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ãSteinwayÒ von Rongfen Wang
ãChinesische Menschenleben sind billigÒ
Mit ãSteinwayÒ hat die selbst Betro!ene Rongfen Wang eine beklemmende Abrechnung mit Maos ãKulturrevolutionÒ vorgelegt
Derart bšse waren doch nicht mal die Nazis, oder?Ò, fragt Shi Sun. ãDu kannst das eine nicht mit dem anderen vergleichen, aber es gibt immer noch bšse reÒ, antwortet ihm seine Gro§mutter. ãDie Nazis haben sechs Millionen Juden ermor det. In der Kulturrevolution wurden fŸnf mal so viele Chinesen zu Tode gebracht. Schon wenn ich an die Gaskammern nur denke, wird mir schlecht.Ò
Auf knapp 500 Seiten beschreibt Rong fen Wang in ihrem autobiograÞschen Ro man ãSteinwayÒ die GrŠuel der Roten Gar den. Sie erzŠhlt die Geschichte aus der Sicht von Shi Sun, einem Jungen, der gemeinsam mit seiner Schwester Shi Zhu auf einem alten Steinway Klavier spielen lernt. Das prachtvolle, mit Perlmutteinlagen verzier te Instrument hat Tasten aus Sandelholz und Elfenbein und ist eine Reminiszenz an die ãherzzerrei§ende SchšnheitÒ vergange ner Zeiten. Hier entspinnt sich die ErzŠh lung der Klavierlehrerin Cheng Pinzhi, die als Alter Ego der Autorin nach der Kultur revolution als Orchestermusikerin arbeitet und selbst von Mao umgarnt wird Ð bis der Mann ihrer Schwester sie anschwŠrzt, was zu Chengs Verha!ung fŸhrt.
Mit rasender und zugleich poetischer Sprache schildert Wang die unmenschliche BrutalitŠt des Mao-Regimes. Grausame De tails spart die Autorin, die selbst 13 Jah re in chinesischen GefŠngnissen verbracht hat, nicht aus: ãDas Gemisch von Blutge ruch, verschwitztem Kšrper- und Uringe stank biss in die Nase, schmerzte die Au gen wie Pfe"erspray.Ò
Die Protagonistin teil sich in den sieben Jah ren ihrer Ha! die Zelle unter anderen mit einer Apothekerin, einer Vizeabteilungs leiterin der Pekinger Stadtverwaltung und einer Mitarbeiterin des Museums der Chi nesischen Revolution. Sie tri"t auf eine Frau, die als Einzige ihrer Familie das Massaker von Daxing Ÿberlebt hat, dessen Tote man in einem Schil!eich entsorgt hat te: ãKleine Kinder, die noch lebten, waren wieder herausgekrochen; mordgierige arme und untere Mittelbauern hatten ihnen mit Eisenschaufeln die SchŠdel zertrŸmmert.Ò
Wang Rongfen, die mit 16 Jahren in den Ð Ideen, Kultur, Sitten, Angewohnheiten Ð kommunistischen Jugendverband aufgenom - vernichten, plŸndern und dabei âRevolution men wird, erlebt die Kulturrevolution aus ist kein GastmahlÔ gršlen und Menschen nŠchster NŠhe. Sie beobachtet, wie Jugend - totprŸgelnÒ, schreibt Wang. Ihr Roman ist liche gršlend auf den Friedhof im Univer - ein ebenso packendes wie beklemmendes sitŠtsviertel die Knochen des berŸhmten StŸck Zeitgeschichte von Maos Macht Malers Qi Baishi ausgraben Ð und lŠsst die kampf Ÿber die Kulturrevolution bis zum SchŠndung im Roman noch einmal Revue TianÕanmen-Massaker 1989. passieren lŠsst. ãSo plštzlich war die Kul turrevolution hereingebrochen, die Men - Im GefŠngnis lernt Cheng auch Liu Yalan schen hatten sich ihr noch nicht anpassen kennen, die lŠngst in Pension ist, als man kšnnen, mochten sich noch nicht an Le - ihr Spionage vorwir!. Ihre Wohnung wird benden vergreifen und Ÿbten sich erst ein - durchsucht, die Katze von den ãRotgardis mal an den Toten.Ò ten totgeschmissenÒ und die vier 16 Zenti -
In den 1950er-Jahren verursacht Mao meter langen GoldÞsche ãmit blo§en HŠn mit seinem ãGro§er Sprung nach vornÒ den zerquetschtÒ. Als sie vom Tod ihres eine Hungersnot, die 55 Millionen Chi - Mannes erfŠhrt, nimmt sie ein KŸchen nesen das Leben kostet. Weil er sich da - messer, sticht sich in den Kopf Ð und Ÿber nach in seinen eigenen Reihen nicht mehr lebt. Ihren Zellengenossinnen gegenŸber sicher fŸhlt, ru! er 1966 die ãKulturrevo - meint sie lakonisch: ãIch bereue, dass ich lutionÒ aus. Unter dem Vorwand, ãReak - mit dem Messer nicht he!ig genug zuge tionŠreÒ zu bekŠmpfen, beginnt eine gigan - stochen habe, nicht krŠ!ig genug, damit es tische SŠuberungsaktion, an deren Spitze was gebracht hŠtte.Ò Eine andere Mitinsas die Roten Garden stehen: SchŸler- und Stu - sin beÞndet sich mit hinter dem RŸcken ge dentengruppen sollen ãalles âVierfach AlteÔ fesselten HŠnden wochenlang in Einzelha!
Rongfen Wang: Steinway. Roman. Aus dem Chinesi schen von Lao Men. Ma"hes & Seitz, 492 S., # 29,50 und liegt in ihren Exkrementen, ihrem Urin und Menstruationsblut. Als sie schlie§lich das Essen verweigert, wird sie mit Mais mehlsuppe durch die Nase zwangsernŠhrt und geht dabei elendig zugrunde. Ein WŠr ter brŸllt die všllig entkrŠ!ete Frauen beim Abortgang an: ãLos, los, was tršdelt ihr Fot zen [É], wartet ihr auf den Fick?Ò Chinesi sche Menschenleben seien eben billig, lautet das bittere ResŸmee der Autorin.
Cheng Pinzhi hat Ÿberlebt, wird schlie§lich aus der Ha! entlassen und rehabilitiert. Auch Wang Rongfen kommt 1979 frei und wird gleichfalls rehabilitiert und darf an die Hochschule zurŸckkehren. Als im Juni 1989 Panzer Ÿber den Platz des Himmli schen Frieden rollen und die studentische Demokratiebewegung niederschie§en, ßieht sie nach Deutschland, wo sie noch heute lebt. ãDes erhabenen FŸhrers Erziehungs reform in drei SŠtzen zusammengefasst! Schei§ der Hund auf Mao stinkt-stank, ver saut das Land, versaut das Volk!Ò