Von Haus aus apokryphisch: Werner Büttner und das Theater des freien Willens
1 Zitiert aus: Es begann also mit einem One-Night-Stand. Werner Büttner im Interview mit Hans Ulrich Obrist, hg. von Wigger Bierma für die Hochschule für bildende Künste Hamburg, Hamburg 2018, S. 13.
Jane Ursula Harris
Die marktgetriebene Kunstwelt der 1980er Jahre hat das revolutionäre Potenzial der Kunst verhackstückt und Wall-Street-freundliche Trends wie »Neo-Geo« oder »Neo-Pop« hervorgebracht. Im Showdown der Postmoderne, in dem Originalität verächtlich gemacht wurde, war der Neoexpressionismus Teil dieses Zeitgeists – und gleichzeitig eine Ausnahme. Die durch ihn angekündigte Rückkehr zur Malerei war weder dem Wesen nach zynisch noch steril in ihrer Ausführung, sondern erinnerte eher an die geistigen und psychologischen Grundsätze der Romantik. Frühe deutsche Vertreter*innen der Strömung wie Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und Georg Baselitz entwickelten beispielsweise eine Nachkriegsversion des Sturm und Drang, und sollten als Neue Wilde in die Kunstgeschichte eingehen. Der 1954 geborene Werner Büttner gehört der zweiten Generation von Künstler*innen an, die den Neuen Wilden zugerechnet werden und und deren ausgesprochen subjektive Malerei eine besonders ironische Weltsicht zum Ausdruck brachte. Ihren expressionistischen Oberflächen, die das Prinzip der »Subversion durch Affirmation« verkörperten, wohnte eine desillusionierte, aufsässige Haltung inne, die über jegliche Vorspiegelung von Tradition oder Technik erhaben war. Die Antiästhetik der »schlechten Malerei« Büttners sowie seiner Kollegen Martin Kippenberger und Albert Oehlen verwehrte sich bewusst jeder Kategorisierung und wurde oft auf schlichte parodistische Kritik reduziert. Büttners Erläuterungen zum Einfluss Goyas auf sein Werk führen eine solche Sichtweise jedoch ad absurdum, indem sie seine Wertschätzung für moralische Integrität ausdrücken: »Unter den Malern ist er fraglos der Erste, der vor den Gesetzen seiner Zeit nicht einknickt und sein Gewissen zum Gesetz macht.« 1 Man könnte es als das Zusammenspiel einer sardonischen Widerspenstigkeit mit einem romantischen Nihilismus betrachten, es bleibt jedoch etwas von dem Ichschmerz und Weltschmerz in Büttners Werk spürbar, das nicht von dessen beißendem Humor zu trennen ist. Wie seiner Bewunderung für Francisco de Goya, Martin Heidegger, François Rabelais und René Magritte wohnt auch seinem unerschütterlichen Glauben an den Wert der philosophischen Befragung eine