chilli – das Freiburger Stadtmagazin

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Ausgabe März 18. Jahrgang / #174

A u s g abe 03-04/2022 2,8 0 Euro

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Was da wieder los ist: Ausstellungen, Events, Kino, Theater u.v.m 19.03.-17.04.22

HERZLICH WILLKOMMEN!

J ACKABO I POCNMO! L

L

HOTSPOT DER HELFENDEN Wie Freiburg zur Hochburg der Ukraine-Unterstützung wird

STRITTIG

Ringen ums neue Eisstadion

ROCKIG

Das sind Freiburgs Motorrad-Clubs

GEDULDIG

Hohe Erwartungen an neuen Nachtmanager

mit WIRTSCHAF T S MAGAZIN bib



CHILLI EDITORIAL

IRGENDWIE TEIL DES KRIEGS FREIBURG IST ENG MIT DER UKRAINE VERBUNDEN

Liebe Leserin & lieber Leser,

Foto: © bar

die Reise. Und zu Hunderten landen Flüchtende Luftlinie sind es 1660 Kilometer von Kiew bis in der Stadt. In unserer Titelgeschichte haben nach Freiburg. Was dort los ist, mag man sich wir die Hilfsaktivitäten zusammengefasst und kaum vorstellen. Auch wenn die TV-Bilder tägEindrücke eingefangen von Fliehenden. Was lich auf uns einprasseln und Unfassbares zeiOberbürgermeister Martin Horn sagt, scheint gen, so ein Krieg in Europa mit Tausenden für viele Freiburgerinnen Toten bleibt surreal. Dabei und Freiburger zuzutreffen: wird auch in Freiburg das „Angesichts der Not und Leid greifbar, wenn Mendes Leids, dem die Menschen von ihrer abenteuschen in der Ukraine auferlichen Evakuierung aus grund des brutalen Krieges einem Kinderheim in Kiew ausgesetzt sind, sieht sich berichten. die Stadt Freiburg selbstMit vier Bussen sind sie in verständlich in der Pflicht einer spektakulären Fahrt zu helfen.“ nach Freiburg gekommen. Das Leben in Freiburg geht Sie gerieten nachts unter weiter. Genau wie unsere Beschuss, die Polizei lenkte Recherchen, auch wenn die Angreifer mit Blaulicht Zeichen der Solidarität: sie im Zeichen des Krieges ab, mit ausgeschalteten Rathaus zeigt Ukraine-Flagge nebensächlich erscheinen. Scheinwerfern konnte die Was kommt auf die oder den Nachtmanager·in Gruppe mit mehr als 200 Personen entkommen. zu, der im Sommer starten soll? Mit einem Blick „Meine Welt ist zerstört. Es ist nichts übriggeauf die vielen Aufgaben dürfte der Job eine blieben, was mir wichtig war“, berichtete die harte Nuss werden. Wie geht das Ringen um ein Ukrainerin Iryna Chebotariova bei einer Presseneues Eisstadion aus? Und wie ticken eigentlich konferenz in Freiburg. Sie ist Erzieherin im „VaFreiburgs Motorradclubs? chilli-Redakteur Philip terhaus“, das nach Freiburg umgezogen ist. Thomas hat mit den Jungs eine Spezi getrunDank vieler engagierter Helfer·innen ist Freiken und sich sagen lassen: „Wichtig ist, dass burg zu einem Rettungsanker für die Leidenden man sich nicht aufführt wie ein Berserker.“ Das des Krieges geworden – und näher an die Ukraikönnte auch für den Kreml gelten. ne gerückt. Tonnenweise gehen Hilfsgüter auf

Herzlichst, Ihr Till Neumann, Redakteur & die chillisten

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Foto: © City Corbras MC Freiburg

Foto: © Regierungspräsidium Freiburg

CHILLI INHALT

> 10-12 Notunterkunft: Hier kommen Ge-

> 22-23

flüchtete aus der Ukraine in Freiburg unter

des Freiburger Motoradclubs „City Cobras“

IN EIGENER SACHE

POLITISCH BIS PROTZIG

3

EDITORIAL

GASTKOLUMNE VOLKMAR STAUB MEHR KOLUMNEN

7 18, 47, 50

TITEL HOTSPOT DER HELFENDEN

10-12

Wie der Ukraine-Krieg Freiburg plötzlich zu einem Brennpunkt der Unterstützung gemacht hat

SZENE

Freiburgs Motorradclubs warnen vor Sippenhaft

KALENDER TIPPS UND TERMINE

Was geht wann und wo?

22-23 STEINREICH

AUF DEN SPUREN DER ERSTEN MÜNSTERSTEINE

24-36

Neue Erkenntnisse über die Herkunft der ersten Münstersteine

16-17

KINO 40-43

20

SOZIALES

21

„Rothaus“ /„Sweet Olga“ / „Sumpfkultur“ Kommunale Stiftungen in Freiburg

IMPRESSUM chilli – Das Freiburger Stadtmagazin chilli Freiburg GmbH

Paul-Ehrlich-Straße 13, 79106 Freiburg fon / Redaktion 0761-76 99 83-0 fon / Anzeigen 0761-76 99 83-70 fon / Vertrieb 0761-76 99 83-83 www.chilli-freiburg.de

Drei Fragen an Holger Thiemann, Chef des Freiburger Stadtjubiläums ZERSTÖRTE TRÄUME

GASTRO-NEWS

Asghar Farhadi thematisiert die Folgen einer einzigen Fehlentscheidung FILM-TIPPS

Come on, come on / Bis wir frei sind oder tot / Das Ereignis / Death of a Ladies’ Man / Wo in Paris die Sonne aufgeht / Der Waldmacher CINELATINO-FESTIVAL 2022

Filmische Fakten & Fiktion aus den Andenländern

Redaktion

Indie-Pop-Band Otto Normal meldet sich mit „Future Shit“ und Soundexperimenten zurück

LITERATUR 48-49 ZEITGENOSSE VIELER ZEITEN

Rudolf Schönwald hat dem Schriftsteller Erich Hackl sein Leben erzählt – bewegende Blicke in ein irres Jahrhundert „SEHR SCHADE“

3 Fragen an Philipp Lindinger vom Verlag Herder zur abgesagten Leipziger Buchmesse

Grafik Miriam Hinze (Leitung),

Druck & Belichtung

Titel © chilli Freiburg GmbH

Themenbuch dieser Ausgabe

cultur.zeit Titel © Ellen Kienzler

Nächster Erscheinungstermin

Anzeigenannahme per E-Mail

Autoren

Lars Bargmann (bar): bargmann@chilli-freiburg.de

„EHRLICHSTE MUSIK“

Kulturredaktion

Geschäftsführerin (V.i.S.d.P.)

Chefredaktion

TRISTESSE TRIFFT OPTIMISMUS

freepik.com, Pixabay.com

redaktion@chilli-freiburg.de Michaela Moser (mos): moser@chilli-freiburg.de

> 38-49 cultur.zeit: News aus Freiburg zu Kultur, Musik, Literatur und Leinwand

Till Neumann (tln): neumann@chilli-freiburg.de Philip Thomas (pt): philip.thomas@chilli-freiburg.de Tanja Senn (tas): senn@chilli-freiburg.de Pascal Lienhard (pl): lienhard@chilli-freiburg.de Michaela Moser (mos): moser@chilli-freiburg.de Erika Weisser (ewei): weisser@chilli-freiburg.de Jennifer Patrias: jennifer.patrias@chilli-freiburg.de

E-Mail für Online- / Printredaktion

RUDOLF SCHÖNWALD ERZÄHLT SEIN LEBEN

Freiburger Liedermacherin Laura Braun gewinnt Kleinkunstpreis – sie hat eine Glückssträhne / CD-Tipps

DÜNNES EIS

Toxikologe und Drogenhilfe wollen Modellprojekt für Drug-Checking

LEHRREICH

KULTUR 38-39

WOHIN MIT STAJU-GELD?

18-19

CINE-LATINO 2022 FOKUSSIERT DIE ANDEN

MUSIK 44-47

14-15

SUCHE NACH GIFT

VIElSTIMMIG

cultur.zeit

MEHR SCHLAGKRAFT

Ob der EHC ein neues Stadion bekommt, ist weiter offen. Eine Initiative macht Druck

LIEDERMACHERIN LAURA BRAUN

Stehen zusammen: Die Mitglieder

UNBEKANNTE SPUR

Freiburg bekommt erstmals einen Nachtmananger.

HEFT NR. 2/22 11. JAHRGANG

Daniela Broß, David Hamann (dh)

Gastkolumnisten

Volkmar Staub, Ralf Welteroth

Lektorat Beate Vogt

Tatjana Kipf, Katharina Fischer

Bildagenturen iStock.com,

anzeigen@chilli-freiburg.de

Anzeigenberatung

Christoph Winter (Leitung), Jennifer Patrias, Giuliano Siegel, Fredrik Frisch, Marion Jaeger-Butt

Vertrieb

Hofmann Druck, Emmendingen cultur.zeit

16. April 2022

Ein Unternehmen der

Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts­gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung und Einspeicherung in elektro­nische Systeme. Gleiches gilt für den Nachdruck von uns entworfener Bilder und Anzeigen.

Fredrik Frisch, frisch@chilli-freiburg.de

Druckunterlagenschluss Jeweils am 28. des Vormonats. Es gilt die Preisliste Nr. 13

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SCHWARZES BRETT

OHNE GRÜN KIPPT DAS SOZIALE GEFÜGE Dass es in Freiburg derzeit wieder grünt und blüht, hat viel mit Jutta Hermann-Burkart zu tun. Die 57–jährige Landschaftsarchitektin ist seit genau drei Jahren Leiterin der Abteilung Grünflächen und Vize-Amtsleiterin beim städtischen Garten- und Tiefbauamt. Bei ihr laufen alle Fäden für die Bepflanzung und Pflege der sehr vielfältigen, insgesamt knapp 500 Hektar öffentlichen und über die ganze Stadt verteilten Grünzonen zusammen.

