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von HonorŽe Fanonne Je!ers
ãEin mit reichlich Butter zubereiteter MŸrbteigÒ
In ihrem monumentalen RomandebŸt zeichnet HonorŽe Fanonne Je"ers die Spur rassistischer Gewalt in den USA nach
LEKT†RE: KLAUS N†CHTERN
beschŠ"igt sich die 1973 geborene Ai ley Pearl GarÞeld, auf welche die im T ausendseitige Romane sind im mer eine Anma§ung. Sie bean ãSongÒ abgespulte Linie der Vorfah ren zulŠu", im Rahmen ihrer verspŠ spruchen schon qua Umfang eine teten akademischen Karriere genau au§ergewšhnliche Aufmerksamkeit, mit einem solchen Projekt und wird und die hat das RomandebŸt der bis dabei ZusammenhŠnge aufdecken, dahin vor allem als Lyrikerin in Er - die fŸr sie und ihre Familie Ÿberra scheinung getretenen HonorŽe Fa - schend, wenn nicht schockierend aus nonne Je!ers, Jahrgang 1967, in den fallen. DarŸber hinaus kommt ihr als USA auch zu lukrieren vermocht: ãEin Ich-ErzŠhlerin der gewichtigste Part brillantes Epos, wie es nur einmal in innerhalb des polyphon konzipierten zehn Jahren erscheintÒ, urteilte etwa Romans zu. die Washington Post.
Die ãEposÒ-Assoziation drŠngt sich Irgendwann und irgendwie sind schlie§auf, beginnen ãDie Liebeslieder von lich alle mit allen verwandt und ha W. E. B. Du BoisÒ doch vom ersten ben indigenes, wei§es und schwarzes Satz an mŠchtig und bedeutsam zu ãBlut in den AdernÒ, was sich aller orgeln: ãWir sind die Erde, das Land. dings nicht notwendigerweise in der Die Zunge, die spricht und die stol - Hautfarbe als vermeintliches Indiz pert Ÿber die Namen der Toten, wenn der ethnischen Abkun" manifestie sie sich herantraut an die Ahnen einer ren muss. Frau und an ihre Geschichten. An ihre ãBrown sugar lassie, / Caramel tre Vorfahren, ihren Boden, ihre BŠume, at, / Honey-gold baby / Sweet enough ihr Wasser.Ò to eat. / Peach-skinned girlie, / Co!ee and cream, / Chocolate darling / Out of Als ãSongÒ sind jene Abschni!e ausge - a dream.Ò So hat der selbst Ÿber vieler wiesen, in denen Ð immer wieder in lei Vorfahren verfŸgende Harlem-Re der ersten Person Plural Ð die Ge - naissance-Dichter Langston Hughes schichte einer zunehmend blutigen die erotische AttraktivitŠt unterschied Landnahme nachgezeichnet wird, in licher Schattierungen der Haut in sei der die englischen Kolonisten und nem Gedicht ãBlack and BeautifulÒ be deren Nachfahren die indigene Be - sungen. Bei Je!ers wird die Kulinarik všlkerung verdrŠngen, vertreiben und des Spektrums noch erweitert: ãIhre niedermetzeln, um durch den Skla - Haut hatte die Farbe eines mit reich venhandel der rassistischen Gewalt lich Butter zubereiteten MŸrbteigs.Ò schlie§lich auch noch eine transkon - So gÕschmackig und harmlos geht es tinentale Dimension zu erš!nen. freilich nur selten zu, denn Hautfar -
Man kšnnte Je!ersÕ Roman auch be als Distinktionsmerkmal produ als eine Art literarischer Ahnenfor - ziert eine ganze Reihe von Sichtwei schung bezeichnen. Denn tatsŠchlich sen und Praktiken der Segregation, die
nur intellektuell integren, sondern ge -im schlimmsten Fall Ÿber Leben und nerell gŸtigen und solidarischen ãNeg -Tod entscheiden und keineswegs nur wei§e Rassisten a#ziert. roÒ, der es vorzieht, an einem College fŸr Schwarze in Georgia zu unterrich In ãThe Souls of Black FolkÒ (1903) hat ten, statt Karriere an einer der pres W. E. B. Du Bois (siehe auch Rezen - tigereichen Ivy-League-UniversitŠten im Norden des Landes zu machen. sion auf Seite 5) seine Theorie vom ãdoppelten BewusstseinÒ entwickelt, In der deutschen †bersetzung wird der historische, als Selbstbezeichnung die besagt, dass Schwarze sich selbst auch durch die Brille der Wei§en be - verwendete Begri! im Englischen be trachten und deren Stereotypen Ÿber - lassen, weil das deutsche €quivalent eindeutig rassistisch konnotiert ist. nehmen. Exemplarisch kommt dies im Roman in jener Szene zum Aus - DarŸber hinaus haben sich die bei den †bersetzerinnen, Maria Hum -druck, in der sich Aileys ãNanaÒ Ÿber mitzsch und Gesine Schršder, dazu den ãschrecklich dunklenÒ Freund von entschlossen, immer wieder einzelne deren Schwester Lydia auslŠsst und der Enkelin ins Gewissen redet: ãFrau - SŠtze, HalbsŠtze oder Begri!e (wie etwa ãbrotherÒ und ãsisterÒ) im Eng -en verhelfen der Familie zum Aufstieg, Ailey, nicht zum Abstieg. Du bist sehr, lischen zu belassen, um das im Roman gesprochene African American Verna -sehr braun. Du musst also jemand deutlich Helleren Þnden.Ò cular English nicht in einen deutschen
Dialekt oder Slang Ÿbertragen zu mŸs -Das so genannte ãPassingÒ, also sen, der blo§ nach ãfehlerha"em Eng -die ãChanceÒ, als ãwei§Ò wahrgenom men zu werden, ist ein zweischneidi - lischÒ klŠnge. ges Schwert: Es mag vor der Zwangs Das funktioniert Ÿber weite Strecken so-arbeit auf den Plantagen bewahren, gar besser, als ein Deutsch ˆ la ãDie aber die Angst aufzußiegen, bleibt auch nach Abscha!ung der Sklave - Tussi ist so krass schrŠgÒ (ãThat girl rei virulent. Das erfŠhrt etwa Aile - is so damned weirdÒ) oder das ener vierend oys hellhŠutiger Gro§onkel, als er sich " gebrauchte ãSpŠtzchenÒ fŸr ãdarlingÒ. Der Umstand aber, dass einmal in der ãwei§enÒ Schlange fŸrs Brot anstellt und glatt von einem der die Sprache des Romans vor allem im Franklins verpÞ!en wird, die im Ro - den mythisch-pathetisch raunenden ãSongÒ-Passagen immer wieder in man generationenŸbergreifend fŸr jene blŸhenden Kitsch kippt und keinen Wei§en stehen, die ihre vermeintliche konsistenten Ton Þndet, ist nicht der Zukurzgekommenheit durch Ÿbelsten Rassenhass kompensieren. †bersetzung anzulasten, sondern ein entschiedenes DeÞzit des Originals, Der ein biblisches Alter erreichende das seine hohen Ambitionen nicht li -ãUncle RootÒ aber ist so etwas wie das terarisch tri"ig umzusetzen vermag. personiÞzierte Gravitationszentrum Am stimmigsten sind ãDie Liebes -des Romans. Er verkšrpert den nicht