

Schöppl: Des Weiteren können im Customization-Layer des Produktes durch den Kunden selbstständig viele Anpassungen einfach und ohne Codierung vorgenommen sowie Workflows und Formulare flexibel angepasst werden. Wir trainieren während der Implementierungsphase Administratoren der Kundinnen und Kunden darin, wo und wie solche Anpassungen möglich sind. So können die Anwendenden sehr viel Dynamik in die Anwendungen bringen. Trotzdem bleibt die Software-Releasefähigkeit erhalten und kann als Standardprodukt weiter gepflegt werden. Wir bieten also unseren Kundinnen und Kunden viele Individualisierungsmöglichkeiten.

und gehen immer mit der Zeit, sondern sind auch besonders performant und sehr robust, also ausfallsicher. Die meisten unserer Anwendenden hatten seit vielen Jahren keinen ungeplanten Produktionsstopp. Die Kundinnen und Kunden schätzen unsere zusätzliche Beratung bei Digitalisierung und Prozess-Optimierung und unsere agile Implementierungsmethode. Die ermöglichen letztlich nicht nur eine besser maßgeschneiderte Lösung, sondern meist auch einen schnelleren Produktionsstart. B e h ö r d e n S p i e g e l : Herr Schöppl, welche Rolle spielen eigentlich Geoinformationssysteme (GIS) bei den Lösungen von LogObject? Schöppl: Sie spielen eine große Rolle. Zum einen haben wir eine eigene GIS-Lösung in unseren Produkten, die auf Open Source basiert beziehungsweise auf Geodaten von Teleatlas. Diese erlauben sehr performantes Routing, Wegezeitberechnungen usw. Aufgrund der erweiterten Ansprüche unserer BOS-Kunden an die GISSysteme haben wir bereits seit geraumer Zeit eine Integration von ESRI-Technologie in unsere Lösungen vorgenommen. Damit können die Kunden den vollen ESRI-Funktionsumfang auch in unseren Lösungen nutzen.


Katastrophenschutz

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ehörden Spiegel: Was sind die Herausforderungen, denen sich das Amt in nächster Zeit aufgrund der aktuellen Lage gegenübersieht?

Ralph Tiesler: Wir befinden uns seit über zwei Jahren in einem ständigen Krisenmodus, in sogenannten Mehrfachlagen, das heißt verschiedene Krisen finden zeitgleich statt. Wir erleben parallel die Corona-Pandemie, eine zunehmende Flüchtlingssituation und jetzt den Ukraine-Krieg. Besonders im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine haben Themen wie Stromausfälle und Fragen der Sicherheit in der Energieversorgung einen neuen Stellenwert im öffentlichen Diskurs erhalten. Daraus ergeben sich mehrere Herausforderungen. Zum einem rückt insbesondere für uns als BBK die Bevölkerungsinformation in den Fokus. Fragen dabei sind: Wie können wir den Menschen dabei helfen, gut und sicher durch den nächsten Winter zu kommen? Es adressiert aber auch Themen der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Die Ereignisse im Ahrtal im letzten Jahr haben uns noch mal sehr deutlich gemacht, dass die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des Bevölkerungsschutzes verbesserungswürdig ist. Für mich persönlich ist es wichtig, dass wir uns in diesem Zusammenhang noch stärker und vor allem ganzheitlich betrachtet mit Themen wie dem Schutz von Kritischen Infrastrukturen und Resilienz gemeinsam mit Bund und Ländern auseinandersetzen. Behörden Spiegel: Der Haushaltsentwurf des Bundes für 2023 sieht massive Kürzungen im Bevölkerungsschutz vor. Auch Ihr Amt soll substanziell sparen. Wird es so kommen? Tiesler: Dies ist der erste Regierungsentwurf gewesen. Der ist in der Tat nicht ausreichend für das, was die Ministerin im Neustartprogramm vorgestellt hat. Für uns bedeutet das: Wir müssen

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ei der Berliner Feuerwehr, die zumindest durch den zeitweiligen Stromausfall im Stadtteil Köpenick 2019 schon praktische Erfahrung sammeln konnte, gibt man sich gelassen. “Blackouts und ihre Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der Berliner Feuerwehr sind bereits seit vielen Jahren Bestandteil strategischer und struktureller Überlegungen bzw. Planungen”, heißt es auf Anfrage. Ereignisse wie Blackouts würden regelmäßig geübt, dabei würden Maßnahmen geprüft und weiterentwickelt. Grundsätzlich würden die Resilienz und die Krisenstabilität der Berliner Feuerwehr fortwährend gestärkt. So wurden weitere Stromaggregate und Kraftstoffreserven als Vorbereitung beschafft. Die Kraftstoffreserve sei für den Betrieb der Notstromgeneratoren und zur Notstromversorgung der Standorte vorgesehen. Zudem wurden interne Handlungsanweisungen erstellt und technische Ertüchtigungen vorgenommen, die das Arbeiten intern und vor allem mit externen Partnern ermöglichen. Im Falle eines Blackouts werde weiterhin der Sicherstellungsauftrag erfüllt, zeigt sich die Berliner Feuerwehr überzeugt. “Die hier getroffenen Vorsorgemaßnahmen sind darauf ausgelegt, die Berliner Feuerwehr längstmöglich leistungsfähig zu halten. Natürlich ist auch die Versorgung mit Kraftstoff ein relevanter Faktor, aber auch hierzu wurden Maßnahmen getroffen, um diese zu gewährleisten”, heißt es einschränkend.

Aus der Lage herraus handeln In der Landeshauptstadt Bay-

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Keine großflächigen Stromausfälle erwartet BBK-Präsident Tiesler über Resilienz und Blackout (BS) Wie sollen sich Bürgerinnen und Bürger auf einen Stromausfall vorbereiten? Das erklärt Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), im Interview. Zudem erklärt er, wie er sich die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern im Katastrophenschutz vorstellt. Die Fragen stellten Uwe Proll und Bennet Biskup-Klawon.

“Wir müssen die Menschen im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft ernst nehmen.” Ralph Tiesler ist seit Juni dieses Jahres Präsident des BBK. Foto: BS/Rotthaus

in den Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr nachlegen. Wir sind zwar mit mehr Personal bedacht worden, und das ist ein erster guter Schritt in die richtige Richtung. Aber wir brauchen auch ausreichend finanzielle Mittel für weitere Warnmittel, für eine bessere Ausstattung und für eine bessere Kommunikation mit der Bevölkerung und zwischen den Akteuren. Es wird deswegen sehr wichtig sein, mit dem Parlament ins Gespräch zu kommen, um beim endgültigen Regierungsentwurf für das nächste Haushaltsjahr noch mal nachzulegen. Behörden Spiegel: Katastrophenschutz ist nach dem Grundgesetz Ländersache. Dennoch wird immer wieder Unterstützung seitens des Bundes gefordert. Wie kann man die Länder dazu bewegen, mehr Geld für den Katastrophenschutz bereitzustellen?

Tiesler: Es gibt einen Vorschlag der Länder: ein Zehn-Milliarden-Programm in zehn Jahren. Dieses Programm ist durchaus fachlich zwischen Bund und Ländern akzeptiert. Die Ministerin hat gesagt, dass sie sich vorstellen kann, dass der Bund einen großen Teil dieser Kosten tragen könnt. Die genaue Teilung zwischen Bund und Ländern ist jetzt Gegenstand der Verhandlungen. Ich bin mir sicher, wenn der Bund jetzt hier etwas vorlegt, dass die Länder dann nachziehen werden. Denn es kann nicht sein, dass hier nur der Bund aufgefordert ist. Denn Bevölkerungsschutz ist quasi eine Gemeinschaftsaufgabe, die von Bund und Ländern gemeinsamen getragen werden muss. Behörden Spiegel: Einige Länder haben Landeskatastrophenschutzämter auf den Weg gebracht. Wie könnte dann eine

Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern und dem BBK aussehen? Was bedeutet das für eine eventuelle Zentralstellenfunktion? Tiesler: Es ist eine gute Entwicklung, dass es einzelne Bundesländer gibt, die Landesämter schaffen wollen. Wir als BBK brauchen ein Pendant, mit dem wir unmittelbar reden können, wenn wir denn am Ende eine Zentralstellenfunktion ausfüllen sollen. Aber auch ohne Gesetzesänderung haben wir Formate und Angebote geschaffen und tun das weiterhin, die diesem Begriff der Zentralstelle durchaus gerecht werden, wie das GMLZ oder die EU-Kompetenzstelle, die gerade bei uns gebildet werden soll. Es bleibt aber die Frage, ob es dafür einer Verfassungsänderung bedarf, um dem Bund hier – und damit dem BBK –

eine gesetzliche Zentralstellenkompetenz zu geben. Da bin ich der Auffassung, dass wir insbesondere jetzt keine Föderalismusdiskussion gebrauchen können, sondern auf der Basis der Freiwilligkeit, wie beim Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB), weiterarbeiten sollten. Das sind gute Beispiele dafür, wie wir die Zentralstellenrolle in Zukunft verstehen und ausbauen wollen. Behörden Spiegel: Wo liegen die größten Probleme bei der Resilienz in Deutschland? Tiesler: Für mich stehen die Menschen in unserer Gesellschaft an erster Stelle. Wir müssen mit der Bevölkerung, also mit jeder und jedem Einzelnen, eine andere, eine dialogorientiertere Kommunikation finden. Sie sind ganz wichtige Akteure in der Bewältigung von Krisen. Dazu zählt vor allem, dass die Menschen sich nicht mehr ohnmächtig in einer Krisensituation fühlen dürfen. Wir müssen die Menschen im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft ernst nehmen – und das tun wir als BBK auch. Wir müssen ihre Kompetenzen stärken, wozu beispielsweise auch die Bevorratung gehört. Für Politik und Wirtschaft ist die Resilienz im Bereich Kritischer Infrastrukturen ein wichtiger Faktor. Die jüngsten Ereignisse, ob es nun die Cyber-Sicherheit oder physische Gefahren betrifft wie bei der Sabotage der Ostseepipeline, beschäftigen uns sehr. Das sind Themen, die ebenso in die Resilienzbetrachtung einfließen müssen. Hier kommt dann auch die Zusammenarbeit zwischen

Wenn es länger dauert, wird es schwierig Feuerwehr und THW im Blackout

Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr bereitet sich auf einen Blackout vor. Eine Achillesferse ist u. a. die Kraftstoffversorgung. Foto: BS/Fr@nk, stock.adobe.com

erns hat man weniger Informationen über die Auswirkungen eines Blackouts auf den eigenen Betrieb. “Eine genaue Einschätzung kann nicht getroffen werden”, heißt es von der Münchner Feuerwehr. Bei Eintritt eines solchen Ereignisses gebe es viele unabwägbare Einflussfaktoren. Die Auswirkungen zeigten sich erst im Verlauf und müssten dann aus der Lage bewältigt werden. Man sei mit eigens dafür erarbeiteten Einsatzplänen vorbereitet und es gebe Kooperationen mit beteiligten Dienststellen und weiteren Organisationen. Konkret seien die Wachen und

Gerätehäuser mit Notstrom versorgt, eine Kraftstoffbevorratung zum Betrieb sei angelegt und die notwendigen Kommunikationsmittel seien redundant verfügbar. Zudem verfüge man über eigene Tankeinrichtungen zur Versorgung der Einsatzfahrzeuge. Auf die Frage, wie lange die Feuerwehr München im Fall der Fälle durchhalten würde, heißt es jedoch nur, dass die Bevorratung mit Kraftstoff zum autarken Betrieb auf einen längeren Zeitraum ausgelegt sei.