Foto: © ewei

„Freiburg ist trotz der hohen Bautätigkeit immer noch eine sehr grüne Stadt. Und auch in den Neubaugebieten wird sehr stark darauf geachtet, dass immer neue Grünflächen dazukommen, weil die Erholungsfunktion von Freiflächen für eine Stadt sehr wichtig ist. Aber auch für das soziale Gefüge spielt der öffentliche Freiraum eine wesentliche Rolle. Diese Räume sind die einzigen Orte, an denen sich die Bürgerschaft nicht nur erholen, sondern ohne Klassen- und Herkunftsunterschiede auch treffen und miteinander Demokratie verhandeln und praktizieren kann. Ohne genügend Freiräume kippt das soziale Gefüge einer Stadt. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass in unseren derzeit rund 290 Hektar Grün- und Parkanlagen, den 180 Hektar Straßenbegleitgrün und auf den 150 öffentlichen Spielplätzen immer ein gutes Klima herrscht. Nicht nur meteorologisch, sondern auch sozial. Wenn der Frühling kommt, die ersten Sonnenstrahlen die Menschen ins Freie locken, sollen die vielen Leute, die keinen eigenen Garten haben, freie und auch konsumfreie Anlagen vorfinden, die betreten werden können und dennoch gepflegt sind. Und die zum Verweilen, zum Austausch, zur gemeinsamen Freizeitgestaltung einladen – Gärten für alle sozusagen.

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Damit sich die Menschen dabei auch gleich an blühenden Orten erfreuen, pflanzen unsere Gärtnermeister und ihre Teams so früh wie möglich immer wieder auch Frühjahrsblüher nach. So beherbergt etwa allein der Alte Friedhof in Herdern 50.000 Blumenzwiebeln, die jetzt dabei sind, ihre ganze farbenfrohe Pracht zu entfalten – dort blühen Märzenbecher, Krokusse, Narzissen, Hyazinthen und andere Blumen um die Wette. Sind die Zwiebeln einmal im Boden, machen sie sich selbstständig und verwildern, sie müssen also nicht jedes Jahr neu gesetzt werden. Dennoch ist auch bei ihnen viel regelmäßige Pflege mit Schadensmonitoring notwendig. Die rund 80 Mitarbeiter vor Ort erledigen diese Arbeiten aber mit sehr hoher Motivation und absoluter Zuverlässigkeit. Dadurch mache auch ich meine Arbeit sehr, sehr gerne. Wir sind jetzt dabei, das Thema Wechselflor abzuschaffen, haben das auch schon weitgehend gemacht. Da geht es um Blumen, die im Gewächshaus mit viel Strom-, Dünger- und Wasserverbrauch gezüchtet werden und zwei-, dreimal im Jahr ausgetauscht werden. Das hat aber mit Biodiversität nichts zu tun, zumal viele dieser Blüher von den Insekten gar nicht erschlossen werden können. Wir haben stattdessen jetzt vorwiegend heimische Stauden gesetzt. Das heißt, dass die Freiburger im Frühjahr, im Sommer und im Herbst weiterhin überall blühende Flächen haben, auf denen aber auch Insekten und Vögel Nahrung finden. Das ist nicht nur biodivers, sondern auch nachhaltig und letztendlich kostengünstiger als die bisherige Grünflächenbewirtschaftung. Und dient langfristig auch den Menschen in der Stadt.“ Aufgezeichnet von Erika Weisser


SCHWARZES BRETT

PLATZ FÜR RADLER

NACHGEWÜRZT! BIERPFLICHT

Foto: © tln

Die Brauereien schlagen Alarm. Während der Corona-Krise sei der Bierkonsum so stark zurückgegangen, dass „Existenzen auf dem Spiel stehen“. Das sagte der Chefbierologe des Deutschen Brauerei-Bundes Holger Eichele – und forderte das Ende der Corona-Einschränkungen. Bierologen gegen Virologen. 1500 Brauereien stünden mit dem Rücken an der Wand, vermutlich damit ihnen die Virologen nicht in den Rücken fallen können. Da hilft nur die Bierpflicht. Solidarität mit den Brauereien: Trinkt für die notleidenden Brauer. Notfalls ein alkoholfreies Damengedeck: Brauer sucht Frau. Von der Abstinenz heißt es mindestens zwei Liter Abstand zu halten. Wer durch einen Alkoholschnelltest überführt wird, dass er nicht mitgeschlabbert hat, erhält ein Bußgeld und muss zur Quarantäne in ein großes Fass. Noch ist Hopfen und Malz nicht verloren. Wenn sich jeder eine Kiste in der Woche hinter die Binde ... äh ... Maske kippt, sind die Brauereien gerettet. Lasst euch eine direkte Bierleitung in die Küche legen oder füllt eure Pools mit Fassbier auf. So wie Fidel Castro einst in Kuba jedem Kind einen Liter Milch versprach, braucht es eine staatliche Bierfürsorge. Ich plädiere für flächendeckende Massenbierhaltung. Am besten auf Rezept. Notfalls bekommt man die tägliche Ration in ambulanten Hilfsbierzentren als Zäpfle oder intravenös – und der Begriff „gespritztes Bier“ bekommt seine eigentliche Bedeutung. Wer genug trinkt, bekommt ein digitales europäisches Trinkzertifikat. Es gibt ja auch genügend Gründe, sich die Welt mit alkoholisiertem Dauerdunst schöner zu trinken: Ukrainekrise, Inflation, Klimakatastrophe – alles braucht die rosa Brille eines Schaumgetränks. Also sauft, was das Zeugs hält und vergesst nicht, euch täglich mit einigen Klaren zu boostern. Mariakron statt Omikron. Das rettet dann auch noch die Brennereien. Leberzirrhose? Keine Sorge, in den Krankenhäusern sind langsam wieder genügend Betten frei!

Fahrradfahrende atmen erleichtert auf. Endlich haben sie mehr Platz am Schlossbergring. Die Strecke war bisher ein Nadelöhr. Nur auf dem schmalen Gehweg ging’s in nördliche Richtung. Das Rathaus hat daher jetzt einen sechsmonatigen Versuch gestartet: Statt zwei Autospuren gibt es eine einzige und dafür einen überbreiten Radweg. Er ist jetzt laut Stadtverwaltung bis zu 3,30 Meter breit. Vorher waren es an der schmalsten Stelle nur 1,35 Meter. tln

PLATZ FÜR MINIONS

Foto: © tln

Zum Wohl! Euer Volkmar Staub

Volkmar Staub, geboren in Lörrach, lebendig in Berlin, vergibt im chilli die Rote Schote am goldenen Band.

Foto: © privat

Der Dienstagmorgen ist der einfachste, um den zwei Jahre alten Nachwuchs aus den Federn zu kriegen. Sagt man ihm: „Bitte aufstehen“, tut sich nix. Ruft man: „Schau mal, das Müllauto“, steht er kerzengerade im Bett und schaut gebannt durchs Fenster nach unten. Wenn dann die Müllwerker in Freiburg-Haslach noch eine ganze Herde Minions dabei haben, ist die Freude groß. tln

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TITEL KRIEG IN DER UKRAINE

HOTSPOT DER HELFENDEN FREIBURG UNTERSTÜTZT DIE UKRAINE / OB HORN: „VERSUCHEN, KORRIDOR EINZURICHTEN” Von Lars Bargmann, Till Neumann, Philip Thomas

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Schon seit 30 Jahren gibt es in Freiburg „S’Einlädele“. Von Beginn an unterstützte das Ladencafé Bedürftige in der Ukraine. „Aus dem kleinen Missionslädele mit großer Aufgabe wurde ein diakonisches Werk, das zahlreichen Menschen in der ­Ukraine Hoffnung schenkt und Hunderten bedürftiger Kinder, Familien und Senioren Existenzsicherung und Lebensqualität zurückgibt“, schreiben die Verantwortlichen um Geschäftsführer Volker Höhlein. Noch vergangenes Jahr war das Team in Jubiläumsfeierlaune. Schon kurze Zeit später steht es durch den Krieg im Fokus wie nie zuvor. Am ersten Tag des Krieges sendete ein ukrainischer Busunternehmer einen Hilferuf über den Messengerdienst Viber. Ein ganzes Kinderheim in Kiew

Fotos: © pt

Fotos: © iStock.com/ LumiNola, BamBamImages

ie Welt steht Kopf seit dem Krieg in der Ukraine. Auch in Freiburg ist das zu spüren. Die Stadt hat auch durch ihre engen Verbindungen mit der Partnerstadt Lviv in Rekordzeit Transporte in beide Richtungen organisiert. 157 junge Menschen haben nach einer abenteuerlichen Evakuierung ein neues Zuhause im Breisgau gefunden. Die Landeserstaufnahmestelle LEA platzt zudem aus allen Nähten. Bei der evangelischen Stadtmission heißt es: „So eine Situation haben wir noch nicht erlebt.”

