Behörden Spiegel November 2022

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Katastrophenschutz

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ehörden Spiegel: Was sind die Herausforderungen, denen sich das Amt in nächster Zeit aufgrund der aktuellen Lage gegenübersieht?

Ralph Tiesler: Wir befinden uns seit über zwei Jahren in einem ständigen Krisenmodus, in sogenannten Mehrfachlagen, das heißt verschiedene Krisen finden zeitgleich statt. Wir erleben parallel die Corona-Pandemie, eine zunehmende Flüchtlingssituation und jetzt den Ukraine-Krieg. Besonders im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine haben Themen wie Stromausfälle und Fragen der Sicherheit in der Energieversorgung einen neuen Stellenwert im öffentlichen Diskurs erhalten. Daraus ergeben sich mehrere Herausforderungen. Zum einem rückt insbesondere für uns als BBK die Bevölkerungsinformation in den Fokus. Fragen dabei sind: Wie können wir den Menschen dabei helfen, gut und sicher durch den nächsten Winter zu kommen? Es adressiert aber auch Themen der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Die Ereignisse im Ahrtal im letzten Jahr haben uns noch mal sehr deutlich gemacht, dass die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des Bevölkerungsschutzes verbesserungswürdig ist. Für mich persönlich ist es wichtig, dass wir uns in diesem Zusammenhang noch stärker und vor allem ganzheitlich betrachtet mit Themen wie dem Schutz von Kritischen Infrastrukturen und Resilienz gemeinsam mit Bund und Ländern auseinandersetzen. Behörden Spiegel: Der Haushaltsentwurf des Bundes für 2023 sieht massive Kürzungen im Bevölkerungsschutz vor. Auch Ihr Amt soll substanziell sparen. Wird es so kommen? Tiesler: Dies ist der erste Regierungsentwurf gewesen. Der ist in der Tat nicht ausreichend für das, was die Ministerin im Neustartprogramm vorgestellt hat. Für uns bedeutet das: Wir müssen

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ei der Berliner Feuerwehr, die zumindest durch den zeitweiligen Stromausfall im Stadtteil Köpenick 2019 schon praktische Erfahrung sammeln konnte, gibt man sich gelassen. “Blackouts und ihre Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der Berliner Feuerwehr sind bereits seit vielen Jahren Bestandteil strategischer und struktureller Überlegungen bzw. Planungen”, heißt es auf Anfrage. Ereignisse wie Blackouts würden regelmäßig geübt, dabei würden Maßnahmen geprüft und weiterentwickelt. Grundsätzlich würden die Resilienz und die Krisenstabilität der Berliner Feuerwehr fortwährend gestärkt. So wurden weitere Stromaggregate und Kraftstoffreserven als Vorbereitung beschafft. Die Kraftstoffreserve sei für den Betrieb der Notstromgeneratoren und zur Notstromversorgung der Standorte vorgesehen. Zudem wurden interne Handlungsanweisungen erstellt und technische Ertüchtigungen vorgenommen, die das Arbeiten intern und vor allem mit externen Partnern ermöglichen. Im Falle eines Blackouts werde weiterhin der Sicherstellungsauftrag erfüllt, zeigt sich die Berliner Feuerwehr überzeugt. “Die hier getroffenen Vorsorgemaßnahmen sind darauf ausgelegt, die Berliner Feuerwehr längstmöglich leistungsfähig zu halten. Natürlich ist auch die Versorgung mit Kraftstoff ein relevanter Faktor, aber auch hierzu wurden Maßnahmen getroffen, um diese zu gewährleisten”, heißt es einschränkend.

Aus der Lage herraus handeln In der Landeshauptstadt Bay-

Behörden Spiegel / November 2022

Keine großflächigen Stromausfälle erwartet BBK-Präsident Tiesler über Resilienz und Blackout (BS) Wie sollen sich Bürgerinnen und Bürger auf einen Stromausfall vorbereiten? Das erklärt Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), im Interview. Zudem erklärt er, wie er sich die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern im Katastrophenschutz vorstellt. Die Fragen stellten Uwe Proll und Bennet Biskup-Klawon.

