Lust auf Regio

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Foto: © ewei

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DEN QUELLEN ENTGEGEN Bei Rheinkilometer 530, am Binger Loch, stehen zwei Steindämme längs im Flussbett. Auf einem sitzt Hans Jürgen Balmes und denkt über die „erstaunliche Biographie“ dieses Stroms nach, der zwar zu den ältesten in Europa zählt, dessen Flusslauf aber einer der jüngsten ist.

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Nach ausgiebigen Recherchen weiß der Koblenzer Autor, dass der sagenumwobene und über die Zeitläufe oft heiß umkämpfte Rhein nicht von Anfang an „der einfachen Logik von Quelle und Mündung folgte, nach der wir uns Flüsse heute vorstellen“. Sondern dass er ziemlich genau hier, auf knapp halber Länge seines heutigen Wegs von den Alpen zur Nordsee, seinen Ursprung hatte. Und das war vor etwa 50 Millionen Jahren, als durch einen Bruch in der Erdkruste der Oberrheingraben entstand. Durch die Absenkung der damaligen Landschaft, die weitere 35 Millionen Jahre dauerte, formte sich ein Tal, das sich schließlich von der Pfalz bis zum Kaiserstuhl erstreckte. Und in dieser Senke, schreibt Balmes, sammelte sich Wasser aus den Bergbächen an den nördlichen Abhängen der entstehenden Gebirge Schwarzwald, Vogesen und Odenwald. Es bildeten sich verschiedene Süßwasserseen, die durch „Rückwärtserosion vom Kaiserstuhl bis in die Alpen“ allmählich ineinander übergingen. Der so geborene „träge Wasserlauf“ speiste sich also nicht aus einer eigenen Quelle, sondern er wuchs „seinen Quellen entgegen“. Und zu diesen fand dieser Ur-Rhein, der zunächst nur von Sasbach nach Worms und von dort zum Binger Loch dahintrudelte, erst vor 8000 Jahren, als nach der jüngsten Eiszeit der Bodensee in seiner heutigen Form entstand. „Das Bild vom Rhein, das wir heute in Atlanten finden“, ist in seinem Buch zu lesen, „ist nur die letzte Version von Hunderten, Tausenden.“ Zumal sein nach und nach entstandener Verlauf immer wieder auch noch durch Menschenhand gravierend verändert wurde – zur Schiffbarmachung und damit zur besseren wirtschaftlichen Nutzung. Erst dadurch ist der Rhein zu der wichtigen länderverbindenden (und oft auch trennenden) europäischen Wasserstraße geworden, die er heute darstellt. An dieser Wasserstraße ist Hans Jürgen Balmes seit Jahren unterwegs – wandernd, rudernd, schwimmend, flussabwärts und -aufwärts. Aus seinen Erfahrungen, Empfindungen und Beobachtungen hat er eine wunderbar poetische und sinnliche Natur- und Kulturgeschichte des Rheins geschrieben – und all dessen, was ewei seine Seele ausmacht.

Kunst & Kultur

Der Rhein Biographie eines Flusses von Hans Jürgen Balmes Verlag: S. Fischer, 2021 560 Seiten, gebunden Preis: 28 Euro


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