Ziel: 72 Stunden durchhalten Konkreter wird dabei die Feuer-

Behörden Spiegel: Das Thema Bevorratung sorgt immer wieder für Diskussionen. Müssen die Menschen die Bevorratungsliste des BBK für einen Blackout abarbeiten? Tiesler: Im Augenblick liegen uns, dem BBK und der Bundesnetzagentur, keine Erkenntnisse vor, dass wir lange andauernde großflächige Stromausfälle zu erwarten haben. Wahrscheinlicher ist, dass wir kleinräumige und kurz andauernde Stromausfälle erleben könnten, die nötig werden, um die Anlagen bei Überlastung der Netze zu schützen. Da das niemand seriös ausschließen kann, empfehlen wir, sich auf Stromausfälle vorzubereiten, beispielsweise mit einem Vorrat von drei Tagen. Uns geht es nicht darum, dass die Menschen unsere Checkliste akribisch abarbeiten. Uns ist es wichtig, dass sie überhaupt etwas tun. Weil etwas aktiv zu tun bedeutet, dass der Mensch nicht ohnmächtig und hilflos ist und sich den Situationen nicht ausgeliefert fühlt. Sondern es macht ihn stark, schafft Selbstwirksamkeit und stärkt das Gefühl von Sicherheit, denn mit jedem kleinen Schritt, den der und die Einzelne tut, trägt er zu einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz bei. Außerdem ist das ein wertvoller Beitrag, der das Hilfeleistungssystem entlastet. Das verschafft uns die Möglichkeit, im Ernstfall vor allem für die Vulnerablen in unserer Gesellschaft zu sorgen, die sich nicht selbst schützen können. Die Bürgerinnen und Bürger leisten so einen Beitrag für diese Gemeinschaft. Ich halte das in diesen Zeiten für ein starkes Zeichen der Solidarität.

aber klar: Je länger der Blackout dauere, desto schwieriger werde es, Hilfe zu leisten.

In Stufen planen

(BS/Bennet Biskup-Klawon) Die Katastrophe im Ahrtal hat es schon gezeigt. Die Warnungen von Katastrophenschutzexpertinnen und -experten weisen in die gleiche Richtung. Mit der Zunahme von komplexen, gebietsübergreifenden Lagen steigt die Eigenbetroffenheit der Gefahrenabwehr. Grade im Hinblick auf eine mögliche Blackout-Lage entstünde durch Eigenbetroffenheit und Einsatzanstieg eine Doppelbelastung. Doch die Behörden bereiten sich auf ein solches Szenario vor. wehr Dresden. Dort hat man das Ziel ausgegeben, 72 Stunden ohne Strom einsatzfähig zu bleiben. Dies will man mittels mobilen Tankanlagen (Das Brand- und Katastrophenschutzamt von Dresden verfügt über keine eigene Tankstelle.) und Netzersatzanlagen erreichen, über die alle fünf Feuer- und Rettungswachen der Berufsfeuerwehr sowie die Integrierte Regionalleitstelle verfügen würden. Beim Technischen Hilfswerk (THW) hänge die Stärke der eigenen Betroffenheit stark vom Ausmaß und der Dauer des Blackouts ab. Als Zivil- und Katastrophenschutzorganisation gehöre es zum Einsatzspektrum, auf Stromausfälle vorbereitet zu sein. Man bereite sich als Teil der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) so gut es gehe auf einen Energieausfall vor. Es würden die gleichen Methoden angewendet, die auch anderen KRITIS-Betreibern oder Privathaushalten empfohlen würden: “Analyse der eigenen Lage und der eigenen Abhängigkeiten ganz konkret vor Ort. Davon abhängig angepasste (Vorsorge-) Maßnahmen, um die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten zu können. Wichtig ist es auch, Vorsorgemaßnahmen zu beüben (z. B. regelmäßige Tests der Notstromaggregate.).” Zwar

den Akteuren im Bevölkerungsschutz und darüber hinaus ins Zentrum. Wir brauchen bessere und nachhaltige Strukturen der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen, aber auch zwischen den verschiedenen Akteuren. Die Resilienzstrategie bietet hierfür eine wichtige Grundlage.

verfüge das THW über kein zentrales Benzinlager, dennoch hätten die einzelnen Ortsverbände Vorsorge getroffen. Im Schwarzfall will das Hilfswerk mit seinen Fachgruppen Elektroversorgung, Infrastruktur und Notversorgung und Notinstandsetzung helfen. Die Fachgruppe Elektroversorgung könne beispielsweise eine temporäre Stromversorgung mit Netzersatzanlagen für Notunterkünfte, kommunale Energieversorgungsanlagen, Einrichtungen und Betriebe öffentlichen Interesses sowie für andere Bedarfsträger sicherstellen. Insgesamt gebe es bundesweit 120 Fachgruppen Elektroversorgung. Zur Treibstoffversorgung verfüge das THW in den Fachzügen Logistik über mobile Tankanlagen. “Bei alldem ist es wichtig, zu betonen, dass wir bei all unserer Technik immer nur punktuell helfen können. Bundesweit stehen die THW-Ortsverbände daher in Austausch mit den zuständigen Stellen bei Kommunen und Landkreisen. Im Falle eines Stromausfalles entscheiden die Kommunen und Landkreise, in welchem Umfang und wo das THW in den Einsatz kommt”, stellt das THW klar. Die Kommunen legten fest, welche KRITISEinrichtungen mit Strom versorgt werden müssten. Eins sei

Nach Einschätzung von Oberbranddirektor Volker Skrok, Mitglied im Fachausschuss Zivil- und Katastrophenschutz der deutschen Feuerwehren des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF), sind die Feuerwehren in Deutschland grundsätzlich gut auf einen Blackout vorbereitet. Das Thema stehe bei den meisten Feuerwehren seit Jahren oben auf der Liste. Er empfiehlt zur Vorbereitung, eine Gefährdungsanalyse der eigenen Organisation durchzuführen und die Schwachpunkte festzustellen. Dabei solle in Verbindung mit der Stadtverwaltung und dem zuständigen Energieversorger das Risiko ausführlich betrachtet werden. “Im Zuge eines Umsetzungskonzeptes sollten dann die verschiedenen Szenarien, die sich in den Stufen bis zu einem kompletten Blackout ergeben können, betrachtet werden und aufeinander aufbauend beplant werden. Dabei gilt es, die verschiedenen Aspekte der Kommunikation, der Aufrechterhaltung des Dienst- und Einsatzbetriebs, der Lagedarstellung und -bewertung sowie der Versorgung zu betrachten”, so Skrok. Es gelte, vor allem die ausreichende Kraftstoffversorgung, den Notstrombetrieb sowie die Notwendigkeit von zusätzlichen Beschaffungen für die Szenarien zu prüfen, sagt der Oberbranddirektor.


Verteidigung

Behörden Spiegel / November 2022

S

eit 1949 ist Artikel 5 des NATO-Vertrages die Hauptsäule europäischer Sicherheit. Diese Beistandsklausel begründet die amerikanische Sicherheitsgarantie für Europas NATO-Länder. Und sie schreibt den Beitrag der Europäer zur Sicherheitsarchitektur auf ihrem Kontinent fest. Diese transatlantische Arbeitsteilung hat sich über Jahrzehnte bewährt und sie wird weiter gebraucht. Das ist heute wieder besonders klar sichtbar. Doch damit sie auch in Zukunft wirksam bleibt, müssen wir heute nachsteuern und uns auf die neuen Herausforderungen einstellen. Darin sind sich alle Alliierten einig. Das neue Strategische Konzept der NATO, das die Partner im Sommer 2022 beschlossen haben, zeigt dies deutlich. Die globalen Machtverschiebungen werden darin benannt und erhalten in der Allianz einen neuen Stellenwert. Der entsetzliche Krieg, den Russland über die Ukraine gebracht hat, ist ebenso Anlass, neu über die europäische Sicherheit nachzudenken wie die ambitionierte chinesische Großmachtpolitik.

Europas Sicherheit und Deutschlands Beitrag Die einzig richtige Antwort

­Verantwortung

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht informierte sich im Oktober 2022 direkt vor Ort über die Lage in der umkämpften ukrainischen Region von ­Odessa. Foto: BS/Bundeswehr, Tom Twardy

wicklung nach 1990 profitiert. Es muss nun, in schwereren Zeiten, auch seinerseits überproportional viel beitragen, um Frieden und Freiheit für die kommende Generation zu sichern. Seit 2014 schlägt Deutschland diesen Weg konsequent ein. Seit der völkerrechtsChristine Lambrecht (SPD) ist seit Dezember 2022 Verteidiwidrigen russigungsministerin der Bundesschen Annexion republik Deutschland. der Krim hat es seine Präsenz Foto: BS/BMVg an der Ostflanke der NATO systeckung, Krisenmanagement und matisch ausgebaut. Mit dem Verteidigungsfähigkeit in Euro- Rahmen-Nationen-Konzept in pa haben. Das gebietet die faire der NATO hat es seine Rolle als Lastenteilung gegenüber den Anlehnungsmacht definiert und Vereinigten Staaten, die nicht konkret ausgefüllt. Die Verstärnur europäische, sondern auch kung der Ostflanke ist schon asiatische Garantiemacht sind mit dem russischen Aufmarsch und dort zunehmend gefordert an der Grenze zur Ukraine und sein werden. noch vor Kriegsbeginn im Fe­ Deutschland kommt dabei auf- bruar 2022 von der Bundesregrund seiner Größe, seiner Wirt- gierung unverzüglich aufgestockt schaftskraft und seiner geografi- und dann schrittweise weiter schen Mittellage eine besondere ausgebaut worden. Mit unserem Bedeutung zu. Unser Land hat Engagement als Truppensteller in der Vergangenheit überpro- für die VJTF verleihen wir dieser portional von der friedlichen Ent- neuen Verteidigungshaltung zu-

Eigenverantwortung der Ukraine Der japanische Premierminister Fumio Kishida betonte: “Der mittel- bis langfristige Wiederaufbau der Ukraine muss erstens auf der Eigenverantwortung der Ukraine beruhen. Zweitens müssen alle Länder, Institutionen und Unternehmen, die Hilfe leisten, das Gesamtbild des Wiederaufbaus teilen. Und drittens müssen sie auf transparente und faire Weise im Einklang mit internationalen Regeln und Standards handeln. Darüber hinaus benötigt der Wiederaufbau einen

sätzliche Muskeln. Das schafft Vertrauen. Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen in der NATO. Und es steht besonders zu den Partnern im Bündnis, die die Gefahren der neuen Lage am intensivsten spüren. Deutschland hat darüber ­hinaus mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr eine weithin beachtete Zukunftsentscheidung für kampfbereite Streitkräfte getroffen. Mit dem festen Bekenntnis zu dem Wales-Ziel der NATO, zwei Prozent der Wirtschaftskraft in Verteidigung zu investieren, wird diese Maßnahme langfristig verstetigt. Mit diesen Mitteln wird Deutschland seine NATO-Planungsziele voll erreichen und darüber hinaus seine Streitkräfte quer durch alle Fähigkeiten modernisieren. In absehbarer Zeit wird die Bundeswehr so der Hauptträger der Landverteidigung in der Mitte Europas sein – und auch in den anderen Dimensionen (Luft und Weltraum, See und Cyber-Raum) entscheidend an Einsatzbereitschaft und Schlagkraft hinzugewinnen. Damit wird der europäische Beitrag zur Sicherheit in Europa deutlich erweitert.

