Christine Cazon
Christine Cazon, alias Christiane Dreher, ist Krimiautorin und Wahlfranzösin. Zusammen mit ihrer Romanfigur Kommissar Duval erlebt sie Cannes sowohl vor als auch hinter den Kulissen der südfranzösischen Glitzerwelt.
Bon anniversaire Cousine C. ruft an und plaudert eine Weile mit Monsieur. „Was wollte sie?“, frage ich, weil Monsieur so versonnen lächelt. „Bah, Cathinou a pensé à ma fête!“, sagt Monsieur mit einem, wie ich glaube heraushören zu können, leisen Vorwurf in der Stimme. Die Cousine hat an seinen Namenstag gedacht! Ich hingegen habe den Tag des Heiligen Wenauchimmer ignoriert! Dabei wird es in diesem laizistischen Land doch jeden Abend nach dem Wetterdienst freundlich angekündigt: „Et demain on fetera les Josephs!“, säuselt die Wetterfee etwa im Anschluss ihrer Ausführungen über Wind, Regen oder Sonne. Meint, morgen feiern wir den Heiligen Joseph und alle, die diesen Namen tragen. Falls wir den Wetterbericht verpassen, erfährt man es im Radio oder liest es in der Zeitung. „Du vergisst dafür jedes Jahr meinen Geburtstag!“, gebe ich leicht unkonstruktiv zurück. Aber Monsieur hat für diesen Einwand nur ein Schulterzucken übrig. In unserem ersten Jahr überrascht mich Monsieur eines Abends mit der Ankündigung, dass am Freitag gute Freunde von ihm, Maurice und Denise, die ich bis dahin noch nicht kannte, zum Essen kämen. „Kann gar nicht sein“, entgegne ich empört, „am Freitag ist mein Geburtstag!“ Monsieur zuckt nur mit den Achseln. Hallo? Seit Wochen habe ich auf diesen Tag hingearbeitet: Ich ließ kleine Hinweise fallen, um Monsieur auf Geschenkideen zu bringen. „Ich bin so verspannt“, stöhnte ich etwa. „Ich könnte echt mal wieder eine Massage gebrauchen.“ Oder ich sagte „Ich würde so gerne mal in diesem neuen Restaurant am Meer essen gehen!“ Zu guter Letzt schrieb ich meinen Namen in seinen Terminkalender und malte ein Herz. Deutlicher geht es nicht, oder? Nicht deutlich genug für Monsieur. Statt Champagner zu schlürfen, soll ich fremde Gäste bekochen. „Ausgeschlossen. Da sagst du wieder ab“ fordere ich. „Bitte?“ fragt Monsieur verstört, „mit welcher Begründung?“ „Sag, du hast vergessen, dass es mein Geburtstag ist“, schlage ich ihm vor. „Ich mache mich doch nicht lächerlich“, gibt Monsieur zurück. „Aber es ist MEIN Geburtstag!“, jammere ich verzweifelt. „Dann feiern wir deinen Geburtstag eben mit Maurice und Denise. Wo ist das Problem?“ „Ich will an meinem Tag verwöhnt werden, Essen gehen und nicht wildfremde Menschen bekochen “, wiederhole ich. Ein Geschenk erwarte ich auch. Monsieur schüttelt nur den Kopf. „Stell dich nicht so an, du bist doch erwachsen.“ Am besagten Tag bekomme ich weder rote Rosen
noch ein Geschenk, sondern stehe verschwitzt in der Küche. Wohl aber bekomme ich Post aus Deutschland mit überschwänglichen Wünschen und sämtliche deutschen Anrufer jubeln „genieße deinen Tag!“ „Dankeschön auch“, murmele ich schlecht gelaunt. Ich koche in jeder Hinsicht. Die Gäste erfahren im Laufe des Abends von meinem Geburtstag. „Ach wie schön, bon anniversaire“ sagen sie freundlich und wenden sich wieder einem anderen Thema zu. Und die Überraschung von Monsieur, auf die ich klammheimlich den ganzen Tag warte, bleibt aus. Mir dämmert es: Nicht nur ist Monsieur vergesslich, es ist tatsächlich ein kultureller Unterschied. Ich habe nachgeforscht: Seit dem Mittelalter wurde darauf Wert gelegt, Kindern einen Heiligennamen zu geben und damit einen Schutzpatron oder eine Schutzpatronin. Den Namenstag zu feiern hat also eine lange Tradition. Geburtstage zu feiern ist hingegen relativ jung, man begann damit erst im 20. Jh. Auch begeht man sie nur in der Familie und häufig werden pragmatisch mehrere gebündelt gefeiert, wenn es allen am besten passt. Häufig ist es Monate später während der Sommerferien, manchmal wird sogar vorgefeiert. „Gute Güte, das bringt doch Unglück!“, rufe ich, aber davon hat man hier noch nichts gehört. Niemand fordert hier am Geburtstag selbst „SEINEN“ Tag ein. In Frankreich ist es wichtiger, sich in die Gesellschaft einzufügen, als seine Individualität zu betonen, und diese Art sich selbst zu feiern, wie man sie aus Deutschland kennt, wird nicht verstanden. Also gewöhne ich mich an die nüchterne Art, an das schlichte bon anniversaire und kaufe mir meine Blumen selbst. So jammere ich auch dieses Jahr nicht, als Monsieur mir an meinem Geburtstag den Installateur anmeldet. Nach 16 Jahren weiß ich es besser, und vor allem weiß ich, wie schwierig es ist, bei defekter Heizung einen fähigen Plombier zu bekommen! Erstmals feiere ich tags zuvor. Was heißt feiern, ich zwinge Monsieur zu einem Ausflug und ins Restaurant. Den deutschen Gratulanten verschweige ich diesen Frevel wohlweislich, denn sie wünschen mir wie immer gut gelaunt, dass ich es mir gut gehen lassen möge an meinem Tag, während ich dem Plombier Plastikschüsseln anreiche und das schwärzliche Wasser, das aus den Heizkörpern spritzt, aufwische. Sie hätten mir eh nur gesagt, dass Vorfeiern Unglück bringt. Vielleicht haben sie Recht, denn wir verbringen trotz Installateur noch Wochen ohne Heizung. Aber das ist eine andere Geschichte.
ICH WILL AN MEINEM GEBURTSTAG VERWÖHNT WERDEN UND NICHT ANDERE BEKOCHEN
FRANKREICH MAGAZIN 27