SOMMER 2022 AUSGABE 27 KÖRPER
Ziviler Ungehorsam
Körper als Mittel der Demokratie
Transzendenzerfahrung Der manipulative Sog der Masse
Übergriffigkeit
Warum ein ›Nein‹ nicht genug ist
BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN
BESSERE NOTEN UND WENIGER ARMUT BEI STUDIS? PROBIEREN WIR‘S AUS! VOLKSENTSCHEID GRUNDEINKOMMEN
Sugar - Manche mögen's heiss
Wir bringen in Berlin den ersten staatlichen Modellversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen auf den Weg — mit direkter Demokratie. Bis zum 6. September müssen wir insgesamt 240.000 Unterschriften sammeln, dann kommt es zum Volksentscheid.
WARUM MACHEN WIR DAS? Mehr Chancengleichheit Weniger Bürokratie, keine Rechtfertigung & keine Sanktionen Mehr Selbstverwirklichung und Entscheidungsfreiheiten Grundeinkommen macht uns frei von Druck und Erwartungen Weniger finanzielle Abhängigkeit Weniger psychische Erkrankungen, bessere Gesundheit
MACH’S WIE SASHA: WERDE TEIL DES VOLKSENTSCHEIDS GRUNDEINKOMMEN! “Ich begegne wahnsinnig vielen Leuten, die sich auf der Straße vom Grundeinkommen begeistern lassen. Es ist ein krasses Gefühl, wie viel Lust die Menschen haben, was zu bewegen – und ein Teil davon zu sein.”
WIR BRAUCHEN DICH!
Musical von Peter Stone (Buch), Jule Styne (Musik) & Bob Merrill (Liedtexte). nach dem Film Some like it hot von Billy Wilder und I.A.L. Diamond. basierend auf einer Story von Robert Thoeren / Deutsche Fassung: Klaus Seiffert
Studenten erhalten 20% Preisnachlass Buchungscode Campus22 angeben und zur Veranstaltung Studentenausweis vorzeigen
WIE KANNST DU MITMACHEN?
WAS KANNST DU AN DER UNI TUN?
Unterschreibe, komm zu Mitmach-Treffen, sammle selbst Unterschriften, richte Soli-Orte ein! Wir brauchen jede helfende Hand. Möglichkeiten dich einzubringen findest du auf dieser Website:
Gib‘ Listen in Vorlesungen rum, starte deine eigene Sammelaktion vor der Bibliothek, sammle mit deinen Mitbewohnis – aber vergiss nicht die vollen Listen bei uns vorbeizubringen!
VOLKSENTSCHEIDGRUNDEINKOMMEN.DE
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Liebe Leser*innen, dieses Semester sind wir wieder auf den Campus zurückgekehrt! Unsere physische Anwesenheit verändert das Miteinander. Sie lässt aus einzelnen Personen vor ihren Bildschirmen wieder eine dynamische, chaotische und kreative Masse an Körpern werden. Unser Körper ist mehr als nur eine materielle Hülle – sei es, wenn wir von Kurs zu Kurs hetzen, in der Mensa schlemmen oder beim Lernen auf der Wiese in der Sonne baden. Erst durch ihn werden wir zu kommunizierenden, handelnden Wesen, die ihre Umwelt erfahren und gestalten können. Gleichzeitig ist unser Körper Teil einer Gesellschaft und somit auch permanenter Streitpunkt im Zusammenleben. Er wird bewertet und entwertet, instrumentalisiert und optimiert und ist dabei vor allem eines: verletzlich. Wir haben uns dieses Semester deshalb als Redaktion gefragt: Wie und was kann ein Körper alles sein? Wie fühlt es sich an, wenn er nicht so ist wie erwartet? Was macht eine digitalisierte, kapitalistische, rassistische und patriarchale Welt mit uns? Wir wollten wissen, wie der Studienalltag mit einer körperlichen Behinderung oder einer Angststörung aussieht. Wir haben mit Menschen gesprochen, deren Grenzen gewaltvoll überschritten wurden und mit anderen, die bis an ihre Grenzen gegangen sind, weil sie ihren Körper als letztes Mittel im Protest sehen. Und haben uns nicht zuletzt gefragt: Wie viele Liter Speichel produzieren wir eigentlich pro Tag? Diese und weitere Fragen, Gedanken und Impulse behandeln wir in diesem Heft. Viel Freude beim Lesen wünschen wir euch!