Entlastung der Schutzmacht USA Von diesen Entscheidungen werden nicht nur Deutschland und Europa profitieren. Unsere amerikanischen Partner werden als Schutzmacht in Europa entlastet. Die auch für die innenpolitische Diskussion in den USA so wichtige Lastenteilung im Bündnis kommt stärker in die Balance. In Washington wird dies als wichtiger Beitrag zur atlantischen Solidarität gesehen. Ebenso übrigens wie die Entscheidung der Bundesregierung, die Luftwaffe für Deutschlands Rolle in der nuklearen Teilhabe der NATO zeitgemäß und zukunftsfest auszurüsten. Die Entscheidung für die Beschaffung der F35-Kampfflugzeuge ist eine Entscheidung für volle Interoperabilität und für Mitgestaltung der nuklearen Abschreckung durch die NichtNuklearmacht Deutschland. Deutschlands verstärkter Einsatz für die Sicherheit auf unserem Kontinent wird auch an drei anderen Stellen sichtbar. Erstens in unserer Hilfe für die Ukraine mit umfangreichen Lieferungen von Waffensystemen, Munition, Ausrüstung, D ­ e-Mining

und Winterausstattung. Gerade bei schwerer Artillerie und bei der Luftverteidigung gehen wir hier voran: Gemeinsam mit den Niederländern haben wir hochmoderne Panzerhaubitzen 2000 geliefert, gemeinsam mit den US-Amerikanern und Briten weitreichende MARSRaketenwerfer. Zudem sind wir das erste Land, das IRIS-T an die Ukraine liefert, das weltweit modernste Flugabwehrsystem. Das ist ungemein wichtig. Denn mit dem Raketenbeschuss gegen ukrainische Städte terrorisiert Putin gezielt die Zivilbevölkerung. Auch bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten übernehmen wir Führung: Wir bilden die ukrainischen Streitkräfte professionell und erfolgreich an verschiedenen Standorten in Deutschland aus. Daneben schlagen wir eines der beiden Hauptquartiere der EUAusbildungsmission, EU MAM, in Deutschland auf. Dort werden wir ukrainische Soldaten im Umfang von einer Brigade trainieren. Schließlich umfasst unsere Unterstützung für die Ukraine auch die Bereitstellung sehr substanzieller direkter Finanzhilfen für die ukrainische Regierung. Klar ist: Wir werden unsere umfassende Unterstützung solange fortsetzen, wie es die Lage im Kriegsgebiet erfordert. Zweitens bei der Military Mobility, der so entscheidenden logistischen Dimension von Verteidigung in Europa. Als Drehscheibe ist Deutschland wie kein anderes Land in der Pflicht, Infrastruktur und Fähigkeiten für die schnelle Verlegbarkeit und Durchleitung von Personal und Material vorzuhalten. In enger Abstimmung mit EU und NATO werden hier entscheidende Weichen gestellt, um den strategischen Raum Europa über Deutschland besser zu vernetzen und damit verteidigungsbereiter zu machen. Und drittens bei der von Deutschland ins Leben gerufenen European Sky Shield Initiative, ESSI, an der sich bislang 15 Nationen beteiligen. ESSI ist eine allumfassende Beschaffungsini­ tiative zur Verteidigung gegen verschiedenste Bedrohungen aus Luft und Weltraum. Gerade hier haben wir akute Fähig-

Von der Verantwortung

B

undeskanzler Olaf Scholz und EU-Präsidentin Ursula von der Leyen sagten in ihrer gemeinsamen Erklärung anlässlich der Konferenz, es gehe “hier um nicht weniger, als einen neuen Marshallplan des 21. Jahrhunderts zu schaffen”. Ein Punkt, bei dem andere Regierungschefs eine unterschiedliche Betonung sehen. So ist die Ukraine z. B. für den japanischen Premierminister nicht nur ein Partner, der gleichberechtigt und gemeinsam mit den in Berlin tagenden Experten etwas zum Wiederaufbau zu sagen hat, sondern die einzig entscheidende Instanz.

keitslücken und großen Nachholbedarf. Daher wollen wir hier zügig marktverfügbare Systeme beschaffen. Deutschland wird hierbei die Koordination übernehmen.

(BS/Christine Lambrecht) Wer garantiert Sicherheit in Europa? Das ist eine ewig aktuelle Frage, die sich aufgrund des verbrecherischen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine heute dringender denn je stellt. Putin hat die europäische Friedensordnung in ihren Grundfesten erschüttert. Angesichts dieses Epochenbruchs hat Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 mit der “Zeitenwende” eine neue und die einzig richtige Übernahme der Antwort auf diese Frage gegeben.

Die zentrale Rolle ­Deutschlands Wenn wir heute die europäische Sicherheit weiterentwickeln und die transatlantische Arbeitsteilung neu justieren, dann kommt Deutschland dabei eine ganz zentrale Rolle zu. Alle europäischen NATO-Mitglieder werden einen größeren Anteil an Abschre-

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Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine (BS/Dorothee Frank) Während der Krieg in der Ukraine weiterhin das Land verwüstet, fand Ende Oktober in Berlin auf Einladung Deutschlands und der Europäischen Union eine erste Wiederaufbaukonferenz statt. Deutschland übernahm diese Gastgeberrolle aufgrund seines G7-Vorsitzes. Staats- und Regierungschefs aus der ganzen (demokratischen) Welt, Experten verschiedener internationaler Organisationen und nationaler Behörden, von Think Tanks und akademischen Einrichtungen waren dem Aufruf gefolgt. Rahmen, der es ihm ermöglicht, die Unterstützung der breiteren internationalen Gemeinschaft, einschließlich der EU und der an dieser Konferenz teilnehmenden Länder, zu gewinnen.” Jedes Land besitze zudem einzigartige Fähigkeiten, um der Ukraine zu helfen. “So haben wir beispielsweise mit der ukra­inischen Regierung unsere Erfahrungen bei der Sortierung und Wiederverwendung der Trümmer des Erdbebens in Ostjapan 2011 geteilt, damit die Ukraine die Trümmer der russischen Invasion für den Wiederaufbau nutzen kann”, beschrieb ­Kishida. “Neben dem Schutz und der Unterstützung der Vertriebenen, der Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und medizinischer Versorgung sowie der Nahrungsmittelhilfe hat die japanische Regierung die Ukraine bei der Vorbereitung auf den bevorstehenden strengen Winter unterstützt, u. a. durch

die Bereitstellung von Heizungsanlagen in den Aufnahmezentren für Flüchtlinge und den Schutz vor Kälte.” Kishida betonte: “Japan steht fest an der Seite der Ukraine!”

Finanzielle Zuständigkeit der EU Auch die europäische Union arbeitet an Zusagen, allerdings vor allem finanzieller Natur, da die “Sachspenden” hauptsächlich direkt durch die Mitgliedsländer erfolgen. Aber auch die Gelder werden dringend benötigt, da ein Land im Krieg kaum Steuern und Einnahmen erwirtschaftet. Vor allem wenn der Gegner gezielt die zivile Infrastruktur zerstört oder Handelswege blockiert, um das Land zu Boden zu ringen. “Die Ukraine braucht etwa drei bis fünf Milliarden pro Monat”, beschreibt EU-Präsidentin von der Leyen den aktuellen Bedarf an Budgethilfen, damit

die Ukraine das kriegsbedingte Defizit ausgleichen kann. “Wir als Europäische Union, ‘team europe’, haben seit Beginn des Krieges insgesamt 19 Milliarden an finanziellen Zuwendungen für die Ukraine investiert. Davon sind sieben Milliarden reine Budgethilfe. Aber das ist immer mit mühsamen Prozessen, Aushandlungen, Verzögerungen verbunden.” Um diese Prozesse zu vereinfachen und der Ukraine eine verlässlichere finanzielle Grundlage bieten zu können, arbeite die EU an neuen Mechanismen. So wolle die EU rund ein Drittel des Defizitbudgets der Ukraine tragen. “Das sind anderthalb Milliarden pro Monat, solange der Krieg dauert. Das wären als Gesamtsumme über das Jahr 18 Milliarden”, sagte von der Leyen. “Das heißt, dass wir mit unseren Mitgliedsstaaten darüber sprechen, dass wir gemeinsam einen

Mechanismus über 18 Milliarden für 2023 als direkte Budgethilfe für die Ukraine vereinbaren und sicherstellen können. Immer, wie gesagt. Vorbehaltlich, solange der Krieg dauert. Wir wissen, dass wir uns komplementär auch auf unsere amerikanischen Freunde verlassen können. Wir rechnen damit, dass natürlich auch die internationalen Finanzierungsinstitutionen ihren Teil, in etwa ein Drittel, übernehmen werden.”

Konfiszieren der russischen Konten Diese Finanzmittel der EU sollen auch aus den russischen Konten generiert werden. “Wir wollen diese Vermögenswerte nicht nur einfrieren, sondern auch konfiszieren. Das ist nicht trivial, was die Gesetzgebung betrifft”, beschrieb von der Leyen. “Wir haben eine Taskforce zusammen mit Mitgliedsstaaten. Diese Taskforce heißt ‘Freeze

Wer dieser umfassenden Agenda der sicherheits- und verteidigungspolitischen Ertüchtigungen noch Deutschlands Bemühungen in der EU in diesem Politikfeld hinzurechnet, der erkennt, was mit Zeitenwende gemeint ist: Amerika bleibt Schutzmacht, aber Europa ist zunehmend für seine eigene Sicherheit in Europa zuständig. Wie ernst wir Europäer das nehmen, zeigt auch der geplante NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands, der die europäische Säule der NATO deutlich stärken wird. Dies geschieht an besonders exponierter Stelle im hohen Norden, wo Norwegen und Dänemark nun zwei eng vertraute politische Partner als NATOVerbündete hinzugewinnen. Ein besseres Beispiel dafür, wie geografische Nähe, politisches Vertrauen und gemeinsame Werte eine Schicksalsgemeinschaft begründen können, die langfristige Sicherheit garantiert, lässt sich kaum denken. Und was im Norden Europas gilt, gilt für uns alle in NATO und EU. Mir ist besonders wichtig: Deutschland wird in der europäischen, der atlantischen geopolitischen Schicksalsgemeinschaft eine größere Rolle spielen – eine Führungsrolle, wo immer das notwendig ist. Damit die Zukunftsaufgabe Sicherheit gelingt und künftige europäische Generationen die Freiheit und den Frieden leben können, die ihnen zustehen.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zählt zu den prominenten Rednerinnen der Berliner Sicherheitskonferenz. Des Weiteren werden am 30. November und 1. Dezember unter anderem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sowie Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin erwartet. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit gibt es unter www.euro-defence.eu

and Seize’, also Konfiszieren und Einfrieren. Es geht darum, nicht nur aufzuzeigen, was eingefroren wurde, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, in der Lage zu sein, diese Vermögenswerte auch für den Wiederaufbau der Ukraine nutzen zu können.” Die Finanzierung sowohl des Bestehens als auch des Wiederaufbaus der Ukraine könnte demnach zu Teilen durch beschlagnahmte russische Konten erfolgen, wenn die entsprechenden rechtsstaatlichen Grundlagen geschaffen werden. Schließlich handelt es sich durchaus um Konten von Privatpersonen oder unabhängigen Unternehmen, also nicht um staatliche russische Gelder. Dementsprechend muss der Prozess, der einen Präzedenzfall schafft, rechtlich abgesichert sein und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Wie die Konferenz zum Wiederaufbau zeigte, ist die demokratische Welt bereit, auch langfristig und für die Ukraine planbar Mittel und Hilfen zur Verfügung zu stellen. Eine Demonstration, ein Machtkampf des Prinzips der Freiheit und Humanität gegen diktatorische Unterdrücker.


