Stift Wilten Aktuell - Herbst 2020

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CONTEMPLATIO

Zur Geschichte des Stiftes Wilten 27. Kapitel Die bedeutenden Äbte Andreas Mayr (1621 – 1650) und Dominikus Löhr (Loer) (1651-1687). Erbauung der barocken Stiftskirche und der Wallfahrtskirche Heiligwasser Text: Prior Klemens Halder OPraem

Abt Andreas Mayr war wissenschaftlich sehr gut ausgebildet. 1603 hatte er nach drei Jahren Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Ingolstadt das philosophische Doktorat erworben. Nach zwischenzeitlichen Tätigkeiten – auch als Prior – hielt er sich für höhere theologische Studien zunächst in Dillingen, dann ab Spätherbst 1613 in Rom auf und erlangte im Mai 1614 in Perugia das theologische Doktorat. 1621 zum Abt gewählt, nahm er am Leben der Prämonstratenserklöster der bayerischen Zirkarie regen Anteil und bemühte sich, das erneuerte Prämonstratenserleben in Wilten zu festigen. Beim Kapitel der bayerischen Zirkarie 1629 wurde er zusammen mit dem Abt von Steingaden zum Deputierten für das Generalkapitel gewählt. 1630 wurden in Prémontré nach Vorarbeiten auf mehreren Generalkapiteln die neuen Ordensstatuten endgestaltet und in Kraft gesetzt. Trotz Abt Andreas Mayr, der langen Reise und der Äbtebilder, Stift Wilten hohen Kosten nahm Andreas Mayr die Mühe der Teilnahme am Generalkapitel auf sich. Nach dem Wiedererstarken des Prämonstratenserordens bemühten sich manche Abteien, in der Reformationszeit verlorengegangene Klöster erneut zu besiedeln. Andreas Mayr versuchte das hinsichtlich des Wiltener Tochterklosters Speinshart in der Oberpfalz. Jenes war 1556 vom zum Calvinismus übergetretenen Landesherrn aufgehoben worden. Inzwischen war der katholische bayerische Kurfürst dort Landesherr und hatte 1621 das Kloster erworben. Jener lehnte das Ansuchen des Wiltener Abtes hinsichtlich einer Wiederbesiedlung wegen seiner finanziellen Interessen ab. Abt Andreas sandte trotzdem 1629 drei bestausgebildete Chorherren dort hin. Nach erfolglosem Bemühen 18

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kehrten zwei 1632 zurück, der dritte blieb dort und starb 1633 an der Pest. Andreas Mayr hatte sicher während seiner Studienaufenthalte im Ausland neue religiöse Kunst und Architektur kennengelernt. 1623 ließ er von Paul Honecker (Honegger) ein auf 28 m2 Leinwand gemaltes Fastenbild für die Stiftskirche schaffen. Die tiefe (theologische) Glaubensaussage dürfte auf Andreas Mayr zurückgehen. Neben der Beweinung des toten Christus wird durch große Engel schon auf Auferstehung und Himmelfahrt hingewiesen; auch ist durch die von Gott Vater und dem Heiligen Geist (Taube) ausgehenden Feuerflammen die Geistsendung am Pfingstfest angedeutet. Das große Bild dürfte in der Fastenzeit den damals noch bestehenden gotischen Flügelaltar abgedeckt haben. Unter Abt Andreas wurde das „Leuthaus“ zwischen Stift und Basilika Wilten, an der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert erbaut und bis damals deutlich niedriger, zur heutigen Gestalt ausgebaut. Am Dachstuhl ist die Jahrzahl 1626 zu finden. 1619 war für die jetzige Jesuitenkirche der Grundstein gelegt worden. In jener Zeit des 30-jährigen Krieges dauerte es bis zur Fertigstellung, auch wegen des zwischenzeitlichen Einsturzes der fast fertig gebauten Kirche, sehr lange. Erst ab 1640 konnte jene im frühbarocken Stil erbaute Kirche für Gottesdienste genutzt werden. Bei den archäolo- Fastenbild der Stiftskirche, gischen Grabungen Paul Honegger 1623 in der Stiftskirche 2005/2006 war es eine große Überraschung, dass im Bereich zwischen Kommuniongitter und Hochaltar eine mit Schutt aufgefüllte Krypta freigelegt wurde. Wie im am Ende des 1641 gedruckten „Mortuarium Wilthinense“ (Verstorbenenverzeichnis) festgehal-


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