BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 11

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STADT-LAND-FLUSS

What goes around, comes around.

Knoten im Hirn: Künftig bremsen wir auch für kleine Fische.

Jede Stunde zählt: Kleinwasserkraft kann Konstante dezentraler Energieversorgung bleiben. — 14

Das wird wieder: Renaturierungsprojekte bringen Flusslandschaften zurück ins Land.

BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 11 — SOMMER 2023 WWW.BIORAMA.EU P.B.B. — 11Z038861 M — 1060 WIEN KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR
DIE NIEDERÖSTERREICH AUSGABE #11
— 08
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WIR LÄSST UNS NEUE WEGE GEHEN.

WIR MACHT’S MÖGLICH.

Lösungen entstehen immer im WIR. Dort, wo sie für alle nützlich sind. Dieser Gedanke gilt bei uns nicht nur für Banking, sondern umfasst auch Initiativen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Wissenschaft und Forschung. Darum engagieren wir uns bei Energiegenossenschaften, Gemeinschaftsinitiativen und Crowdfunding-Projekten. WIR macht’s möglich.

Impressum: Medieninhaber: Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien noe.raiffeisen.at

LET IT FLOW!

Wenn der Regen ausbleibt, wird von meteorologischer Dürre gesprochen. Wenn dann auch die Böden austrocknen und unter anderem die Grundwasserspiegel sinken, von hydrologischer Dürre.

Während die Wasserversorgung sich in andern Ländern stark auf Wasserspeicher, Brunnen und künstlich gespeiste Grundwasserreservoirs stützt, sind Österreichs wichtigste Wasserquellen Oberflächenwasser aus Flüssen und natürliches Grundwasser. Doch der Wasserbedarf in Österreich wird sich aktuellen Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2050 grob verdoppeln und die Grundwasservorkommen schrumpfen.

Neben den Maßnahmen zur ursächlichen Bekämpfung des Klimawandels müssen gleichzeitig auch in Österreich Anpassungen an den Klimawandel erfolgen und manche Praxis, etwa der Wassernutzung und oder der Flussregulierung, die sich auch unabhängig vom Klimawandel als gefährlich herausgestellt hat, dringend geändert werden. In unserer Sommerausgabe haben wir uns daher den Flüssen Niederösterreichs verschrieben – uns an Orte begeben, wo wieder zugelassen wird, dass sie mit ihrer Dynamik Naturräume formen, den Wasserrückhalt verbessern, Erholungsräume für Menschen und Lebensräume für Artenvielfalt schaffen.

Schönen Sommer am und im Fluss und gute Lektüre!

IMPRESSUM

HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORiNNEN Conny Allum, Florian Jauk, Martin Mühl, Thomas Weber GESTALTUNG Patrizia Enigl, Nanna Kaiser, Flö Rastbichler, Stefan Staller LEKTORAT Barbara Ottawa ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.

BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.

BILD BIORAMA/MICHAEL MICKL COVER ISTOCK.COM/FRANKRAMSPOTT
Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu
3 BIORAMA NÖ EDITORIAL, IMPRESSUM

NÖ INHALT

03

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08 Braucht es ein Tempolimit auf der Donau?

Während der Lockdowns wurde sichtbar, wie schnell sich der Lebensraum Donau erholen kann.

14 Wasserkraftwerke Kleinwasserkraft ist ein recht ausfallssicherer Bestandteil regionaler Stromversorgung.

19 Bach ohne Böschung

Flüsse und Bachläufe ohne Böschung sind praktisch – aber wider die Natur.

26 Grosse Tulln und kleiner Knöterich

30 Eine Donau wie damals?

Ihr Urzustand ist nicht wiederherstellbar. Doch aus der Donau kann wieder ein ökologisch intaktes Flussystem werden.

33 Oase Böheimkirchen

Eine Stadt gestaltet iden Fluss im Zentrum als Erholungsraum für ihre BürgerInnen.

36 Verkürzung der Durststrecke

In Trockenperioden helfen einfache Maßnahmen auf Balkon und im Garten den gefiederten Freunden.

38 Flussbaden

Wie man bei einem Flussbad weder sich – noch das Ökosystem gefährdet.

WARUM WACHSEN AM

WEIDENBACH KEINE WEIDEN MEHR?

Nicht immer gibt es die Bereitschaft, ein Stück des urbar gemachten »zehnten Bundeslands« wieder abzugeben.

40 Flussbadeplätze

12 x Abkühlung im Fluss.

44 Grillbuchempfehlung

On fire.

47 Rezensionen

KOLUMNEN

49 Aus dem Verlag

50 Hintaus

19
Editorial
Bild der Ausgabe
BILD ISTOCK/BARB,
4 BIORAMA NÖ INHALT
EZB TB ZAUNER, ISTOCK.COM/FRANKRAMSPOTT, THOMAS APOLT/SUEDWEST VERLAG

BRAUCHT ES EIN TEMPOLIMIT AUF DER DONAU?

Während der Lockdowns wurde sichtbar, wie schnell sich der Lebensraum Donau erholen kann. Nun wir ein Tempolimit diskutiert.

GRILLBUCHEMPFEHLUNG

12 Orte, an denen du auch an heißen Sommertagen noch Abkühlung findest.

Klassische Grillgerichte und Klassiker, die bisher seltem vom Griller kommen.

St. Pölten Krems an der Donau TULLN Ybbs a.d.D Amstetten 1 2 3 5 10 8 7 11 4 6 12 9 Badekolonie Kritzendorf Plank
Schönberg
Drosendorf Badehütte Dobersberg Auterrasse
Ötschergräben Pielachmündung Flussbad Rabenstein Hafenstüberl
Flussbad Hollenstein Flussbad Göstling
am Kamp
am Kamp
Stopfenreuth
Luberegg
FLUSSBADEN
40 08
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PLASTIKWALD

BILD UND TEXT: JULIUS WERNER CHROMECEK

Ich war letzten Sommer zu Gast auf einem Biobauernhof im Waldviertel, 30 Kilometer entfernt von Melk, und dort hat mich der Bauer auf einen Wald in der Nähe aufmerksam gemacht, den ein besonderes Schicksal ereilt hat. Vor etwa 20 - 30 Jahren gab es in der Gegend noch eine Düngemittelfabrik, bei der dem Vernehmen nach die meisten LandwirtInnen eingekauft haben. Die leeren Säcke für den Dünger wurden gern eingesetzt, um junge Bäume gegen Verbiss durch Rehe zu schützen. Weil die Säcke von so außergewöhnlicher Stärke waren, genügte es, diese mit ein paar Ästen zu stützen, damit diese einen 1,20 m hohen Ring um die Jungbäume bilden – gerade hoch genug, damit die Rehe nicht an die Bäume gelangen konnten. Nach einigen Monaten wurden die Säcke wieder entfernt, wenn die Bäume stark genug waren und somit für Rehe nicht mehr attraktiv. In einem Waldstück aber wurden die Folien nicht entfernt; es ließ sich nicht mehr eruieren, ob die WaldbesitzerInnen schlicht darauf vergessen haben oder ob es andere Gründe gegeben hat. Jedenfalls blieben die Säcke um die Bäume stehen, die immer dicker wurden und im Laufe der Jahre mit den Säcken verwachsen sind (so sehr, dass sie auch mit größter Kraftanstrengung nicht zu trennen sind) und diese zum Teil sprengen. Insgesamt sind diese 20 - 30 Jahre alten Kunststofffolien, die in der Zeit natürlich der Witterung ausgesetzt waren, erschütternd gut erhalten, man kann alle aufgedruckten Texte mühelos lesen. Zugleich bahnt sich die Natur ihren Weg.

Julius Werner Chromecek ist künstlerischer Fotograf. Im Urlaub hat er einen Tag im Wald fotografisch dokumentiert.

Ab 17. November 2023 sind seine Arbeiten zum Titel »not fair« in der Fine Art Gallery in Traismauer zu sehen. julius-werner.at

6 BIORAMA NÖ URLAUBSDOKUMENT
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BRAUCHT ES EIN

TEMPOLIMIT AUF DER

DONAU?

Der Wellenschlag der Ausflugsschiffe spült junge Fische an Land. Nach einem Vergleich der Donaubestände vor, während und nach den Lockdowns wird nun ein Tempolimit diskutiert.

TEXT

Als die Menschen zu Hause blieben, um die Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen, tauchten in den Lagunen Venedigs Delfine auf. Anderswo wagten sich Haie und Wale in Gegenden, die sie wegen des Lärms der Schiffsturbinen sonst mieden. Mitt-

lerweile ist weltweit eine Vielzahl von Studien erschienen, die das veränderte Verhalten von Wildtieren während dieser sogenannten »Anthropause« untersuchten. Auch in der Donau gab es während der Lockdowns offensichtliche Veränderungen. Auf den flachen Kiesbän-

8 BIORAMA NÖ WELLENSCHLAG

ken entlang des Hauptstroms waren 2020 und 2021 deutlich mehr kleine Fische zu sehen als sonst. Dass diese Beobachtung kein subjektiver Eindruck war, belegt die nun veröffentlichte »Wellenschlag Corona«-Studie über die »Auswirkungen des schifffahrtsbedingten Wellenschlags auf das Jungfischaufkommen in der Donau«.

FORSCHUNG IM LOCKDOWN

»Die Lockdowns boten die einmalige Gelegenheit, zu untersuchen, wie es sich auswirkt wenn der Wellenschlag im Hauptstrom weitgehend wegfällt«, sagt Martin Mühlbauer, Wasserbauer, Fischökologe und einer der beteiligten Forscher. Weitgehend, weil in den Lockdowns zwar die Ausflugsschifffahrt pausierte, Frachtschiffe etwas eingeschränkt aber unterwegs blieben. Dass der Wellenschlag nicht ohne Folgen bleibt ist bekannt. Auch der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan (2021) stuft ihn für Fließgewässer als »relevanten Belastungstyp« ein. Es sind besonders die schnellen Ausflugs- und Kreuzfahrtschiffe (die soge-

nannte »weiße Schifffahrt«), deren Wellen mit hoher Energie ans Ufer schlagen. Die Wellen der »schwarzen Schifffahrt«, die ihre Fracht langsam flussauf- oder -abwärts bringt, haben erwiesenermaßen wenig Auswirkung.

Die breiten, flachen Kiesbänke entlang der Donau sind für die Fische im ersten und zweiten Lebensjahr besonders wichtig und als Habitat besser geeignet als Nebenarme. Vor allem der Nachwuchs von Karpfenartigen – von Fischen wie Barbe, Brasse, Döbel, Nase, Schleie, aber auch Rotfeder und natürlich Karpfen und Karausche – leidet unter den Wellen der weißen Schifffahrt. Ein großer Teil wird entweder von ihnen an Land gespült. Oder aber er wird in den Hauptstrom »verdriftet«. Das heißt: Der Sog der Welle zieht die Tiere aus dem flachen Uferbereich in die Strömung. »Bezüglich der Schädigungsraten ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Jungfische ein Stranden nicht überlebt und die Tiere nur in seltenen Fällen – etwa durch weitere Wellen –rechtzeitig wieder ins Wasser gelangen«, heißt es in der Studie. Werden sie verdriftet, ist die Wirkung »nicht unmittelbar letal, aus ihren

BILD DDSG BLUE DANUBE/KURT PATZAK, EZB TB ZAUNER
Ein Ausflugsschiff in der Wachau (bei Frauenkirchen) verursacht starken Wellenschlag, der für junge Fische ein Problem darstellt. Viele werden an Land gespült oder in den Hauptstrom verdriftet.
»Der ökologische Vorschlag wäre es, in sensiblen Bereichen ein Tempolimit zu fordern.«
Martin Mühlbauer, Wasserbauer & Fischökologe
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Flache Kiesbänke gibt es im Donaukanal nicht, Jungfische schon. Die DDSG Blue Danube (hier auf Graffiti-Rundfahrt durch Wien) fährt zwar langsam, aber sehr nah am Ufer.

DU BIST NUR EIN MAL JUNG!*

STUDIE »CORONA WELLENSCHLAG«

Erschienen im April 2023, erstellt vom Technischen Büro für Gewässerökologie und Fischereiwirtschaft EZB Zauner; als PDF auf den Websites der NÖ und OÖ Landesfischereiverbände verfügbar.

Die »Corona Wellenschlag«-Studie wies an ausgewählten Uferstandorten in Oberösterreich und Niederösterreich 28 bzw. 40 verschiedene Arten nach; darunter gefährdete wie den Huchen, den Frauennerfling, die Äsche und das Ukrainische Bachneunauge.

noe-lfv.at lfvooe.at

* Etwa eine LKW-Ladung Plastik landet pro Minute im Meer. Plastikmüll zersetzt sich im Meer durch Brandung, Wellengang, Salzwasser und UV-Strahlung in seine kleinsten Teile. Gleichzeitig gelangt das Plastik teilweise auch schon als Mikroplastik ins Meer. In 6500 Metern Tiefe wurde eine neue Krebsart entdeckt. Auch sie hatte eine PET-Faser im Bauch und bekam daher den Namen Eurythenes plasticus. Who cares?

Habitaten gespülte Jungfische sind aber in der Regel ebenfalls einer erhöhten Mortalitätsrate ausgesetzt«. Sie werden gefressen, finden weniger geeignete Nahrung, geraten in die Turbinenpassagen von Kraftwerken und generell in ungünstigere Flussabschnitte. Durch den Energieverlust werden sie jedenfalls geschwächt.