Im Namen der Redaktion
Caroline Blazy und Anna-Lena Schmierer ©Foto: Tim Gassauer
Triggerwarnung: Einige Artikel des Heftes thematisieren Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen und setzen sich mit sensiblen Themen auseinander. Bei manchen Menschen können diese Themen negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei Dir der Fall ist und lese den Artikel lieber nicht, oder nicht alleine.
Inhalt Nur eine Rampe reicht nicht
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Politisierte Körper
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»Mit den Klamotten streifst du all den Stress ab«
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Wenn der Beat einsetzt
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Toxische Selbstliebe
7
»Das ist kein Dreck, das ist meine Haut«
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Sex & Körper
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Was ist was?
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Wenn die Angst überhandnimmt
10
Willkommen in der Porno-Revolution?
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Blut, Schweiß und Tränen
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»Das ist der stumme Zwang des Marktes«
28
Haarspaltereien
13
Verkörperung
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leibhaftig
14
»Asche zu Asche. Staub zu Staub«
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Körper im Widerstand
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Nachts die Welt erobern?
34
Nur »Ja« heißt Ja
18
Nicht-binär und mehr: Begrifflichkeiten
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FURIOS 27
Nur eine Rampe reicht nicht Alle wollen barrierefrei sein. Doch wer kann wirklich ungehindert am Studienalltag teilnehmen? Ein Blick auf die FU in Sachen Inklusion und Teilhabe.
Ein typischer Dienstag um 09:54 Uhr an der Haltestelle Dahlem-Dorf: Eine große Traube von Studis wird von den gelben Waggons der U-Bahn auf den Bahnsteig gespuckt und bewegt sich stromartig auf die Treppen zu. Studierende, die in ihrer körperlichen Mobilität eingeschränkt sind, kommen hier aktuell nicht weiter, denn der Aufzug funktioniert nicht. Ein schmuckloses, laminiertes Schild informiert darüber, dass er »aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen« von Februar bis Juli außer Betrieb sei. »Für mögliche Beeinträchtigungen bitten wir um Ihr Verständnis«. Aktuellen Zahlen zufolge sind etwa 15 Prozent der Bachelor-Studierenden an der FU von einer Behinderung oder chronischen Krankheit betroffen. Ein kaputter Fahrstuhl ist nur eines der Probleme, die ihnen im Studienalltag begegnen. Welche weiteren Probleme gibt es und wie steht es um die Barrierefreiheit an der FU? »Eine hundertprozentige Barrierefreiheit auf dem Campus zu erreichen, ist eine große Herausforderung. Aus unserer Sicht besteht hier noch deutlicher Optimierungsbedarf«, sagt Katrin Fischer von der Beratungsstelle für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Gerade die alten Villen, in denen sich viele Institutionen der Universität befinden, seien für Menschen im Rollstuhl nicht zugänglich. Aber auch Bodenleitsysteme und Beschilderungen für blinde und sehbehinderte Menschen gebe es an der FU derzeit nicht. Andere Hochschulen seien in Sachen Zugänglichkeit schon weiter, so Fischer, zum Beispiel die Universität Münster oder die TU Dresden. Letztere verfügt unter anderem über Raumbeschilderung in Brailleschrift sowie Onlinevideos in Gebärdensprache. Die Beratungsstelle der FU hilft Studierenden mit Behinderungen bei Fragen rund um die Wahl des Studienfachs, dem Härtefallantrag bei der Studienbewerbung sowie dem Nachteilsausgleich für Prüfungen. Letzterer soll Chancengleichheit gewährleisten und kann sowohl eine Verlängerung der Frist für eine Hausarbeit als auch die Nutzung von Hilfsmitteln bedeuten.