“Wir müssen die Menschen im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft ernst nehmen.” Ralph Tiesler ist seit Juni dieses Jahres Präsident des BBK. Foto: BS/Rotthaus

in den Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr nachlegen. Wir sind zwar mit mehr Personal bedacht worden, und das ist ein erster guter Schritt in die richtige Richtung. Aber wir brauchen auch ausreichend finanzielle Mittel für weitere Warnmittel, für eine bessere Ausstattung und für eine bessere Kommunikation mit der Bevölkerung und zwischen den Akteuren. Es wird deswegen sehr wichtig sein, mit dem Parlament ins Gespräch zu kommen, um beim endgültigen Regierungsentwurf für das nächste Haushaltsjahr noch mal nachzulegen. Behörden Spiegel: Katastrophenschutz ist nach dem Grundgesetz Ländersache. Dennoch wird immer wieder Unterstützung seitens des Bundes gefordert. Wie kann man die Länder dazu bewegen, mehr Geld für den Katastrophenschutz bereitzustellen?

Tiesler: Es gibt einen Vorschlag der Länder: ein Zehn-Milliarden-Programm in zehn Jahren. Dieses Programm ist durchaus fachlich zwischen Bund und Ländern akzeptiert. Die Ministerin hat gesagt, dass sie sich vorstellen kann, dass der Bund einen großen Teil dieser Kosten tragen könnt. Die genaue Teilung zwischen Bund und Ländern ist jetzt Gegenstand der Verhandlungen. Ich bin mir sicher, wenn der Bund jetzt hier etwas vorlegt, dass die Länder dann nachziehen werden. Denn es kann nicht sein, dass hier nur der Bund aufgefordert ist. Denn Bevölkerungsschutz ist quasi eine Gemeinschaftsaufgabe, die von Bund und Ländern gemeinsamen getragen werden muss. Behörden Spiegel: Einige Länder haben Landeskatastrophenschutzämter auf den Weg gebracht. Wie könnte dann eine

Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern und dem BBK aussehen? Was bedeutet das für eine eventuelle Zentralstellenfunktion? Tiesler: Es ist eine gute Entwicklung, dass es einzelne Bundesländer gibt, die Landesämter schaffen wollen. Wir als BBK brauchen ein Pendant, mit dem wir unmittelbar reden können, wenn wir denn am Ende eine Zentralstellenfunktion ausfüllen sollen. Aber auch ohne Gesetzesänderung haben wir Formate und Angebote geschaffen und tun das weiterhin, die diesem Begriff der Zentralstelle durchaus gerecht werden, wie das GMLZ oder die EU-Kompetenzstelle, die gerade bei uns gebildet werden soll. Es bleibt aber die Frage, ob es dafür einer Verfassungsänderung bedarf, um dem Bund hier – und damit dem BBK –

eine gesetzliche Zentralstellenkompetenz zu geben. Da bin ich der Auffassung, dass wir insbesondere jetzt keine Föderalismusdiskussion gebrauchen können, sondern auf der Basis der Freiwilligkeit, wie beim Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB), weiterarbeiten sollten. Das sind gute Beispiele dafür, wie wir die Zentralstellenrolle in Zukunft verstehen und ausbauen wollen. Behörden Spiegel: Wo liegen die größten Probleme bei der Resilienz in Deutschland? Tiesler: Für mich stehen die Menschen in unserer Gesellschaft an erster Stelle. Wir müssen mit der Bevölkerung, also mit jeder und jedem Einzelnen, eine andere, eine dialogorientiertere Kommunikation finden. Sie sind ganz wichtige Akteure in der Bewältigung von Krisen. Dazu zählt vor allem, dass die Menschen sich nicht mehr ohnmächtig in einer Krisensituation fühlen dürfen. Wir müssen die Menschen im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft ernst nehmen – und das tun wir als BBK auch. Wir müssen ihre Kompetenzen stärken, wozu beispielsweise auch die Bevorratung gehört. Für Politik und Wirtschaft ist die Resilienz im Bereich Kritischer Infrastrukturen ein wichtiger Faktor. Die jüngsten Ereignisse, ob es nun die Cyber-Sicherheit oder physische Gefahren betrifft wie bei der Sabotage der Ostseepipeline, beschäftigen uns sehr. Das sind Themen, die ebenso in die Resilienzbetrachtung einfließen müssen. Hier kommt dann auch die Zusammenarbeit zwischen

