BIORAMA 78 – Deutschlandausgabe

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TIERWOHL

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EINE FRAGE DER HALTUNG. TEXT Jürgen Schmücking

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as Wohl der Tiere ist in aller Munde. Nicht unbedingt buchstäblich, wie wir sehen werden, aber als Wunsch und Vorstellung allemal. »Tierwohl« ist uns Konsumentinnen und Konsumenten ein Anliegen. Die Zeichen, an denen wir das erkennen, sind vielfältig: ein Aufblühen diverser Initiativen samt zugehörigen Siegeln, Marken und Zeichen, ganzseitige Inserate in deutschen und österreichischen Tages- und Wochenzeitungen der großen Konzerne. In der »Zeit« werben Aldi und Aldi Süd mit dem Hashtag »Haltungswechsel« und prophezeien, dass sie bis 2030 das gesamte Fleischangebot auf tierwohlgerechte Haltungsformen umgestellt haben werden. Gleichzeitig nimmt Aldi Billigfleisch aus dem Sortiment, um LandwirtInnen und KonsumentInnen für das Thema zu sensibilisieren. Dazu kommen Studien von Markt- und Meinungsforschungsinstituten, die, im Detail zwar leicht voneinander abweichend, im Trend aber zu stets den gleichen Ergebnissen kommen. Beim Fleischeinkauf nimmt die Bedeutung von Tierwohl genauso zu wie die fehlende Information und die daraus resultierende Skepsis gegenüber bestehenden Programmen, Mar-

ken und Gütesiegeln. Konkret: KonsumentInnen würden zwar gerne, fühlen sich aber vom Handel und der Politik unzureichend über das Thema informiert. Liegen mag das zum Teil am Begriff selbst. Ohne die Diskussion der vergangenen Jahre verfolgt zu haben, ist »Tierwohl« ein schwammiger Wohlfühlbegriff. Und das Bild des Begriffs ist geprägt von den Bildern, mit denen er vermarktet wird. Fröhlich quiekende Schweinderl, Kälber, die entspannt mit ihren Müttern abhängen, Ochsen mit Hörnern, die gemächlich in den Sonnenuntergang schauen. Dass der Alltag im Stall (oft) anders aussieht, wissen wir. Was Tierwohl konkret bedeutet, (oft) nicht. Die systematische Erfassung des Themas Tierwohl als Teil der wissenschaftlichen Forschung ist ein junges Phänomen und geht auf die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zurück. Auslöser war, wie zu vermuten, die Kritik an der landwirtschaftlichen Intensivhaltung und das daraus resultierende Leid der Tiere. Eine der ersten Publikationen, die die Missstände in der Haltung von Nutztieren thematisierten, Ruth Harrisons 1964 erschienenes Buch »Animal Machines«, schlug hohe

BILD ISTOCK.CO M/PATRICK DA XE NBIC HLE R

Tierwohl auf dem Prüfstand.


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