Wieviele Fische es insgesamt in der Donau gibt, lässt sich schwer präzise sagen. In vergangenen Zeiten – vor der systematischen Regulierung und vor der Nutzung zur Energiegewinnung – war die Donau bekannt für ihren schier unerschöpflichen Fischreichtum. Damals war die Donau ein wichtiger Lebensmittellieferant. Die Forschung ist sich aber einig, dass Bestände und Biomasse gerade in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen sind. »Wir finden in der Donau jedenfalls nur mehr einen Bruchteil der früheren Fischbiomasse«, sagt Thomas Friedrich, Fischökologe an der Universität für Bodenkultur. »In einem natürlichen Lebensraum müsste ein Fluss wie die Donau 200 bis 500 Kilogramm Biomasse pro Hektar aufweisen«, sagt er. »Aktuell sind eher unter 50 Kilo pro Hektar die Regel, sehr punktuell kommen wir in manchen Abschnitten nach Renaturierungsmaßnahmen auch einmal auf 100 Kilogramm.«

MEHR JUNGFISCHE DURCH WENIGER WELLENSCHLAG

Klimafakten in Perspektive gesetzt.

biorama.eu/abo

Die Erhebungen der »Wellenschlag Corona«-Studie konzentrierten sich nicht aufs große Ganze, sondern aufs Mikrohabitatniveau – gewissermaßen auf die Kinderstube der Donaufische. Von Alubooten aus wurde bis maximal einen Meter vom Ufer entfernt mit Stromaggregaten befischt; in Oberösterreich an der Stauwurzel des Kraftwerks Aschach (bei Engelhartszell), wo 2016 vom Verbund Kiesbänke wiederhergestellt worden waren. In der Wachau befischte man die Fließstrecke bei Rossatz. Gerade in den besonders sensiblen ersten Wochen nach dem Schlüpfen gab es während der Lockdowns teilweise um das Achtfache mehr Fischlarven und Jungfische als 2017 oder 2022. Das galt für Allerweltsarten wie

issuu.com/biorama
MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL 6 AUSGABEN 25 EURO

Nase, Laube oder Aitel ebenso wie für seltenere Arten. Auch besonders bedrohte Arten profitierten von der Anthropause. Zumindest in der Wachau konnte die Erhebung 2020 und 2021 sogar junge Huchen nachweisen. Die Schlussfolgerung der Studie ist eindeutig: eine Eindämmung der Wellenschlagsbelastung würde dafür sorgen, dass sich die Fischbestände der Donau wieder erholen (»quantitativ ein hohes Potenzial zur Sanierung der Fischbestände in der Donau«). Als praktikable Maßnahme empfehlen die Forscher eine räumliche, saisonale Einschränkung des Wellenschlags, das heißt: der privaten Schifffahrt. Langfristig wäre zu hinterfragen, ob besonders wellenschlagintensive Schiffe und die Kreuzfahrtschifffahrt, die auch auf der Donau zuletzt stark zugenommen hat, »mit dem Erhalt von Fischbeständen und geltenden ökologischen Sanierungserfordernissen vereinbar ist«, heißt es.

DIE FORSCHUNG FORDERT EIN TEMPOLIMIT

»Der ökologische Vorschlag wäre es, in sensiblen Bereichen ein Tempolimit zu fordern«, sagt Martin Mühlbauer diplomatisch, »anzupeilende Geschwindigkeit wäre die der Frachtschifffahrt«. Er wird die Studie demnächst in einem Vortrag vor dem Beirat des Nationalpark Donau-Auen vorstellen. Dort möchte er die abschnittsweise Reduktion des Wellenschlags entlang von besonders wertvollen Jungfischhabitaten ansprechen. »Vorsichtig«, wie er betont. Das Thema sei heikel, gerade im Nationalpark, durch den zwischen Wien und Bratislava der »Twin City Liner« pendelt, ein Katamaran, der eine hohe Geschwindigkeit braucht, um sich überhaupt fortbewegen zu können.

Der schnelle Katamaran – mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde – steht seit langem in der Kritik für den von ihm verursachten Wellengang. Weshalb für die Neuanschaffung zuletzt eine Spezialkonstruktion beauftragt wurde. Für den unter Wasser befindlichen Teil des neuen Schiffs tat sich die britische Werft Wight Shipyard mit dem australischen Unternehmen Incat Crowther zusammen, das auf das Design von Schnellkatamaranen mit niedrigem Wellengang spezialisiert ist, erklärt Gerd Krämer, Geschäftsführer des Twin City Liners: »Vertraglich fixiert wurde, dass die durch das neue Schiff verursachten Wellen, gemessen in einem Abstand von 25 Metern von

Ein Schwarm Jungfische, bestehend aus Lauben und Barben im zweiten Lebensjahr, fotografiert in der Donau bei Engelhartszell (OÖ) im Mai 2020.

»ANTHROPAUSE«

ist eine Wortneubildung aus dem Jahr 2020 aus »anthro« (menschlich) und »Pause«. Bezeichnet die weltweite Reduktion menschlicher Aktivität (v.a. des Reiseverkehrs) während der COVID19-Massenquarantäne, die zu positiven Umweltauswirkungen und verändertem Wildtierverhalten führte. Geprägt von der wissenschaftlichen Zeitschrift »Nature Ecology & Evolution«.

der Schiffsmitte, nicht höher als 30 Zentimeter sein dürfen – das ist niedriger als die Höhe einer Mineralwasserflasche!« Bereits vor der ersten Fahrt mit dem neuen Modell im März 2019 wurde in maßstabsgetreuen »Schleppversuchen« überprüft, ob die Vorgabe eingehalten wird. »Die maximale Wellenhöhe bewegt sich innerhalb des Grenzwerts von 30 Zentimetern«, sagt Krämer. Wichtig sei in diesem Zusammen-

BILD EZB TB ZAUNER
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Donaufisch

Laut Joint Danube Survey 4 (2019) der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau leben in der gesamten Donau 72 Fischarten.

hang noch, »dass die tatsächlich im Uferbereich ankommende Welle noch wesentlich geringer ist, da Wellen bis zum Ufer hin ja auslaufen und sich abflachen«. Der Fluss ist im Augebiet etwa 200 Meter breit, die Schifffahrtsrinne in der Strommitte. Krämer gibt sich überzeugt, dass auch die Reduktion von früher zwei Katamaranen auf ein nun doppelt so viele PassagierInnen fassendes Schiff positive Auswirkungen hat.

Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft DDSG, die mit einer Flotte von sieben Schiffen unterwegs ist, verweist auf ihre Ausflugsschiffe mit geringerer Breite und geringerem Tiefgang als die gängigen Kabinenschiffe der Kreuzfahrtunternehmen – »wodurch sich ein wesentlich kleinerer Wellenschlag ergibt«, wie Geschäftsführer Wolfgang Hanreich sagt. Er stellt aber klar, »dass zum sicheren Manövrieren der Schiffe eine Mindestgeschwindigkeit nicht unterschritten werden darf, die über der Fließgeschwindigkeit des Gewässers liegen

muss«. Wie schnell ein Gewässer fließt variiert aber je nach Wasserstand. Sie kann bis zu zwölf Kilometer pro Stunde betragen. Bei der DDSG sei man »durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern in Fahrt«, so Hanreich, »und damit deutlich langsamer als die Kabinenschifffahrt«.

Die Via Donau, die im Auftrag der Republik den Schiffsverkehr auf der Donau regelt und gewährleistet, hat die »Corona Wellenschlag«-Studie zwar aufmerksam gelesen. Stellung möchte man dazu aber keine nehmen. Stattdessen verweist man auf das zuständige Ministerium. Auch Markus Simoner, Abteilungsleiter für Schifffahrt im Verkehrsministerium, hält sich mit seinen Aussagen zurück: »Ein generelles Verbot (der weißen Schifffahrt, Anm.) könnte Österreich auf einer internationalen Wasserstraße wie der Donau aber nicht aussprechen«, sagt er. »Für manches fehlt noch die Datenlage. Aber das Thema ist angekommen. Der Dialog ist eröffnet. Wir werden uns das in den nächsten ein, zwei Jahren detailliert ansehen.«

Konflikte zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Personenschifffahrt und den Geboten der Wasserrahmenrichtlinie (die im geringen Fischbestand der Donau ein zentrales Defizit sieht), dem Tierschutzgesetz, vor allem aber auch der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) scheinen dabei unvermeidlich. Denn

der in der Anthropause mit Nachwuchs nachgewiesene Huchen – ein ausgewachsen bis zu 1,5 Meter langer Verwandter des Saiblings – ist stark gefährdet. Nach geltendem EU-Recht muss er deshalb besonders geschützt und ein günstiger Erhaltungszustand gefördert werden. Die Mitglieder der neun österreichischen Landesfischereiverbände haben ihn 2023 jedenfalls bereits zum »Fisch des Jahres« gewählt.

Hunderte Punktbefischungen ermitteln die Anzahl der Fischlarven in verschiedenen Uferbereichen. In Summe ergeben sie ein aussagekräftiges Gesamtbild.
»In einem natürlichen Lebensraum müsste ein Fluss wie die Donau 200 bis 500 Kilogramm Biomasse pro Hektar aufweisen. Aktuell sind eher unter 50 Kilo pro Hektar die Regel.«
BILD EZB TB ZAUNER 12 BIORAMA NÖ WELLENSCHLAG
— Thomas Friedrich, Fischökologe

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VERLÄSSLICHKEIT SEIT 100 JAHREN

Die vergleichsweise ausfallsichere Energiequelle Kleinwasserkraft ist als regionale Energiequelle relevant.

Großwasserkraft in NÖ

In Niederösterreich sind derzeit 6 Großwasserkraftwerke in Betrieb, zwei davon im Besitz der EVN und vier im Besitz des Verbunds. Anlagen mit einer so großen Leistung sind in Niederösterreich nur an der Donau und am Oberlauf des Kamp möglich.

Kleinwasserkraft

In Österreich sind rund 4000 Kleinwasserkraftwerke in Betrieb und speisen jährlich 6 Milliarden kWh Strom ins Netz.

Wer im Kamptal wohnt, kann sich ziemlich sicher sein, dass der Strom, den er verbraucht, regional in einem der Kleinwasserkraftwerke am Kamp erzeugt wird. »Die Kleinwasserkraft leistet einen wichtigen Beitrag zur regionalen Versorgungssicherheit und zur Erzeugung von klimaneutralem Strom«, erklärt Stefan Zach, Leiter des Bereichs Information und Kommunikation bei Niederösterreichs größte Strom-, Gas- und Wärmeversorger, EVN. Rund 30 Kleinwasserkraftwerke, schätzt er, gibt es am Kamp. Der von diesen erzeugte Strom wird zur nächsten Trafostation oder zum nächsten Umspannwerk geleitet und von dort werden regional Haushalte und Betriebe versorgt. Insgesamt 617 Kleinkraftwerke in Niederösterreich liefern jährlich rund 510 Millionen kWh Strom. Laut Berechnungen des Kleinwasserkraftverbands werden damit im Vergleich zur Stromerzeugung mit fossilen Energiequellen rund 360.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart. Sie versorgen

rund 145.000, also ca. 20 Prozent, der niederösterreichischen Haushalte mit Strom. Zum Vergleich: Die sechs Großwasserkraftwerke in Niederösterreich erzeugen rund 7 Milliarden kWh Strom und haben damit den größten Anteil daran, dass das Bundesland bei einem Gesamtstromverbrauch von rund 12,5 Milliarden kWh pro Jahr (2021) 13 Milliarden kWh aus erneuerbarer Energie erzeugt.

UM EIN VIELFACHES EFFIZIENTER

Rund zehn Prozent der Kleinwasserkraftwerke in Niederösterreich gehören – sowie zwei Großwasserkraftwerke – der EVN, die wiederum zu über der Hälfte dem Land Niederösterreich gehört. »Der Rest der Kleinwasserkaftwerke gehört in erster Linie privaten BetreiberInnen, oft Klein- und Mittelbetrieben wie Schlossereien, Mühlen oder Papierfabriken, die ursprünglich die Wasserkraft mit Wasserrädern nutzten und nun Strom erzeugen«, gibt Paul Ablinger, Geschäftsführer von Kleinwas-

TEXT
14 BIORAMA NÖ KLEINWASSERKRAFT

serkraft Österreich, einen Überblick. Rund zehn Prozent des erzeugten Stroms nutzen die kleinen BetreiberInnen selbst, den Rest speisen sie in das öffentliche Stromnetz ein. Die Stromerzeugung ist deutlich effizienter als die frühere direkte physikalische Nutzung der Wasserkraft, aber nicht wenige heute noch laufende Kraftwerke wurden in ihren baulichen Grundzügen bereits vor rund hundert Jahren errichtet. Und dennoch erfordert der Betrieb eines Wasserkraftwerks mehr Know-how als der einer Photovoltaikanlage, weswegen es weniger Quereinstiege gibt. Kleine Genossenschaften von PrivateigentümerInnen sind selten, manchmal schließen sich die BesitzerInnen von Kleinwasserkraftwerken aber mit Energiegenossenschaften, die selbst meist eher Sonnenenergie nutzen, zusammen und speisen über diese den Strom ins Netz ein. Gemeinsam haben die Kleinwasserkraftwerke einen Anteil von fast vier Prozent an der niederösterreichischen Stromerzeugung.