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sollte evakuiert werden. Diese Info erreichte auch S’Einlädele: Das Team klemmte sich hinter die Evakuierung. Die Fahrt war abenteuerlich, 70 Stunden ging die Reise für 157 Kinder mit 30 Betreuenden über Polen. Die vier Busse gerieten noch in der Ukraine bei Nacht unter Beschuss. Dank eines Ablenkungsmanövers der Polizei und einer nächtlichen Fahrt ohne Scheinwerfer gelang die Fahrt über die Grenze. Erschöpft, aber wohlauf kam die Gruppe in Freiburg an und wurde vorerst in einer Jugendherberge untergebracht. Insgesamt 242 Menschen


TITEL KRIEG IN DER UKRAINE

aus der bombardierten Stadt im Herzen der Ukraine sind bis zum 12. März in Freiburg aufgenommen worden. Sie sind derzeit in vier städtischen Einrichtungen untergebracht. Bei einer Pressekonferenz gaben Stadtspitze und Verantwortliche bewegende Einblicke: „Sie können sich nicht vorstellen, was unsere Kinder erlebt haben“, berichtet Roman Korniiko, Gründer und Leiter des Kinderheimes „Vaterhaus“. Diese Kinder seien oft schon verraten worden, hätten Gewalt erlebt in ihren Familien. Korniiko: „Als Militäreinrichtungen nah bei unserem Heim beschossen wurden, konnten manche Kinder den Urin nicht halten, so sehr waren sie unter Stress.“ Erst hier in Freiburg hätten die Kinder wieder ihre Kindheit zurückbekommen. Der Ukrainer ist dankbar für die Herzlichkeit in Freiburg: „Jeder, der kommt, hat so viel Mitgefühl für unsere Kinder – als wenn es seine eigenen wären.“ Unter Tränen fährt er fort: „Unsere Kinder lachen wieder. Sie spielen wieder. Ihr habt mit uns eure Liebe geteilt.“ Er wünscht sich, dass „eure Kinder nie erfahren, was es heißt, unter Bombenbeschuss zu stehen, sich zu verstecken und in ein fremdes Land zu flüchten". Wie sich das für einen 17-Jährigen anfühlt, berichtet Oleksandr Bohdanov: „Sie haben mich aufgeweckt und gesagt: In unserem Land ist Krieg. Meine Eltern haben gesagt, dass ich mit meinen beiden Schwestern, neun und elf Jahre alt, in den Bus steigen soll.“ Seine Eltern seien mit der fast zweijährigen Schwester in Kiew geblieben. „Es hat

mir wehgetan, als ich allen in die Gesichter geschaut habe, wie erschüttert sie waren.“ Bei einem Stopp sei es laut geworden, sie wurden bombardiert. Bei der Ankunft in Freiburg habe er als Erstes seine Schwestern angesehen. „Sie haben gelächelt. Meine Eltern wollen versuchen, nach Schweden zu fliehen. Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich ich bin.“

Auch Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn zeigte sich bewegt von Krieg und Flucht: „Es sind unfassbar dunkle Tage, ich bin ein Stück weit fassungslos.“ Die Ankunft der Kinder und Betreuer sei ein kleiner Lichtblick gewesen. „Sie haben eine dramatische Flucht mit Raketeneinschlägen erlebt“, betont Horn. Er dankt der Stadtmission, die das organisiert hat. Überwältigt sei er von der Solidarität, die sich auch in Zahlen widerspiegelt: Auf ein Spendenkonto des Rathauses für die Partnerstadt ist bis zum 10. März mehr als eine halbe Million Euro eingegangen. Das Land habe zudem mehr als 2,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und die Uniklinik Freiburg einen ganzen Laster mit Tupfern, Kanülen und Schutzkitteln gepackt. „Wir versuchen, einen grünen Korridor einzurichten“, sagte Horn.

Auch bei der Evangelischen Stadtmission laufen viele Fäden zusammen. Sie hat mit ihrem S’Einlädele die Rettung des Kinderheims organisiert und darüber hinaus weitere Hilfsaktionen gestartet. Pressesprecher Tobias Pfleger warnt schon vor dem Telefonat: Ihn zu erreichen, ist nicht so einfach dieser Tage: „Momentan ist die Leitung häufig belegt.“ Es klappt dennoch, und Pfleger berichtet von Momenten, die es in seinem Haus so noch nicht gegeben hat: „Das mediale Interesse ist so hoch wie nie.“ Die Erklärung scheint naheliegend: Was in Freiburg an Hilfsaktionen läuft, sucht derzeit seinesgleichen. Bis zum 11. März hat sein Team mehr als 100 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine geschickt. Weitere werden folgen. Auch die Busse, die die Kinder brachten, gingen voll beladen zurück ins Krisengebiet. „Wir konnten durch sehr enge Kontakte die Evakuierung in so kurzer Zeit stemmen“, berichtet Pfleger. Die Leute vor Ort wüssten, wo Korridore für mögliche Fahrten sind. Auch die Wege zu den Lagern seien bekannt. Viele Straßenschilder sind in der Ukraine entfernt worden, um den russischen Eindringlingen die Orientierung zu erschweren. Für die Unterstützung in Freiburg ist Pfleger dankbar: „Die Anteilnahme ist wirklich sehr groß.“ Das sei spürbar gewesen, als die Kinder und Jugendlichen in Freiburg ankamen – aber auch jetzt nimmt er das wahr. Mit Hilfsangeboten wurde die Stadtmission förmlich überrannt. So sei die größte Herausforderung, die Strukturen so aufzubauen, dass sie den Menschen zielgerichtet und 

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Fotos: © Regierungspresidium Freiburg

TITEL KRIEG IN DER UKRAINE

Notunterkunft in Freiburg: Feldbetten stehen in der Sporthalle der LEA Freiburg bereit.

Foto: © iStock.com/BamBamImages

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optimal helfen können. „Wir haben das in wenigen Tagen aus dem Boden gestampft“, berichtet Pfleger. Die Abläufe müssten sich erst mal einspielen. Wahnsinnig viele Angebote hätten sich aufgetürmt. Von Einzelpersonen, aber auch von Vereinen und anderen Institutionen. „Wir konnten leider nicht immer gleich antworten“ sagt der Pressesprecher. Für Menschen, die in Freiburg spenden wollen, hat die Stadtmission eine Liste erstellt mit Dingen, die dringend gebraucht werden. Kleidung ist dabei momentan nicht das Dringendste. Wichtiger seien lang haltbare Lebensmittel und Decken oder Schlafsäcke. „Dinge, die gegen die Kälte helfen“, sagt Pfleger. Viele Akteure der Stadt kümmern sich um Hilfe für das angegriffene Land: „Drei Sattelschlepper mit Hilfsgütern im Wert von etwa drei Millionen Euro haben Lviv bereits erreicht“, fasst die Pressestelle des Rathauses zusammen. Gemeinsam mit dem Land und der Universitätsklinik Freiburg hat es vor allem medizinische Ausrüstung und Medikamente auf den Weg gebracht. Zwei zusätzliche Lastwagen mit weiteren Hilfsgütern sollen in Kürze ebenfalls von Freiburg in Richtung Lviv aufbrechen. Sie transportieren unter anderem Decken, dringend benötigte Hygieneartikel und medizinische Güter. Auch Waren von Nachbargemeinden seien darunter. Die Drähte zur Partnerstadt laufen heiß: „Die Stadt Freiburg steht in ständigem Kontakt mit dem Rathaus in Lviv, damit die Spendengelder auch zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden“, informiert das Rathaus. Auch ein großes 12 CHILLI MÄRZ 2022

Notstromaggregat im Wert von rund 90.000 Euro sei von einer privaten baden-württembergischen Stiftung finanziert worden und versandbereit. Die Planungen für ein zweites solches Gerät seien am Laufen. Generatoren können zum Beispiel die Stromversorgung eines Krankenhauses sicherstellen.

»MEINE WELT IST ZERSTÖRT« Für Horn ist die Hilfe selbstverständlich: „Angesichts der Not und des Leids, dem die Menschen in der Ukraine aufgrund des brutalen Krieges ausgesetzt sind, sieht sich die Stadt Freiburg selbstverständlich in der Pflicht zu helfen. Aufgrund unserer Städtepartnerschaft mit Lviv haben wir hier in Freiburg eine besonders intensive Beziehung zur Ukraine.“ Der parteilose Politiker zeigt sich überwältigt von der Hilfsbereitschaft und der Spendenbereitschaft der Freiburgerinnen und Freiburger: „Ein ganz großes Dankeschön an alle, die mithelfen, spenden, transportieren, dolmetschen, Pakete packen oder sich um die hier ankommenden Geflüchteten kümmern!“ Laut der Vereinten Nationen (UN) sind Anfang März bereits mehr als zwei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Das wirkt sich auch auf Freiburg aus: In der Landeserstaufnahmestelle (LEA) ist viel Andrang. Laut Regierungspräsidium (RP) Freiburg sind seit Kriegsbeginn rund 550 Menschen aus der Ukraine dort ge-

landet. „Die täglichen Zugänge nehmen erheblich zu und belaufen sich derzeit auf bis zu 180 Personen“, schreibt Sprecherin Heike Spannnagel am 10. März. In die LEA an der Müllheimer Straße passen regulär 466 Personen. Die Kapazitäten müssen daher erweitert werden. Zwei Containerhäuser mit insgesamt 160 Plätzen sind daher in Betrieb gegangen, auch die Sporthalle auf dem LEA-Gelände wird mit 125 Feldbetten als Notunterkunft eingerichtet. „In der LEA erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung sowie ein Taschengeld“, berichtet das Presseteam des RP. Den Schrecken zu verarbeiten, das dürfte eine Ewigkeit dauern. Wie tief die seelischen Wunden sind, zeigen die Worte der Ukrainerin Iryna Chebotariova. Sie ist Erzieherin aus dem Kinderheim „Vaterhaus“ und mit Albträumen in Freiburg gelandet: „Meine Welt ist zerstört. Es ist nichts übriggeblieben, was mir wichtig war.“ Der Leiter des „Vaterhauses“ habe ihnen gesagt, dass sie stark sein und nach Freiburg kommen sollen. In einer Stunde habe sie ihre Sachen gepackt. Die Reise in den sicheren Breisgau war ein Graus: „Die Kinder durften fast nichts trinken, nur ihren Mund benetzen, damit wir keine Pausen machen müssen.“ Zehn, zwölf Stunden seien sie durchgefahren. „Wisst ihr, wie schwer das für ein Kind ist?“, fragt Chebotariova. Immerhin seien sie nun an einem guten Ort: „Jetzt können sie trinken, so viel sie wollen. Das Leitungswasser ist wunderbar. Und sie haben schöne warme Zimmer.“ Bis zum Lebensende will sie beten, dass Gott ihre Retter beschützt.