Wenn es länger dauert, wird es schwierig Feuerwehr und THW im Blackout

Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr bereitet sich auf einen Blackout vor. Eine Achillesferse ist u. a. die Kraftstoffversorgung. Foto: BS/Fr@nk, stock.adobe.com

erns hat man weniger Informationen über die Auswirkungen eines Blackouts auf den eigenen Betrieb. “Eine genaue Einschätzung kann nicht getroffen werden”, heißt es von der Münchner Feuerwehr. Bei Eintritt eines solchen Ereignisses gebe es viele unabwägbare Einflussfaktoren. Die Auswirkungen zeigten sich erst im Verlauf und müssten dann aus der Lage bewältigt werden. Man sei mit eigens dafür erarbeiteten Einsatzplänen vorbereitet und es gebe Kooperationen mit beteiligten Dienststellen und weiteren Organisationen. Konkret seien die Wachen und

Gerätehäuser mit Notstrom versorgt, eine Kraftstoffbevorratung zum Betrieb sei angelegt und die notwendigen Kommunikationsmittel seien redundant verfügbar. Zudem verfüge man über eigene Tankeinrichtungen zur Versorgung der Einsatzfahrzeuge. Auf die Frage, wie lange die Feuerwehr München im Fall der Fälle durchhalten würde, heißt es jedoch nur, dass die Bevorratung mit Kraftstoff zum autarken Betrieb auf einen längeren Zeitraum ausgelegt sei.

Ziel: 72 Stunden durchhalten Konkreter wird dabei die Feuer-

Behörden Spiegel: Das Thema Bevorratung sorgt immer wieder für Diskussionen. Müssen die Menschen die Bevorratungsliste des BBK für einen Blackout abarbeiten? Tiesler: Im Augenblick liegen uns, dem BBK und der Bundesnetzagentur, keine Erkenntnisse vor, dass wir lange andauernde großflächige Stromausfälle zu erwarten haben. Wahrscheinlicher ist, dass wir kleinräumige und kurz andauernde Stromausfälle erleben könnten, die nötig werden, um die Anlagen bei Überlastung der Netze zu schützen. Da das niemand seriös ausschließen kann, empfehlen wir, sich auf Stromausfälle vorzubereiten, beispielsweise mit einem Vorrat von drei Tagen. Uns geht es nicht darum, dass die Menschen unsere Checkliste akribisch abarbeiten. Uns ist es wichtig, dass sie überhaupt etwas tun. Weil etwas aktiv zu tun bedeutet, dass der Mensch nicht ohnmächtig und hilflos ist und sich den Situationen nicht ausgeliefert fühlt. Sondern es macht ihn stark, schafft Selbstwirksamkeit und stärkt das Gefühl von Sicherheit, denn mit jedem kleinen Schritt, den der und die Einzelne tut, trägt er zu einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz bei. Außerdem ist das ein wertvoller Beitrag, der das Hilfeleistungssystem entlastet. Das verschafft uns die Möglichkeit, im Ernstfall vor allem für die Vulnerablen in unserer Gesellschaft zu sorgen, die sich nicht selbst schützen können. Die Bürgerinnen und Bürger leisten so einen Beitrag für diese Gemeinschaft. Ich halte das in diesen Zeiten für ein starkes Zeichen der Solidarität.

aber klar: Je länger der Blackout dauere, desto schwieriger werde es, Hilfe zu leisten.