Beim Ausbau erneuerbarer Energie werden künftig die Nutzung von Sonnenenergie und Wind eine größere Rolle spielen, Wasserkraft im Mix aber relevant bleiben. Unter anderem weil hier während rund 4000 bis 5000 Stunden pro Jahr Strom erzeugt werden kann, im Gegensatz zu rund 2000 bis 3000 Stunden mit Wind und 1000 Stunden mit Sonnenenergie. Die Bewilligung eines neuen Wasserkraftwerkes ist nur mehr nach umfassender Prüfung der Umweltauswirkungen möglich und nicht zuletzt deswegen selten geworden. »Wasserkaft aus bisher unberührter Natur wird es nicht mehr geben«, ist Martin Angelmaier, Abteilungsleiter Wasserwirtschaft der Niederösterreichischen Landesregierung überzeugt. Doch es gibt in Österreich rund 30.000 Querbauten in Flüssen. Von diesen werden zwar einige im Zuge von Renaturierungsmaßnahmen wieder zurückgebaut, in andere ließen sich aber nachträglich durchaus Kleinwasserkraftwerke einbauen. Eine Modernisierung bestehender Anlagen, die häufig auch mit einer Ökologisierung einhergeht, kann außerdem eine deutliche Effizienzsteigerung bringen und damit kann mehr Strom mit einer Anlage erzeugt werden. Seit über 95 Jahren erzeugt etwa das Kleinwasserkaftwerk in Ochsenburg Strom – nach seiner Modernisierung im Vorjahr versorgt es nun 1100 Haushalte.

BILD EVN, DANIELA MATEJSCHEK
In Österreich zählt ein Kleinwasserkraftwerk als solches, wenn seine Leistung weniger als 10 MW (10.000 kW) beträgt. In Deutschland, wenn es weniger als 1 MW Leistung erzielt.
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Mit Wasserkraft kann während rund 4000 bis 5000 Stunden pro Jahr Strom erzeugt werden.

Superkräfte gegen Angst und Ekel

Am Tag der Artenvielfalt widmeten sich die Naturparke

Niederösterreichs den »Landschaften voller Superhelden«, bekannt auch als Insekten.

Nicht immer gelingt es, dass wir uns Insekten vorurteilsfrei nähern. Angst und Abscheu vor Asseln, Käfern oder Spinnen sind anerzogen – und weit verbreitet. Das weiß auch Verena Ruso, Koordinatorin der Naturparkschule Heidenreichstein: »Manchmal passiert es sogar, dass Kinder sich weigern, Insekten in der Becherlupe zu betrachten.« Im Frühjahr widmete sich die engagierte Lehrerin mit ihren SchülerInnen den »Landschaften voller Superhelden«. Das heißt: der Insektenwelt in der allernächsten Umgebung. In ihrem Fall heißt das konkret: im Waldviertler Hochmoor, in dem zwischen urtümlichen Felsformationen neben Moosen und Wollgras auch der seltene Sonnentau wächst. Die fleischfressende Pflanze hat sich auf die reiche Insektenwelt der Moorlandschaft spezialisiert – weil der stickstoffarme, staunasse Boden nicht genügend hergibt. Mit einem klebrigen Sekret, das wie Tautropfen aussieht, lockt die Pflan-

ze Insekten auf ihre Blätter. Dort bleiben sie kleben – und werden verdaut.

INSEKTEN ALS COMICFIGUREN

Der Sonnentau ist ein schönes Beispiel für die bedeutende Rolle, die Insekten in Ökosystemen spielen; einerseits als Bestäuber (auch für einen großen Teil der Kulturpflanzen, die wir als Obst und Gemüse essen), andererseits als direkte Nahrungsquelle. Um sich zu behaupten, haben viele Insekten auch selbst Strategien und »Superkräfte« entwickelt, die – ist das ein Insekt? – beispielsweise dafür sorgen, dass sie verschont bleiben. Genau darauf spielte die österreichweite Aktion »Landschaften voller Superhelden« an, die von den Naturparken Österreichs im Vorfeld des Tags der Artenvielfalt Ende Mai durchgeführt wurde. Die Naturparke Niederösterreichs hatten den Themenschwerpunkt als An-

BILD VS MANNERSDORF
»Superkräfte« machen Insekten zu idealen Helden in Superheldencomics. Hier am Zeichnen: Felix Ackerl aus der VS Mannersdorf.

lass genommen – und als Motto einen Comicwettbewerb gestartet. Dafür wurden den 17 teilnehmenden Schulen Steckbriefe von besonders interessanten Insekten zur Verfügung gestellt. Etwa für den Hornissen-Glasflügler. Der Schmetterling mit einer Flügelspannweite von bis zu viereinhalb Zentimetern ist völlig harmlos, seine Raupen fressen die Blätter von Pappeln. Anzutreffen ist er überall, wo große Pappeln wachsen, auch auf Straßenalleen und im Siedlungsraum. Seine Superkraft ist das Täuschen. »Der Falter sieht einer echten Hornisse verblüffend ähnlich«, heißt es im Steckbrief der Naturparke Niederösterreich. Zwar sind auch Hornissen selbst weitestgehend harmlos (und geschützt!). Doch seinen Fressfeinden wie Vögeln oder Fledermäusen signalisiert der Hornissen-Glasflügler mit seinen knalligen gelb-schwarzen Streifen die Gefahr, die für diese vom Gestochenwerden durch Hornissen ausgeht.

MARIENKÄFER, HONIGBIENE UND SCHMETTERLING

Auch zur Comicfigur hat es der auffällige Falter geschafft. Insgesamt 77 Comics wurden erstellt, berichtet Projektleiterin Cornelia Kassil vom Verband der Naturparke Niederösterreichs. »Traumhafte Zeichnungen und Geschichten«, sagt Kassil, »wir waren begeistert«. Bei den kleinen Kindern waren die Marienkäfer besonders beliebt, bei den Älteren wenig überraschend die Honigbiene, aber auch Schmetterlinge wie der Große Bär oder aber schillernde Libellen wie die Blaugrüne Mosaikjungfer. Am Tag der Artenvielfalt wurden die kreativen Kinderarbeiten in einem A4-Comicsammelband präsentiert und ausgestellt.

In vielen Fällen konnte durch die Beschäftigung mit den Insekten der Blick für die Schönheit der Kreatur und fürs Detail geschärft werden. Und, wie Lehrerin Verena Ruso betont, »Ängste überwunden werden«. Wichtig war es der Pädagogin auch, durch das Projekt »auf die Gefahren hinzuweisen, wenn wir noch weiter an Biomasse verlieren. Denn die Nahrungsketten, Kreisläufe und Zusammenhänge waren den Kindern meistens nicht bewusst. Daran liegt eigentlich ein Hauptaugenmerk meiner Arbeit: den Kindern die Zusammenhänge aller biologischen Strukturen aufzuzeigen und eindringlich zu verdeutlichen.« Dafür als Klassenzimmer bestens geeignet: der Naturpark und sein vielfältiges Leben in allernächster Umgebung.

naturparke-niederoesterreich.at

BILD VS LADENDORF, MS DOBERSBERG / KATHARINAPABISCH UND HELENEHAIDER ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH
Zwei von 77 Insektencomics: »Mistkäfer Pedro« (Astrid Erber / VS Ladendorf) und »Zitronenfalter und Honigbiene« (Katharina Pabisch und Helene Haider / MS Dobersberg).

SchülerInnen der NMS Heidenreichstein haben im Naturpark Wissen über Moorfalter und tauchende Spinnen gesammelt – und geben es weiter.

Auch Erwachsene reagieren auf Insekten oft erst einmal mit Ekel. Wie war das bei euch?

Tanja Fronhofer (14): Ich selber fürchte mich nicht vor Tieren, egal ob Insekten, Spinnen oder Schlangen. Ich bin auch Helferin bei unserer Jungschargruppe und kümmere mich dort um andere Kinder. Bei manchen Tierarten sagen wir dazu, dass diese stechen könnten und man deshalb vorsichtig sein sollte. Dass wir dazu sagen, dass eine Tierart grauslich ist, kommt nie vor.

Christopher Müllner (13): Bei mir zu Hause ist es so, dass Papa Angst vor Spinnen hat. Da muss ich immer alle retten. Ich nehme dann ein Glas, versuche die Spinne zu fangen und bringe sie hinaus in den Garten. Bei Mäusen helfen Papa und ich zusammen und retten Mama.

Ihr habt euch mit den kriechenden, fliegenden und summenden Superhelden im Naturpark Heidenreichsteiner Moor beschäftigt. Was habt ihr erfahren und gelernt?

Anna Stecher (14): Ich finde Gelsen relativ unnötig, aber Ameisen superstark. Sie können bis zum Vierzigfachen ihres Gewichts tragen. Das finde ich sehr beeindruckend. Stellen Sie sich das mal umgerechnet auf einen Menschen vor!

Christopher Müllner: Ich mag Libellen! Das sind schöne Tiere. Ihre verschiedenen Flugtechniken finde ich faszinierend. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Gelegenheit habe, sie zu beobachten.

Habt ihr eure Meinung gegenüber Insekten auch geändert?

Anna Stecher: Seitdem ich in der Naturparkgruppe bin, habe ich viele neue Tiere kennen gelernt und weiß viel mehr über sie als vorher. Das nimmt einem die Angst und schafft sogar Respekt vor den Tieren.

Christopher Müllner: Und nur was man respektiert, findet man auch schützenswert.

Welches Insekt hat euch von seinen Superhelden-Kräften besonders beeindruckt?

Tanja Fronhofer: Wir haben uns den Hochmoor-Bläuling etwas näher angesehen und ich bin von ihm begeistert. So ein kleiner Schmetterling und er kann überall wo es Moor gibt leben. Ob kalt oder warm, ob hoch oder tief – der Bläuling ist überall anzutreffen.

Anna Stecher: Ich finde die Moosjungfer cool, weil sie sich wie ein Helikopter bewegen kann. Durch die doppelten Flügelpaare kann sie am Stand oder sogar rückwärts fliegen.

Christopher Müllner: Mich hat die Gerandete Jagdspinne am meisten beeindruckt. Sie ist ihr eigenes Boot! Sie kann dadurch schwimmen und mit den vorderen Beinpaaren rudern! Aber nicht nur das… sie kann auch tauchen, wenn sie jagt oder sich verstecken muss.

naturpark-heidenreichsteiner-moor.at

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH
»Nur was man respektiert, findet man auch schützenswert.«
BILD VERENA RUSO
Verena Ruso, Koordinatorin der Naturparkschule Heidenreichstein, mit den berichtenden SchülerInnen.

WARUM WACHSEN AM WEIDENBACH KEINE WEIDEN MEHR?

Flüsse und Bachläufe ohne Böschung sind praktisch – aber wider die Natur. Was den Abfluss bei Hochwasser beschleunigen sollte, erhitzt nun Gewässer wie Gemüter.

Während heute vor bundesweiten Wahlen manchmal die im Ausland lebenden StaatsbürgerInnen als mitentscheidendes »zehntes Bundesland« bezeichnet werden, verstand man in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg etwas anderes unter diesem Begriff. Damals bezeichnete das »zehnte Bundesland« ein politisches Ziel: Durch die Trockenlegung von Mooren und die Begradigung von Flüs -

sen und weitläufig mäandernden Bächen sollten landwirtschaftliche Flächen in der Größe eines zusätzlichen Bundeslands gewonnen werden, um Österreich ernähren zu können. Die Auswirkungen dieser Doktrin sehen wir heute, wenn sich Bach- und Flussverläufe im typischen Trapezprofil »effizient« durch die Landschaft ziehen.

»Damals wurde massiv reguliert, auch kleinere Gewässer«, weiß Martin Angelmai -

Huchen

Größte Forellenart, bekannt auch als »Donaulachs«, wird bis zu 1,7 Meter lang und 50 Kilo schwer. Lebt in der Donau und größeren Zuflüssen.

TEXT Thomas Weber
BILD ISTOCK.COM/BARBFOTO
19 BIORAMA NÖ UFERBEWUCHS

TULLN GROSSE TULLN

Amstetten

YBBS

Vorher reguliert: Uferbewuchs gab es an der Ybbs bei Winklarn auch vor der Renaturierung.

er, der beim Land Niederösterreich die Abteilung Wasserwirtschaft leitet. Viele Fehler der einstigen Regulierungswut wurden in den vergangenen Jahren korrigiert. Doch nicht immer ist das leicht möglich. Denn bei regulierten Gewässern ist teilweise seit damals genau festgeschrieben, wie diese im Querschnitt auszusehen haben. Das gilt – aus Gründen des Hochwasserschutzes – auch für Böschung und Bewuchs. Und oft ist das durchaus gut begründet. »Mehr Gehölz und Sträucher wirken bei Hochwasser bremsend«, sagt Martin Angelmaier, »weshalb es vorkommt, dass Wasser schlechter abfließen kann«. Und weshalb es vorkommt, dass ein Bach als Weidenbach in Karten verzeichnet ist, dass vom ursprünglich namensgebenden natürlichen Bewuchs aber nichts mehr zu sehen

St. Pölten Krems an der Donau
Ybbs a.d.D
20 BIORAMA NÖ UFERBEWUCHS

ist; und dass, was von Natur aus nachwächst, regelmäßig geschnitten wird.

VEGETATION BRAUCHT PLATZ

Mittlerweile werde fast überall versucht, »mit Augenmaß vorzugehen und möglichst viel Vegetation zu belassen«, sagt Angelmaier. Mehr Vegetation brauche aber mehr Platz, weshalb –meistens als Kompromiss – Gewässerpflegekonzepte erarbeitet werden, die sicherstellen, dass Hochwasser trotz Bewuchs abfließen kann. »Wovon wir jedenfalls wegwollen, ist, dass über einen längeren Abschnitt der gesamte Bewuchs abgeschnitten wird«, sagt der oberste Beamte der Wasserabteilung.

Niederösterreich ist von einem Gewässernetz von insgesamt etwa 25.000 Kilometern durchzogen. Insgesamt ist ein Drittel der Gewässer des Bundeslandes (Seen inklusive) »in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand und damit in dem von der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderten Zielzustand«, sagt Angelmaier. Dass es die restlichen Gewässerabschnitte nicht sind, liegt vor allem an baulichen Eingriffen, die ökologische Defizite verursacht haben: Regulierungen, Staubereiche oder Wehr-Querbauten. Trotz umfangreicher Renaturierungsprojekte – allein von 2018

bis 2022 wurden von Bund und Land insgesamt 63 Millionen Euro in 112 Projekte investiert, bis 2027 sind 54 Millionen Euro für weitere 50 Projekte vorgesehen – gibt es sie also noch, die kahlrasierte Böschung am begradigten Wasserlauf.

