Von Muttersprache und Vatersuche
In Die Erfindung der Sprache von Anja Baumheier unternimmt ein sprachloser Mann den abenteuerlichen Versuch, das Verschwinden seines Vaters zu ergründen
Foto: © privat | Text: Ulrike Blieffert
„Mit dem Jungen läuft etwas nicht so, wie es soll.“ Das sagen die Inselbewohner, als Adam erst mit zwei Jahren mühsam zu sprechen beginnt. Menschliche Beziehungen sind für das sonderbare, aber liebenswürdige Kind ein Mysterium, stattdessen schwärmt es für lange Listen und die Zahl Sieben, was Hinweise auf eine autistische Störung sein könnten. Beim Heranwachsen auf der fiktiven ostfriesischen Heimatinsel wird Adam liebevoll von seiner Familie umsorgt, allen voran von seiner tschechischen Großmutter Leska und seinem Vater Hubert – einem Restaurator, der sich einst während einer Geschäftsreise in Adams Mutter Oda verliebte. Dieser richtet seinem Sohn im alten Leuchtturm (dem fiktiven großen Bruder des Pilsumer Leuchtturms übrigens) einen Weltrückzugsort ein, der nur ihm allein gehört. Doch dann bricht die Katastrophe über den bilderbuchschönen Himmel von Platteoog herein: Kurz nach Adams 13. Geburtstag verschwindet sein Vater spurlos, nachdem er allein zu einer Pilgerreise aufgebrochen war. Seine Mutter verstummt unter der Last ihrer Trauer.
„Manchmal muss man gar nicht suchen, um zu finden.“
Anja Baumheier
Eines Tages und viele Jahre später, Adam ist inzwischen promovierter Dozent für Sprachwissenschaften an einer Berliner Universität, fällt ihm – zufällig oder nicht – ein Buch in die Hände: „Die Erfindung der Sprache“. Adam
Anja Baumheier Die Autorin wurde 1979 in Dresden geboren, stammt aus einer Historikerfamilie und studierte in Potsdam und Granada. Heute lebt Anja Baumheier mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet dort als Lehrerin für Französisch und Spanisch. Bei Rowohlt erschienen bereits ihre beiden früheren Romane Kranichland (2018) und Kastanienjahre (2019), die vom Leben in der DDR berichten.
Anja Baumheier Die Erfindung der Sprache 496 S., 20,00 € eBook 14,99 € Kindler
liest und findet Textstellen, die auf seinen verlorenen Vater hindeuten. Offenbar ist dieser nicht nur von der Insel, sondern auch aus dem Leben noch einer anderen Familie verschwunden. Adam begibt sich – zusammen mit seiner Logopädin Zola, die ihm als ständige Begleiterin hilft, sich verständlich zu machen – auf die Suche nach dem Flüchtigen. Ihre abenteuerliche Reise führt die beiden einmal quer durch Deutschland, dann nach Prag, in die Bretagne und schließlich noch bis ans Ende der Welt … Ein skurriler Roman über die Magie der Sprache, die Kraft der Gemeinschaft und eine ganz besondere Familie.
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