Verteidigung

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I

n seiner Einleitung betonte der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd J. Austin: “Die Verteidigungsstrategie, welche die Vereinigten Staaten einschlagen, wird den Kurs des Ministeriums für die kommenden Jahrzehnte bestimmen. Das Verteidigungsministerium ist es unserer Freiwilligenarmee und dem amerikanischen Volk schuldig, ein klares Bild von den Herausforderungen zu zeichnen, die uns in den kommenden, entscheidenden Jahren erwarten – und wir schulden ihnen eine klare und konsequente Strategie zur Förderung unserer Verteidigungs- und Sicherheitsziele.” Trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nennt Austin explizit die Volksrepublik China als “wichtigsten strategischen Konkurrenten für die kommenden Jahrzehnte”. Das Dokument führt weiter aus: “Die umfassendste und ernsthafteste Herausforderung für die nationale Sicherheit der USA ist das erpresserische und zunehmend aggressive Bestreben der VR China, die indo-pazifische Region und das internationale System so umzugestalten, dass es ihren Interessen und autoritären Präferenzen entspricht. Die VR China versucht, die Bündnisse und Sicherheitspartnerschaften der USA in der indo-pazifischen Region zu untergraben und ihre wachsenden Fähigkeiten, einschließlich ihres wirtschaftlichen Einflusses und der zunehmenden Stärke und militärischen Präsenz der Volksbefreiungsarmee (PLA), zu nutzen, um ihre Nachbarn unter Druck zu setzen und deren Interessen zu bedrohen. Die zunehmend provokative Rhetorik und die aggressiven Aktivitäten der VR China gegenüber Taiwan sind destabilisierend, bergen die Gefahr einer Fehlkalkulation und bedrohen den Frieden und die Stabilität in der Straße von Taiwan. (...) Die VR China hat nahezu jeden Aspekt der PLA ausgebaut und modernisiert, wobei sie sich darauf konzentriert, die militärischen Stärken der

Prioritäten der Verteidigung der USA National Defense Strategy warnt vor China (BS/Dorothee Frank) Am 27. Oktober veröffentlichte das U.S. Department of Defense die “National Defense Strategy”. Auf 80 Seiten legen die USA dar, welche sicherheitspolitischen Parameter sie weltweit sehen und wie sie sich auf die Herausforderungen vorbereiten. Die Vorgängerversion stammte aus dem Jahr 2018. jemals verheimlicht oder zu vertuschen versucht. Kaum ein anderes Land der Erde begeht so freimütig und offen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vor allem gegen andere Ethnien, gleichzeitig aber auch gegen die eigene Bevölkerung. Als nächstes Ziel könnte Taiwan die Auswirkungen der offenen Unrechtspolitik erfahren.

Der Verkauf von Infrastruktur

US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin nennt China die größte Bedrohung der USA. Foto: BS/U.S. Department of Defense, Alexander Kubitza

USA auszugleichen. Die VR China stellt daher die größte Herausforderung für das Ministerium dar.”

Chinas Methoden zum Kontrollgewinn Ein Punkt ist besonders angesichts der jüngsten Verkaufsabsichten deutscher Infrastruktur und Unternehmen an China interessant: “Neben dem Ausbau ihrer konventionellen Streitkräfte entwickelt und integriert die Volksrepublik China rasch ihre Fähigkeiten in den Bereichen Weltraum, Weltraumbekämpfung, Cyber-, elektronische und Informationskriegführung, um ihren ganzheitlichen Ansatz der hybriden Kriegführung zu unterstützen.” Des weiteren identifizieren die USA eine Verletzlichkeit jener Länder, die sich in die Hände Chinas begeben. China sei ein ebenso unzuverlässiger Wirt-

schaftspartner wie Russland. Die chinesischen Streitkräfte seien bestrebt, die Fähigkeit anderer Staaten in einer Krise oder einem Konflikt zu beeinträchtigen, um ihre Partner somit beeinflussen oder erpressen zu können. “Die Volksrepublik China vergrößert zudem die globale Präsenz der PLA und baut eine robustere Übersee- und Basisinfrastruktur auf, die es ihr ermöglicht, militärische Macht über größere Entfernungen zu projizieren”, beschreibt die National Defense Strategy. “Parallel dazu beschleunigt die Volksrepublik China die Modernisierung und den Ausbau ihrer nuklearen Fähigkeiten. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner werden zunehmend vor der Herausforderung stehen, zwei Großmächte mit modernen und vielfältigen nuklearen Fähigkeiten – die VR China und Russland – abzu-

Deutsche Sicherheitspolitik

Anspruch und Wirklichkeit von General a. D. Jörg Vollmer Der Bundeskanzler hat sich durchgesetzt. Das Bundeskabinett hat der Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem der vier Terminals am Hamburger Hafen mit Auflagen zugestimmt, entgegen dem Ratschlag des federführenden Wirtschaftsministeriums und des Außen-, Innen-, Finanz-, Verteidigungs- und Verkehrsministeriums. Die Lehren der Zeitenwende wurden zugunsten wirtschaftlicher Interessen hintangestellt, auch wenn in einer Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss festgehalten wird, dass die Investition in Hamburg den “strategischen Einfluss Chinas auf die deutsche und europäische Transportinfrastruktur sowie die deutsche Abhängigkeit von China unverhältnismäßig erweitert”. Zeitgleich sind auch in Duisburg die Entscheidungen bereits weit vorangeschritten. Auch dort soll Cosco in Zukunft einen Anteil von 30 Prozent am neu zu bauenden elften Containerterminal in Deutschlands größtem Binnenhafen erhalten. China hat neben seiner hundertprozentigen Übernahme des Hafens in Piräus u. a. bereits Anteile in Rotterdam (18 Prozent), Antwerpen (20 Prozent), Zeebrügge (90 Prozent), Bilbao (40 Prozent), Valencia (51 Prozent), Vado in Italien (40 Pro-

Behörden Spiegel / November 2022

General a. D. Jörg Vollmer ist Senior Adviser des Behörden Spiegel. Foto: BS

zent) und Kumport in der Türkei (26 Prozent) erworben und damit im Bereich der Häfen seinen Einfluss und seinen Zugang zum Logistik- und Transportsystem in Europa maßgeblich ausgebaut. Die Gefahr ist akut, dass Deutschland und die europäischen Staaten insgesamt die von China beeinflusste Infrastruktur im Krisen- und Konfliktfall nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen können. Erneut machen wir uns gemeinsam von einem autokratischen Staat abhängig. Die Lehren aus dem Konflikt mit Russland werden nicht umgesetzt, ja sträflich vernachlässigt. Die Verbündeten der NATO, ganz besonderes die europäischen, sind auf eine intakte und resiliente Infrastruktur in Europa angewiesen. Deutschland als sogenannter Drehscheibe

für die Truppenverlegungen europäischer Streitkräfte und insbesondere amerikanischer Verstärkungskräfte nach Nordost- und Südosteuropa kommt eine herausgehobene Bedeutung zu. Das erfordert, national, im Rahmen der EU und der NATO geopolitisch verantwortlich zu handeln und im Gesamtkontext derzeitiger und zukünftiger Bedrohungen die strategische Autonomie Europas zu wahren. Nationale wirtschaftliche Interessen müssen in den sicherheitspolitischen Gesamtkontext eingeordnet werden. Kritische Infrastruktur muss nicht nur physisch oder im Cyber-Raum geschützt werden, sie muss auch staatlich uneingeschränkt genutzt werden können. Es ist zu hoffen, dass die Nationale Sicherheitsstrategie dem Rechnung tragen wird.

schrecken, was die strategische Stabilität neu belastet.”

Abhängig vom Verbrecher Die USA warnen nicht grundlos vor China. Schließlich ist die chinesische Regierung sogar offen diktatorisch. Während Russland sich wenigstens noch den Anschein von Wahlen gibt, hat China solche Maskerade nicht mehr nötig. Weder das brutale Niederschlagen des Aufstands in Hong Kong noch die menschenrechtswidrigen Uiguren-Zwangslager oder die Besetzung Tibets inklusive Ausrottung der dortigen Menschen und Kultur hat China

Am 26. Oktober 2022 sollten allerdings 35 Prozent des Containerterminals Tollerort des Hamburger Hafens an das chinesische Unternehmen Cosco verkauft werden. Allerdings beschloss das Bundeskabinett im Anschluss, dass Cosco nur bis zu 24,9 Prozent erwerben darf. “Die Entscheidung ist ein gesichtswahrender Kompromiss für beide Seiten”, kommentiert Prof. Dr. Rolf J. Langhammer, Handelsexperte am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). “Er löst aber nicht das mittelfristige Problem. Das besteht darin, dass Cosco ein zentraler Akteur in der chinesischen Strategie der digitalen und maritimen Seidenstraße ist. Maritim deswegen, weil Cosco über die vielen Hafenbeteiligungen eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Abwicklung des Handels, des globalen Transports erreichen kann. Und digital deshalb, weil Cosco mit anderen chinesischen Partnern, insbesondere mit der Finanztochter von Alibaba, die Digitalisierung des globalen Transports vorantreiben möchte und durch

die Kombination von Dienstleistungs-, Handel- und Güterhandel damit eine sehr starke Position im globalen Transport einnehmen kann.” Laut Langhammer ist zudem unsicher, ob Cosco nach diesem Einschnitt bei der Beteiligung weiterhin zu seinen Zusagen steht, den Hamburger Hafen zu einem bevorzugten Umschlagplatz für den Containertransport zu machen. “Hierin liegt auch ein gewisses Erpressungspotenzial seitens Cosco”, sagt Langhammer und betont: “Um eine missbräuchliche, marktbeherrschende Stellung zu verhindern, bedarf es zweier Dinge: Erstens muss sichergestellt werden, dass Daten von nichtchinesischen Kunden, die unter anderem auf chinesischen Servern liegen, nicht dem Zugriff der chinesischen Regierung ausgesetzt sind. Und zweitens muss sichergestellt werden, dass die Software, die Cosco jetzt über die Einführung von BlockchainTechnologien in der Abwicklung des Transports einsetzen möchte, auch für Mitbewerber offen bleibt, sodass hier keine digitale Kompetenz zum Nachteil von Mitbewerbern und Konkurrenten aufgebaut werden kann.” Ein Tochterunternehmen des chinesischen Unternehmens Sai Microelectronics wollte wiederum Ende Oktober die deutsche ChipFabrik Elmos Semiconductor kaufen, die vor allem Halbleiter für die Autoindustrie produziert. Das deutsche Wirtschaftsministerium prüft. Seinerzeit warnte die US-Regierung vor der deutschen Abhängigkeit von russischem Gas, jetzt warnt sie vor dem steigenden weltweiten Einfluss der chinesischen Diktatur. Es bleibt die Frage, ob und wie Deutschland auf diese erneute Warnung aus den USA reagiert.

SÜ 4 im BMVg-Geschäftsbereich Noch schärfere Sicherheitsüberprüfung (BS/mfe) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) ist eine weitere, noch schärfere Form der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) eingeführt worden. Sie gilt für Soldaten, die eine Verwendung mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen durchlaufen sollen. Betroffen sind u. a. Angehörige von Spezialkräften, des Bereichs Cyber-Abwehr der Bundeswehr sowie Mitarbeitende des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). Die exakten Bereiche sollen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Diese befindet sich aber noch in der Abstimmung. Die Betroffenen absolvieren eine intensivierte erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Diese geht noch über die bereits länger existierende erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (SÜ 3) hinaus, die Personen durchlaufen, welche Zugang zu als streng geheim deklarierten Verschlusssachen erhalten sollen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die Landesämter für Verfassungsschutz (LfVs) und der Bundesnachrichtendienst (BND) kennen dieses Instrument bislang nicht. Geregelt ist die intensivierte erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen, die umgangssprachlich auch als SÜ 4 bezeichnet wird, im Soldatengesetz. Die übrigen, bereits etablierten SÜ-Formen finden sich hingegen im Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes (SÜG).

Deutlich strenger und umfangreicher Im Rahmen der neuen Sicherheitsüberprüfung befragt die mitwirkende Behörde die betroffene Person grundsätzlich selbst. Und das unabhängig davon, ob eine sicherheitserhebliche Erkenntnis das notwendig macht oder nicht. Darüber hinaus wird zu der betroffenen Person auf jeden Fall Einblick in öffentlich zugängliche Internetseiten genommen. Gleiches gilt für den für alle einsehbaren Teil von Social-Media-

Soldatinnen, Soldaten und Reservedienstleistende aus speziellen Verwendungen müssen eine schärfere Sicherheitsüberprüfung bestehen als Beamte aus anderen Bereichen. Foto: BS/Bundeswehr, Jana Neumann

Profilen. Hier muss der oder die Geprüfte auch angeben, in welchen Sozialen Medien er oder sie aktiv und unter welchen Namen er oder sie dort angemeldet ist. Des Weiteren finden Wiederholungsprüfungen bei dieser Sicherheitsstufe alle fünf – und nicht wie ansonsten üblich alle zehn – Jahre statt. Auch muss die Sicherheitserklärung von dem oder der Überprüften bereits nach 30 Monaten aktualisiert werden. Ansonsten sind hier fünf Jahre üblich. Zudem ist das Beifügen zweier aktueller Lichtbilder (versehen mit dem Jahr der Aufnahme auf der Rückseite) im Zuge der Sicherheitserklärung verpflichtend.

