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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 30.12.2020, 312x/Jahr, Seite: 1 Druckauflage: 54 440, Größe: 70,69%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13312998, SB: Ischgl
Wo Skifahren über allem steht In den meisten Skigebieten gab es keine Probleme. Die Auslastung der großen Gebiete lag zwischen vier und 15 Prozent und sei somit ein Verlustgeschäft, betonen die Seilbahnbetreiber.
Tourismus. Die Kritik an den offenen Skipisten wird lauter und hallt international. Die Branche spricht von einzelnen Problemen, die aufgebauscht werden. Die Lifte seien auf politischen Druck aufgesperrt worden. Die Regierung macht mit einem neuen Erlass Druck. VON GERHARD HOFER
Wien. Österreich sorgt für internationale Schlagzeilen. Diesmal sind es nicht die „Waldstädte“ mit ihren „explosiven Bäumen“, wie US-Präsident Donald Trump jüngst Österreich porträtierte. Nun berichtet die „New York Times“ über ein Land, in dem zwar Schulen und Geschäfte geschlossen sind, nicht aber die Skipisten. In Österreich sei die Beziehung zum Skifahren „so tief emotional“, dass es quasi ein „Geburtsrecht“ sei, die Bretter anzuschnallen, selbst mitten im Lockdown, selbst wenn die EU-Nachbarn darüber die Stirn runzeln. Und natürlich ist der Online-Artikel mit Bildern verlinkt, die den Massenansturm in manchen Skigebieten dokumentieren. In deutschen und italienischen Medien ist von „Ischgl 2“ die Rede, und am Montag ruderte erstmals auch ein Mitglied der österreichischen Bundesregierung zurück. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von Bildern, „die ich so nicht mehr sehen will“. Insider schlossen am Dienstag im Gespräch mit der „Presse“ nicht mehr aus, dass der Lockdown nun doch auch auf die Skigebiete ausgedehnt werden könnte. Eine Schließung der Skigebiete müssten allerdings die Länder beschließen. Also auch Günther Platter in Tirol und Wilfried Haslauer in Salzburg, jene beiden Landeshauptleute, die vor Weihnachten vehement für die Öffnung der Skigebiete eingetreten sind. Während Österreich international belächelt wird, nimmt im Land vor allem das
Unbehagen über die offenbar so mächtige Tourismus-Lobby zu. Wo alle anderen zusperren müssen, würden die „Bergkaiser“ nach Belieben schalten und walten. Diese Situation sei für die Gastronomie und den Handel „ein Schlag ins Gesicht“, postete eine Unternehmerin auf Facebook. Spricht man mit Bergbahnbetreibern, so ist deren Wahrnehmung eine andere. Es sei vor allem für die großen Skigebiete wirtschaftlich besser, geschlossen zu bleiben. Dennoch habe man sich „als Dienst an der Bevölkerung“ bereit erklärt, die Lifte in Betrieb zu nehmen. In den großen Tiroler Skigebieten spricht von man einer Auslastung von vier bis 15 Prozent. Lediglich jene oft kleineren Skigebiete in Stadtnähe hatten in den vergangenen Tagen eine Auslastung von bis zu 50 Prozent. Der Druck zum Aufsperren sei vor allem in Tirol und Salzburg von der Landespolitik gekommen, heißt es bei den Seilbahnbetreibern unisono.
Man versucht im Ausland, uns dieses Stigma umzuhängen. Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer
Frühstück im Auto auf dem Parkplatz Die Bilder, die nicht nur der Gesundheitsminister „nicht mehr sehen will“, stammten vor allem aus kleineren Skigebieten. Hinterstoder in Oberösterreich war einer der Hotspots. Dort ließ man an den Weihnachtstagen 3500 statt der üblichen 7000 Skifahrer auf die Piste. Als dies für einen Ansturm sorgte, wurde das Kontingent auf 2000 Personen reduziert und der Liftbetrieb bereits um acht Uhr gestartet, um so für eine Entzerrung des Zustroms zu sorgen. Tatsächlich hatten die Maßnahmen den gegenteiligen Effekt. Um auch ja ein Ticket zu ergattern, reisten viele Skifahrer bereits um sieben Uhr früh an. „Sie haben im Auto auf dem Parkplatz gefrühstückt“, erzählten Augenzeugen der „Presse“. Eine Lanze für den Tourismus bricht Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer. „Man versucht im Ausland, uns dieses Stigma umzuhängen. Dabei gab es im Sommer in keinem einzigen österreichischen Tourismusort einen großen Cluster“, sagte er. Die Aufregung vor allem in den sozialen Medien will er so nicht gelten lassen. „Bis auf ein paar Fragen des Parkplatz-Managements funktioniert es in Österreich zu 99 Prozent gerade sehr gut“, sagte er. Er wünscht sich, dass man auch „die Bilder vom sicheren Skifahren um die Welt schi-
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cke“. „Es geht ja auch um den Wintertourismus in den kommenden Jahren.“ Auch im Tourismusministerium hieß es am Dienstag, dass die Sicherheitsmaßnahmen in den Skigebieten „bis auf wenige Ausnahmen“ gut funktioniert hätten. Die vorgeschriebenen FFP2-Masken wurden überall getragen. „Das hat viel besser funktioniert als erwartet“, hieß es. Und doch gab es am Dienstagnachmittag noch eine Verschärfung – einen Erlass aus dem Gesundheitsministerium, in dem die Länder angewiesen werden, die Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen stärker zu überprüfen. Von jedem Seil- und Zahnradbahnbetreiber sei ein Präventionskonzept zu verlangen – die Konzepte müssten auch stichprobenweise überprüft werden. Und sollten die Schutzmaßnahmen wiederholt mangelhaft umgesetzt werden, müsse es Betretungsverbote geben. Lockdown-Regeln umgangen? Im Tourismusministerium ging man am Dienstag aber auch schon dem nächsten Problem nach. Skiurlauber dürften sich als „Geschäftsreisende“ ausgegeben und so die Lockdown-Regeln umgangen haben. „Jeder Betrieb, aber auch jeder Gast macht sich aufgrund des Betretungsverbots strafbar, wenn er ein Zimmer außerhalb der klar geregelten Ausnahmegründe vergibt bzw. sich als Geschäftsreisenden ausgibt“, heißt es im Ministerium. Betrieben drohen 30.000 Euro, Gästen 1450 Euro Strafe. Hotels wird geraten, sich von den Gästen eine Bestätigung des Arbeitgebers vorlegen zu lassen.
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