DER BACH ALS DURCHLAUFERHITZER

Dass ein Bach ohne Bäume keine Augenweide ist, mag ein ästhetisches Problem sein. Spätestens seit der Klimawandel auch in unseren Breiten durchschlägt, wird das Wasser in den Bächen durch die fehlende Beschattung allerdings auch deutlich wärmer – und damit auch zum ökologischen Problem. Denn, so Angelmaier: »Je wärmer, desto weniger Sauerstoff,

BILD M. HASLINGER
Nachher renaturiert: Nicht überall ist, wie hier bei Winklarn an der Ybbs, Land verfügbar, um Flüssen wieder Platz für eine dynamische Gewässerentwicklung zu gewähren.
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Nicht immer gibt es Bereitschaft, ein Stück des urbar gemachten »zehnten Bundeslands« wieder abzugeben.

Botanik am Bachufer

Ohne Kahlschlag und regelmäßige Mahd tauchen am Bachufer zuerst »Pionierpflanzen« wie Haselnuss, Schneeball, Holunder und Spitz-Ahorn auf. Danach etablieren sich wahrscheinlich Bruch-, Purpur- und Sal-Weide sowie Schwarz-Erle (im Bergland eher die Grau-Erle).

An staunassen Standorten und Auen machen sich auch andere Weidenarten sowie Schwarz- und Silber-Pappel breit. Bei temporärer Überschwemmung in einiger Entfernung zum Fluss bilden Eschen und Stiel-Eichen den Wald (Harte Au).

desto schwieriger für Fische. Ein Tieflandfluss wie die March verträgt insgesamt etwas höhere Temperaturen, aber im Quellbereich der Forellenregion braucht es kaltes, schnell strömendes Wasser, da sind bereits Temperaturen über 20 Grad typisch.« Alles über 28 Grad ist beispielsweise für Forellen lebensbedrohlich. Fehlt der schattenspendende Uferbewuchs über größere Strecken, werden Bäche und Flüsse zu Durchlauferhitzern. Dann sind nicht nur einzelne Arten, dann ist die Flussökologie insgesamt in Gefahr.

ANKAUF VON ACKERLAND

Mancherorts lassen sich Renaturierungen mit gutem Willen und öffentlichen Geldern einfach umsetzen. Findet sich ein Träger (eine Gemeinde oder ein Wasserverband, in dem sich mehrere Gemeinden entlang eines Gewässers zusammengefunden haben), dann übernehmen Bund und Land bis zu 90 Prozent der anfallenden Kosten. Auch Ankäufe von Ackerland, das nötig ist, um einem Gewässer wieder Platz zu lassen und einen einigermaßen natürlichen Verlauf zu finden, werden übernommen. Nicht immer gibt es aber Bereitschaft, ein Stück des urbar gemachten »zehnten Bundeslands« wieder abzugeben.

Als vorbildlich gilt die Wiederherstellung des Lebensraums des Ybbsflusses im Bereich der Stadt Amstetten in den Jahren 2009 bis 2014. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Fluss durch Begradigungen und Ufersicherungen mit Wasserbausteinen weitgehend

beschränkt worden. Viele der sonst für diesen Lebensraum typischen Tier- und Pflanzenarten waren verschwunden. In Amstetten selbst, aber auch unweit der Ortschaften Winklarn und Hausmening ließ sich das Bett der Ybbs wieder verbreitern. Sogar Nebenarme und Inseln konnten geschaffen werden, was nachweislich nicht nur gefährdeten Fischarten (wie Huchen und Äsche), sondern auch gefährdeten Vogelarten (wie Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und Eisvogel) zugute kam. Durch die Schaffung eines Nebenarms bei Hausmening soll sich das Flussbett in Zukunft wieder eigendynamisch und möglichst eingriffsfrei weiterentwickeln. In den vergangenen Jahren haben Hochwässer vielfältige neue Strukturen und Lebensräume geschaffen: Schotterbänke, Tief- und Flachwasserbereiche und Steilufer.

Nicht überall sind Änderungen in diesem Ausmaß möglich. Mitten in dicht verbautem Ortsgebiet oder direkt neben hochrangigen Straßen kommt niemand auf die Idee, Gewässern völlig freien Lauf zu lassen. Mitunter gehen Gemeinden auch auf Nummer sicher, weil sie nach Klagen in Folge von Hochwasserschäden schlechte Erfahrungen gemacht haben.

DER GESCHUNDENE FLUSS

»Die Große Tulln ist ein geschundener Fluss«, sagt Oswald Hicker, »von Neulengbach abwärts fließt sie in einem strengen Trapezprofil«. Hicker, von Beruf Sprecher des niederösterreichischen Gemeindebunds und dementsprechend diplomatisch, engagiert sich als leidenschaftlicher Fischer privat für das Gewässer. Bis 2029 hat er ein 25 Kilometer langes Fischereirevier gepachtet. Das klingt nach idyllischem Wienerwald, doch Hicker relativiert: »eine kitschige Flusslandschaft sieht anders aus«. Ein Großteil der Bäume und Stauden wird regelmäßig aus dem Flussquerschnittsprofil geschnitten. »Somit fehlt die in heißen Sommern wichtige Beschattung, für Forellen wird es da eng«, sagt er. Trotzdem ist bereits viel passiert. 2019 wurden zwei Wehranlagen entfernt. Plötzlich kam eine Vielzahl von Donaufischen in die Große Tulln. Weil über den gesamten Flussverlauf keine Wasserrechte von Mühlen oder Kraftwerksbetrei -

»Mehr Gehölz und Sträucher wirken bei Hochwasser bremsend, weshalb es vorkommt, dass Wasser schlechter abfließen kann.«
BILD LAND NIEDERÖSTERREICH
— Martin Angelmaier, Wasserabteilung des Landes NÖ
22 BIORAMA NÖ UFERBEWUCHS

Blick hinter die Kulissen

Weinviertler Erlebnisbetriebe laden zur Betriebsführung: Wissenswerte Informationen & Verkostung inklusive!

Das Weinviertel – nur einen Katzensprung von der Bundeshauptstadt Wien entfernt – lockt zu abwechslungsreichen Ausflügen. Neben klassischen Ausflugszielen garantieren auch zahlreiche Erlebnisbetriebe spannende Stunden. WinzerInnen und ProduzentInnen regionaler Köstlichkeiten gewähren dir dabei einen Blick hinter die Kulissen.

AB INS WEINVIERTEL

Du wolltest immer schon wissen, wie Weinviertler Spezialitäten und die köstlichen Weine der Region hergestellt werden? Dann sollte dich dein nächster Ausflug ins Weinviertel führen! Beim sogenannten wein.gut.schauen kannst du in die Welt der Weinviertler WinzerInnen eintauchen. Los geht’s mit einer Führung durch den Betrieb. Inkludiert: ein Besuch des Weinkellers oder des Weingartens. Nach spannenden Informationen und vielen Eindrücken rund um den Weinbau und die Verarbeitung von Trauben wird der Wein selbstverständlich auch verkostet. Das Weingut Neustifter in Poysdorf lädt

beispielsweise täglich um 16 Uhr zur Führung.

Doch auch die regionalen ProduzentInnen abseits des Weines haben viel zu bieten. Begib dich beispielsweise auf die Spuren von fruchtigen Beeren oder der Kulturpflanze Hanf oder sammle spannende Inputs und viele Eindrücke in einer Brauerei oder auf einer Haselnussplantage! Beim Biobeerengarten Hummel im Weinviertler Loosdorf kannst du beispielsweise jederzeit ausgerüstet mit Picknickrucksack und Audioguide die Beerenfelder erkunden.

TERMINE & INFORMATIONEN www.weinviertel.at/erlebnisbetriebe
BILD WEINVIERTEL TOURISMUS / DORIS SCHWARZ-KÖNIG, ASTRID BARTL ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES WEINVIERTEL TOURISMUS
Neben köstlichen Weinen kann auch die Produktvielfalt des Weinviertels erkundet werden.

berInnen zu berücksichtigen sind, werden bis 2025 auch die letzten sieben verbliebenen Wehre abgebaut sein. »Deshalb wird die Große Tulln in wenigen Jahren der einzige Fluss in Niederösterreich sein, der von der Quelle bis zur Mündung in der Donau wieder für wandernde Fische frei ist.« In einem Abschnitt (bei der Anzbach-Mündung) wurde eine Buhne errichtet – eine ins Wasser ragende Landzunge. Dahinter entstanden von selbst eine Schotterbank und ein Kolk (Tiefenausspülung, Anm.). »Der Kolk dient Fischen als Lebensraum, die Ritzen der grob geschichteten Steinbuhne sind ein Zufluchtsort«, sagt Hicker, »hier kann der Fischotter, der das reiche Nahrungsangebot in der Tulln seit Jahren schätzt, die flüchtenden Fische nicht verfolgen. Und die Schotterbank oberhalb nutzen Bachforellen zum Ablaichen«.

WIE DICK DARF EINE WEIDE SEIN?

Geht es nach dem Fischer, dann soll die Große Tulln ein Modellfluss werden. Und ein Musterbeispiel für machbare Kompromisse. Denn natürlich braucht es Uferbewuchs, damit die Sommerhitze das Flussökosystem nicht bedroht. Hicker geht nicht davon aus, dass sich in seinem Revier überall urtümlicher Uferbewuchs wiederherstellen lassen wird. Lange hat er darüber nachgedacht, wie ein Gewässerkonzept aussehen könnte, dass Hochwasserschutz und Ökologie vereint. Nun möchte er gemeinsam mit Gemeinden und GrundbesitzerInnen Pilotstrecken definieren, um zu überprüfen, ob seine Überlegungen der Praxis standhalten: Für Flussabschnitte mit geringem Hochwasserrisiko für naheliegende Wohngebiete soll festgelegt werden, wie dick eine Weide sein darf, damit sie weiterwachsen darf – und ab welchem Stammumfang sie umgeschnitten werden muss. Denn, so sein Gedanke: Ist ein Baum dünn genug, dann biegt er sich bei Hochwasser mit der Strömung oder wird von den Wassermassen umgedrückt. Das würde garantieren, dass unerwünschtes Wassers nicht am Abfließen gehindert wird. »Das bedeutet, dass wir alle zwei bis drei Jahren jeweils die dicksten Weiden händisch ausschneiden müssen«, sagt Oswald Hicker. Das bedeutet auch: schweißtreibende Arbeit. Doch bewährt sich seine Idee, dann könnten irgendwann auch am Weidenbach wieder Weiden wachsen. Zumindest kleine.

BILD AMT DER NOE LANDESREGIERUNG/NESWEDA
Guter Wille, wenig Platz: Ein Pflegekonzept für die Ufervegetation ermöglicht bei der Mank, einem Zufluss der Melk, zumindest Beschattung. Mit kleinen Strukturmaßnahmen wurde sie zu einem besseren Lebensraum.
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POD CAST

Wir wachsen mit Kultur

Den Kultur4KidsPodcast und spannende Ausflugstipps für die ganze Familie findest du auf www.kultur4kids.at, sowie Spotify, Apple Podcasts und Google Podcasts.

KULTUR NIEDERÖSTERREICH

GROSSE TULLN UND KLEINER KNÖTERICH

Trügerische Schönheit: Der Japanische Staudenknöterich erreicht eine Wuchshöhe von drei bis vier Metern, wächst gerne in Uferzonen und bereitet heute LandwirtInnen wie LandschaftsarchitektInnen gleichermaßen Kopfzerbrechen. Er führt »zur Erosion des Erdreichs und lässt durch [seinen]

dichten Wuchs keine anderen Pflanzen zu«, weiß das Schadregister der AGES. Nach Europa eingeführt wurde der Neophyt im 19. Jahrhundert aber absichtlich als Zierpflanze und Deckungspflanze, Mitte des 20. Jahrhunderts hat er begonnen, sich in Europa sprunghaft auszubreiten.

TEXT Thomas Weber und Irina Zelewitz
BILD ISTOCK.COM / GERT JAN VAN VLIET 26 BIORAMA NÖ UFERBEFESTIGUNG

Der Staudenknöterich bildet ein Wurzelwerk aus Rhizomen, das, wenn es nicht innerhalb der ersten Jahre entdeckt und entfernt wird, kaum mehr wieder loszuwerden ist. Dann kann man nur noch durch konstante Mahd (einzelnes Abschneiden und Ausreißen der Triebe) seine Ausbreitung eindämmen, wobei empfohlen wird, begleitend auf Kon -

kurrenzgehölze und Gräser zu setzen. Wer ihn ohne den Einsatz von Herbiziden (Glyphosat), dessen Einsatz etwa in Uferzonen glücklicherweise ohnehin kategorisch untersagt ist, dauerhaft entfernen möchte, dem bleibt nur mehr der komplette Bodenaustausch bis in eine Tiefe von mindestens einem Meter. ages.at

Die Große Tulln bei Asperhofen: Die einstige Ufervegetation wurde entfernt, um das Trapezprofil freizuhalten. Nun entspricht der Zustand jenem bei der Regulierung in den 1920er-Jahren. »Unterm Gras sind die Ufer mit Betonwürfeln glatt ausgelegt«, weiß Oswald Hicker, Pächter des Fischereireviers. »Die fehlende Beschattung führt nicht nur zur Wassererwärmung, sondern ermöglicht auch Neophyten wie dem Japanischen Staudenknöterich sich ungehindert auszubreiten.« Invasive Pflanzen wie der Staudenknöterisch, aber aktuell auch das Springkraut oder die Goldrute können sich flächendeckend ausbreiten und das Aufkommen von Gehölzen verzögern oder verhindern.