Anpacken: Auch die Feuerwehr hilft, wie viele andere, um der Lage Herr zu werden.



SZENE NACHTLEBEN

»MEHR ALS DOPPELT SO SCHLAGKRÄFTIG« GROSSE HOFFNUNGEN AUF FREIBURGS NACHTMANAGER∙IN

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Fotos: © iStock.com/:bernardbodo, Peter Hermann, Jannes Schilling

ie Würfel sind gefallen: Freiburg bekommt einen Nachtmanager. Sie oder er soll gemeinsam mit dem Popbeauftragten Tilo Buchholz vom Kulturamt aus wirken. „Ein großer Schritt“ , heißt es in Subkulturkreisen. Auch die Politik setzt Hoffnungen auf die neue Stelle, warnt aber vor zu hohen Erwartungen. Der Gemeinderat hat entschieden: Ab dem Sommer soll eine oder ein Nachtkulturbeauftragte(r) den Dienst aufnehmen. Für den Posten gibt es eine 70-Prozent-Stelle. Sie wird gekoppelt mit der Arbeit des Popbeauftragten Tilo Bucholz. Der 53-Jährige wandert dafür mit seinem 50-ProzentPosten von der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM)

ins Kulturamt. Dort bekommen beide ein gemeinsames Büro. Buchholz freut sich darüber: „Ich war zeitlich bisher stark ausgelastet.“ Der Musiker und ehemalige Grünen-Stadtrat habe auch Aufgaben übernommen, die eher zum Profil des Nachtmanagers passen: Er habe sich beispielsweise um Freiflächen für Events gekümmert oder Lärmdebatten geführt. Der Popexperte ist überzeugt: „Gemeinsam werden wir mehr als doppelt so schlagkräftig sein.“ Die Arbeit des Duos soll Hand in Hand gehen – sie werden unter anderem eine gemeinsame Mailadresse haben und sich ein Büro teilen. Buchholz hofft auf gegenseitige Ergänzung und möchte zum Start dem oder der Neuen unter die Arme greifen: „Ich werde mit der

Hoffen auf Schwung: Franck Mitaine (links) von der IG Subkultur und Popbeauftrager Tilo Buchholz.

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Person erst mal ein paar Runden drehen durch Ämter, Clubs und Bars.“ Die Erleichterung ist auch bei der Interessengemeinschaft (IG) Subkultur groß: „Das ist ein super wichtiger Schritt für die Stadt“, sagt Franck Mitaine. In den vergangenen 20 Jahren sei für die Nachtkultur zu wenig gemacht worden. Ein Schlamassel sei das, sagt Mitaine und nennt das Aus des Wheit Rabbit als Beispiel. Der neue Posten werde die nächsten zehn Jahre prägen. „Es braucht neuen Schwung“, betont Mitaine. Die Anforderungen seien hoch. „Die Stellenbesetzung wird nicht einfach, die Person braucht viel Gefühl für andere.“ Wichtig sei, ihr gewisse Freiheiten zu lassen. Aus Freiburg kennt er bisher niemanden, der sich bewerben möchte – auch wenn einige das Potenzial hätten. Eine Bewerbung von außerhalb fände Mitaine okay. „Ein bisschen sollte er die Szene schon kennen, aber Hauptsache, er macht es mit Herz.“ Bei der Besetzung darf die IG Subkultur zwar nicht mitreden. Sie möchte aber dennoch eine Empfehlung abgeben, wenn die Kandidat·innen feststehen. Mit dem Entschluss, einen Nachtkulturbeauftragten einzusetzen, folgt Freiburg


SZENE NACHTLEBEN

SUPERKRÄFTE GEFRAGT? war keinesfalls eine Fehlplatzierung“, sagt Geschäftsführerin Hanna Böhme. Insbesondere zu Corona-Zeiten seien zahlreiche, wichtige Projekte ins Leben gerufen und vorangetrieben worden. So zum Beispiel die Streaming-Plattform #inFreiburgzuhause. Mit dem Umzug werde die Stelle nun weitergedacht und genauer definiert. Bei den Fraktionen wird die neue Doppelstelle begrüßt. Sie äußern sich auf chilli-Anfrage optimistisch. Details dazu gibt es online auf bit.ly/chill_NachtundPop. Mit Blick auf das Stellenprofil warnt FDP-Stadtrat Sascha Fiek jedoch davor, auf Superman oder Superwoman zu hoffen, der die Nachtkultur rettet. Die Liste der Aufgaben ist in der Tat lang: Sie geht von der Sicherung bestehender Orte der Nachtkultur über die Lösung von Lärmkonflikten bis zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Szene und Ämtern. Mannheims Nachtbürgermeister bringt es auf den Punkt: „Superkräfte braucht es keine, aber viel Geduld.“

Till Neumann

»REGELN AUFBRECHEN« MANNHEIMS NIGHT MAYOR ROBERT GAA

F

reiburg bekommt zum Sommer einen Nachtmanager. Mannheim hat eine solche Stelle 2018 als bundesweit erste Stadt geschaffen. Wie sieht der Job aus? Worauf kommt es an? Mannheims Night Mayor Robert Gaa (31) stellt sich den Fragen von Till Neumann.

chilli: Können Sie die Sperrstunde kippen? R. Gaa: Nein, so einfach ist das nicht. Im Koalitionsvertrag steht, dass das eine neue Aufgabe der Kommunen ist. Wir müssen nur gute Gründe finden. Aktuell sind wir dran, auch andere Bundesländer ohne Sperrstunden stehen ja noch.

chilli: Herr Gaa, warum wollten Sie Nachtmanager werden? Robert Gaa: Ich bin Maschinenbautechniker, habe hobbymäßig als DJ aufgelegt und veranstaltet. Ich fand, dem Nachtleben hier hat etwas gefehlt. Ich kenne viele, die deswegen weggezogen sind, zum Beispiel nach Berlin oder Leipzig. Also wollte ich etwas dagegen machen.

chilli: Was sind Ihre größten Erfolge bisher? R. Gaa: Letztes Jahr haben wir ein Festival unter anderem mit Rave-Kollektiven veranstaltet. Zudem konnte ich mit meinem Vorgänger eine Clubförderung über 216.000 Euro erreichen. Das Geld war fürs Stadtfest geplant, das wegen Corona ausgefallen ist. So wurde der Betrag zur Überbrückungshilfe.

chilli: Sie sind DJ. Ist der Kontakt zur Szene wichtiger als der zur Politik? R. Gaa: Auf jeden Fall. Der Kontakt zur Verwaltung ist aber auch wichtig. Wenn sie dich nicht annimmt, ist man relativ machtlos. Ein gutes Netzwerk ist wichtig. Ich sitze bei Next Mannheim (Mannheims Gründer·innen Community) und habe Gespräche mit vielen: dem Kulturamt, dem Oberbürgermeister-Dezernat, dem Amt für Sicherheit, dem Freiflächenmanagement oder der Wirtschaftsförderung.

chilli: Wie viel Arbeit fällt an? R. Gaa: Ich habe eine Vollzeitstelle. Anders geht es nicht. Ich könnte jemanden gebrauchen, der weitere zehn Wochenstunden zuarbeitet. In Mannheim haben wir mit 70 Monatsstunden klein angefangen. Dass Teilzeit nicht reicht, wird man in Freiburg auch merken.

chilli: Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? Recherche auf dem Dancefloor? R. Gaa: Ja, das gibt’s auch. Aber das ist meist privat. Egal, wohin man geht, man wird erkannt als Night Mayor. Da sieht man vieles durch die Arbeitsbrille. Für meinen 9-to-5-Job bin ich viel im Büro. Ich mache Moderationen runder Tische, Mediationen und Netzwerkarbeit. Am liebsten entwickle ich aber neue Konzepte und Formate. chilli: Um was geht’s da? R. Gaa: Zum Beispiel versuche ich, die Sperrstunde abzuschaffen oder Freiflächen zu finden. Ich will veraltete Regeln aufbrechen.

chilli: Hier heißt es, man bräuchte Superkräfte für den Job. Ist das so? R. Gaa: Nein, aber viel Geduld. Man redet unglaublich viel mit Menschen. Und man muss sich auch eingestehen, nicht für alle Probleme gleich eine Lösung zu haben. chilli: Noch einen Tipp für Freiburgs Nachtmanager·in? R. Gaa: Entscheidend ist ein guter Draht zur Stadtverwaltung. Da kann man direkt mal Klinke putzen gehen.

