EDITORIAL
Auch Weihnachten lebt von der Vielfalt „Vielfalt, nicht Uniformität, ist Stärke.“ (Willy Brandt)
S
eit dem Nikolaustag nimmt die Flut der Wunschzettel täglich zu. Santa Claus und seine Auftragserfassungs-Elfen haben alle Hände voll zu tun. Eigentlich wie jedes Jahr um diese Zeit, und doch ist alles anders. Die gängigen Wünsche zu erfüllen, das machten er und seine Crew mit links. Sonderwünsche allerdings … sein Beschaffungs management weiß nicht, wo ihm der Kopf steht. Lieferengpässe beim Weihnachtsmann? Unvorstellbar! Seine Klientel erwartet prompte Lieferung, just-in-time, absolut vollständig und reklamationsfrei. Einmal enttäuscht und das Vertrauen in den Weihnachtsmann und die Macht der Wünsche sind unwiederbringlich passé. Der Materialeingang jedoch erfolgt in diesem Jahr seit Wochen, wenn überhaupt, dann verzögert. Einige Elfen in der Fertigung sind bereits in Kurzarbeit geschickt und das in der Hochsaison. Da ist guter Rat teuer. „Bestechung der Lieferanten oder Recycling?“, verzweifelt rauft er seinen Bart. An der Liquidität würde es nicht scheitern. Bei der NordpolBank liegt für Notfälle genug Kapital auf Eis. Muss er sich wirklich auf das Niveau seiner Vorlieferanten herablassen, um die, die immer noch an ihn glauben, nicht zu enttäuschen? Und das gerade in diesen schwierigen Zeiten. Schließlich liegt es an der weltweit herrschenden Pandemie, dass die eigenen vier Wände für die Menschen nicht nur als Homeoffice so
wichtig geworden sind: Vielmehr wachsen Familien zusammen, man beschäftigt sich mit einander bei Gesellschaftsspielen, beim Basteln oder beim Kochen und Genießen. Das Zuhause als Ort der Geborgenheit hat gewonnen. „Schade“, sinniert er, „schade, dass erst so eine Katastrophe zeigt, wie sehr alle auf einander angewiesen sind und was Zusammenhalt bedeuten kann.“ Von Zusammenhalt zwischen ihm und den Vorlieferanten kann jedoch nicht die Rede sein. Die profitieren eher noch von der Notsituation des Weihnachtsmanns. „Ich werde wohl in den sauren Apfel beißen müssen und auf die Preisforderungen eingehen“, seufzt er frustriert. „Aber“, murmelt er in seinen Bart, „es wird eine andere Zeit kommen und dann werden wir sehen … Oligopole hin oder her …! Nichts währt ewig, aber ich! Denn“, träumt er, „irgendwann gibt es nachhaltigere Materialien, angeboten von weiteren regionalen und globalen Herstellern. Damit erhöht sich die Vielfalt und auch die Abhängigkeit relativiert sich. Heute mache ich das Kapital noch mal flüssig und verbuche das Ganze als Investition in meine Zukunft.“ Abendrot am Winterhimmel? Das sind nicht die Engel, die in der himmlischen Backstube Plätzchen backen. Dieses Mal rührt die Glut aus dem Kamin des Weihnachtsmanns, der bündelweise Geldscheine auftaut, behutsam und darauf bedacht, sie nicht zu verbrennen.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben ein Frohes Fest und einen guten Start in ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2022. Ihr Redaktionsteam Yvonne Davy, Sabine Metz-Lieb und Angela Weber
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