BILD OSWALD HICKER 27

Die Grosse Tulln bei Judenau: Mit enormem Aufwand von Gerät, Zeit und Geld werden die Ufer »kahlgeschoren«, auch um den Knöterich zu bekämpfen. »Die Maßnahme ist kontraproduktiv«, hat Hicker beobachtet. Da sich der gehäckselte Knöterich durch Rhizome vermehrt und bereits etwa zwei Zentimeter große Pflanzenteile genügen, damit diese erneut anwurzeln. »So hat sich die Pflanze inzwischen entlang der gesamten Grossen Tulln unkontrolliert verbreitet«, so Hicker. Die Pflanze breitet sich aber nicht nur durch das wachsende Rhizomnetz und die Verbreitung durch Menschen, die ihn bekämpfen wollen und unterschätzen, dass einzelne kleinste Pflanzenteile im Erdreich genügen, um neue Pflanzentriebe auszubilden –sondern auch durch die Flüsse, deren Ufer sie überwuchern. Pflanzenreste werden auch direkt über den Fluss an neue Ufer gespült.

Ein paar Meter weiter, ebenfalls bei Judenau: Eine Aufweitung hat es ermöglicht, dass wenige Meter unterhalb des kahlgeschorenen Uferabschitts eine kurze Strecke lang Weiden wachsen können. Die schnellwüchsigen Bäume haben ein Dach über den Fluss gespannt und schützen ihn so vor Überhitzung. Ihre

Wurzelstöcke strukturieren das Gerinne und bieten auch Fischen Unterstandsmöglichkeiten, um sich vor Fressfeinden wie Reihern, Kormoranen oder dem Fischotter zu schützen. Nicht zuletzt bildet das Blätterdach auch einen wirksamen Schutz gegen den sonnenliebenden Staudenknöterich.

BIORAMA NÖ UFERBEFESTIGUNG BILD OSWALD HICKER 28
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EINE DONAU WIE DAMALS?

Renaturierungen erfolgen nicht für die Fisch.

Die Donau ist ohne Zweifel eine der wundervollsten Wasserstraßen der Welt, die nicht nur in wirtschaftlichen Belangen gleich zehn Ländern eine lebenswichtige Basis am Wasser ermöglicht«, heißt es im ersten Satz des Beitrags der Infothek des Klimaschutzministeriums (BMK) zum Titel »schützenswerte Naturjuwele an der Donau« (verfasst am 15. Juni 2018). Dass die Strome sogar im eigenen Land mitunter auf die Funktion der Wasserstraßen reduziert wurden, hat teils längst bekannte und spürbare Auswirkungen, aber auch solche, die erst durch den fortschreitenden Klimawandel deutlich sichtbar werden.

Als 1866/67 Johann Strauß (Sohn) der schönen blauen Donau sein (unser) Lied komponierte, war die Donau (nicht nur in Niederösterreich) weitgehend ungezähmt. Blau war sie streng genommen hierzulande auch damals eher nicht, wie dank einer ausgeprägten Dokumentationskultur der beobachteten Donauwasserfarben überliefert ist. Die grundlegenden Veränderungen durch die Regulierungen

vor allem des 19. Jahrhunderts und die weitere Verbauung im Lauf des 20. haben dem titelgebende Fluss wie seinen Ufern als Sehnsuchtsort und BesucherInnenmagnet keinen Abbruch getan.

Erst Hochwasserereignisse im späten 20. Jahrhundert haben den Stimmen, die etwa das Trockenlegen natürlicher Überschwemmungsgebiete prinzipiell problematisiert haben, breiteres Gehör verschafft, erste Rückbauprojekte enstanden. Auf dem Gebiet des heutigen Nationalpark Donau-Auen etwa schon knapp vor dessen Gründung. Doch auch im Nationalpark fließt die Donau freilich nicht in einem natürlichen Flusssystem. Renaturierungen passieren auch hier abschnittweise, in Abstimmung mit den Anforderungen an Hochwasserschutz, an die Wasserentnahmebedürfnisse der umliegenden Gemeinden, an Verkehr und Tourismus. Weite Teile des Flusssystems werden auch im Nationalpark nicht sich selbst überlassen – es gilt, Kompromisse für einen schiffbaren Fluss zu finden. »Die gesellschaftlichen Anforderun-

TEXT
»
30 BIORAMA NÖ DONAUAUEN

gen an die Donau sind vielfältig« wirbt Stefan Schneeweihs, Gewässerökologe im Nationapark Donau-Auen, um Verständnis für die teils gegensätzlichen Interessen in der Gestaltung oder eben Nicht-Gestaltung des Flussystems.

DER ZWECK IM FLUSS

Denn die unterschiedlichen gesellschaftlichen und ökologischen »Funktionen« der Donau müssen dringend besser unter einen Hut gebracht werden, das geben einerseits schon beschlossene europäische Zielsetzungen vor, die in Österreich (bis zum Jahr 2027) auch ganz konkret weitere Renaturierungsmaßnahmen bei Flüssen notwendig machen; andererseits sorgen Dürreperioden dafür, dass neben Hochwassereignissen nun auch in der Bevölkerung die Sorge um die Wasserstände der Fließgewässer und die Grundwasserpegel wächst.

Wie sich Renaturierung auch in diesen Kontexten positiv auswirkt, ist im Gegensatz zu den Vorteilen für den Artenschutz noch wenig bekannt. Es gebe neben den »inzwischen bekannten Vorteilen hinsichtlich Erhalt von Lebensräumen von für Flusslandschaften typischen Arten« aber auch viele andere Profiteure, erklärt Schneeweihs. Die bekannten, das wären etwa strömungsliebende Fische, kiesbrütende Vögel, Schwarzpappeln, Weiden. Lieber spricht er da zum Beispiel schon über die wirbellosen Kleintiere, die in den Schotterbänken leben und anonym bleiben können – »man muss sie nicht immer einzeln namentlich aufzählen, sie finden in natürlichen Flusslandschaften einen Lebensraum«.

Obwohl sie freilich keinen solchen Grund zum Dasein bräuchten, »Funktionen« im Ökosystem Flusslandschaft und auch Nutzen für den Menschen hätten sie schon: »Sie tragen zum Beispiel zur Reinigung des Wassers bei, filtrieren es.« Neben Aspekten der Wasserqualität wirken natürlichere Flusslandschaften auch positiv auf die Wasserquantität: Und zwar sowohl gegen die Eintiefung von Flussbetten als auch für bessere Aufnahme des Wassers in die Böden. Denn einerseits transportiert die Donau aus dem Gebirge Schotter mit – das sogenannte Geschiebe – und da Flussregulierungen die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöhen, wird auch mehr davon weggetragen. Durch die Errichtung von Wehren, Staudämme

oder Wasserkraftwerke kann sich das Geschiebe außerdem nicht natürlich verteilen, sondern es kommt zu Eintiefungen vor allem in den Flussbereichen nach diesen Verbauungen.

LITTLE CANYONS

Diese Eintiefungen bedeuten nicht nur ein Absinken der Fluss- und Uferbereiche, sondern teilweise auch des Grundwasserspiegels. Der Fachmann spricht dabei von einem veränderten Querprofil: »Die unregulierte Donau, etwa im Bereich des Nationalparks, war ein weites System, wie ein Netz an Wasserläufen – das hat sehr viel Platz eingenommen – durch die Regulierung hat man den Fluss eingezwängt. Und durch die Renaturierungen errreicht man eine Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit und wirkt der Eintiefung in diesem Bereich entgegen.« Die Anbindung von Seitenarmen sorgt außerdem dafür, dass auch wieder Geschiebe ins System kommt. Dort, wo der Fluss dann wieder ein Netz aus Fluss und Nebenarmen bildet, verbessert sich die Verbindung zwischen Oberflächenwasser (also Fluss) und Grundwasser. Das liegt an einer größeren Durchlässigkeit der Sedimente, die Oberflächenwasserschichten und Grundwasserschichten voneinander trennen. Scheeweihs erklärt dies anhand eines Beispiels: »Wenn sich etwa Schlamm in abgetrennten Sei-

BILD ISTOCK.COM/LOREMIPSUM, NATIONALPARK DONAU-AUEN
Stefan Schneeweihs ist im Natioanlpark Donau-Auen für die Wasserbauprojekte verantwortlich.
St. Pölten
TULLN GROSSE TULLN YBBS Ybbs a.d.D Amstetten HASLAU-
Krems an der Donau
REGELSBRUNN SPITTELAUER
ARM Hainburg an der Donau
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2020 bei Hainburg fertiggestellt: Der Spittelauer Arm, die bisher intensivste Gewässervernetzung eines Seitenamsystems im Nationalpark Donau-Auen.

Das Projekt Dynamic Life Lines Danube wird von mehreren Projektträgern durchgeführt. Darunter der Nationalpark Donau-Auen, die Viadonau und auch der WWF.

Es soll u. a. 25 km an Nebenarmen wieder mit der Donau verbinden, davon 12 km in Österreich.

Dadurch soll wieder mehr Wasser in die Au gebracht und 1500 ha Auwald wieder naturnaher werden.

tenbereichen des Flusses abgelagert hat, dichtet der die Verbindung zum Grundwasser ab. Wenn wieder Strömung in die Seitenarme einer Au kommt, werden sie durchspült und es entsteht ein kiesiges Gewässerbett mit einer guten Verbindung zwischen Fluss und Grundwasser.«

MEHR AUEN IN DEN NATIONALPARK

Renaturierungsprojekte sind in den vergangenen Jahrzehnten an einigen Donauabschnitten bereits erfolgt, darunter eine Handvoll auch im Nationalpark Donau-Auen. Gerade dort, wo der Natur schon verhältnismäßig viel Platz eingeräumt wird, ist der Effekt der Revitalisierung von Ufern und der Wiederanbindung von Seitenarmen besonders groß, da die Donau hier »frei fließt«, erklärt Schneeweihs. »Die Strecke ist nicht durch ein Kraftwerk unterhalb stark eingeschränkt. Dadurch kann der Fluss mit eigener Kraft die Aulandschaft formen.«

Das erste Revitalisierungsprojekt im Nationalparkgelände wurde 1995 durchgeführt und das bisher letzte 2020 bei Hainburg fertiggestellt: Der Spittelauer Arm war die laut Stefan Schneeweihs bisher intensivste Gewässervernetzung eines Seitenarmsystems im Nationalpark Donau-Auen – und demnächst soll in Haslau-Regelsbrunn mit der nächsten, ähnlich umfangreichen, begonnen werden. Konkret durch die Entfernung von Uferbefestigung und die Entfernung von Barrieren im Verlauf des alten Seitenarm-Systems. Dem Fluss wird hier also einiger Spielraum wiedereröffnet, finanziert werden beide Projekte im Rahmen von »Dy-

namic Life Lines Danube« – das grenzüberschreitend in Österreich und der Slowakei zur Renaturierung der Donau und ihrer Auen konzipiert wurde und im Rahmen des größeren EU-Förderrahmens »Life« der EU kofinanziert wird.

Umbaumaßnahmen dieser Größenordnung sind nicht nur aufgrund ihrer unmittelbaren ökologischen Auswirkungen bedeutsam, sondern auch aufgrund ihrer Vorbildwirkung für Regionen, in denen man der Vereinbarkeit einer schiffbaren Wasserstraße mit der Verfolgung von Biodiversitäts- und Umweltschutzzielen skeptischer gegenübersteht, wie mehrere der Projektträger betonen. Flussabschnitte, die sich für Renaturierungsprojekte eignen, gäbe es aber auch in Österreich noch genug, stellt Schneeweihs klar: »Überall entlang der österreichischen Donau gibt es noch Potenzial für Renaturierungen. Auch in den Stauräumen von Kraftwerken finden Renaturierungsprojekte statt, auch wenn sich dort die Voraussetzungen von der frei fließenden Nationalparkstrecke unterscheiden.« Es müssten allerdings im Stauraum eines Kraftwerks andere Maßnahmen getroffen werden als etwa im Nationalpark – die unterschiedlichen Gegebenheiten würden vorgeben, was auf einem Abschnitt möglich und sinnvoll ist. Eine Donau wie früher könne man nicht mehr herstellen –»weil die Gesellschaft auch andere Ansprüche stellt« – aber man kann sich Schneeweihs zufolge sehr weit an natürliche Zustände annähern, so weit, dass wir wieder ein ökologisch intaktes Flusssystem Donau vorfinden.

SPITTELAUER ARM

HASLAUREGELSBRUNN

Fast so umfangreich geplant wie der Anschluss des Spittelauer Arms: Die Gewässervernetzung bei Haslau-Regelsbrunn. Fischamend Maria Elend Hainburg an der Donau Regelsbrunn Regelsbrunn Bad DeutschAltenburg
32 BIORAMA NÖ DONAUAUEN

OASE BÖHEIMKIRCHEN

Eine Stadt, die sich am Fluss gebildet hat, hat diesen nun auch als Erholungsraum für ihre BürgerInnen gestaltet.

Wer im Zentrum Böheimkirchens im Kaffeehaus von seiner Tasse aufblickt, kann direkt die Ergebnisse eines Klimaschutzprojektes betrachten: In den Jahren 2016 bis 2018 wurde hier ein 4,3 Kilometer langer Abschnitt des Michelbachs, der direkt durch den Ort fließt renaturiert. Der so geschaffene Naturraum ist gleichzeitig auch als Freizeitoase für die BürgerInnen gedacht. Die ökologische Sanierung gemäß der EU Wasserrahmenrichtlinie betrifft einen Abschnitt vom Ortskern bis zur Katastrale Furth. Der Fluss war zuvor begradigt worden und es gab hier sechs Wehre, die Wasserqualität wurde als niedrig eingestuft, die Fischpassierbarkeit war nicht gegeben und die Bachbett war monoton, meist überall gleich tief und bei Niederwasser sehr seicht, es fehlte eine ausgeprägte Abfolge von seichten strö-

menden Bereichen (Furten) und tiefen Bereichen (Kolke). Das ist nun alles anders.