Foto: © Startup

einem Trend. Den bundesweit ersten Posten gab’s 2018 in Mannheim. Dort ist mittlerweile der zweite Night Mayor im Einsatz. Er heißt Robert Gaa, ist nebenher DJ und überzeugt, einiges bewirken zu können (siehe Interview rechts). Andere Städte sind dem Beispiel gefolgt: Auch Stuttgart, Heidelberg, München oder Osnabrück haben mittlerweile solche Stellen. In Freiburg hat sich insbesondere die JUPI-Fraktion für die Stelle starkgemacht. Sie hatte im Frühjahr 2021 Erfolg mit einem Antrag im Gemeinderat, der 70.000 Euro für den Posten forderte. Eine Mehrheit erzielte JUPI mit den Stimmen von Grünen und SPD/Kulturliste. Umstritten war bis zuletzt, wo die Stellen angedockt werden. Bei der FWTM oder beim Kulturamt? Den Zuschlag bekam schließlich im Gemeinderat das Kulturamt. Buchholz ist optimistisch: „Es gab bisher viel Berührung zum Kulturamt, ich bin fast sicher, das wird an meiner Tätigkeit nichts ändern.“ Auch die FWTM sieht darin kein Problem: „Die Ansiedlung bei der FWTM

Braucht viel Geduld: Robert Gaa

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SPORT POLITIK

RINGEN UM EINE LÖSUNG FRAKTIONEN WOLLEN SICH FÜR EISSPORT STARKMACHEN

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Illustration: © freepik.com

o oder Die. Etwas tun oder sterben. Mit so dramatischen Worten ruft der Verein „Pro Eissport Südbaden“ am 5. April zu einer Kundgebung in Freiburg auf. Da an diesem Tag der Gemeinderat zur Zukunft des Eisstadions tagen soll, möchten die Eissport-Aktivisten Flagge zeigen.

Hinter den Kulissen wird an einer Lösung zum Kufensport in Freiburg gearbeitet. Anfang April soll der Gemeinderat über eine Beschlussvorlage der Stadtverwaltung entscheiden – diese lag bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor. Sicher ist: Der Zweitliga-Club mit „über 200.000 Eissport Anhänger·innen“ (Pro Eissport Südbaden) wandelt auf dünnem Eis: Die in die Jahre gekommene „Echte Helden“-Arena an der Ensisheimer Straße hat nur eine DEL-Genehmigung bis 2024.Wenn der Verein ein neues Zuhause bekommen soll, müssten schnell Tatsachen geschaffen werden. Nur wo? Und zu welchem Preis? Die Freiburger Fraktionen sprechen sich mehrheitlich für ein Ringen um die EHC-Zukunft aus. „Richtig ist, im Umfeld der Messe nach Standorten zu schauen, weil es Synergien gibt, etwa Straßenbahnanbindung und Parkplätze“, sagt Grünen-Stadtrat Jan Otto. Den Standort unterstützen auch weitere Fraktionen. Die größte Hürde für die Realisierung ist für Otto ein Finanzierungskonzept – „und hier stehen auch Verein und Eissportszene in der Verantwortung, aktiv beizutragen“. Prioritär sieht er den Posten nicht: „Aufgabe der Stadt ist es zunächst, gute Bildungseinrichtungen, guten ÖPNV und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und nicht, Profisport zu subventionieren.“ Die unabgesprochene einseitige Kündigung des Mietvertrags von Seiten des EHC sei da sicher keine vertrauensbildende Maßnahme gewesen. Auch die Fraktion Eine Stadt für Alle hält einen messenahen Standort wegen der Verkehrsinfrastruktur für sinnvoll. „Wir hoffen auf eine Betriebsverlängerung der alten Halle, einen fortlaufenden Zuschuss durch die Stadt für den Betrieb und eine Lösung für eine neue Halle, die jetzt angegangen und über mehrere Haushalte finanziert werden muss“, so Stadtrat Gregor Mohlberg. Finanzielle Unterstützung vom Bund, Land und aus der gesamten Region für den Eissport in Südbaden seien hilfreich und wünschenswert. Die SPD, sagt Fraktionsgeschäftsführer Sebastian Coch, werde sich weiter für eine neue Eishalle einsetzen: „Wir erwarten in der Vorlage für den Gemeinderat eine glaubwürdige Perspektive und einen Beschluss, der die Eissportfans und vielen Vereine nicht weiter hinhält, sondern Klarheit schafft.“ Auch Carolin Jenkner, Fraktionschefin der CDU, macht sich für den EHC stark:„Wir haben uns mehrfach öffentlich für den Bau eines Eisstadions ausgesprochen und setzen alles daran, dass es am Ende eine gemeinsame und tragfähige Lösung gibt.“ 16 CHILLI MÄRZ 2022

Die JUPI-Fraktion, so Geschäftsführer Hannes Hein, erwartet von der Verwaltung „eine vollumfängliche Beschlussvorlage, die es uns ermöglicht, eine klare Entscheidung zu treffen. Dazu gehört eine seriöse Kostenschätzung zu unterschiedlichen Modellen wie ein Bau in Eigenregie oder als Investor·innenprojekt.“ Die FDP ist pro Eissport: „Wir können und werden Eissportlerinnen und Eissportler aus Freiburg nicht nach Basel, Straßburg oder Villingen-Schwenningen schicken“, so Sprecher Adrian Nantscheff. Ließe sich ein Bau auf städtische Kosten nicht realisieren, müssten Verwaltung und Gemeinderat über den eigenen Schatten springen und eine Beteiligung von Investor·innen auch entgegen der eigenen ideologischen Bedenken nicht kategorisch ausschließen. Kai Veser von den Freien Wählern, selbst Eishockey-Schiedsrichter und EHC-Fan, sagt:„Der Termin 2024 für eine neue Halle ist Illusion.“ Er höre, dass die alte Halle bis zirka 2029 verlängert werden solle: „Das kostet aber nur viel unnötiges Geld.“ Seine Kritik: Wenn die Verwaltung etwas nicht wolle, werde es teuer gerechnet, wenn sie etwas durchsetzen wolle, würde es runtergerechnet: „Später werden dann die Preisnachschläge nachgeschoben.“ Veser rechne mit der Ankündigung, „dass auf dem Messegelände eine direkt angebundene, große Halle kommt, die auch anderweitig genutzt werden kann. Daneben auch noch eine zweite Eisfläche.“ Und dass den Bau eine Sondergesellschaft oder die FWTM stemmen soll. Für eine Mehrheit im Gemeinderat werde es knapp. „Die Stadt spielt in dieser Angelegenheit seit Jahren auf Zeit“, kritisiert AfD-Stadtrat Detlev Huber. Er vermutet, „die Verzögerung ist gewollt, um medienwirksam Krokodils-Tränen zu vergießen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Beim Verein ProEissport Südbaden läuten derweil die Alarmglocken. Ihr Slogan für die Demo: Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns den Eissport klaut! Till Neumann


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SZENE DROGEN

»WISSEN, OB GIFT DRIN IST« FREIBURG KÖNNTE DRUG-CHECKING-MODELLSTADT WERDEN

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n Österreich, Schweiz oder Holland gibt’s das seit Jahren: Drug-Checking. Konsumenten können Drogen bei Beratungsstellen, in Apotheken oder vor Clubs anonym und kostenlos auf Verunreinigungen testen lassen. Die Ampel-Koalition hat den Aufbau solcher Modellprojekte im Koalitionsvertrag. Freiburg könnte noch in diesem Jahr einen Probelauf bekommen. Wer Drogen auf dem Schwarzmarkt kauft, geht Risiken ein. „Bei pulvrigem Kokain kann beispielsweise Methadon enthalten sein“, sagt der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter, „das kann schnell tödlich wirken.“ Und in einer Ecstasytablette könnten sehr unterschiedliche Mengen MDMA sein, 80 bis 250 Milligramm. „250 Milligramm MDMA können für ein 15jähriges Mädchen den Exitus bedeuten“, warnt der Experte des Uniklinikums. Der 51-Jährige macht sich seit Jahren für Drug-Checking stark. „Eine drogenfreie Gesellschaft ist Utopie, man muss sich der Realität stellen“, sagt Auwärter. Es sei eine gesundheitspolitische Aufgabe, das Risiko für Konsumenten zu re-

duzieren. In Hessen hat er an einem Antrag für ein Modellprojekt mitgearbeitet. Auch in Freiburg macht er sich mit der Drogenhilfe für einen Testballon stark. Ihr Vorschlag ist ein integriertes Drug-Checking. Das gehe einher mit einem verpflichtenden Beratungsgespräch. Wer eine Probe zum Testen abgebe, bekomme das Ergebnis in Verbindung mit einem Gespräch über spezifische Risiken übermittelt. Beratungsstelle dafür ist die Drogenhilfe Freiburg. „Das Drug-Checking wäre ein weiterer Baustein unserer Arbeit“, sagt Marc Funke von der Drogenhilfe. Der DiplomSozialarbeiter sieht Deutschland im europäischen Vergleich weit hinten dran: „Unseren Klienten kann ein solches Angebot helfen“. Im Ausland seien die Erkenntnisse rundum positiv. Mit dem Aufklärungsprojekt „Drobs in Space“ versucht Funke in Clubs, junge Menschen zu sensibilisieren. Bei einem Infoabend im Artik zu Drug-Checking war zuletzt Volker Auwärter als Experte geladen. Der Toxikologe Auwärter ist überzeugt: „Es gibt Menschen, die seit Jahren einen kontrollierten Konsum betreiben. Sie wollen keine giftige Chemie.“ Hätten sie Klarheit über eine 