Überprüfung von Reservistinnen und Reservisten Ebenfalls neu ist die sogenannte Beorderungssicherheitsüberprü-

fung. Sie sieht vor, dass Reservistinnen und Reservisten eine einfache Sicherheitsüberprüfung (SÜ 1) durchlaufen, wenn sie zu Wehrübungen herangezogen werden. Diese beiden Neuerungen – insbesondere die intensivierte erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen – haben die Arbeitsbelastung beim BAMAD erheblich anwachsen lassen. Dies parallel zu den bereits gewachsenen Aufgaben aufgrund der Extremismusermittlung und -bekämpfung. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestages nannte BAMAD-Präsidentin Martina Rosenberg die Zahl von rund 60.000 Sicherheitsüberprüfungen, an denen ihr Dienst im vergangenen Jahr mitgewirkt habe.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / November 2022

Praktische Digitalisierung

MELDUNGEN

European Sky Shield Initiative (BS/df) Fünfzehn europäische Staaten haben am 13. Oktober in Brüssel eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Beschaffung eines europäischen Luftverteidigungssystems unterzeichnet: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Das Projekt European Sky Shield Initiative (ESSI) entstand auf deutsche Initiative und soll die Luftverteidigung des europäischen Kontinents in allen Ebenen und Fähigkeiten ausbauen. “Deutschland hat damit die koordinierende Rolle übernommen. Ziel ist es, die europäische Säule im atlantischen Verteidigungsbündnis weiter zu stärken”, beschreibt das BMVg. ESSI soll also nicht den NATORaketenschild ersetzen – bzw. eine weitere Kooperation aufmachen – sondern die USA in ihren Bemühungen zum Schutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger unterstützen. Das BMVg führt weiter aus: “Das gemeinsame Luftverteidigungssystem soll vor Bedrohungen aus Luft- und Weltraum schützen. Ein wichtiges Kriterium ist die NATO-Kompatibilität.” Die Luftverteidigung sei etwas, “wo wir Lücken aufweisen”, sagte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Ziel der Initiative sei es, die Interoperabilität im Bereich der Luftverteidigung zu realisieren. “Es geht darum, Preise auch entsprechend gestalten zu können und

es geht natürlich auch darum, gemeinsam dann in Bezug auf Instandhaltung sich wechselseitig unterstützen zu können.” Zu den deutschen Plänen in Bezug auf die Luftverteidigung sagte Lambrecht: “Es ist wichtig, dass es jetzt schnell geht in Bezug auf die Beschaffung von Patriots, in Bezug auf die Beschaffung von IRIS-T und natürlich auch in Bezug auf die Beschaffung eines darüber hinausgehenden Verteidigungssystems – Arrow 3 ist im Gespräch.” Erste Kontakte seien bereits geknüpft und erste Gespräche aufgenommen worden. Die finanziellen Mittel sollen auch aus dem Sondervermögen stammen. Die Ministerin hofft, durch die gemeinsame Beschaffung von 15 Staaten positive Ergebnisse bei der Preisgestaltung zu erzielen. Das Programm sei offen für jede NATO-Nation, denn, wie die Ministerin betonte: “Natürlich wird es dem SACEUR dann gegebenenfalls auch unterstellt.” Dementsprechend positiv wurde die Initiative innerhalb der NATO aufgenommen. Der stellvertretende NATO-Generalsekretär, Mircea Geoană, sagte: “Diese Verpflichtung ist umso wichtiger, als wir Zeugen der rücksichtslosen und wahllosen Raketenangriffe Russlands in der Ukraine sind, bei denen Zivilisten getötet und wichtige Infrastrukturen zerstört werden. In diesem Zusammenhang begrüße ich nachdrücklich die Führungsrolle Deutschlands bei der Einführung der European Sky Shield Initiative.”

Die Luftwaffe im elektronischen Kampf (BS/df) Die Rolle “Elektronischer Kampf” erfüllen bei der Luftwaffe aktuell die Tornados, doch diese sollen ausgephast werden. Als Nachfolger legte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gemeinsam mit dem Inspekteur Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, im Frühjahr dieses Jahres den Eurofighter fest. Doch die entsprechende Technologie existiert noch nicht. Das israelische Unternehmen Rafael und die deutsche Firma Hensoldt unterzeichneten nun eine Kooperationsvereinbarung, um die deutschen Eurofighter für den elektronischen Kampf zu befähigen. Rafael verkündete: “Gemeinsam bemühen wir uns, den Sky Shield als ausgereiften, von Rafael entwickelten ESJ (Escort Jammer) anzubieten, der von Hensoldt mit der neuesten Technologie für luftgestützte elektronische Angriffe (Kalætron Attack) erweitert wird.” Hensoldt ergänzte: “Der neue

EA-Pod nutzt die bestehenden Schnittstellen des Litening Pods, der sich bereits im Typhoon bewährt hat, und vereinfacht so den Integrationsaufwand erheblich und spart wertvolle Ressourcen.” Laut Hensoldt soll dieses neue System “im Jahr 2028 erstmals einsatzfähig sein”. Doch die Zeit drängt, weshalb anscheinend laut Medienberichten doch wieder eine amerikanische, verfügbare und erprobte Plattform in der Überlegung als Tornado-Nachfolger sein könnte. Mehrere EA-18G Growler der U.S. Air Force wurden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bereits in Deutschland stationiert und zum Schutz der NATO eingesetzt, die deutsche Luftwaffe konnte deren Fähigkeiten also direkt vor Ort sehen. Die Entscheidung für den Eurofighter war seinerzeit mit dem Zwei-Flotten-Prinzip der Luftwaffe (Eurofighter und F-35) begründet worden.

Leistungsfähigere Raketenantriebe (BS/df) Mit einer jüngst geschlossenen Kooperation wollen DLR und Bayern-Chemie besonders leistungsfähige Raketenantriebe des Typs “Red Kite” (Roter Milan) entwickeln. Diese sollen der Forschung im Weltraum neue Perspektiven eröffnen. Ein sogenanntes “Dual Thrust”Profil erlaubt Red Kite-Antrieben dabei besonders hohe Beschleunigungswerte unmittelbar nach Abschuss, die beispielsweise beim Zehnfachen der Erdbeschleunigung liegen und im weiteren Flugverlauf abfallen, wodurch aerodynamische Verluste minimiert werden. Damit eignet sich der Red Kite-Motor insbesondere auch als Boosterstufe für viele andere Raketen aus dem Portfolio der Abteilung MORABA (Mobile Raketenbasis) des DLR. Die Antriebe des DLR stammen teils aus militärischen Altbeständen, teils aus ziviler Fertigung. In Verbindung mit Red Kite stehen der nationalen und internatio-

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nalen Forschergemeinde damit in Zukunft leistungsfähige zweistufige Höhenforschungsraketen zur Verfügung. Durch Red Kite-Antriebe kann eine große Bandbreite möglicher Missionen und Trajektorien bedient werden. Für die Forschung unter Schwerelosigkeit ermöglichen steile Flugbahnen mit Red Kite-Raketenmotoren aussagekräftige Experimente außerhalb der Atmosphäre und ohne störende Beschleunigungskräfte von bis zu sieben Minuten Dauer. Ohne den störenden Einfluss der Schwerkraft können beispielsweise materialphysikalische Phänomene deutlich zielgerichteter untersucht werden. Die Forschung in den Bereichen Wiedereintritts- und Hyperschalltechnologien dagegen profitiert von flachen Trajektorien, die ihren Nutzlasten eine minutenlange Exposition in der Stratosphäre bei Geschwindigkeiten bis Mach acht ermöglichen.

Besser entscheiden mit KI? von Martin Kaloudis Links oder rechts abbiegen? Was tun, wenn Stau ist? Und welche Route ist eigentlich die beste? Bei der richtigen bzw. besten Entscheidung im Auto hilft uns der Routenplaner im Internet. Möglich macht’s die Künstliche Intelligenz. Die ist allgegenwärtig und hat Einfluss auf private, berufliche und sogar militärische Entscheidungen. Künstliche Intelligenz (KI) ist längst Teil unseres Lebens geworden – und macht es uns in vielen Fällen leichter. Zum Beispiel indem sie uns schnelle Entscheidungen ermöglicht oder sogar abnimmt. Dass die KI nicht nur im privaten Alltag hilft, sondern mit weit mehr Impact auch die Arbeitswelt erobert hat, zeigt sich in zahlreichen Beispielen: von Chatbots im Kundenkontakt bis hin zu einer automatischen Bilderkennung. Was die KI dafür braucht, sind Daten. Damit “gefüttert”, lernen die KI-Modelle, Zusammenhänge zu identifizieren, Muster zu erkennen und daraus Schlüsse zu ziehen. Beste Voraussetzungen für schnelle, systematische und valide Entscheidungen.

Entscheidungskompetenz auf einem neuen Level Kein Wunder also, dass KI-Anwendungen auch bei der Bundeswehr in immer mehr Bereichen erprobt werden. Nicht nur für Verwaltungs- oder Logistikaufgaben, sondern letztlich auch für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes: Daten – ihre Verfügbarkeit, Sammlung

mehr an Bedeutung. Treten beispielsweise Krisensituationen im Ausland auf, muss schnell reagiert werden, um im schlimmsten Fall deutsche Staatsangehörige evakuieren zu können. Dafür wird derzeit ein ressortübergreifendes digitales System, das Krisenvorsorgeinformationssystem Bund (KVInfoSysBund), von der BWI entwickelt. In dieser Anwendung werden verschiedenste Daten erfasst und online den beteiligten Bundesressorts wie dem Bundesministerium der Verteidigung oder dem Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt. Zukünftig sollen mittels KI und Data Analytics Ad-hoc-Dateien aus öffentlichen Quellen für ein digitales Lagebild gesammelt und ausgewertet werden. Dadurch lassen sich alle Daten mit aktuellen Informationen anreichern, um so bei der Krisenbewältigung auch auf kurzfristige Änderungen der Lage reagieren und entsprechende Reaktionen, wie zum Beispiel Evakuierungen, bestmöglich planen und durchführen zu können. Die Beispiele zeigen: In Zukunft werden auf KI basierende Entscheidungsprozesse nicht mehr aus militärischen, öffentlichen und privaten Bereichen wegzudenken sein. Innovationen wie MITA und moderne IT-Lösungen unterstützen Bundeswehr und Behörden dabei, Daten effizient für ihre Entscheidungsfindung zu nutzen. Besser entscheiden mit KI? In Zukunft auf jeden Fall!

Martin Kaloudis ist Chief Executive Officer (CEO) und Vorsitzender der Geschäftsführung der BWI GmbH, des IT-Systemhauses der Bundeswehr. Foto: BS/BWI

und Auswertung – bestimmen mehr und mehr den Erfolg militärischer Operationen. Hier kann KI dem Menschen nicht nur Arbeit abnehmen, sondern sie tatsächlich schneller und besser erledigen und die Grundlage für profundere Entscheidungen bilden. Die BWI beschäftigt sich daher mit der Entwicklung neuer datengetriebener, intelligenter Anwendungen und prüft, wie KI für die Analyse und Auswertung von Daten eingesetzt werden kann, um die Entscheidungskompetenz von morgen für die Bundeswehr auf ein neues Level zu heben.

Taktische Aufklärung im Gefechtsfeld Das ist zum Beispiel bei der Erstellung von Lagebildern interessant. Diese erlauben eine schnelle Reaktion, etwa bei Krisen und Katastrophen. Oder auf dem Gefechtsfeld: Aktuell erprobt die BWI mit ihrer Innovationseinheit innoX für die Bundeswehr die KI-basierte Lösung MITA. Die Abkürzung steht für Military Internet of

Things für taktische Aufklärung. Bei dem InnovationsExperiment setzen wir einmal mehr auf Co-Innovation: Die BWI arbeitet eng mit einem Deep-Tech-Unternehmen aus Süddeutschland zusammen, das sich auf die Entwicklung von Software und KI für den Verteidigungssektor spezialisiert hat. Denn für die Lösung werden mithilfe von SensorNetzwerken und Datenfusion im Feld verlässliche und entscheidungsrelevante 3D-Lagebilder erstellt. Bisher geschieht das alles noch manuell und teils zeitverzögert, beispielsweise basierend auf Sichtungen und anschließender Funkmeldung. Mit MITA geht das automatisiert und blitzschnell. Das spart wertvolle Zeit bei Entscheidung und Reaktion ein. Das Ergebnis des Experiments wird gerade evaluiert.