NATÜRLICHER HOCHWASSERSCHUTZ

Dass es soweit gekommen ist, war lange nicht zu erwarten. Denn geplant war eigentlich ein betonierter Hochwasserschutz, der letztlich an den Bauern, die die dafür nötigen Flächen nicht abgeben wollten, gescheitert ist. Maggie Dorn-Hayden war als eine der Ersten froh über dieses Scheitern, denn die Umweltgemeinderätin von Böheimkirchen hatte immer

BIORAMA NÖ RENATURIERUNG DES MICHELBACHS BILD EZB TB ZAUNER
»Die Idee einer Freizeit- und Erholungszone hat überzeugt.«
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Maggie Dorn-Hayden, Gemeinderätin Böheimkirchen

ST. PÖLTEN

EU-Wasserrahmenrichtlinie

Die Richtlinie trat im Jahr 2000 in Kraft und zielt darauf ab, bis 2015, mit Ausnahmen spätestens 2027, einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand für Oberflächengewässer und ein gutes ökologisches Potenzial und einen guten chemischen Zustand für erheblich veränderte oder künstliche Gewässer zu erreichen.

Ausgezeichnet

Das Projekt »Renaturierung Michelbach« gewann den »Climate Star 2018« der europäischen Geschäftsstelle des österreichischen Klimabündnisses, den Energy Globe Award, wurde 2023 niederösterreichischer Landessieger beim Neptun Staatspreis Wasser und aktuell für den länderübergreifenden »Adapterra Awards« für Klimawandelanpassungen im tschechisch-österreichischen Grenzgebiet nominiert.

MICHELBACH BEI BÖHEIMKIRCHEN

schon andere Vorstellungen. Sie wies auf die ökologischen Folgen der technischen Lösung eines betonierten Damms hin und setzte sich auf breiter Front für eine ökologische Lösung ein, die durch Retentionsraum Hochwasserspitzen abmildert und gleichzeitig dem Klimaschutz und der Artenvielfalt dient. Gemeinsam mit dem ehemaligen Bürgermeister Johann Hell setzte sie sich für die Renatierung ein und brachte das Land und die Bevölkerung auf ihre Seite. »Die Idee einer Freizeit- und Erholungszone, einer Überflutungszone, die als Freizeitoase nutzbar ist, hat schließlich überzeugt«, erzählt sie: »Nun können Familien mit Kindern hier ihre Freizeit verbringen und der Natur konnten wir etwas zurückgeben.« Zu den ökologischen Maßnahmen zählte der Abbau

hoher Wehre, eine Mäandrierung des Wasserlaufs, durchgängige Fischpassierbarkeit dank Fischaufstiegshilfen, die Schaffung von Laichplätzen und mehr Biodiversität durch Ufervegetation. Die gepflanzten Bäume und Büsche sind nicht nur Lebensraum von Vögeln und Insekten, sondern sorgen auch für Schatten und damit kühleres Wasser, das Fische brauchen.

SCHLÜSSELLEBENSRÄUME

Begleitet wurde das Projekt vom Ökologen Martin Mühlbauer, dem Leiter der Gruppe gewässerökologische Planungen bei »Ezb Zauner – Technisches Büro für Angewandte Gewässerökologie und Fischereiwirtschaft«. Er erinnert sich: »Der Michelbach verläuft heute reguliert und begradigt. Das Umland ist ge-

FURTH
34 BIORAMA NÖ RENATURIERUNG DES MICHELBACH

nutzt durch Siedlungen und Landwirtschaft. Eine zentrale Überlegung bei der Planung war, wie unter diesen beengten Rahmenbedingungen ein Maximum an dynamischen Flussstrukturen wiederhergestellt werden kann.« Wichtige Schlüssellebensräume wie Kiesbänke, überströmte Kiesfurten, Tiefenstellen (Kolke) und Ufervegetation sollten sich möglichst natürlich ausprägen können: »Da die Wasserführung des Michelbachs in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist und die sommerliche Wassertemperatur deutlich zugenommen hat, ist beispielsweise die Äsche, eine Kaltwasser benötigende Fischart, hier schon vor rund 30 Jahren ausgestorben. Damit das nicht auch noch mit anderen Kaltwasserarten wie der Koppe und der Bachforelle passiert, wird darauf geachtet, dass sich zukünftig eine durchgehende Beschattung der Ufer entwickeln kann. Durch die nun ausgeprägte Abfolge von Furten und Kolken ergibt sich ein Wasseraustausch mit dem Grundwasserbegleitstrom, so dass sich im Sommer kühles Wasser in den Kolken sammeln kann.« Diese tieferen Stellen sorgen auch dafür, dass der Fluss im Sommer

Martin Mühlbauer, Gewässerökologe

nicht austrocknet. Durch den Rückbau von drei Wehren und den Bau von Fischwanderhilfen ist der Flussabschnitt nun auch wieder durchgängig für Fische.

DAS WAR ERST DER ANFANG

Nach seinem Abschluss gewann das drei Millionen teure Projekt, das von Bund (1,8 Milionen Euro), Land (0,9 Millionen Euro) und der Gemeinde (300.000 Euro) finanziert wurde, einige Umweltpreise. Das Thema Michelbach ist damit aber nicht abgeschlossen. Der Abschnitt ist heute ein Ziel von Schulexkur-

sionen zum Kennenlernen des Naturraums

Fließgewässer und nicht nur Martin Mühlbauer denkt bereits an die Renaturierung weiterer Flussabschnitte: »Zukünftige Ziele sind, dass die angrenzenden Flussstrecken auch renaturiert und durchgängig für Fische werden, damit viele weitere Arten, wie die Massenfischarten Barbe und Nase aus dem Unterlauf und der Donau zuwandern können.«

Maggie Dorn-Hayden freut sich über den Green Deal der EU und die Bewegung, die nun auch in den Gesetzgebungsprozess zum »Nature Restoration Law« (Renaturierungsgesetz) der EU gekommen ist. Denn sie geht davon aus, dass es künftig zu einer Beschleunigung sowohl der Entscheidungen in Renaturierungsfragen als auch der Freigabe der dazu benötigten Mittel kommt. Sie hofft, dass im Rahmen der Renaturierungsprozesse auch mehr Bewusstsein für die Vorteile natürlicher Landschaften entsteht – wie eben der natürliche Hochwasserschutz. Dieses Umdenken könnte zu mehr begleitenden Maßnahmen führen, damit die Naturräume ihre volle Wirkung entfalten können: »Es geht, darum Wehre abzubauen, es braucht mehr Bäume, man sollte seltener mähen um die Biodiversität zu fördern oder auch mehr Freihaltestreifen einrichten, die verhindern, dass bei Regen die Dünge- und Spritzmittel aus der Landwirtschaft oder auch Sedimente in die Flüsse gewaschen werden.« An Ideen für mehr Renaturierungszonen und Umweltschutz mangelt es jedenfalls nicht.

Neptun Staatspreis Wasser

Der österreichische Umweltund Innovationspreis für nachhaltige Wasserprojekte wurde 1999 als Neptun Wasserpreis gegründet, um die Bedeutung der Ressource Wasser zu verdeutlichen –seit 2023 wird er als Staatspreis ausgelobt.

BILD DANIEL AUER, EZB TB ZAUNER
»Zukünftige Ziele sind, dass angrenzende Flussstrecken auch renaturiert und durchgängig für Fische werden.«
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VERKÜRZUNG DER DURSTSTRECKE

Katharina Loupal

ist bei Birdlife Österreich im Bereich Corporate- und Public Fundraising tätig. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Themen Vogelkrankheiten und Gebäudebrüterschutz.

Spatzen erfrischen sich an einer Vogeltränke. Vögel können nicht schwitzen, daher dienen Wasserstellen zur äußeren Abkühlung. Bei Überhitzung beginnen Vögel, mit offenem Schnabel zu hecheln.

In Trockenperioden helfen einfache Maßnahmen auch den gefiederten Freunden.

Laut ZAMG haben sich Hitzetage, mit Temperaturen über 30 Grad Celsius, in Österreich in den letzten 30 Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Aber nicht nur Menschen leiden unter der Hitze, auch Tiere sind davon betroffen. Unter anderem auch Vögel, welche den Zugang zu Wasserquellen benötigen.

Ihre übliche Flüssigkeitszufuhr erhalten sie an Trinkplätzen wie Lacken und Gräben oder durch wasserreiche Ernährung mit Raupen und Insekten. Aber Vögel brauchen Wasserstellen auch um ihre Körpertemperatur zu senken, da ihnen die Fähigkeit zu schwitzen fehlt. Ersichtlich wird diese Überhitzung durch hechelnde Vögel, welche sich durch den geöffneten Schnabel versuchen abzukühlen. Wasser-

stellen stehen ihnen während Trockenperioden aber nicht immer zur Verfügung. Mit kleinen Maßnahmen auf dem Balkon oder im Garten können VogelfreundInnen vielen verschiedenen Gartenvögeln wie Amseln und Spatzen etwas Gutes tun.

WASSER MARSCH

Durch das Aufstellen einer Wassertränke können sich durstige Vögel das ganze Jahr über unterstützt werden. Dürreperioden jenseits der Sommermonate, aber auch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt können die Wasserstellen für Vögel knapp machen und dafür sorgen, dass Vögel auf Tränken angewiesen sind, um zu überleben, Unter anderem auch, weil ihre

BILD ISTOCK.COM / LASALLE, SUNBIRD IMAGES OHG
TEXT
36 BIORAMA NÖ GARTEN & BALKON
Conny Allum

Nahrung im Winter wasserärmer ist, etwa körnerreiche Trockennahrung. Hierzu eignen sich besonders flache Gefäße mit einer Tiefe zwischen zwei und zehn Zentimetern wie Blumentopfuntersetzer mit einem rauen Untergrund sowie einem breiten Rand, um Vögeln einen guten Landeplatz zu geben. Auch ein Sitzstein in der Mitte der Tränke kann als Aufstieg dienen für Tiere, die ins Wasser gefallen sind. Gefüllt wird die Tränke mit einer Füllhöhe von etwa zehn Zentimetern Wasser, sodass sie auch als Vogelbad genutzt werden kann, empfiehlt Katharina Loupal von Birdlife Österreich. Bei der Betreuung einer Vogeltränke spielt Hygiene eine besonders wichtige Rolle. Das Wasser muss zur Vorbeugung von etwaigen Krankheitserregern, wie Trichomonaden die den Verdauungstrakt von Vögeln befallen und sich über Trinkstellen verbreiten, täglich gewechselt und gereinigt werden. Dazu empfiehlt sich, die Schale mit kochendem Wasser zu übergießen. Auf den Einsatz chemischer Reinigungsmittel kann dann verzichtet werden, jedenfalls aber sollten drauf geachtet werden, dass wenn Spülmittel oder Ähnliches verwendet wird, keine Rückstände davon in der Schale zurückbleiben. Wem das zu aufwendig ist, nützt zwei Schalen abwechselnd, damit jeweils eine austrocknen kann, während die andere im Einsatz ist.

KEINE FALLEN STELLEN

Besonders kleinere Vögel müssen sich vor Fressfeinden wie größeren Vögeln oder Katzen in Acht nehmen. Da Vögel an Wasserstellen oft abgelenkt sind und nicht ausreichend auf ihre Umgebung achten können, sollte die Tränke in einer Entfernung von etwa zwei Metern zu einer Hecke oder ähnlich guten Verstecken von Angreifern platziert werden. Ob hochgelagert oder am Boden platziert, ist dann laut Katharina Loupal nicht entscheidend.

Falls Vögel mit Merkmalen wie Flugunfähigkeit, zerzaustem Gefieder oder Verklebungen um den Schnabel rund um die Tränken auftauchen, sollten die Wasserstellen sofort entfernt werden, um etwaige Übertragung von Krankheiten zu unterbinden.

»VÖGEL IN ÖSTERREICH«

Die Vogelschutz-NGO Birdlife Österreich und der Entwickler »Sunbird Images OHG« haben Im Frühjahr eine App zur Vogelbestimmung auf den Markt gebracht, die in der Basisversion kostenlos genutzt werden kann. Sie umfasst 307 in Österreich verbreitete Vogelarten mit Artenporträts inklusive Fotos, 3D-Modelle und Bestimmungstafeln.

Mit einer Vergleichsfunktion können ähnliche Vogelarten direkt nebeneinandergelegt werden, um die unterschiedlichen Merkmale hervorzuheben und die Bestimmung so zu vereinfachen. Im kostenpflichtigen Upgrade (Birdlife gibt an, dass ein nicht näher bestimmter Teil der Einnahmen dem Vogelschutz zugutekommt) können beispielsweise auch Audioaufnahmen verglichen werden. Erhältlich für iOS und Android.

Krankheitsfälle können unter office@birdlife.at bei »Birdlife Österreich« gemeldet werden.

SCHWIMMEN MIT DEM STROM

nterwegs an einem heißen Sommertag: Es glitzert blau durch die Bäume am Straßenrand. Ein Fluss schlängelt sich verlockend durch die Landschaft, ein Zugang zum kühlen Nass ist mit ein wenig Glück schnell gefunden. Wo darf man überhaupt baden, wie badet man sicher und was gilt es zu beachten, um das ökologische Gleichgewicht des Fließgewässers nicht zu stören?