Foto: © Pixabay

»KANN TÖDLICH WIRKEN«

MEINE SORGEN DER PREIS DES KRIEGES

Weil ein sehr kleiner Mann hinter einem sehr großen Tisch das so will, herrscht in Europa wieder Krieg. Noch ist es kein Weltkrieg – es wäre keiner ohne Deutschland –, in der Bundesrepublik wird aber schon wieder tapfer an allerlei Fronten gekämpft: der Tanksäule, dem Heizkörper, den Supermarktkassen. Benzin, Gas, guter Rat. Alles wird nun teurer. Aber was kostet der Frieden? Russischen Zupfkuchen, übrigens erdacht 18 CHILLI MÄRZ 2022

von einem hiesigen Unternehmen und jenseits des Dnepr „Deutscher Quarkkuchen“ genannt, sowie Wodka, ziemlich wahrscheinlich eine polnische Erfindung, aus Regalen zu nehmen, stoppt keinen Panzer. Nicht mal, wenn man beides anschließend für Feuerpausen um das eingekreiste Kyjiw abwirft. Nein, wenn der Westen die Waffen stecken lässt, während die angeblich antifaschistische Entnazifizierungsmission

neben Wohngebieten, Atomkraftwerken auch Holocaust-Gedenkstätten und Kinderkrankenhäuser bombardiert und den Kopf eines jüdischen Staatsoberhaupts fordert, müssen zumindest wirtschaftlich die ganz großen Geschütze aufgefahren – und damit die russischen Rohstoffe ins Visier genommen werden. Selbst wenn Europa sich damit selbst ins Knie schießt. Philip Thomas


SZENE KOLUMNEN

Fotos: © Privat, Uniklinik Freiburg

IN & OUT Glow-Sticks, Netz-Oberteil, Telefonkarte. Nicht jedes Must-have der 90er schafft es dieses Jahr zurück auf die Tanzfläche. chilli-Trendchecker Philip Thomas verrät, welcher Trend außerdem zurückgegangenen ist und was unter Nachteulen derweil nie aus der Mode kommt. Wollen ein Modellprojekt: Marc Funke (l.) und Volker Auwärter

Beim Drug-Checking werden Partydrogen auf Verunreinigungen untersucht. Erstmals wurde das 1988 in den Niederlanden gemacht. Heute wird die Methode in mehr als zehn europäischen Ländern angeboten. Drug-Checking dient auch dem Monitoring: Durch die Untersuchung können gefährliche Substanzen ausfindig gemacht werden. Für die Analyse reichen kleinste Mengen. Die Ampelregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag zum Punkt Drogenpolitik: „Modelle zum Drugchecking (...) ermöglichen und bauen wir aus.“

MIT DER BAHN FAHREN

Foto: © Pixabay

Die Clubs und Diskotheken der Stadt haben wieder geöffnet. Damit die Nachtschwärmer·innen sicherer nach Hause kommen, hat die Freiburger Verkehrs AG (VAG) ihre Weichen entsprechend gestellt: In Nächten auf Samstag und Sonntag sowie vor ausgewählten Feiertagen fahren die Stadtbahnlinien 1, 3, 4 sowie 5 wieder rund um die Uhr und im 30-Minuten-Takt. Im Rahmen der Initiative „Safer Traffic“ fahren außerdem die Nachtbusse N46 und N47 bis zum Tuniberg. Kappel, Günterstal, Hochdorf und die Gemeinden im Freiburger Umland können laut VAG per Anschlusstaxen erreicht werden.

OUT

UNTER DEM TISCH LIEGEN

Die Kneipen waren dicht, die Jugend war es nicht. 2020 landeten in BadenWürttemberg viel weniger junge Menschen wegen Alkohol im Krankenhaus. Laut Statistischem Landesamt sank die Zahl der alkoholbedingten Einlieferungen von Kindern und Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel. Insgesamt 1503 Einlieferungen wurden im Südwesten verzeichnet, 34 davon in Freiburg. Damit liegt die Breisgau-Metropole – gerechnet auf die Einwohnerzahl – mit durchschnittlich 23,3 Hospitalisierungen über dem Landesschnitt (19,9). Foto: © Freepik

DRUG-CHECKING

IN

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 Verunreinigung, würden sie die Drogen wegwerfen. So sei beispielsweise auch Industriehanf eine Gefahr, der mit synthetischen Cannabinoiden besprüht wurde. Zudem könne das Drug-Checking als Monitoring dienen, um Konsumenten vor gefährlichen Drogen zu warnen. In der Schweiz werde das erfolgreich praktiziert. Da heißt es zum Beispiel: Achtung, in den Pillen mit dem gelben Totenkopf ist Stoff XY. Denkbar ist für Volker Auwärter beispielsweise auch, auf Festivals wie dem Sea You ein Testzelt aufzubauen. Dort könnten Feiernde ihre Drogen abgeben – und wüssten zwei Stunden später, ob sie sauber sind. „Idealerweise vor dem Konsum“, sagt Auwärter. Ihm reichen nur ein paar Krümel einer Tablette für einen solchen Test. Bisher verbietet das Betäubungsmittel-Gesetz, verbotene Substanzen anzunehmen. Sein Institut der Forensischen Toxikologie hat zwar eine Sondergenehmigung, aber nicht für Abgaben aus privater Hand. „Die Abstimmung in den Ministerien in Stuttgart läuft“, berichtet Auwärter. Voraussetzung ist, dass für das Modellprojekt die beteiligten Mitarbeiter vor Strafverfolgung geschützt werden. „Wir stehen bereit“, sagt Auwärter. Er hält es für „nicht unrealistisch“, dass es noch 2022 klappt. Der politische Wille sei da. Überfällig ist das Angebot für ihn. Drug-Checking könne zwar manche zu einem Probekonsum anregen. In dieser Gruppe erwarte man aber gerade eher vorsichtige Konsumenten mit geringem Risiko, in einen wirklich riskanten Konsum abzudriften. Die Vorteile überwiegen für ihn klar: „Leute sehenden Auges einem Vergiftungsrisiko auszusetzen, um andere abzuschrecken, halte ich für zynisch.“ 2020 starben 1581 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen in Deutschland. 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Till Neumann

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„Mm! Leckerbar“ wird zu „Sweet Olga“

Es war wieder die Pandemie – sie zwang die Betreiber der „Mm! Leckerbar“, ihr Konzept zu ändern. Nun haben sie die Cafébar „Sweet Olga“ mit Barbetrieb eröffnet. Die Filiale an der Nussmannstraße ist Geschichte, serviert wird nur noch an der Bertoldstraße. Nach wie vor gibt’s den beliebten Kaffee von Danesi, zudem warten noch mehr Kaffee, selbst gemachter Kuchen und Sandwiches auf die Gäste. Das Mittagsangebot ist etwas abgespeckt, es stehen Chilli con Carne, Tomatensuppe, Wraps, Salate und Aufstrichbrote auf der Karte. An Fleisch gibt es Bio-Weiderind, zudem warten die Betreiber mit Vegatarischem und Veganem auf. „Es läuft besser an, als wir dachten“, sagt Martin Spätling, der die „Sweet Olga“ mit Frau und Sohn betreibt. „Allerdings müssen sich unsere Stammkunden etwas umstellen.“ Ab April wird das Programm von Donnerstag bis Samstagabends um eine Longdrinkbar erweitert.

Den Sumpf nicht austrocknen lassen

Wer in den vergangenen Jahren in der Freiburger Kneipen-, Konzert- oder Fußballszene unterwegs war, kennt diesen Namen: Carmelo Policicchio, besser bekannt als Chico. Fast 30 Jahre führte er das kultige „Swamp“ an der Schwarzwaldstraße, im Oktober vergangenen Jahres ist er völlig unerwartet im Alter von 61 Jahren verstorben. Der Verein „Sumpfkultur“ hat es sich auf die Fahnen geschrieben, das „Swamp“ weiter zu betreiben und kulturelle Zwecke zu verfolgen. Das nächste Konzert im „Swamp“ läuft am 22. März, dann geht der Musiker Joel Sarakula auf die Bühne. pl 20 CHILLI MÄRZ 2022

Fotos: © Badische Staatsbrauerei Rothaus AG

SZENE GASTRONEWS KOLUMNEN

AUTHENTISCH SCHWARZWÄLDERISCH

LOKAL „ROTHAUS": MODERNE UND TRADITION

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en Schwarzwald in den Städten erlebbar machen: Mit dieser Aufgabe tritt das Gasthaus „Rothaus – Schwarzwald erleben“ an der Ecke Bertold- und Universitätsstraße an. Die Badische Staatsbrauerei Rothaus hat das Gebäude vom Land BadenWürttemberg gepachtet, Betreiber ist Christopher Hackl. Dort, wo einst die Gaststätte Erzherzog Albrecht ihre Gäste empfing, hat Anfang März das „Rothaus“ seine Tore geöffnet. Natürlich kommt das Bier der Brauerei nicht zu kurz: Hinter der Theke zieht eine lange Wand mit den verschiedenen Rothaus-Bieren die Blicke auf sich. „Wir begreifen uns als Teil des Schwarzwalds“, erklärt Kristof Schimmele, Prokurist und Gesamtvertriebsleiter bei Rothaus. „Wir sind fest mit ihm verwurzelt und wollen ihn in der Stadt erlebbar machen.“ Mit dem Gastronomen Christopher Hackl, der mit der Firma Hackl Hospitality in Freiburg bereits die Maria Bar und Hackl’s Zapfbar betreibt, hat sich Rothaus einen Fachmann in Sachen Gastro ins Boot geholt. Auf die Gäste warten verschiedene Spezialitäten der Badischen und der Schwarzwälder Küche. Auch das Design der Location soll den Schwarzwald widerspiegeln. „Es orientiert sich an einer klassischen Bauernstube“, erklärt Schimmele. So hängen

beispielsweise Schindeln unter der Decke, die an niedrige und verrußte Decken in historischen Schwarzwaldhäusern erinnern sollen. Dennoch wirken der Innenraum und seine Glasfassade äußerst modern. Mobilgeräte können beispielsweise kabellos am Tisch geladen werden. Mit einer historischen Hütte hat das nichts mehr gemein – aber man muss es ja auch nicht immer so genau nehmen. Pascal Lienhard

Bier so weit das Auge reicht: An der Theke vom „Rothaus“ bleibt niemand durstig.