In Stufen planen

(BS/Bennet Biskup-Klawon) Die Katastrophe im Ahrtal hat es schon gezeigt. Die Warnungen von Katastrophenschutzexpertinnen und -experten weisen in die gleiche Richtung. Mit der Zunahme von komplexen, gebietsübergreifenden Lagen steigt die Eigenbetroffenheit der Gefahrenabwehr. Grade im Hinblick auf eine mögliche Blackout-Lage entstünde durch Eigenbetroffenheit und Einsatzanstieg eine Doppelbelastung. Doch die Behörden bereiten sich auf ein solches Szenario vor. wehr Dresden. Dort hat man das Ziel ausgegeben, 72 Stunden ohne Strom einsatzfähig zu bleiben. Dies will man mittels mobilen Tankanlagen (Das Brand- und Katastrophenschutzamt von Dresden verfügt über keine eigene Tankstelle.) und Netzersatzanlagen erreichen, über die alle fünf Feuer- und Rettungswachen der Berufsfeuerwehr sowie die Integrierte Regionalleitstelle verfügen würden. Beim Technischen Hilfswerk (THW) hänge die Stärke der eigenen Betroffenheit stark vom Ausmaß und der Dauer des Blackouts ab. Als Zivil- und Katastrophenschutzorganisation gehöre es zum Einsatzspektrum, auf Stromausfälle vorbereitet zu sein. Man bereite sich als Teil der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) so gut es gehe auf einen Energieausfall vor. Es würden die gleichen Methoden angewendet, die auch anderen KRITIS-Betreibern oder Privathaushalten empfohlen würden: “Analyse der eigenen Lage und der eigenen Abhängigkeiten ganz konkret vor Ort. Davon abhängig angepasste (Vorsorge-) Maßnahmen, um die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten zu können. Wichtig ist es auch, Vorsorgemaßnahmen zu beüben (z. B. regelmäßige Tests der Notstromaggregate.).” Zwar

den Akteuren im Bevölkerungsschutz und darüber hinaus ins Zentrum. Wir brauchen bessere und nachhaltige Strukturen der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen, aber auch zwischen den verschiedenen Akteuren. Die Resilienzstrategie bietet hierfür eine wichtige Grundlage.

verfüge das THW über kein zentrales Benzinlager, dennoch hätten die einzelnen Ortsverbände Vorsorge getroffen. Im Schwarzfall will das Hilfswerk mit seinen Fachgruppen Elektroversorgung, Infrastruktur und Notversorgung und Notinstandsetzung helfen. Die Fachgruppe Elektroversorgung könne beispielsweise eine temporäre Stromversorgung mit Netzersatzanlagen für Notunterkünfte, kommunale Energieversorgungsanlagen, Einrichtungen und Betriebe öffentlichen Interesses sowie für andere Bedarfsträger sicherstellen. Insgesamt gebe es bundesweit 120 Fachgruppen Elektroversorgung. Zur Treibstoffversorgung verfüge das THW in den Fachzügen Logistik über mobile Tankanlagen. “Bei alldem ist es wichtig, zu betonen, dass wir bei all unserer Technik immer nur punktuell helfen können. Bundesweit stehen die THW-Ortsverbände daher in Austausch mit den zuständigen Stellen bei Kommunen und Landkreisen. Im Falle eines Stromausfalles entscheiden die Kommunen und Landkreise, in welchem Umfang und wo das THW in den Einsatz kommt”, stellt das THW klar. Die Kommunen legten fest, welche KRITISEinrichtungen mit Strom versorgt werden müssten. Eins sei

Nach Einschätzung von Oberbranddirektor Volker Skrok, Mitglied im Fachausschuss Zivil- und Katastrophenschutz der deutschen Feuerwehren des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF), sind die Feuerwehren in Deutschland grundsätzlich gut auf einen Blackout vorbereitet. Das Thema stehe bei den meisten Feuerwehren seit Jahren oben auf der Liste. Er empfiehlt zur Vorbereitung, eine Gefährdungsanalyse der eigenen Organisation durchzuführen und die Schwachpunkte festzustellen. Dabei solle in Verbindung mit der Stadtverwaltung und dem zuständigen Energieversorger das Risiko ausführlich betrachtet werden. “Im Zuge eines Umsetzungskonzeptes sollten dann die verschiedenen Szenarien, die sich in den Stufen bis zu einem kompletten Blackout ergeben können, betrachtet werden und aufeinander aufbauend beplant werden. Dabei gilt es, die verschiedenen Aspekte der Kommunikation, der Aufrechterhaltung des Dienst- und Einsatzbetriebs, der Lagedarstellung und -bewertung sowie der Versorgung zu betrachten”, so Skrok. Es gelte, vor allem die ausreichende Kraftstoffversorgung, den Notstrombetrieb sowie die Notwendigkeit von zusätzlichen Beschaffungen für die Szenarien zu prüfen, sagt der Oberbranddirektor.


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