IN WELCHEN FLÜSSEN

GESCHWOMMEN WERDEN DARF

Wie wichtig es ist, sich an die Regeln zum Schutz der Lebensräume zu halten, zeigt eine im Mai veröffentlichte Studie von wwf und Birdlife zum Flussuferläufer: Ein Drittel bis die Hälfte der für ihn geeigneten Lebensräume am Inn ist schon jetzt aufgrund von Störfaktoren unbrauchbar. Um weiteren Verlust des knappen Lebensraums vieler Arten zu stoppen, gilt in den meisten Naturschutzgebieten ein Betretungsverbot abseits der Wege, in Gewässerschutzgebieten sind an den Flüssen oft explizite Badeverbote ausgewiesen.

Laut WWF leben rund 3,7 Millionen ÖsterreicherInnen in 2,5 Kilometer Nähe –also in Gehweite –eines Flusses, die wichtige Erholungsgebiete für Menschen darstellen.

Grundsätzlich sind Flüsse – es sei denn, sie sind in Privatbesitz oder mit einem Badeverbot belegt – frei zugänglich. Will man beim Flussbaden auf Nummer sicher gehen, nützt man ausgewiesene Badezonen.

Um sensible Tier- und Pflanzenarten nicht zu stören, sollte man sich auch dort, wo Baden erlaubt ist, umsichtig verhalten. Denn nicht zuletzt Achtlosigkeit von Flussbadenden oder SpaziergängerInnen kann für Tiere wie den Flussuferläufer, der an vielen Kiesinseln brütet, attraktive Lebensräume unbrauchbar machen, weiß Gerhard Egger, Leiter der Gewässerschutzabteilung des wwf Österreich. Schotterbänke und Kiesinseln sollten daher während der Brutzeiten eher gemieden werden. Die besonders heikle Zeit ist dieses Jahr schon fast geschafft, sie läuft für Brutvögel von April bis Juli.

NATUR PUR

Wie überall gilt auch beim Besuch am Fluss: Nichts gehört in die Natur, was nicht schon zuvor da war. Das gilt nicht nur für Plastikverpackungen und Glasflaschen, sondern auch für Zigarettenstummel und Hygieneprodukte. Aber auch über Körperpflegeprodukte können Stoffe in den Fluss gelangen, die dort eigentlich besser nicht wären. Sonnencremes stehen laut Egger im Verdacht, sensible Wasserlebewesen zu schädigen. Man kann durch den Griff zu Naturkosmetikprodukten zumindest darauf verzichten, den Fluss mit Mikroplastik aus der Creme zu kontaminieren; wer auch auf mechanischen Sonnenschutz zurückgreift – also etwa Hut oder Kleidung –, tut seiner Haut und der Umwelt einen weiteren Gefallen.

Wie man bei einem Flussbad weder sich selbst noch das Ökosystem gefährdet.
BILD ISTOCK.COM/STREETFLASH, ANTON VORAUER 38 BIORAMA NÖ FLUSSBADEN

FLÜSSE SIND KEINE FREIBÄDER

Aber nicht nur Flora und Fauna kann durch Wildbaden geschädigt werden, die fließenden Gewässer können auch für Menschen zur Gefahr werden. Die Strömung in Fließgewässern, die teilweise von außen nicht erkennbar ist, ist nicht zu unterschätzen und die eigenen Schwimmfähigkeiten werden von Laien leider allzu oft überschätzt. Manchmal reicht es, kniehoch im Wasser zu stehen, um durch die Strömung außer Balance zu kommen. Vor allem mit Kindern sollten daher eher strömungsarme Bereiche aufgesucht werden.

D as Springen in Flüsse ist riskant, die Wassertiefe kann kleinräumig stark variieren – und von außen ist sie meist schwer abschätzbar. Und die Temperaturen können so manchen Kreislauf überfordern, selbst im Sommer können die Wassertemperaturen von Flüssen mehr als nur erfrischend sein. Ebenso sollte nach Kläranlagen und Unterbrechungen in den Gewässern Ausschau gehalten werden.

E s gibt viele Möglichkeiten, fließendes Gewässer in Form von geführten Touren zu entdecken und auch den Blick für besonders schützenswerte Bereiche zu schulen. »Es ist super, dass die Menschen zu den Flüssen gehen. Es sind attraktive Lebensräume, man lernt etwas, wenn man am Fluss unterwegs ist«, betont Gerhard Egger. »Ich möchte eine große Empfehlung aussprechen, das auch zu tun und zu nutzen.«

Dieser Beitrag ist erstmals im BIORAMA #73 (Juni/Juli 2021) erschienen.

ADAMAH BioHof-Fest

Lass uns abhängen am 2. und 3. September

Anfang September ist es soweit und wir öffnen die Hoftore unseres BioHofs in Glinzendorf, um mit dir das Leben und die Vielfalt zu feiern. Mit einem bunten Programm für Groß und Klein, kreativen Aussteller:innen, kulinarischen Highlights, und Live-Musik lassen wir’s krachen!

www.adamah.at/biohoffest

Flussuferläufer brüten oftmals auf Kiesinseln in Flüssen und reagieren sensibel auf Veränderungen im Ökosystem.

BIORAMA NÖ FLUSSBADEN

1 2 40

WILD UND FRISCH

An Tagen, an denen viele Seen schon kaum mehr echte Abkühlung bieten, kann ein Flussbad die Antwort sein. Zwölf Ausflugsorte mit Flussbadeoption in Niederösterreich – und Optionen zur öffentlichen Anreise.

FLUSSBAD HOLLENSTEIN

Von Waidhofen/Ybbs Mühlstraße mit dem Bus nach Hollenstein/Ybbs Feuerwehr (ca. 40 Min Fahrt), dann 10 Minuten Fußweg.

FLUSSBAD GÖSTLING

3

ÖTSCHERGRÄBEN

Mit der Mariazellerbahn von St. Pölten zur Station Mitterbach Gemeindealpe. Von dort loswandern.

FLUSSBAD RABENSTEIN

4

Von St. Pölten mit der Mariazellerbahn nach Rabenstein an der Pielach, dann 5 Minuten Fußweg.

Von Scheibbs nach Göstling/Ybbs Rathaus (ca. 50 Minuten Fahrt), danach 4 Minuten Fußweg. BILD HEINZ HENNNINGER, MOSTVIERTEL TOURISMUS/WEINFRANZ.AT, ISTOCK.COM/FOTO GABLITZ

Flussbad

Flussbad

Hollenstein

Flussbad

Göstling

HAFENSTÜBERL LUBEREGG

Vom Bahnhof Melk mit dem Bus nach Emmersdorf/Donau Seegarten, danach rund 20 Minuten Fußweg.

St.
Krems an der Donau TULLN Ybbs a.d.D Amstetten 1 2 3 5 10 8 7 11 4 6 9 Badekolonie Kritzendorf Plank am Kamp Schönberg
Kamp
Badehütte Dobersberg
Pölten
am
Drosendorf
Ötschergräben Pielachmündung
Rabenstein Hafenstüberl Luberegg
BILD ISTOCK.COM/FRANKRAMSPOTT, BIORAMA
5 41

6 PIELACHMÜNDUNG

Vom Bahnhof Melk mit dem Bus nach Melk Pielachmündung. Vor allem praktisch, wenn man ohenhin dran vorbeikommt. Hier gibt es in der direkten Umgebung keinerlei Infrastruktur.

St. Pölten Krems an der Donau TULLN Ybbs a.d.D Amstetten 2 3 5 10 8 7 11 4 6 9 Badekolonie Kritzendorf Plank am Kamp Schönberg am Kamp Drosendorf Badehütte Dobersberg Auterrasse Stopfenreuth
Pielachmündung
Rabenstein Hafenstüberl Luberegg Flussbad Göstling BILD DONAU NIEDERÖSTERREICH/ BARBARA ELSER, ISTOCK.COM/FRANKRAMSPOTT
Ötschergräben
Flussbad
42 BIORAMA NÖ FLUSSBADEN

7 SCHÖNBERG AM KAMP

Zwischen Langenlois und Gars am Kamp beim Bahnhof Stiefern in der Gemeinde Schönberg am Kamp aussteigen, 4 Gehminuten zur »Stieferner Badwiesen«.

9 BADEHÜTTE DOBERSBERG

PLANK AM KAMP

Zwischen Langenlois und Gars am Kamp, unweit entfernt von Steiefern, beim Bahnhof Plank am Kamp aussteigen. Von dort rund 10 Minuten zu Fuß.

Von Waidhofen/Thaya mit dem Regionalbus nach Dobersberg

NÖ Waidhofner Straße, dann zu Fuß in den Naturpark Dobersberg. 10 12

STRANDBAD DROSENDORF

Von Retz mit dem Zug nach Drosendorf und vom Bahnhof rund 20 Minuten zu Fuß.

8 11

BADEKOLONIE KRITZENDORF

Zwischen Wien und Tulln an der Franz-Josephs-Bahn. Mit der S40 zur Station Kritzendorf Bahnhof und von dort rund 10 Minuten ins Strombad Kritzendorf – oder einen schattigen Platz in den Sandbänken der Auwälder stromaufwärts suchen.

AUTERRASSE STOPFENREUTH

Mit dem Zug nach Hainburg an der Donau und von dort 90 Minuten Auwanderung durch den Nationalpark Donau-Auen.

12 Stopfenreuth
BILD NIEDERÖSTERREICH WERBUNG/ROMEO FELSENREICH/ OLIVER TOPF, BIORAMA, NATIONALPARK DONAU-AUEN/KERN
43

ON FIRE

In »Kings of Fire« dreht sich alles um den Griller. Für GrillerInnen.

REZEPTE AUS:

»KINGS OF FIRE«

REZEPTKREATIONEN

FÜR ABSOLUTEN

GRILLGENUSS,

Wie sehr hier statt der Zubereitungskunst plötzlich die Möglichkeiten, die ein bestimmtes Griller-Modell (das Gerät, nicht der Mensch dahinter) bietet, im Vordergrund stehen, muss man wollen. Wer das aber will, weil er oder sie entweder über eines oder gar mehrere dieser Geräte verfügt –oder meint, genug von Hitze und deren Wirkung zu verstehen, um aus den jeweiligen Rezepten zu ziehen, was interessiert und den Rest zu adaptieren für die Grillmöglichkeiten, die man hier oder da vorfindet, wird dafür mit den Ideen von Grillnerds belohnt. Das Klischee, dass dann automatisch (Rind-)Fleisch im Vordergrund steht, wird bestätigt – aber es gibt auch einiges andere, Ideen für die Zubereitung von heimischem Fisch genauso für wie Obst und Gemüse.

Als Faustregel empfiehlt sich grundsätzlich: Was nicht wild gefangen oder gesammelt wird, besser in Bioqualität beziehen.

GEGRILLTES SUSHI VOM WALLER

ZUTATEN FÜR 2 PERSONEN

• 1 EL Rapsöl

• 400 g Wallerfilet

• 10 Dörrpflaumen

• 10 Streifen vom Bauchspeck

• 1 Limette

• 1 EL Sojasauce (z. B. Soy & Soul – Ponzu Shōyu)

• 1 Handvoll Sprossen der Saison

BILD THOMAS APOLT / SÜDWEST VERLAG
von Jürgen Kernegger und Karl-Heinz Drews, Südwest, 2023. TEXT
44 BIORAMA NÖ GRILLBUCHEMPFEHLUNG
Irina Zelewitz

ZUBEREITUNG

Die Feuerplatte anheizen und leicht einölen. Das Wallerfilet in 2 cm dicke Tranchen schneiden und die Dörrpflaumen in der Mitte teilen.

1 Streifen Bauchspeck auflegen. 1 Stück Waller etwa 5 cm oberhalb des Speckstreifens waagerecht mittig aufsetzen. Je 1 Dörrpflaume vor und nach dem Waller direkt andrücken. Nun den Speckstreifen anheben und mittig einrollen.

Die so gefertigten Sushis nun auf der Feuerplatte rundherum knusprig anbraten.

Auf Tellern anrichten und für die Frische etwas Limettenabrieb drüberreiben.

1–2 Tropfen der süßlichen Sojasauce runden den Geschmack perfekt ab.

Mit Sprossen der Saison ausgarnieren.

Tipp:

Statt dem Waller eignen sich auch Saibling oder Forelle für das Sushi.

GRILLBANANEN MIT HONIG

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN

• etwas Butter

• 4 Bananen

• etwas Honig

• etwas Zimt

ZUBEREITUNG

Grillgerät:

• Petromax Atago

Den Petromax Atago anheizen und die dazugehörige Feuerplatte draufsetzen. Darauf achten, dass die Flammen nicht aus dem Atago schlagen. Die Platte mit etwas Butter einpinseln und die Bananen draufsetzen. Wenn die Bananen bis zur Hälfte braun geworden sind, umdrehen. Bei den Bananen nun die Schale im oberen Drittel komplett entfernen.

Honig mit etwas Zimt vermengen und über dem Fruchtfleisch verteilen.

Bis zum gewünschten Gargrad grillen – von fest bis matschig, wie es einem gefällt – und mit einem Löffel direkt am Grill das Fruchtfleisch aus der Banane löffeln.

Tipp:

Für Erwachsene kann man die Bananen gerne mit Rum flambieren.

KAISERSCHMARRN MIT MARILLENRÖSTER

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN

Für den Kaiserschmarrn:

4 Eidotter

• 150 g Mehl

• 1/4 l Milch

• Salz

• 4 Eiklar

• 30 g Zucker

• 100 g Butter

• 80 g Rosinen

• etwas Rum

• etwas Staubzucker

ZUBEREITUNG

Für den Marillenröster:

• 500 g Aprikosen

• 5 EL brauner Rohrzucker

• 1/8 l Wasser

• 4 cl Rum

zusätzliches Grillgerät:

• Gusseisenpfanne

Flambierbrenner

Die 4 Eiklar mit dem Zucker schaumig aufschlagen und anschließend unter die andere Messe unterheben.