©Illustration: Malin Krahn
Besonders schwierig sei es an der Universität für Studierende mit unsichtbaren Behinderungen wie ADHS oder psychischen Erkrankungen, erklärt Fischer. Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung erschwerten die Kontakte zu Kommiliton*innen, Lehrenden und Mitarbeitenden zusätzlich. Auch hier unterstütze die Beratungsstelle mit Angeboten, um existierende Barrieren abzubauen. An der FU gibt es außerdem eine*n Beauftragte*n für Studierende mit Behinderungen, die*der in den Gremien der Hochschule für ihre Belange eintritt. Momentan ist das Olaf Muthorst, Professor im Fachbereich Rechtswissenschaft.
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»Ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen« muss laut UN-Behindertenrechtskonvention der Zugang zu Hochschulbildung für Menschen mit Behinderung sein. Dafür müssen angemessene Vorkehrungen getroffen werden. Dies gilt sowohl für sichtbare Behinderungen wie eine Querschnittslähmung, bei der man auf den Rollstuhl angewiesen ist, als auch für nicht-sichtbare Behinderungen, also neurodiverse Beeinträchtigungen wie Legasthenie oder Angststörungen.
inklusiven Gesellschaft mit mehr Selbstbestimmung zu bewegen. Auch zur Teilhabe an Hochschulbildung können dank dem BTHG mehr Leistungen beantragt werden, zum Beispiel Hilfen bei der Absolvierung von Praktika. Doch es bleibe noch viel zu tun – davon ist Rikki überzeugt. Aufgrund ihrer Erkrankung konnte sie manchmal über Wochen nicht an die Uni und den Stoff nur schwer nacharbeiten. Der Leistungsdruck im Psychologiestudium habe ihr sehr zu schaffen gemacht. Lehrende hätten zu Beginn oft betont, dass nicht alle das Studium schaffen würden. »Ich glaube, das ist für alle schlimm, aber Menschen, die schon ihr Leben lang kämpfen, um überhaupt auf 80 Prozent zu funktionieren, fragen sich schon: Wie soll ich 150 Prozent jemals schaffen?« Während andere eifrig ihre Zukunft planten, war sie jeden Tag aufs Neue herausgefordert. »Zu Beginn habe ich mir nicht den Luxus gegönnt, auch nur einen Schritt weiter als in der Gegenwart zu sein. Denn dann habe ich sofort das Gefühl gehabt, das wäre ein Luftschloss, das ich mir aufbaue.«
Die Herausforderungen auf dem Campus sind vielfältig. Eine Studie des Deutschen Studentenwerks von 2018 hat gezeigt: vor allem der Bedarf nach Ruhe- und Rückzugsräumen ist groß. Gerade für Studierende mit chronischen Schmerzen oder Konzentrationsschwierigkeiten ist die Möglichkeit, sich im hektischen Alltag zurückziehen und durchatmen zu können, enorm wichtig. In der gesamten Rost- und Silberlaube gibt es gerade mal einen einzigen Ruheraum. »Wir arbeiten daran, dass in dieser Richtung mehr passiert. Aber diese Prozesse brauchen immer ihre Zeit«, so Fischer. Da die Beratungsstelle nur zwei Mitarbeiter*innen habe, müssten diese ihre Prioritäten genauestens setzen. Studierende zu beraten, stehe da an erster Stelle. Auf Probleme wie den defekten Fahrstuhl an der U3-Haltestelle haben sie keinen Einfluss, das ist Sache der BVG.