Krisenmanagement 2.0 mit KI-basierten Lagebildern Nicht nur für die Bundeswehr, auch für andere staatliche Organisationen gewinnen KI-basierte Lagebilder immer

Laserwaffe der Deutschen Marine Erfolgreicher Einsatz gegen Drohnen (BS/df) Wie jetzt erst bekannt wurde, hat die Bundeswehr bereits am 30. August erstmals eine Laserwaffe erfolgreich von einem Schiff der Deutschen Marine aus eingesetzt. Beim Ziel handelte es sich um eine Drohne. Laserwaffen sind vom Prinzip her sehr gut zur Drohnenabwehr geeignet, schließlich können sie besonders Kleindrohnen effektiv bekämpfen, ohne Munition bevorraten zu müssen. Energie ist auf Kriegsschiffen meistens in ausreichendem Maß vorhanden. Die Schwierigkeit beim Einsatz ist allerdings nicht das Erzeugen des Laserstrahls – die zivile Industrie hält hier nutzbare und erprobte Systeme bereit – sondern das Verfolgen und Halten des Ziels. Bereits im November 2021 startete die Integrations- und Testphase des Marinedemonstrators, welche die ARGE – bestehend aus MBDA und Rheinmetall – mit einem erfolgreichen Factory Acceptance Test (FAT) auf dem Erprobungsgelände in Unterlüß abschloss. Danach folgte die Integration des Demonstrators auf der Fregatte SACHSEN in Kiel.

Erste Testreihen Im Juli 2022 fand die erste Testkampagne in der Eckernförder Bucht vor dem Stützpunkt der Wehrtechnischen Dienststelle 71 (WTD 71) in Surendorf statt. Das BAAINBw mit der WTD 71 sind für die Erprobungsplanung und die Bereitstellung verschiedener Zieltypen verantwortlich. Im Rahmen der Versuche wurde die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Sensoren, unter anderem der elektrooptischen (EO)-Sensorik der ARGE und des Radars, verifiziert. Zudem erfolgte die Erprobung des Zusammenspiels aller Komponenten und Verfahren der gesamten Wirkkette von der Zielerfassung bis zur Bekämpfung.

Die Fregatte SACHSEN erprobt für insgesamt ein Jahr den eingerüsteten Laserwaffendemonstrator. Collage: BS/D. Frank, Fotoquellen: Bundeswehr, PIZ AIN

Daniel Gruber, Projektleiter Marinedemonstrator bei MBDA Deutschland und Dr. Markus Jung, Leiter Entwicklung Strahlenwaffen bei Rheinmetall Waffe Munition GmbH, begleiten die Erprobungskampagnen mit der Fregatte. Mit Blick auf die zurückliegende Integrations- und Testphase ziehen sie ein positives Fazit. So sei der historische scharfe Schuss von einem Kampfschiff der Marine für alle Beteiligten ein besonderer Moment gewesen. Das Team habe die volle Leistungsfähigkeit des Demonstrators unter Beweis stellen können. “Die gute Zusammenarbeit der beiden ARGE-Partner hat wesentlich dazu beigetragen, dass

wir einen voll funktionsfähigen und leistungsfähigen Demonstrator auf der Fregatte integrieren konnten”, sagte Gruber. Auch Dr. Thomas Baumgärtel, Projektleiter Marinedemonstrator bei der Rheinmetall Waffe und Munition GmbH, zeigt sich zufrieden: “Die Hauptkomponenten des Demonstrators stellen absolute Hochtechnologie dar. Diese basiert zwar auf jahrelanger Forschung innerhalb der beteiligten Häuser, viele Systembestandteile des Demonstrators wurden aber speziell für das Projekt entwickelt und sind in dieser Form zum ersten Mal miteinander kombiniert worden.” Die Erprobungen der Hochenergielaserwaffe sollen noch

bis Mitte 2023 mit weiteren Testkampagnen andauern.

Eignung der Laserwaffen Die Laserwaffen eignen sich allerdings nur für den Waffenmix, da ihr Einsatz physikalisch bedingt stark wetterabhängig ist. Schließlich brechen Regenund Nebeltropfen Lichtstrahlen (Stichwort Regenbogen), was wiederum dem Laser seine Kraft nimmt. Das erste Laserwaffensystem wurde 2014 auf der USS PONCE installiert. Seitdem macht die U.S. Navy gute Erfahrungen mit dem Einsatz, da es sich um ein sehr vielseitiges und in seiner Wirkung skalierbares System handelt.


Wehrtechnik

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Supergeil!

Behörden Spiegel / November 2022

MELDUNGEN

Donate a Drone

Begeisterung für deutsche Wehrtechnik

(BS/df) Die Ukraine setzt auch

für digitale Transformation und

Crowdfunding-Plattform (https: //u24.gov.ua), wo Spender aus der ganzen Welt einfach via Kreditkarte, Überweisung oder Kryptowallet direkt ein Projekt unterstützen können. Eines dieser Projekte ist die Armee der Dronen. Hierzu schreibt die Crowdfunding-Plattform: “Um die ukrainische Armee zu stärken und Tausende von Leben unserer Verteidiger zu retten, starten der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte, das Ministerium

Beschaffung von Drohnen, deren Wartung und Ersatz sowie die Ausbildung von Piloten umfasst. Eine Armee von Drohnen wird es uns ermöglichen, die 2.470 km lange Frontlinie ständig zu überwachen und wirksam auf feindliche Angriffe zu reagieren. Spenden Sie über UNITED24 auf das Konto des Verteidigungsministeriums und wir werden Drohnen kaufen. Oder schenken Sie uns sogar Ihre eigene Drohne! Dronate it!”

(BS/Dorothee Frank) In einem besonderen Video bedankt sich die Ukraine für deutsche Waffenlieferungen. Mit dem Edeka-Werbevideo von bei der Finanzierung auf mo- UNITED24 das Projekt Armee der Friedrich Liechtenstein als Grundlage schuf das ukrainische Verteidigungsministerium einerseits ein Dankesvideo, in dem mehrere deutsche derne Methoden. So initiierte Drohnen. Es handelt sich um ein Rüstungsexporte gelobt wurden, und bat andererseits um Leopard-Kampfpanzer. der Präsident der Ukraine eine komplexes Programm, das die Als erstes zeigt das ukrainische Video unter dem Stichwort “Super Gepard” jene Luftverteidigungssysteme, welche in der Ukraine von der Drohnenabwehr bis zum Landkampf eine breite Palette an Einsatzszenarien erfolgreich abdecken. Insgesamt 30 Flakpanzer Gepard inklusive rund 6.000 Schuss Munition gingen aus deutschen Industriebeständen in die Ukraine. Aus Bundeswehrbeständen wurden zudem 53.000 Schuss Flakpanzermunition sowie 4.000 Schuss Übungsmunition geliefert. Die Ukraine fragte mittlerweile die weitere Lieferung von Munition an, was allerdings die Schweiz unter Berufung auf ihre Exportrichtlinien untersagte. Das diese Munition herstellende Unternehmen Rheinmetall Air Defence (ehemals Oerlikon) hat in Zürich seinen Hauptsitz. Seit der Auflösung der Heeresflugabwehrtruppe und der dementsprechenden Außerdienststellung der letzten Gepard im Jahr 2012 verfügt die Bundeswehr übrigens nicht mehr über diese Fähigkeiten.

Unsichere Versorgung mit Starlink

Super IRIS Als nächstes System wird im Video “Super IRIS” gelobt. Dessen Lieferung an die Ukraine hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht anlässlich des Treffens der Ukraine Defence Contact Group Anfang Oktober verkündet. “Das hochmoderne Luftverteidigungssystem IRIS-T ist aus Deutschland in die Ukraine geliefert worden”, sagte Lambrecht. “Es ist eine ganz wichtige Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Raketenbeschuss, gegen diesen Terror, der gegenüber der Bevölkerung ausgeübt wird.” Bisher sei ein System geliefert worden, im nächsten Jahr sollen drei weitere folgen, so die Ministerin. Eine schnellere Auslieferung sei nicht möglich, denn “solche Systeme sind hochkomplex, hochmodern und müssen produziert werden”, so Lambrecht. Die Bundesregierung sei hier auf die Fähigkeiten der deutschen Rüstungsindustrie zur Beschleunigung der Produktion angewiesen. Die Ministerin betonte: “Ich bin sehr froh, dass dies gelungen ist, beispielsweise bei IRIS-T. Dass es jetzt schon im Oktober geliefert werden konnte und nicht, wie ursprünglich geplant, im November.” Ein kleiner Wermutstropfen besteht allerdings, weil die Bundeswehr absehbar nicht über jene Fähigkeiten verfügen wird, welche bereits an die Ukraine gingen. Schließlich wurde das

Erstmals setzt die Ukraine das deutsche Luftverteidigungssystem IRIS-T SL als Nutzer ein. Foto oben: BS/Diehl Defence; Foto unten: BS/Ministry of Defense of Ukraine

Luftverteidigungssystems IRIST SL (Surface Launched) bisher noch nicht für Deutschland beschafft. Dementsprechend stammen die nun an die Ukraine gehenden Lieferungen nicht aus der Produktion für Deutschland, sondern aus der für Ägypten. Für die Bundeswehr war bisher noch keine Produktionskapazität vorgesehen. Schließlich war in der Vergangenheit der Zeitabstand zwischen dem Wunsch zur Füllung einer Fähigkeitslücke und dem entsprechenden Kaufvertrag durchaus in Jahrzehnten zu messen. Manche Projekte wurden nie beschafft. Ohne Vertrag also kein Ausbau der Produktionslinie. Wenn die deutsche Industrie nun liefern kann, ist dies der Bereitschaft von Ägypten zu verdanken, seine IRIS-T SL später zu beziehen. Eventuelle deutsche Systeme könnten sich dahinter in der Produktionslinie anstellen. Aber dafür müsste erst einmal die Spezifizierung der deutschen Wünsche im Rahmen einer Aus-

schreibung stehen. Und ein Vertrag unterzeichnet werden.

Super Leopard Ein besonderes Augenmerk legt das Video – und damit auch das ukrainische Verteidigungsministerium – auf das Zeigen der Fähigkeiten des deutschen Kampfpanzers Leopard. Es ist allerdings auch das einzige Waffensystem, das bisher weder geliefert noch zugesagt wurde. Vielmehr betonten deutsche Politiker mehrfach, dass keine Leoparden an die Ukraine gehen sollen. Zur Begründung dient dabei einerseits der geringe Bestand entsprechender Kampfpanzer in der Bundeswehr und in Deutschland. Dabei werden durchaus Leopard exportiert, allerdings nicht in die Ukraine. Wie das Unternehmen Rheinmetall mitteilte, wurde es von der deutschen Regierung damit beauftragt, im Rahmen eines Ringtauschs Kampfpanzer und weiteres Gerät an Tschechien zu liefern. Die tschechischen Streitkräfte geben dafür ihrer-

seits militärische Ausrüstung zur Unterstützung an die Ukraine ab. Die entsprechenden Verträge wurden am 11. Oktober 2022 im Verteidigungsministerium in Prag unterschrieben. Hierdurch erhält Tschechien 14 Kampfpanzer Leopard 2 A4 sowie einen Bergepanzer Büffel. Das erste Fahrzeug soll noch im Dezember 2022 geliefert werden, die Auslieferung an Tschechien insgesamt bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Als zweiter Grund für das Nichtliefern von Leopard-Kampfpanzern wird öfter angegeben, dass moderne Technik nicht in russische Hände fallen und deshalb nicht geliefert werden dürfe. Andererseits gibt es kaum modernere Technik als jene, die noch nicht einmal in der Bundeswehr vorhanden ist – wie beispielsweise IRIS-T SL. Die Panzerhaubitze 2000 kann sich ebenfalls an Modernität mit dem Leopard 2 messen. Gleichzeitig ist allerdings zu erkennen, dass die demokratischen Staaten zwar sehr viel an die Ukraine liefern, nur keine Kampfpanzer westlicher Bauart. Weder die USA noch Großbritannien oder Frankreich haben ihre Systeme gespendet, außer ehemals sowjetischen Kampfpanzern ging nichts in die Ukraine. Deutschland ist also nicht alleine, allerdings als souveräner Staat doch für seine Handlungen alleine verantwortlich. Und dann wird es doch schwer für die deutsche Politik, einerseits gegen die Schweiz und ihre Exportvorschriften zu wettern und andererseits die angefragten deutschen Kampfpanzer nicht zu liefern. Schließlich kann deutsche Technik durchaus zu einem rascheren Sieg der Ukraine und somit weniger menschlichem Leid führen.