SZENE SOZIALES

Der Stiftungsrat rund um OB Martin Horn (3. v. l.) und Direktorin Marianne Haardt (5. v. l.). Statt Monika Stein (6. v. l.) bereichert nun Emiye Guel den Rat.

STIFTUNGSVIELFALT IN EINER HAND STIFTUNGSVERWALTUNG FREIBURG

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Foto: © Stiftungsverwaltung Freiburg

tiftungen nehmen in unserer Gesellschaft mit vielfältigen Zielrichtungen – Kultur, Soziales und Forschung – wichtige Funktionen wahr. Mit den Erträgen aus ihrem Vermögen werden die Ziele des Stifters realisiert. In Freiburg hat das Stiftungswesen mit der erstmals 1255 urkundlich erwähnten Heiliggeistspitalstiftung eine über 750 Jahre bewährte Tradition. Diese kommunale Stiftung – eine der ältesten Deutschlands – ist bis heute aktiv und notwendiger denn je. Durch die im Mittelalter einsetzende „urbane Revolution“ wuchs die Bevölkerung in den Städten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die Menschen kamen in der Hoffnung, hier ein gesichertes Leben führen zu können. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht immer: Armut, Krankheit und Elend waren die Folgen. Einige wenige begüterte Personen erkannten die sozialen Missstände und führten ihr Vermögen mildtätigen Zwecken zu. Dieses war die Geburtsstunde der ersten Freiburger Stiftungen. Jede der sechs heutigen Stiftungen (s. Info) ist einzigartig, denn sie alle sind ausschließlich dem jeweiligen Stiftungszweck verpflichtet, der ihre Ziele vorgibt. Möglich ist das durch ihr Vermögen. Bei einer gemeinnützigen Stiftung ist es altruistischen Zwecken gewidmet und darf grundsätzlich nicht angetastet werden. Nach der Devise „Jeder Euro bleibt in der Region Freiburg“ stellen die kommunalen

Stiftungen sicher, dass ihre Leistungen direkt den Menschen vor Ort zugutekommen. Die konkrete Aufgabenerfüllung im Sinne des jeweiligen Stiftungszwecks wird einvernehmlich durch die Stiftungsorgane und die -verwaltung definiert. Wie auch in Vereinen werden die Stiftungen bei bedeutenden Entscheidungen von einem zentralen Organ – dem Stiftungsrat – vertreten. Dieses Gremium besteht aus dem Oberbürgermeister als Vorsitzenden, zehn weiteren ehrenamtlichen Mitgliedern und dem Sozialdezernenten der Stadt Freiburg. Der Rat gibt die Grundsätze und Vorhaben der Stiftungsarbeit vor und beschließt die Verwendung der finanziellen Mittel. Zudem ist er ein entscheidender Impulsgeber für neue Vorhaben und größere Investitionen. Dabei werden sämtliche Entscheidungen demokratisch getroffen.„Die Stiftungen helfen aktiv mit, unsere Stadt ein Stück sozialer und gerechter zu machen. Dafür bin ich der Stiftungsverwaltung Freiburg sehr dankbar – und bin froh, als Vorsitzender unserer sechs kommunalen Stiftungen im Stiftungsrat meinen Beitrag leisten zu dürfen.“, so Oberbürgermeister Martin Horn. Die Ausführung der Stiftungsratsbeschlüsse sowie die Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der sechs Stiftungen erfolgen durch die Stiftungsverwaltung. Mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihrem Know-how in effizienter Administration ist sie das Bindeglied zwi-

schen den Stiftungsinhalten und den Leistungsempfängern. Zu den weiteren Aufgaben der Stiftungsverwaltung zählt auch die umfassende Beratung von potentiellen neuen Stifter·innen. Kurzum: Die Stiftungsverwaltung ist der Motor für eine erfolgreiche Stiftungsarbeit. Daniela Broß

KOMMUNALE STIFTUNGEN Heute sind in der Stiftungsverwaltung Freiburg folgende selbstständige kommunale Stiftungen (mit jeweiligem Stiftungszweck) vereint: • die Heiliggeistspitalstiftung (Leben und Wohnen im Alter),

• die Waisenhausstiftung

(Förderung von Kindern und Jugendlichen),

• die Adelhausenstiftung (Ausbildung und Bildung),

• die Dr.-Leo-Ricker-Stiftung (Bildung),

• die Franz-Xaver- und EmmaSeiler-Stiftung

(Ausbildungsförderung im Handwerk)

• die Michael-Denzlinger-Stiftung

(Unterstützung älterer Menschen in FreiburgHochdorf).

www.stiftungsverwaltung-freiburg.de MÄRZ 2022 CHILLI 21


SZENE EASY RIDER

„Wir sind Außenseiter“: Daniel „Mattu“ Mattuscheck mit seinen City Cobras auf einer Harley-Davidson FXE Shovelhead Bj. 1979

POLITISCH BIS PROTZIG FREIBURGS MOTORRADCLUBS STEHEN IN DEN STARTLÖCHERN – UND WARNEN VOR SIPPENHAFT

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Fotos: © City Corbras MC Freiburg, pt

arte Kerle, laute Motoren, viel Leder und Nähe zum kriminellen Milieu: Das ist das Bild eines Motorradclubs (MC) in Deutschland. Freiburgs MCs könnten unterschiedlicher kaum sein: MC Kuhle Wampe und City Cobras MC Freiburg. Beide sagen: Die Szene leidet unter den Stereotypen. Dienstagabend im Freiburger Industriegebiet Haid im Westen der Stadt. Vor dem Clubheim des Motorradclubs City Cobras MC Freiburg stehen die abgestellten Bikes wie an einer Schnur. Im Laternenlicht leuchtet das Chrom. Drinnen ist die Stimmung ausgelassen: Bar in der Mitte, Tischkicker in der Ecke, Poster an der Wand. Im Hintergrund läuft Rockmusik. Der President des MC, 22 CHILLI MÄRZ 2022

Alexander Schmidl, zündet eine Zigarette an und macht eine Spezi auf. Jedes Mitglied der City Cobras trägt die schwarze Lederkutte mit dem Dreiteiler aus Top- beziehungsweise Bottom Rocker und Center Patch. „Wir sind ein MC und keine Fahrgemeinschaft“, kommentiert der 48-Jährige. Mit der Kluft kommen szenetypische Regeln und Rituale: Mit der Polizei wird nicht gesprochen, die Partnerin eines Clubmitglieds ist tabu, der Motorradführerschein ist ein Muss. Gefahren werden damit vorzugsweise Bikes von Harley-Davidson. Achim Fischer besitzt gleich zwei der Maschinen mit dem berühmten 45-Grad-Motor. Was die Faszination ausmacht? Auch nach 20 Jahren im Sattel könne der

Secretary des MC „das überwältigende Gefühl“ nicht recht in Worte fassen. Im Gegensatz zu anderen Motorradclubs sei ein Bike dieser Marke jedoch keine Voraussetzung: „Bei uns kann jeder fahren, was er will“, sagt Schmidl. Auch sonst unterscheiden sich die City Cobras von anderen Motorradclubs: Trotz Titeln wie President, Road Captain oder Secretary gebe es im Freiburger MC keine strenge Hierarchie. „Wir sind kein elitärer Verein“, sagt Schmidl. In den Kreis der Cobras aufgenommen wird trotzdem nicht jeder. „Ein Prospect muss sich erst bewähren, zuverlässig sein und zu seinem Wort stehen“, sagt Vice President Daniel „Mattu“ Mattuscheck. 50 Mitglieder zählt der 2009 gegründete City Cobras MC Freiburg aktuell.


SZENE EASY RIDER

Wie jeder Weste tragende MC seien aber auch die Cobras ihrer Region – gewissermaßen ihrem Territorium – verpflichtet. „Das hat mit Respekt zu tun“, erklärt der 44-Jährige. Der Breisgau sei „befriedetes Gebiet“. Es gelte, eine gewisse Form zu wahren: Vor den geplanten Ausfahrten nach Schweden im Mai oder an die Côte d'Azur im August müssen zuerst die hiesigen Motorradclubs über die Durchfahrt informiert werden.

»NICHT AUFFÜHREN WIE EIN BERSERKER« „Wichtig ist außerdem, dass man sich nicht aufführt wie ein Berserker“, betont Mattuscheck, der seit 20 Jahren vor der Tür des Freiburger Crash-Clubs für Ordnung sorgt. „Es gibt Idioten, die zu viele Dokus gucken, zu uns kommen und dann denken, sie könnten hier große Geschäfte machen und kostenlos in jede Disko kommen“, sagt er.„Manchmal bekommt man so etwas erst später mit, aber grundsätzlich haben wir für solche Dinge keinen Nerv“, macht Schmidl deutlich. Den Umgang mit Waffen, Drogen und Prostitution untersagen sich die Cobras laut ihrem Präsidenten. „Das ist bei uns sogar im Mietvertrag geregelt“, lacht Mattuscheck. Anders habe der MC das Clubheim im Industriegebiet Haid nicht beziehen können. „An so etwas haben wir uns gewöhnt“, so Schmidl. Er beklagt Sicherheitsabfragen im Beruf und Zuverlässigkeitsprüfungen seitens der Behörden. „Wir sind auch nichts anderes als ein Faschingsverein. Wir haben halt das ganze Jahr Fasching“, sagt Schmidl. Die Cobras distanzieren sich vom Mainstream: „Wir sind Außenseiter, vielleicht sind wir auch ein bisschen hängengeblieben“, scherzt Mattuscheck. Cowboy-Stiefel und knatternde Motoren gehörten eben zur Show. Der Name City Cobras ist einem Action-Streifen aus den 80er-Jahren entliehen. „Das ist eben unser Ding“, so der 44-Jährige. Die City Cobras, ein Knabenchor? Die Freiburger Polizei hält sich bedeckt. Präsidiumssprecher Johannes Saiger