Die Gusseisenpfanne auf die Feuerplatte stellen und die Hälfte der Butter aufschäumen lassen. Die Teigmasse nun in die Pfanne eingießen. Nun die Rosinen in den Teig einstreuen. Den Teig nun ständig beobachten und wenden, wenn er an der Unterseite goldbraun geworden, aber innen noch nicht ganz durch ist.

Mit 2 Löffeln oder Gabeln den Teig nun in kleine Stücke zerreißen und die restliche Butter beigeben. Etwas durchschwenken, 1 Schuss Rum über den Schmarren geben, entflammen und flambieren.

Die Aprikosen waschen, entkernen und halbieren. Eine zweite Pfanne auf die Feuerplatte stellen und den Rohrzucker etwas karamellisieren, mit dem Wasser ablöschen. Die Aprikosen beigeben und etwa 10–15 Minuten leicht köcheln lassen. Am Ende mit dem Rum abschmecken.

Die Feuerplatte einheizen. Die Eidotter mit dem Mehl, Milch und etwas Salz zu einem glatten Teig vermengen.

Den Kaiserschmarrn mit dem Marillenröster auf Tellern anrichten und mit etwas Staubzucker bestreuen.

BILD THOMAS APOLT / SÜDWEST VERLAG
46 BIORAMA NÖ GRILLBUCHEMPFEHLUNG

NEU ODER NOCH GUT

Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns Weghören und -sehen vergeht.

THOMAS SAUTNER UND BARBARA

DOLAK / »DER WALDVIERTLER

ZWERGENDOKTOR« / Picus Verlag, 2023

MANFRED CHRIST / »DIE MARCH

– EIN FLUSS WIE DAMALS« / Terra Mater, 2023

Vorgelesen für alle, die das Waldviertel im Herzen tragen – und beim Vorlesen weitertragen wollen.

Seit mindestens vier Generationen, schreibt Autor Thomas Sautner vorab, werden die Anekdoten vom großherzigen Zwergendoktor, »der sich nur Kindern zeigt« und Tieren hilft, in seiner Waldviertler Familie erzählt. Deshalb widmet er die nun von ihm aufgeschriebene Geschichte allen Urgroßeltern, Großeltern, Eltern und Kindern –»auf dass sie gemeinsam Freude daran haben«. Sie ist also zum Vorlesen gedacht und wohldosiert (das heißt: auch für Auswärtige bewältigbar) mit lokalem Waldviertler Sprachschatz gespickt. Die Eierschwammerln (Pfifferlinge), die einem Eichkatzerlkind die Verdauung erschweren und Darmwinde bescheren, heißen deshalb Nagerl; und der Darmwind ist ein »Buz«. Ein kurzes Glossar (»Zwergerl-Lexikon«) klärt auf. Barbara Dolaks bunte Illustrationen sind liebevoll. Das größte Vergnügen bereitet es, die Geschichte Kindergartenkindern vorzulesen. Denn beispielsweise das Bloßfüßiggehen – »Er mag das Gefühl, wenn Fichtennadeln kitzeln und Käfer witzeln beim Zehendrüberflitzeln.« – gefällt nicht nur dem Zwergendoktor. Diese Geschichte riecht nach feuchtem Moos, Fichtennadeln … und einer Fortsetzung.

Angeschaut für alle, die 47 Minuten Zeit haben, um dem Flow der March zu folgen.

THOMAS WEBER

250 Tage haben Tomáš Hulík und Kurt Kracher im Tarnzelt an der March campiert um ein Portrait des geschundenen Flusses March über alle Jahreszeiten zu schaffen. Die vor 100 Jahren begonnenen Baumaßnahmen mit dem Ziel der Schiffbarkeit sind letztlich gescheitert, doch die Folgen der Regulierung sind bis heute weitreichend: Langsam werden Nebenarme wieder angeschlossen, Uferbefestigungen rückgebaut und der Flusslauf abschnittweise renaturiert. Die Dokumentaion bzw. die Folge 430 der Terra-Mater-Reihe zeigt, welche Naturlandschaften hier wiederhergestellt werden – und regt die Fantasie darüber an, was noch wiederherstellbar wäre. Der Fluss, der mit dem Marchfeld die trockenste Landschaft Österreichs durchzieht, ist seicht, übernutzt und nach wie vor stark reguliert. Wasserknappheit durch ausbleibende Niederschläge, Flusserwärmung und Fischsterben machen inzwischen regelmäßig offensichtlich, wie akut gefährdet dieser Fluss als Ökosystem und als Wasserversorgung inzwischen ist.

BILD VERLAG BERGER, TERRA MATER STUDIOS GMBH / TOMÁŠ HULÍK
47 BIORAMA NÖ REZENSIONEN

DAS IST UNSER JAHR!

30 IST DIE ZAHL DES JAHRES

„Tut gut!“ wird 30. Machen Sie jetzt unser Jubiläumsjahr zu Ihrem persönlichen Gesundheitsjahr. Für einen gesunden Lebensstil. Von Klein bis Groß. Von Jung bis Alt. Alles was uns gut tut, heißt in Niederösterreich „Tut gut!“.

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BIORAMA

BIOKÜCHE 2024

Das BIORAMA-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die vierte Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Bioverpflegung genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum Neusiedler See. Bei uns erzählen sie, worauf sie stolz sind und womit sie hadern.

Im Mitmachteil widmen wir uns schwerpunktmäßig – endlich – der Pasta – in ihrer klassischen, köstlichen Highcarb-Form, aber auch den neuen, kreativeren Varianten. Richtig viele richtig gute Produktempfehlungen, Küchentipps und Rezepte gibt’s obendrauf!

BIO PREMIUM –EINFACH BESSER

beste Biomilch – die Grundlage für unsere SalzburgMilch Bio Premium Produktlinie mit über 40 verschiedenenBio-Milchprodukten, die österreichweit im Großhandel und Bio-Fachhandel sowie im Bundesland Salzburg bei M-Preis, den meisten Lagerhäusern und bei Spar (Bio Premium Teebutter) erhältlich sind.

BIORAMA IM ABO

Jährlich sechs Ausgaben direkt in deinen Briefkasten!

Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist, kannst du es abonnieren und bekommst jede Ausgabe nach Hause geschickt – bei einem Wohnsitz in Österreich auch unsere Line-Extension biorama Niederösterreich. Für 25 EUR im Jahr bist du dabei und unterstützt unsere unabhängige redaktionelle Arbeit. biorama.eu/abo

Luisa fährt baden

»LUISA FÄHRT BADEN«

Ein Bilderbuch von Biorama für die Wiener Lokalbahnen.

Jeden Donnerstag wird Luisa von ihrem Papa und ihrem kleinen Bruder vom Kindergarten abgeholt – heute fahren die drei mit der Badner Bahn an den Teich baden. Das Bilderbuch »Luisa fährt baden« wurde von Biorama für die Wiener Lokalbahnen konzipiert und umgesetzt, die Geschichte hat Thomas Weber geschrieben, die Illustrationen sind von Christina Mühlhöfer. Erhältlich ist das Bilderbuch über die Wiener Lokalbahnen.

Ebenfalls für Kinder: die Kurzgeschichte »Zwei Brüder, der König und der Prinz«, verfasst von Biorama für AMA Bio-Marketing. Die Brüder Luka und Ivo verbringen ein abenteuerliches Wochenende auf dem Bauernhof. Die Kurzgeschichte gibt es als PDF und ab September im Rahmen der Bioaktionstage im Volksschulunterricht.

BILD WIENER LOKALBAHNEN GMBH 25,– +
ABO Österreich • Bio Küche Ausg be 2021 www. ior m A .eu € 7,90 Mehlspeis BIO KÜCHE WWW.BIORAMA.EU SalzburgMilch Bio Premium Produkte stehen fürnatürlichenGeschmackundachtungsvollen Umgang unserer Bauernfamilien mit Tier und Umwelt. Sie befolgen nicht nur die Bio-Richtlinien sondern achten im Rahmen der einzigartigen Tiergesundheitsinitiative darauf, dass ihre Milchkühe ideale Bedingungen für ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit erhalten. Und zwar weit über gesetzliche Vorgaben hinaus! Wie alle Familien-Bauernhöfe der SalzburgMilch teilen auch unsere Biomilch-Lieferanten diese gemeinsame Vision und kümmern sich liebevoll um ihre Tiere. Diese geben
BIO Nachhaltigkeit leben. Tiergesundheit schmecken. milch.com 220919_SMP_BB_Biorama_190 KÜCHE AUSGABE 2023 WWW.BIORAMA.EU Heiß! BIO KÜCHE ÖSTERREICH 2023 ÖSTERREICH • 2023 MUT ZUR NISCHE Exotisch ist auch, was kaum mehr wer hat. EIN TOPF Suppenküche fürs ganze Jahr. CHEFS DER REGION So wird der Geschmack eines Ortes komponiert. MAGAZIN
UPCOMING
Luisafährtbaden
Unterwegs mit der Badner Bahn zum Badeteich
49 BIORAMA NÖ AUS DEM VERLAG
BIORAMA CORPORATE PUBLISHING

Sich interessant machen (für einen großen Backfisch)

Du kannst doch schweigen? Du bist doch kein Kind Mehr! – Die Lederbände im Bücherspind Haben, wenn du die umgeschlagenen Deckel hältst, Hinten eine kleine Höhlung im Rücken. Dort hinein mußt du weichen Käse drücken. Außerdem kannst du Käsepfropfen

Tief zwischen die Sofapolster stopfen:

Lasse ruhig eine Woche verstreichen. Dann mußt du immer traurig herumschleichen. Bis die Eltern nach der Ursache fragen.

Dann tu erst, als wolltest du ausweichen, Und zuletzt mußt du so stammeln und sagen: »Ich weiß nicht, – ich rieche überall Leichen – .«

Deine Eltern werden furchtbar erschrecken Und überall rumschnüffeln nach Leichengestank, Und dich mit Schokolade ins Bett stecken. Und zum Arzt sage dann: »Ich bin seelenkrank.«

Nur laß dich ja nicht zum Lachen verleiten. Deine Eltern – wie die Eltern so sind –Werden bald überall verbreiten: Du wärst so ein merkwürdiges, interessantes Kind.

– Joachim Ringelnatz

SMELLS LIKE DEER SPIRIT

Wir haben ihn aus der Landschaft verbannt wie den Tod aus unserem Alltag: den Geruch von Kadavern. Dabei führt er geradewegs zum Kreislauf des Lebens.

Das Gedicht von Ringelnatz (1883–1934) ist als frühes Zeugnis der Emo-Bewegung immer noch amüsant, aber doch auch seltsam antiquiert. Denn »Leichengestank« hat kaum noch jemand in der Nase. Eine Errungenschaft der Kühltechnik, denkt man sofort. Zwar empfinden den süßlichstechenden Geruch, den Verwesung bereits nach wenigen Stunden verströmt, die meisten als ekelig. Womit uns die Evolution vor Krankheiten schützt, die von Kadavern übertragen werden. Und weshalb es auch durchaus konsequent ist, dass wir nicht nur unsere Toten rituell begraben oder dem Feuer übergeben, sondern mittlerweile auch Kadaver von Tieren nicht mehr überall in der Landschaft herumliegen. Natürlich ist das klarerweise nicht. Die Natur hat dafür Aas- und Allesfresser jeder Größe vorgesehen; vom Fuchs bis zum Totengräberkäfer, vom Pilz bis zum Bakterium. Der Landschaft fehlen deshalb diese Lebensräume vielerorts. Schließlich vollenden sie den Kreislauf des Lebens, in dem aus Abgestorbenem besonders viel Neues entsteht. Das ist bei Kadavern nicht anders als beim Totholz, in dem die Artenvielfalt besonders hoch ist. 16 deutsche Nationalparks erforschen seit kurzem mit der Universität Würzburg wie bedeutsam tote Tiere als

»Hotspots der Biodiversität« tatsächlich sind. Christian von Hoermann, Kadaverökologe im Nationalpark Bayerischer Wald meint: »Das, was sich beispielsweise aus einem 30 Kilogramm schweren Kadaver an Nährstoffen löst, entspricht in vielen Agrarsystemen einer Düngung

über 100 Jahre hinweg.« Dreißig Kilogramm wiederum entspricht einem stattlichen Rehbock, den beispielsweise ein Auto in die ewigen Jagdgründe befördert hat. Auf der Museumsinsel hinter dem niederösterreichischen Nationalparkzentrum Orth an der Donau legt man seit vielen Jahren ein auf der Straße umgekommenes Reh zur Seite; als Schauobjekt. »Etwas abseits, damit Gäste entscheiden können, ob sie das ansehen wollen«, sagt Erika Dorn, Sprecherin des Nationalpark Donau-Auen. Im restlichen Nationalpark werden Kadaver nur entlang von frequentierten Wegen entfernt. Überall sonst dürfen sich Fuchs, Wildsau und der seltene Seeadler über verendetes Wild, aber auch zusammengeführte Hunde und Katzen hermachen. Das gehört zum Prozessschutz, der dort den Ablauf natürlicher Prozesse ermöglichen soll. Nur tote Wildschweine müssen geborgen werden (um von der AGES auf die latent drohende Afrikanischen Schweinepest überprüft zu werden). Auf der Museumsinsel selbst werden auch Kinder mit dem Kreislauf des Lebens konfrontiert. Meist, sagt Sprecherin Dorn, reagieren diese mit Neugier und ohne Vorurteile. Nur nachts wird der Kadaver mit einem Gitter verdeckt. Sonst verschleppt ihn der Fuchs und man riecht überall Tierleichen.

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ILLUSTRATION ISTOCK.COM/ILBUSCA
Thomas Weber, Herausgeber KOLUMNE Thomas Weber
BIORAMA NÖ HINTAUS
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