ACTIO
Mit Gott bei den Menschen Gedanken von Generalabt Jos Wouters OPraem zum Beginn des 900-Jahr-Jubiläums des Prämonstratenser-Ordens. Ein Jubiläum ist das Gedenken an ein Ereignis, das vor vielen Jahren stattgefunden hat. Die Ordensgelübde des Hl. Norbert und seiner ersten Anhänger am Weihnachtstag 1121 sind der Beginn einer Geschichte, die seit neun Jahrhunderten andauert. In Übereinstimmung mit dem Motto unseres Generalkapitels von 2018 (nativitas Christi, nativitas Ordinis) können wir sagen, dass der Tag, an dem DAS WORT unter uns geboren wurde, auch der Tag war, an dem unser Orden eine institutionalisierte Realität wurde. Beide vitae (Lebensbeschreibungen) des Hl. Norbert berichten von diesem Ereignis am Weihnachtstag, als sich die ersten Prämonstratenser zur Regel des Hl. Augustinus bekannten. Norberts Lebensbeschreibung erinnert an die Diskussionen innerhalb der Gemeinschaft über die Lebensweise, der sie folgen sollten. „Einige von denen, die Norbert folgten, glaubten, dass das, was sie von ihm hörten, für die Errettung ausreiche, und meinten deshalb weder eine Regel noch eine Lebensstruktur zu brauchen.“ Aber der heilige Norbert wusste wahrscheinlich aus Erfahrung, „dass ohne eine Struktur des Lebens und ohne eine Regel und ohne die Anleitungen von Oberen die apostolischen und evangelischen Vorschriften nicht vollständig eingehalten werden konnten.“ Die Lebensbeschreibung erinnert an die verschiedenen Optionen, die zur Auswahl standen, um das Leben der Anhänger von Norbert zu strukturieren. Würden sie die Lebensweise der Zisterzienser übernehmen oder eine Kolonie von Einsiedlern bilden? Über den Hl. Norbert wird gesagt: „Er dachte über diese vielen Dinge in seinem Herzen nach, schließlich aber entschied Norbert, die Regel zu akzeptieren, die der selige Augustinus für seine Anhänger aufgestellt hatte, um nicht die kanonische Berufung zu verraten, zu der er und die, die seit ihrer Jugend mit ihm leben wollten, sich verpflichtet hatten.“ Norbert wählte für seine Anhänger den Weg als regulierte Chorherren. Er erneuerte und radikalisierte so eine bereits bestehende Lebensweise. Die Wahl der Regel des Hl. Augustinus ist für Norbert auch dadurch gerechtfertigt, da er glaubte, dass diese Regel die apostolische Lebensweise ordnet und erneuert, d. h. das Leben, das Christus selbst mit seinen Aposteln geführt hatte und das in der Urkirche fortgesetzt worden war. Von Bedeutung ist der abschließende Satz: „Er 8
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Generalabt Jos Wouters OPraem
(Norbert) hoffte nun, das apostolische Leben zu führen, das er als Wanderprediger geführt hatte.“ Die Entscheidung des Hl. Norbert und seiner Anhänger, ihre kanonische Berufung zu erneuern, basiert auf derselben Inspiration wie unser Motto für dieses Jubiläum: „With God among the people“. Ich erinnere mich noch an das Treffen, bei dem wir uns für dieses Motto entschieden haben. Die Originalfassung war in deutscher Sprache: „Mit Gott bei den Menschen“. Das englische Motto gibt die Intimität und die Nähe, die die deutsche Präposition „bei“ ausdrückt, nicht vollständig wieder. Es könnte verlockend sein, das Motto so zu lesen, dass es sich auf die „vita mixta“ bezieht, zu der sowohl Kontemplation als auch Aktion gehören. Diese Lesart wäre auch nicht ganz falsch, würde aber einen Dualismus oder sogar einen Gegensatz zwischen zwei Lebensweisen einführen. Wenn wir mit den Menschen zusammen sind, sind wir gleichzeitig mit Gott zusammen. Wir können ihn überall suchen und finden. Die Fülle der pastoralen Tätigkeit würde darin bestehen, Gott mit dem Volk als den „Gott mit uns“, den Emmanuel, zu finden. Aus dieser Perspektive ist es auch von Bedeutung, dass das erste Bekenntnis von Prämonstratensern am Weihnachtstag stattfand. In Norberts Lebensbeschreibung taucht der Weihnachtstag als Datum der erstmaligen Ablegung der Gelübde in einem eher lakonischen Satz auf: „Durch die Annahme der Regel, am Weihnachtstag in Prémontré, haben sich nacheinander und freiwillig seine Anhänger in diese Stadt der gesegneten Ewigkeit eingeschrieben.“ Die Feier der Geburt Jesu verschwindet an diesem Tag fast hinter der Erzählung über die