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Almudena GrandesÕ ãDie drei Hochzeiten von ManolitaÒ
Drei Hochzeiten und viele TodesfŠlle
Der jŸngste und letzte Roman von Almudena Grandes handelt von den verheerenden Langzeitfolgen des Spanischen BŸrgerkriegs
Als in ihrer Familie die Schšnheit zuge teilt wurde, stand Manolita nicht ganz Erschšpfung, †berforderung, Angst, Hun ger, Not und Mangel sind die KrŠ!e, die vorne in der Reihe. WŠhrend das unver schŠmt gute Aussehen ihres Vaters Antonio und ihres Šlteren Bruders Tonito nachgera de legendŠr sind in der Madrider Nachbar scha!, fŠllt Manolita, an der irgendwie al les zu klein und zu kurz geraten ist, nicht weiter auf. Auch ihr Naturell scheint vorerst das von jemanden zu sein, der mehr oder weniger unbemerkt mitlŠu!. Mehr noch: Manolita hŠlt sich gern heraus. ãZŠhltnicht-auf-michÒ ist der Spitzname, den ihr ein Freund ihres allseits bewunderten Bru ders verpasst.
Und doch ist gerade diese Senorita ãZŠhlt-nicht-auf-michÒ die Figur, die im Zentrum von Almudena GrandesÕ dicht be všlkertem jŸngstem Roman steht, der auch ihr letzter ist Ð die spanische Erfolgsauto rin, Jahrgang 1960, verstarb im November 2021 an einem Krebsleiden. Er hei§t ãDie drei Hochzeiten von ManolitaÒ, umfasst fast 700 Seiten und ist einer der gewichtigen Romanziegel dieser insgesamt an Roman ziegeln reichen BŸchersaison. Die anfangs so farblose Manolita macht darin eine ra sende Entwicklung durch. Sie ist weniger eine Antiheldin als vielmehr eine Heldin wider Willen, die sich verwandelt und un vermutete KrŠ!e mobilisiert, weil ihr nichts anderes Ÿbrig bleibt. GrandesÕ Roman spielt im und in den Jahren nach dem Spanischen BŸrgerkrieg. Kurz nach dessen Ende, im FrŸhjahr 1940, ist Manolita gerade 17 und von einem Tag auf den anderen fŸr vier jŸngere Geschwister zustŠndig. ãDiese Aussicht war derart er schreckend, dass ich nachts keinen Schlaf mehr fand.Ò Ihr Vater, Gewerkscha!er und Sympathisant der Sozialisten, sitzt im Ge fŠngnis, ebenso die dŸnkelha!e Stiefmut ter, ãeine echte GaunerinÒ. Und ihr Bruder Tonito, der einer aktiven Gruppe von Kom munisten und Anarchisten angehšrt, ist an gesichts des Sieges der Franquisten dauer ha! in den Untergrund abgetaucht. Manolita in der Folge formen. Grandes entwir! ein gewaltiges Panorama von KriegsfolgeschŠden. Es sind einfache Frauen, viele von ih nen blutjung, die in diesem PandŠmonium im Alltag Ÿber sich hinauswachsen mŸs sen und die in diesem Roman die eindring lichsten Charaktere stellen. ãDer Krieg hat te das Beste, aber auch das Schlechteste in uns allen hervorgebracht. Am Ende waren wir alle andere Menschen als die, die wir gewesen wŠren, hŠtten wir weiter in Frie denszeiten gelebt.Ò Diese SŠtze, die eigentlich ein Gemeinplatz sind, stehen gleich am Beginn des Ro mans und werden in der Folge auf hunder ten Seiten und an einem Dutzend von Fi guren durchdekliniert. Manolita selbst lŠsst sich schlie§lich von ihrem Bruder als Botin fŸr den Widerstand rekrutieren. Sie schleust Botscha!en ins und aus dem GefŠngnis, gibt vor, mit einem der Insassen, dem stot ternden Manitas, liiert zu sein und lernt die von Bestechung und DemŸtigungsritualen bestimmten Regeln kennen, die an den Be suchstagen zur Geltung kommen, an denen die Angehšrigen der Insassen Schlange ste hen. An diesem unwahrscheinlichsten aller Orte lernt sie aber auch SolidaritŠt. Der Roman macht die Verheerungen von Krieg und Diktatur in all ihren Facetten sichtbar. Da ist der ehemalige Sympathi sant des Widerstands, der zum Denunzian ten wird und schlie§lich in Francos Dikta tur als Folterknecht Karriere macht. Da ist die schšne, zornige FlamencotŠnzerin Ela dia, die ihren Geliebten Tonito versteckt. Da ist der traurige, schwule Marquis de Hoy os, der mit der Linken sympathisiert, in seinem Palais Orgien veranstaltet und sich weigert, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Da sind die spanischen Wider standskŠmpfer im franzšsischen Exil, die von jenseits der Grenze Sabotageakte gegen Francos Spanien durchfŸhren.
