LEITWORT
Grüß Gott!
Abt Raimund Schreier OPraem
Im Laufe der Kirchengeschichte ist es wohl noch nie vorgekommen – nicht einmal in Zeiten von Kriegen – dass in unseren Kirchen keine offiziellen Gottesdienste gefeiert werden durften. Letztes Jahr konnte Ostern nur in einem kleinen Kreis zelebriert werden – mit Abstand, desinfizierten Händen, ohne Gesang, ohne Chor und Orchester. Schmerzlich war für viele Menschen der Abschied ihrer Toten: nur im engsten Kreis der Angehörigen war ein Begräbnis erlaubt. Inzwischen müssen beim Gottesdienst medizinische Masken getragen und zwei Meter Abstand gehalten werden. Die Gläubigen, die dann keinen Platz mehr in der Kirche finden, müssen heimgeschickt werden. Dieses Virus Covid 19 hat uns weltweit eine Erfahrung zugemutet, die noch niemand von uns gemacht hat. Seit einem Jahr haben wir alle eine nicht enden wollende Fastenzeit. Wir müssen auf vieles verzichten, was uns lieb und wichtig ist: Kontakte sind eingeschränkt, ebenso die Reisefreiheit, das gemeinsame Feiern von Festen, das gute Essen mit Freunden in einem Restaurant, Kinder sind von ihren Schulfreunden getrennt und sollen ihre Großeltern nicht umarmen. Wir müssen in den Lockdowns zu Hause bleiben. Kaum jemand darf uns besuchen. Theater, Kino, Museen, Veranstaltungssäle sind geschlossen. An vielen Türen ist zu lesen: Geschlossen. Abgesagt. Findet nicht statt! Auf der Titelseite finden sie unsere Klostertür in die Klausur. Dieses Wort kommt vom lateinischen claudere – schließen. D. h. sie ist für Fremde geschlossen. Aber diese Klausur ist eine freiwillige, um in Stille und Abgeschiedenheit uns dem Studium und dem Gebet ungestört widmen zu können. Zurück zur unfreiwilligen „Klausur“: Viele haben ihre Arbeit verloren; ihr Unternehmen steht vor dem Konkurs; Arbeit wurde für viele zum Homeoffice – daneben sollte man noch mit den Kindern spielen und ihnen Unterricht geben.
Die ganze Gesellschaft steht weltweit in einer großen Krise – besonders was das Gesundheitssystem, die Bildung, die Kultur, aber vor allem die Wirtschaft betrifft. In manchen Ländern sind die Krankenhäuser überfüllt, bzw. gibt es keine Plätze mehr für Corona-Kranke; es gibt hunderttausende Tote auf dem gesamten Globus und aufgestapelte Särge. Eine unerwartete und unfreiwillige Fastenzeit ist über die ganze Welt hereingebrochen. Sie dauert leider nicht nur 40 Tage wie die kirchliche Fastenzeit. Gelingt es uns, dieser langen Fastenzeit auch Gutes abzugewinnen? Trotz all dieser Einschränkungen, der vielen Kranken und Toten gab es sicher auch Erfahrungen des Glücks, der Freude, gab es Sternstunden, oder wie wir biblisch sagen würden „Taborstunden“. Da gab es viele Sternstunden der Solidarität, des gegenseitigen Helfens; da gab es mehr Stunden für die Glaubensvertiefung und das Gebet, vor allem für das fürbittende Gebet, besonders für die Kranken und Sterbenden; da gab es Taborstunden der Dankbarkeit, ein wichtiger Schlüssel zum Glück gerade in Krisenzeiten; und da gab es auch das Lachen – trotz allem. Vielen ist das Lachen in dieser schweren Krise vergangen. Aber doch haben Menschen gerade in der Dankbarkeit für das Wenige und Wesentliche die echte Freude wiederentdeckt und damit das Lachen. „Wo ist dein Lächeln geblieben? Diese Frage einer demenzkranken Frau während des Lockdowns hat eine Pflegerin dermaßen erschüttert, dass diese daraufhin in Tränen ausgebrochen ist“ – so schreibt der Linzer Bischof Manfred Scheuer in seinem Fastenhirtenbrief 2021. „Der Mund-NasenSchutz verdeckte das vertraute Gesicht der Bezugsperson, verdeckte die Lebensfreude… Die Fastenzeit dieses Jahres gibt uns die Gelegenheit, dem Grundwasser unserer Lebensfreude neu auf die Spur zu