Werner Büttners Dialektik der Wiedergutmachung
Wolfgang Ullrich
Was für eine Geste! Rund achtzig Jahre nachdem infolge eines deutschen Luftangriffs auf London René Magrittes Gemälde Le Barbare (1927) verbrannte, kommt Werner Büttner und malt das Bild im Jahr 2021 neu. Er nennt das selbst Wiedergutmachung (Magrittes »Le Barbare«, 1940 durch deutsche Bomben auf London zerstört) (2021, Abb. S. 70), und er berücksichtigt dabei auch Zins und Zinseszins: Aus dem Original ist ein flächenmäßig mehr als fünfmal so großes Bild geworden. Ein ganz anderer Fall von Wiedergutmachung ereignete sich 1919, als Paul Klee das Gemälde Tierschicksale (Die Bäume zeigten ihre Ringe, die Tiere ihre Adern) (1913, Abb. A) seines 1916 gefallenen Künstlerfreunds Franz Marc rekonstruiert hat. 1917 war es bei einem Feuer zu rund einem Drittel verbrannt und musste mithilfe einer Vorstudie und einiger Fotografien ergänzt werden. Klee übernahm die Aufgabe, obwohl er und Marc sich in dessen letzten Lebensjahren entfremdet hatten. Marcs Begeisterung für den Krieg konnte Klee nicht nachvollziehen, sah darin keine spirituelle Reinigung, sondern dumme Ideologie. Umso peinvoller war es für ihn, dass er, der Kriegsgegner, sein Überleben im Krieg gerade dem Bellizisten Marc zu verdanken hatte. Nachdem er seinen Einberufungsbefehl am selben Tag erhalten hatte, an dem er von Marcs Tod erfuhr, entschied das Bayerische Königshaus nämlich nicht zuletzt wegen dieses Todes, Künstler fortan von der Front fernzuhalten. Klee durfte seinen Kriegsdienst also bei einer Fliegerersatzabteilung absolvieren. Umso mehr war die Rekonstruktion der Tierschicksale für ihn ein Akt der Wiedergutmachung. Dass er das Gemälde nicht exakt restaurierte, sondern gedecktere, düsterere Farben als Marc verwendete, zeugt von Trauer und Demut. Klee stellte sich bewusst in den Schatten desjenigen, der das Bild ursprünglich geschaffen hatte. Ein dritter Fall von Wiedergutmachung bestand hingegen darin, einem Bild kräftigere Farben zurückzugeben und diese sogar über den originalen Zustand hinaus zu steigern. David Hockney nahm sich 2010 Claude Lorrains Bergpredigt (1656) vor und unterzog das Gemälde einer digitalen Restaurierung, um es, zumindest auf Bildschirmen, wieder zum Leuchten zu bringen und zeitgenössischer erscheinen zu lassen. Sodann malte er eigene Variationen zu Lorrains Bild, begab sich