Erste Lieferung der polnischen K2-Kampfpanzer Von der Stange in knapp drei Monaten (BS/df) Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak twitterte: “Weitere Lieferungen von koreanischem Gerät sind auf dem Weg nach Polen. Die ersten zehn K2-Panzer werden bald die Ostflanke verstärken.” Damit erhält Polen gerade einmal zweieinhalb Monate nach dem Vertragsschluss die ersten südkoreanischen Systeme. Möglich wurde dies, weil Polen die Kampfpanzer so kauft, wie sie sich aktuell in der Produktion für die südkoreanischen Streitkräfte befinden. Hierdurch ließ sich die Produktionslinie schnell umsteuern und die K2 mit polnischen Hoheitszeichen versehen.

Nationalisierung nach ersten Lieferungen Insgesamt 180 dieser Kampfpanzer “von der Stange” sollen in den nächsten Monaten an Polen gehen. Parallel dazu werden Produktionsstätten in Polen aufgebaut, in denen dann die

weiteren polnischen Versionen des Kampfpanzers gebaut werden. Aktuell ist die Beschaffung von insgesamt 820 K2PL geplant. Vor der aktuell stattfindenden Abgabe von 200 T-72-Kampfpanzern an die Ukraine verfügte Polen über vier Panzerbataillone mit T-72, vier Panzerbataillone mit Leopard 2 und fünf Panzerbataillone mit PT-91 Twardy (eine polnische Weiterentwicklung des T-72). Mit den zusätzlichen 366 Abrams-Panzern aus den USA – der Vertrag wurde Anfang April 2022 unterzeichnet, die ersten Kampfpanzer trafen

am 22. Juli in Polen ein – sollen vier zusätzliche Panzerbataillone aufgestellt werden, während die 180 K2 vorerst als Ersatz für die abgegebenen T-72 dienen. Mit den K2, K2PL und Abrams käme Polen dann auf die stolze Zahl von mindestens 1.500 modernen Kampfpanzern, aufgeteilt in über 25 Panzerbataillone.

Lage in Deutschland Zum Vergleich: Deutschland hat laut dem letzten Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft vom Dezember 2021 insgesamt 289 Leopard 2 in “sechs unter-

schiedlichen Typen, die es auf vier Varianten zu reduzieren gilt”. Von diesen 289 Panzern waren allerdings nur 183 einsatzbereit. “Im Berichtszeitraum war zunächst ein Einbruch des Verfügungsbestandes festzustellen, der sich aber inzwischen wieder fast auf dem Niveau des Berichtes I/2021 befindet. Insgesamt werden diese Auswirkungen (Verfügbarkeitsdelle) der unterschiedlichen Maßnahmen bis 2025 spürbar bleiben.” Und vom Main Ground Combat System (MGCS) ist wiederum noch nichts zu sehen.

(BS/df) Die Unsicherheiten um die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte mit den für sie überlebenswichtigen Kommunikationsverbindungen gehen weiter. Ohne Starlink keine vernetzte Operationsführung, die Abhängigkeit von dem zivilen Anbieter ist zu groß. Gleichzeitig bewies der Inhaber von Starlink, Elon Musk, wie unsicher dies ist. Nachdem Starlink der Ukraine zuerst eine Chance ermöglichte, wurde diese Technologie gewis-

sermaßen mit einem Federstreich wieder entzogen. Musk forderte eine in seinen Augen angemessene Bezahlung und schaltete Starlink sogar vorsichtshalber für die Krim ab, damit die Ukraine, sollte sie die Krim befreien, nicht darauf zugreifen könne. Nun wurde Starlink zwar – nach erneutem Gesinnungswechsel Musks – wieder für die Ukraine aktiviert, aber wie lange diese Gunst hält, das weiß vermutlich noch nicht einmal Musk selber.

Neuer ASCOD optionally manned (BS/df) GDELS-Santa Bárbara Sistemas und SENER Aeroespacial zeigten auf dem Army 2E+I Forum einen ASCOD, der mittels Fahrassistenzsystem des ferngesteuerten und sogar autonomen Fahrens befähigt sein soll. Das Army 2E+I Forum ist eine der Möglichkeiten für die Industrie, ihre Fähigkeiten im Rahmen der Force-35-Initiative des Kommandos für logistische Unterstützung der spanischen Armee zu präsentieren. Die Vorführung des ASCOD als optional bemannte Plattform, in diesem Fall auf Gummiketten, erfolgte im Rahmen der dynamischen Demonstration, die am 10. Oktober auf dem Übungsplatz Los Alijares (Toledo) stattfand. Der ASCOD demonstrierte seine Fähigkeiten in einer Übung,

die von der Spanischen Legion entworfen worden war: dem Schlagen einer Bresche in ein Minenfeld. Von einer sicheren und geschützten Position aus konnte die Besatzung das Fahrzeug steuern und in Position bringen. Das Risiko, dem die Besatzung in einer solchen Situation ausgesetzt ist, wird dadurch erheblich reduziert. Die Einheit für den ferngesteuerten und autonomen Betrieb kann als Nachrüstsatz bisher bemannte Plattformen in optional unbemannte Plattformen verwandeln. Die nun erfolgte Demonstration dieses neuen Systems bedeutet einen qualitativen Innovationssprung in Bezug auf militärische Mobilität, die über die reine Entwicklung und Herstellung von gepanzerten Fahrzeugen hinausgeht.

Rollout des ersten modernisierten CV90 der Niederlande (BS/df) Der erste modernisierte CV90-Schützenpanzer für die niederländischen Streitkräfte wurde bei der Rollout-Zeremonie im BAE Systems HägglundsWerk in Schweden präsentiert. Die Teilnehmer sahen somit das erste Fahrzeug aus dem 500 Millionen Euro teuren Modernisierungsprogramm. Die niederländischen CV9035Fahrzeuge wurden mit mehreren verbesserten Fähigkeiten ausgestattet, darunter: Aktives Schutzsystem (APS), Panzerabwehrlenkwaffe (ATGM) sowie ein neues elektro-optisches Zielsystem (EOPS). Die Fahrzeuge verfügen außerdem über ein digitales Backbone der vierten Generation mit integrierter und robusterer Cyber-Sicherheit. Eine der wichtigsten Verbesserungen ist allerdings der von BAE Systems Hägglunds neu konstruierte CV90-Turm. Die Position

der Hauptwaffe wurde geändert, was laut dem Hersteller zu einer besseren Fahrzeugbalance führt und neue Möglichkeiten sowohl für die Bewaffnung als auch für die Besatzung schafft. “Diese Markteinführung ist ein wichtiger Schritt im Rahmen der Modernisierung der Schützenpanzer der Royal Netherlands Army”, sagte Vizeadmiral Arie Jan de Waard, Nationaler Rüstungsdirektor und Direktor der Defence Materiel Organisation (DMO). “Die Modernisierung des CV90 führt zu einem hochmodernen Schützenpanzer, der mehr Schutz, einen neuen Turm, größere Feuerkraft und eine neue IT-Infrastruktur bietet. Das Fahrzeug verbessert die operative Effizienz der Besatzung, wenn sie sich neuen Bedrohungen gegenübersieht, und sorgt gleichzeitig für die Sicherheit unserer Infanterie.”

Unterwassersysteme zur Minenjagd (BS/df) Polen hat weitere Double Eagle SAROV (Semi-Autonomous Remotely Operated Vehicle) – Unterwassersysteme zur Minenjagd – geordert. Diese sollen auf den drei neuen Minenjägern der Kormoran II-Klasse betrieben werden. Der Auftrag wurde mit dem polnischen Unternehmen Remontowa Shipbuilding S.A. unterzeichnet, das die zweite Serie der Kormoran-II-Klasse für die polnische Marine baut und mit

dem Double Eagle SAROV ausrüsten wird. Die Double EagleFamilie besteht aus einer Reihe von Unterwasserfahrzeugen zur Minenjagd. Mit verschiedenen Konfigurationen und Nutzlasten gibt es Lösungen von der Suche über die Identifizierung bis hin zur Neutralisierung von Minen. Die Auslieferung der nun georderten Double Eagle ist zusammen mit der Lieferung neuer Schiffe an die polnische Marine für die Jahre 2026-2027 geplant.


Letzte Seite

Behörden Spiegel / November 2022

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PASSION. Grafik: stock.adobe.com, Furkan

Warum nicht das eigene Hobby zum Beruf machen? Bei future4public erzählen Menschen aus dem Öffentlichen Dienst, wie sie genau das gemacht haben. Die letzte Seite dieser Ausgabe ist gemeinsam mit dem Nachwuchs-Journal des Behörden Spiegel future4public entstanden. Weitere Portraits inkl. Video­ einblicke finden Sie in der Ausgabe “Vom Hobby zum Beruf“ auf www.f4p.online.

Wie weit kann ich kommen? (BS/akh) Vom Hobby nicht nur zum Beruf, sondern auch zur Berufung – so beschreibt Jonathan Erdmann seinen Weg zum Spitzensportler. Als Viertklässler begann er, Volleyball zu spielen. Die Grundlagen erlernte er in der Halle, dann entdeckte er Beachvolleyball für sich. Unbedingt Profi werden, den Sport als einzigen Lebensmittelpunkt und alles andere hintanstellen – so hat Erdmann sich selbst nie gesehen. Und doch ist er Spitzensportler geworden. Das sei schleichend passiert, erklärt er. Gepackt vom sportlichen Ehrgeiz wollte er wissen: “Wie weit kann ich kommen?“ Dann kam eins zum anderen: die Trainings wurden intensiver, Turniere häufiger und Erdmann immer besser. Er reiste mehr, internationale Wettkämpfe kamen hinzu. Möglich gemacht hat das unter anderem die Bundeswehr. Durch ihre Förderung konnte Erdmann sich zu 100 Prozent auf den Sport konzentrieren. Im Oktober 2009 trat der gebürtige Potsdamer seine Grundausbildung an. Gemeinsam mit den Kameraden lag er in der Stellung, hielt Ausschau nach Feinden – man simulierte den Ernstfall. Eine sehr gute Zeit, wie er sagt. Herausfordernd, doch gemeinsam habe man vieles geschafft, was man vorher nicht für möglich gehalten habe. Seine Hauptaufgabe

lag auch als Soldat weiter beim Beachvolleyball. Erdmann wurde “Markenbotschafter”, repräsentierte die deutschen Farben bei internationalen Wettkämpfen, wurde Neunter bei den Olympischen Spielen 2012 und dritter bei der Weltmeisterschaft 2013. Auch zwei Deutsche Meistertitel gehören zu den wichtigsten Erfolgen in seiner Sportlerkarriere. Noch immer nimmt der 34-jährige an der Deutschen Tour inklusive Deutscher Meisterschaft im Beachvolleyball teil. Als Profi würde er sich selbst aber nicht mehr bezeichnen. Seit Kurzem lebt der Sportler mit seiner Frau und seinem Sohn in SchleswigHolstein. Sein Wissen über Sport gibt Oberbootsmann Erdmann an junge Rekruten weiter. Als Trainer KLF (Körperliche Leistungsfähigkeit) unterrichtet er an der Marineunteroffizierschu-