möchte keine Aussage zu Motorradclubs treffen, verweist lediglich auf den aktuellen Sicherheitsbericht des Landesinnenministeriums. Drei Seiten darin sind sogenannter „Rockerkriminalität“ gewidmet. 100 Ortsgruppen mit rund 1400 Mitgliedern und Supporten zählt die Südwest-Statistik. 33 Verfahren wegen Organisierter Kriminalität liefen landesweit im Jahr 2020. Die City Cobras werden im Bericht nicht erwähnt. Trotzdem steht der Freiburger MC unter Beobachtung. Bei lauter Musik im Clubheim stehe die Polizei sofort auf der Matte. „Wir vermeiden Aufmärsche, die Leute bekommen das oft in den falschen Hals“, sagt Schmidl. Auch Corona habe die Cobras geschlaucht: „Die Zeit hat bei uns Narben hinterlassen“, sagt er. Umso mehr freue sich der President nun auf den Frühling und die Ausfahrten: „Wir stehen in den Startlöchern. Mit uns muss man wieder rechnen.“ Der MC Kuhle Wampe Freiburg hat seine Räumlichkeiten samt Werkstatt im Osten der Stadt. Im Gegensatz zu den Cobras zählen die 20 Freiburger auch vier Frauen zu ihrem Motorradclub. Auf Titel verzichtet der MC indes. Der Verein sei streng basisdemokratisch organisiert, ein Motorrad ist keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft. Es ist nicht die einzige Besonderheit. Kuhle Wampe beruft sich auf eine antifaschistische Tradition. „Unser Name geht zurück auf eine 1913 gegründete Obdachlosensiedlung in Berlin, in der auch Motorrad gefahren wurde, bis sie 1933 von den Nazis verboten wurde“, erklärt Bernd Obrecht, der bei der bundesweiten Gründung des Motorradclubs im Jahr 1978 dabei war und seitdem beim Freiburger Ableger mitfährt. Ausfahrten haben oft politischen Hintergrund. Anfang 2021 fuhr Kuhle Wampe nach Oberndorf am Neckar, um dort die Tore des Waffenproduzenten Heckler und Koch mit ihren Bikes zu blockieren. Ende des Jahres besuchte der Club die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Elsass. Zuletzt demonstrierten die Mitglieder gegen AfD und Corona-Maßnahmen-Skeptiker. „Hier kann ich Motorradfahren mit politischer Arbeit verbinden – ohne Altherrenatmosphäre, die man dem Klischee nach in Motorradclubs erwartet", sagt Mitglied Thomas Näther.

Dazu zählen auch die Rechte anderer Motorradfahrer. Neben fehlenden Parkmöglichkeiten in Freiburg, Fahrverboten für Südbadens schönste Strecken fühlt sich die Szene immer wieder durch pauschale Lärmbeschwerden diskriminiert. „Es wird alles in einen Topf geworfen, über viel lautere Sportwagen spricht in der Debatte niemand“, sagt Obrecht. Er wünscht sich einen offenen Dialog. Die Szene werde durch Stereotype belastet. „Wir sind keine Rocker“, betont Pedro Lopez von Kuhle Wampe. Das Bild von rund 4,7 Millionen Bikern in Deutschland sei durch Vorurteile, Film und Fernsehen verzerrt. „Ich bin eben lieber drauf als drin“, beschreibt Bernd Obrecht die Faszination Motorrad. Die vorbeiziehende Landschaft mit allen Sinnen wahrzunehmen sei unbezahlbar. Die Art des Zweirads spiele keine Rolle: „Es ist nicht schnell, aber mehr“, sagt er. Ein Motorrad bedeute Freiheit und Unangepasstheit. „Das sind auch Klischees, diese stimmen allerdings.“

Philip Thomas

Benzin im Blut: Alexander Schmidl, Daniel Mattuscheck, Achim Fischer von City Cobras Freiburg (o.,v.l.n.r). Unten: Volker Rehder, Pedro Lopez, Bernd Obrecht von Kuhle Wampe (v.l.n.r).

MÄRZ 2022 CHILLI 23


CHILLI ASTROLOGIE

DAS »BIERERNSTE«

CHILLI-HOROSKOP DIE WELTUNTERGANGS-EDITION VON HOBBY-ASTRONAUT PHILIP THOMAS

WIDDER

WAAGE

21.03. – 20.04.

24.09. – 23.10.

Durch Europa rollen wieder Panzer. Dein Silberstreif: Die Corona-Dauerbeschallung hat Pause. Der Deutsche Medienrat, das Lügenpresse-Konglomerat und der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Echsenmenschen bedanken sich für zwei spannende Jahre, bitte gehen Sie weiter. Huch, die Inzidenzen erreichen gerade Hochstände? Passt auf euch auf.

Im Krieg in der Ukraine sprachen bisher hauptsächlich die Waffen. Von einer diplomatischen Lösung sind beide Seiten weit entfernt. Doch der Westen hat noch ein Ass im Ärmel: einen gewissen Bundeskanzler a. D. mit Schwäche für Matrjoschka, Piroschki und nicht zuletzt die russische Rohstoff-Lobby. Beendet der den Krieg, schuldest du Gazprom-Gerd eine Entschuldigung.

STIER

SKORPION

21.04. – 21.05.

24.10. – 22.11.

Schlaghosen, Blumenkleider, grafische Muster. Und noch ein Trend aus den 60er-Jahren ist zurück: Die Angst vor dem Atomkrieg. Experten empfehlen im Falle einer nuklearen Detonation übrigens: Schutz in Gebäuden suchen, möglichst im Keller oder der Mitte. Von Fenstern und Türen fernhalten. Radioaktiven Niederschlag bis zu 24 Stunden aussitzen. So lang beten.

ZWILLING 22.05. – 21.06. Die Welt geht also dieses Jahr unter – die Maya lagen mit ihrem komischen Kalender bloß zehn Jahre daneben. Du findest: Nicht schlecht für ein Volk, das schon vor 4000 Jahren den Golf von Mexiko bevölkerte und für einfallsreiche Menschenopfer für Götter mit rüsselähnlichen Nasen und eingerollten Eckzähnen bekannt war. Aber die kannten ja auch Wladimir Putin nicht.

KREBS 22.06. – 22.07. +++ Wir berichten live vom Abgrund +++ Corona-Infektionen in Deutschland auf dem Höchststand +++ Weltweiter Co2-Austoß 2021 auf dem Höchststand +++ Russland überfällt die Ukraine +++ Wladimir Putin droht mit Atomwaffen +++ Größte Fluchtwelle seit dem Zweiten Weltkrieg +++ Indien beschießt Atommacht Pakistan „aus Versehen“ mit Rakete +++

Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Nach jahrelangem Streit beim Thema Geflüchtete hat es Europa tatsächlich geschafft, sich binnen Tagen auf eine Linie zu einigen. Und alles, was es brauchte, um den Bürokraten in Brüssel Beine zu machen, war ein Atomkrieg. Du bist schon gespannt, wie lange die Einheit hält.

SCHÜTZE 23.11. – 21.12. Das ist das Ende. Und die Gelegenheit, deinem Chef, deiner Schwiegermutter, dem Nachbarn und natürlich deinem Mobilfunkanbieter mal so richtig die Meinung zu geigen, ins Nobel-Autohaus deines Vertrauens einzubrechen und dann mit Sportwagen in den Sonnuntergang zu brausen. Dann sollte die Welt aber bitte auch wirklich untergehen …

STEINBOCK 22.12. – 20.01. In diesen schwierigen Zeiten hast du Fragen: Darf man über Spritpreise meckern? Was kostet der Frieden? Und kann man sich Pazifismus noch leisten? Wo ist für Wladimir Putin die rote Linie? Und für die Bundesregierung? Wenn der Kreml in zwei Jahren die sächsischen Separatisten im Osten ihres Landes anerkennt?

LÖWE

WASSERMANN

23.07. – 23.08.

21.01. – 20.02.

Angeblich hat sich Wladimir Putin im Kreml abgeschottet. Nur eine Riege Ja-Sager und Opportunisten umgebe den Präsidenten noch. Du hast außerdem gehört, dass sich Geheimdienste mit seiner geistigen Verfassung beschäftigen. In Isolation hat schließlich schon so mancher den Verstand verloren: Nena, Oliver Pocher, der Wendler …

Die Flut von Hiobsbotschaften und Katastrophen-Nachrichten haben einen neuen Begriff geschaffen: „Doomscrooling“. Auch wenn es schwerfällt, gönne dir mal eine mediale Auszeit. Auch wenn du in Krisenzeiten natürlich informiert bleiben möchtest. Handy, Laptop, Tablet und Smartwatch können an der Steckdose aufgeladen werden – du nicht.

JUNGFRAU

FISCHE

24.08. – 23.09.

21.02. – 20.03.

Die Pferde der vier apokalyptischen Reiter scharren mit den Hufen. Wie gut, dass du in deinem Bunker neben Toilettenpapier und Dosen-Ravioli auch säckeweise Tiernahrung gehortet hast. Bis die berittenen Herren aber vor deiner Stahltür stehen, bleibt dir nichts anders übrig, als dich jeden Tag zu ärgern, dass all diese Dinge auch im Supermarkt zu haben sind.

50 CHILLI MÄRZ 2022

Im Ernst. In der Ukraine herrscht Krieg und du sitzt hier und liest Weltuntergangswitzchen, als gäbe es kein Morgen. Das Freiburger Rathaus hat für seine Partnerstadt Lviv im Westen des Landes eine Spendenhotline eingerichtet. 500.000 Euro kamen bisher zusammen unter: Nothilfe Lviv, IBAN DE 63 6805 0101 0002 0100 12




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