Almudena Grandes: Die drei Hochzeiten der Manolita. Aus dem Spanischen von Roberto de Hollanda. Hanser, 672 S., ! 30,90 Man verirrt sich leicht in diesem Roman, dessen Personal farbig und stark, des sen Struktur allerdings vom Wechsel der Handlungsebenen, von Zeit- und Perspek tivsprŸngen geprŠgt ist, was die Orien tierung in diesem Gewusel aus Schicksa len und Ereignissen gelegentlich ziemlich schwer macht.
Worum es sich bei den drei Hochzeiten von Manolita handelt, die dem Roman den Titel ge ben, kann nicht verraten werden, ohne die sem viel von seiner Spannung zu nehmen. Im Spanien nach dem BŸrgerkrieg stehen Manolita und die Ihren jedenfalls auf der falschen Seite.
Dass sich unter den qualvollen UmstŠn den von WillkŸrherrscha!, GefŠngnisstra fen und Straßagerleben fŸr sie am Ende doch so etwas wie ein Happy End ergibt, ist eine der erstaunlichen Volten dieses Ro mans, dessen Haupthandlung in den Jahren nach dem Spanischen BŸrgerkrieg spielt, der sich aber bis weit in die zweite HŠl!e des 20. Jahrhunderts erstreckt.
Auch im RŸckblick von Jahrzehnten bleibt der spanische Alltag vom Kriegsge schehen geprŠgt und vergi!et. Die Leserin nen von GrandesÕ Roman wissen sehr bald, wer der Denunziant in der Widerstands gruppe rund um Tonito ist. Ihre Figuren erfahren es erst nach Jahrzehnten.
Eines der gro§en Themen dieses spani schen Geschichtspanoramas ist die Liebe in Zeiten des Krieges. Die ZeitlŠu!e die ses Romans lassen den Liebespaaren darin wenig Handlungsspielraum Ð umso mehr spielt sich das Sehnen und Begehren in de ren Kšpfen ab.
Die gro§e Liebe, die Manolita schlie§ lich beschieden ist, wŠre unter den Bedin gungen des Friedens wohl niemals zustan de gekommen. Wenn Manolita auf den Satz ãDu hast etwas Besseres verdientÒ mit ãIch habe nichts Besseres gefundenÒ antwortet, wird das im Kontext dieser ErzŠhlung von der Bankrott- beinahe zur LiebeserklŠrung.
JULIA KOSPACH
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. Aus dem Franzšsischen von Michael Bischo 24,70[A] | ISBN 978-3-406-79128-4 285 Seiten | 15 GraÞken | Gebunden | ! !"#$%&'()*"#$+,-$ ./&#)01(1"22"#$3+)-4$$ 54,"22)$"#67&21$),$ ("),"8$(9"*1:*+27#",$ ;+/&$-)"$2:,<"$3"= (/&)/&1"$-"#$>")1?$)&#"$ #:(",-"$3"@+#1$+,-$ @)6:##"$A,1B)/*2+,<C D54,"22)$E"##71?$B:#+8$ "($4&,"$A),(1"),$*"),$ F:E)$<7@"?$B)"$:+($ -"#$G""#"$"),$H4(84($ ",1(1"&1$+,-$4@$()/&$ -)"$>")1$6+#I/*(9+2",$ 27((1CJ$!"#$%&"'$()*+#,% -.+%/#+00+
Aus dem Italienischen von Enrico Heinemann. 26,80[A] | ISBN 978-3-406-79184-0 255 Seiten | Gebunden | !