Der Kampf in deinem Kopf (BS/bhi) Sirko Abicht ist Tauchergruppenführer der Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt. “Manchmal”, berichtet der 44-Jährige, “wenn es ein Tauchgang mit null Sicht ist, wo die Temperatur mit zunehmender Tiefe immer geringer wird – und dann auch noch hinzukommt, Jonathan Erdmann Durch Beachvolleyball zur dass wir eine vermisste Person Bundeswehr: als Spitzensportler, suchen, dann kommt eine geMarkenbotschafter, Trainer wisse Kälte hoch.” Dieser Kälte müsse man mit positiven GeFoto: BS/Bundesweh, Kerstin Brandt fühlen entgegentreten. “Denn dieser Kampf findet in deinem le (MUS) Plön. “Der Beruf des Kopf statt.” Soldaten hat sehr viel auch mit Zuerst arbeitete Abicht als körperlicher Leistungsfähigkeit Dachdecker. Aber die Zeitliszu tun und das versuchen wir ten seien utopisch gewesen, den Rekruten in drei Monaten sagt er. Also bewarb er sich beizubringen und sie zu schu- im Jahr 2002 bei der Polizei. len.“ Ende letzten Jahres ging es Damals nahm diese nur einen für den Trainer zum ersten Mal von hundert Bewerbern. Abicht in den Einsatz. An Bord eines wurde angenommen. Statt der größten Marineschiffe, dem Dachdeckermeister wurde er Einsatzgruppenversorger (EGV) Polizeimeister. Er kam in die “Bonn”, bot er einen Monat lang Hundertschaft. “Ich habe ganz mehrmals täglich Sporteinheiten normal meinen Dienst gestalan und begleitete verletzte Ka- tet”, sagt er. “Oder vielmehr: meraden beim Rehasport. “Das gestaltet bekommen.” Nach der war eine unfassbar intensive, Probezeit ging es zurück zur tolle Zeit mit den Kameraden Schule, nach Aschersleben. Er an Bord”, schwärmt Erdmann. stieg in den höheren Dienst Die Arbeit auf dem Schiff ist für auf und stieß zur technischen ihn zu einer Herzensangelegen- Einheit, in der er immer noch heit geworden. Er freut sich, als seinen Dienst vollzieht. Trainer einen Beitrag leisten zu Mit dem Tauchen begann er können und plant bereits seinen ein oder zwei Jahre nach seinächsten Einsatz an Bord im nem Eintritt in die Polizei. Bei kommenden Jahr. einem Urlaub am Mittelmeer

Sirko Abicht Vom Dachdecker zur Polizei, von der Hundertschaft zum Tauchergruppenführer Foto: BS/PI ZD Sachsen-Anhalt

war er zum ersten Mal unter Wasser. Es folgten Tauchgang um Tauchgang, Lehrgänge und Training. Bei seiner Arbeit sucht Abicht nach vermissten Gegenständen, Diebesgut und Beweismitteln – aber auch nach vermissten Personen. “Ich bin derjenige, der entscheidet, ob und wie wir einen Einsatz durchführen können”, beschreibt er seine Aufgaben als Tauchergruppenführer. Die Rettungskette müsse stehen. Je nach Tiefe und den Verhältnissen könne es ansonsten gefährlich werden, berichtet der Polizeitaucher. Wenn es nötig ist, geht der Tauchergruppenführer selbst mit hinunter. So wie bei diesem Übungseinsatz. Das Wasser schlägt über seinem Helm zusammen und er taucht in eine schummrige, grüne Welt. “Das Farbspektrum filtert sich mit

Tonnenarbeiten auf der Ostsee

Schwerpunkt Multimedia

(BS/sr) Tonnenarbeiten, also die Wartung von schwimmenden Seezeichen, ist zwar eine häufige Aufgabe von Hannah Zakrzewicz, aber bei Weitem nicht die einzige, die sie und ihre Kollegen wahrnehmen, im Interview mit Bennet BiskupKlawon berichtet sie von ihren Aufgaben und ihrem Werdegang zur Schiffsmechanikerin. “Mein Vater hat mir mit sieben Jahren versucht, das Segeln beizubringen und seit ich zehn bin haben wir die Familienurlaube auf Wasser verbracht” erklärt die 21-Jährige ihre Begeisterung für die Schifffahrt und ihren Beruf. Eine Ausbildungsstelle zu finden, erwies sich gar nicht mal so leicht. Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz war dann ihr Alter von 16 Jahren ein Pro­ blem. Denn der Jugendschutz sorgt dafür, dass die meisten Reedereien keine Minderjährigen einstellen, da sich die Arbeitszeiten und Dienstreisen nur selten mit dem Jugendschutz zusammenbringen ließen, berichtet Zakrzewicz. Über das Arbeitsamt erhielt sie jedoch den Kontakt zum Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) und konnte dort ihre Ausbildung beginnen. Bei so viel Zeit auf See stellt sich unwissenden Landratte die Frage, ob sie schon mal Angst hatte, dass ihr Boot sinkt. Zakrzewicz musste lange

(BS/sp) Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) trägt seinen Namen nicht mehr lange. Ab 2023 wird es in Bundesamt für Logistik und Mobilität umbenannt (BALM). Der Öffentlichkeit den Namenswechsel nahezubringen, ist schwer genug, aber wie bringt man es den eigenen Mitarbeitenden beim BAG bei? Timo Tsangarakis ist verantwortlich für einen Videopodcast, der die Kommunikation zwischen Präsidenten und Mitarbeitenden herstellt und Fragen rund um die Umstrukturierung beantwortet. Was haben wir damit zu tun? Was müssen wir umstellen? Diese und weitere Fragen beantwortet der interne Videopodcast von Timo. Er ist dabei nicht nur für die inhaltliche, sondern auch für die technische Umsetzung zuständig. Dafür bereitet er die Drehorte vor, richtet Licht und Kamera ein und ist später für die Post Production zuständig. In vielen öffentlichen Ämtern werden für die Erstellung derartiger Imagevideos, egal ob für den internen oder externen Gebrauch, externe Dienstleister beauftragt. Die Stelle, die Timo mittlerweile bekleidet, war in der Form nicht ausgeschrieben: “Ich habe mich damals für den ITBereich beworben, weil es schon immer mein Hobby war. Ich bin mit Computern großgeworden und habe schon damals an ih-

Hannah Zakrzewicz “Für die Ausbildung zur Schiffsmechanikerin würde ich mich immer wieder entscheiden.” Foto: WSA Ostsee

über diese Frage lachen. “Es ist selbstverständlich, dass ein Schiff schwimmt. Das ist in etwa so, als würde man beim Autofahren ständig Angst haben, dass einem die Achse wegbricht oder man das Lenkrad plötzlich in der Hand hält. Schon beim Schiffsbau gibt es zahlreiche Maßnahmen, die ein solches Ereignis verhindern sollen.” So etwa Doppelwände, die Bilge (den tiefsten Punkt eines Schiffes), in dem sich Wasser und andere Flüssigkeiten sammelten und die dann entweder von Bord oder in den sogenannten Slop-Tank gepumpt würden, erläutert sie einige der Gegenmaßnahmen. Zudem sorgen die Schiffsmechaniker durch ständige Kontrollen auch dafür, dass mit den Booten möglichst alles in Ordnung ist. Neben der Wartung der Reederei-eigenen Schiffe und der

bereits angesprochenen Tonnenarbeit sind die Aufgaben die Zakrzewicz und ihre Kollegen erfüllen, breit gefächert: von Transportaufgaben bis hin zu schifffahrtspolizeilichen Aufgaben. “Man kann viel machen. Es ist zwar ein handwerklicher Beruf, der viel in die Technik des Maschinenwesens geht, aber auch in die Ladung und die Geräteführung; (…) aber man kann auch Nautik lernen”, schlüsselt sie die Aufgabenvielfalt auf. Neben ihrer Tätigkeit bei der WSA ist Zakrzewicz auch Reservistin für das Mehrzweckschiff Arkona, das unter anderem zur Schadstoffunfall-Bekämpfung zum Einsatz kommt. Noch hat sie keine Einsätze auf der Arkona absolviert, da diese glücklicherweise eher selten sind. An den regelmäßigen Übungen nimmt sie aber teil.

zunehmender Tiefe raus”, erklärt der Taucher. “Rot verschwindet zuerst. Bei 30 bis 40 m bleibt nur noch blau und grün. Erst mit Taucherlampen kann man die wahre Schönheit da unten wieder zum Leuchten bringen.” Schlamm und Algen verzieren den Grund. Abicht gibt sich Mühe, den Boden nicht aufzuwühlen. Dann ertastet er etwas. In seiner Hand ist plötzlich ein schwarzes Handy. Unter Wasser formt er mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis: alles gut gegangen. Warum er das macht? “Die Notwendigkeit, die unsere Arbeit mit sich bringt, ist mitunter nicht schön”, sagt Abicht. “Aber wir bringen Klarheit. Es ist für jeden Hinterbliebenen einer vermissten Person allemal besser, zu wissen, dass es jetzt so ist, als weiter in der Luft zu hängen.”

Timo Tsangarakis Mit dem Vater getourt, in der IT beim BAG beworben und mittlerweile Multimedia-Talent. Foto: BS/privat

nen rumgeschraubt”, erzählt er. Der Switch zum Schwerpunkt Multimedia ergab sich durch die Corona-Pandemie. Durch die Umstrukturierung von Pressekonferenzen und Meetings in den digitalen Raum entstand ein Bedarf, der anfangs nicht zu erfüllen war. Als Timo in den ersten virtuellen Treffen Vorschläge unterbreitete, wie man z. B. Pressekonferenzen im Haus sichtbar machen könne, war man begeistert von seinen Ideen: “Die Leute dachten sich, lasst den mal machen”, sagt Timo. Dann kamen immer mehr Aufträge, mit denen die meisten Mitarbeitenden überfordert waren: “Da habe ich meine Chance gesehen”, erklärt er lachend. Diese Technikaffinität kommt nicht von ungefähr. Durch seinen Vater, der als Musiker arbeitet, war er bereits als Kind viel

mit ihm unterwegs und durfte seine ersten Erfahrungen mit technischen Produktionen machen: “Da habe ich schon ein bisschen am Mischpult rumgedreht und geschaut, wie das funktioniert”, erzählt er. Mittlerweile ist er mit seinem Vater in zwei Theatergruppen aktiv und dort verantwortlich für Sound und Licht. Wie ihm insgesamt der Wechsel von der IT zu Multimedia gefällt? “Es ist viel mehr Stress. Aber schöner Stress, der Spaß macht”, konstatiert Timo. “Das, was ich privat mache, mache ich jetzt auch beruflich und verliere auch den Spaß nicht daran”, so sein Resümee. Ob es noch etwas gibt, was ihm fehlt? “Würde ich jetzt am Ende des Tages noch eine Gitarre in der Hand halten, hätte ich zu 100 Prozent mein Hobby zum Beruf gemacht”, scherzt Timo.


S:285 mm

DIE RICHTIGE WAHL FÜR DEUTSCHLAND Der H-47 Chinook steht schon heute als risikoarme und zuverlässige Lösung für Deutschlands SchwerlastMissionen bereit. Über 6 Millionen absolvierte Flugstunden und mehr als 950 Chinooks im weltweiten Einsatz belegen seine Erschwinglichkeit und unerreichte Einsatzvielfalt. Der Chinook kann unter den härtesten Bedingungen und in den anspruchsvollsten Umgebungen fliegen und somit auch die herausforderndsten Missionen der deutschen Bundeswehr problemlos erfüllen. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Interoperabilität mit den

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Publications: Behorden Speigel

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Steve Jablonoski

PR:

Pat Owens

S:430 mm

insgesamt 20 internationalen Betreibern, darunter 8 NATO Nationen, bei denen der Chinook weltweit im Einsatz ist.


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