BIORAMA 78 – Deutschlandausgabe

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ZURÜCK ZUM URSPRUNG Der Fleischer hat die letzten drei Kühe geholt. Die Milchwirtschaft rechnet sich nicht mehr für Maria und Peter Prinz. Die Sache, für die ihr Sohn in der Stadt kämpft – Veganismus! Tierrechte! –, scheint einen Schritt weiter. Familienaufstellung im leeren Stall.

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ilch aus dem Tetrapak, das ist hier etwas Neues. Anfangs schämte sich Maria Prinz sogar dafür, keine selbst gemolkene Milch mehr zu haben. »Mittlerweile geht’s«, sagt die 51-Jährige, als sie die Kuhmilch für den Kaffee auf den Küchentisch stellt. »Ich hab am Anfang nur eingekauft, wo mich niemand kennt.« Dabei hatte sich ohnehin schnell herumgesprochen, dass es am Hof der Familie Prinz, die hier 1848 erstmals urkundlich erwähnt wird, keine Rinder mehr gibt, als zu Jahresende die letzten drei Kühe abgeholt wurden. In Oberlainsitz, wo jede jeden von klein auf kennt, waren Maria und ihr Mann Peter (ebenfalls 51) die Letzten, die noch Milchkühe gehalten hatten. Die Wiesen und Felder hier im nördlichen Waldviertel, wenige Kilometer vor der Grenze nach Tschechien, sind allesamt nicht in Gunstlage. Das Klima ist rau, der Boden karg, die Gegend mit ihren Hügeln zwar beschaulich. Gemäß den Förderkriterien gelten Maria und Peter Prinz aber bereits als Bergbauern. Was mit ihrem Hof weiter passie-

ren soll, wissen die beiden nicht. Spätestens seit der Fuchs auch noch die freilaufenden Hühner geholt hat, fehlt hier etwas. Ein Zufall, dass der Fuchs gleich alle Hendln holte, klar; aber einer, dessen Symbolkraft sich schwer leugnen lässt. Denn womöglich markiert ihr leerer Stall, ein Bauernhof ganz ohne Tiere, das Ende einer Epoche – symbolhaft weit über die paar Hektar Wiese, Wald und Ackerland hinaus, die man selbst bewirtschaftet. Dieses Gefühl liegt hier zumindest in der Luft. Auch später, als Maria eine dampfende Schüssel veganes Erdäpfelgulasch bringt.

DER STALL IST LEER, »DIE LEUTE REDEN« Inzwischen hat Peter Prinz mit einem Ordner Platz genommen und blättert in seinen Aufzeichnungen.»Arielle war sieben«, murmelt er, »Biene vier und Birke drei Jahre alt«. Jede der Kühe hat ein Stammblatt. Ohrmarkennummer, Milchqualität, Anzahl der Kälber, Milchleistung; alles ist hier vermerkt. »Die haben alle auch wirklich auf ihre Namen gehört«,

BILD THOMAS WE BER

TEXT Thomas Weber


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