Kontakte mit Kommiliton*innen zu knüpfen sei ihr schwer gefallen, allein wegen der Wege, die sie in ihrem Rollstuhl zurücklegen musste: »Bis ich über die Rampe aus dem Hörsaal war, waren die anderen schon längst in der Mensa.« Wie alle Erstis war sie überwältigt vom neuen Lebensalltag. »Erst seit Kurzem habe ich das Gefühl, richtig angekommen zu sein.«
Probleme mit dem Fahrstuhl in Dahlem-Dorf kennt auch Rikki*. In den ersten Semestern sei sie deshalb ständig zu spät gekommen. Rikki ist 24 Jahre alt und hat bis zu Beginn der Pandemie Psychologie an der FU studiert. Sie hat Muskeldystrophie – eine Erbkrankheit, die dazu führt, dass ihre Muskeln stetig schwächer werden. Deswegen bewegt sie sich mithilfe eines elektrischen Rollstuhls fort und hat rund um die Uhr eine*n Assistent*in bei sich, der*die sie im Alltag unterstützt: »Ich bin selbstbestimmt, aber selbstständig sein geht körperlich nicht.«
Inzwischen studiert Rikki Soziale Arbeit an einer anderen Hochschule. Sie traut sich jetzt auch, an die Zukunft zu denken. Ihr Studium sei immer erst dritte Priorität nach ihrer eigenen Zufriedenheit und ihrem Assistenz-Team. Dass sie deswegen vielleicht länger für den Abschluss braucht, sei für sie in Ordnung. Ihr Ziel sei es, den Bachelor abzuschließen und sich danach weiterzubilden: Sie will Therapeutin werden.
Was materielle Barrierefreiheit, also die physische Zugänglichkeit angeht, habe sie an der FU gute Erfahrungen gemacht, erzählt Rikki. So habe sie zum Beispiel zu Beginn jedes Semesters über den Behindertenbeauftragten abklären können, dass sie in ihren Seminarräumen einen erhöhten Tisch zur Verfügung gestellt bekommt, unter den die Armlehne ihres Rollstuhls passt. Die rein materielle Barrierefreiheit reiche aber bei Weitem nicht aus, so Rikki. »Es wird gerade erst ans Tageslicht gebracht, wie viel emotionale Arbeit es bedeutet, immer auf diese Weise abhängig von Personen zu sein. Die Schnelllebigkeit des Alltags an einer riesigen Uni lässt für Gespräche darüber keinen Raum.«
Ihr habe es sehr geholfen, sich mit anderen Frauen mit Behinderung auszutauschen, zum Beispiel bei einem Workshop des studierendenWERKS Berlin zu Übergriffigkeiten und Sexismus. Hier wurde gemeinsam geübt, sich mit klaren Worten und Körpersprache gegen Diskriminierungen im Alltag – wie beleidigende Kommentare in der U-Bahn – zu wehren. So blicke sie mittlerweile mit einer intersektionalen Perspektive auf ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. Im Austausch mit anderen habe sie auch den Mut gefunden, ihre Bedürfnisse klarer zu formulieren: »Universitäten brüsten sich damit, Orte der Vielfalt zu sein. Wir dürfen Sachen einfordern; wir sollten das auch tun.«
»Die FU und andere Hochschulen sind jetzt vielleicht barriereärmer, aber in den Köpfen noch nicht.«
*Anm. d. Red.: Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Julia Schmit empfiehlt allen, die sich mehr mit Inklusion auseinandersetzen wollen, den Podcast Echt behindert! der Deutschen Welle.
Im Jahr 2016 wurde in Deutschland das Bundesteilhabegesetz (BTHG) verabschiedet. Das Gesetzespaket soll umfangreiche Änderungen anstoßen, um die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern und sich weiter in die Richtung einer
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FURIOS 27
»Mit den Klamotten streifst du all den Stress ab« FKK klingt für viele nach alten Männern in der Sauna oder am Badestrand. Nicht jedoch für drei Mitglieder eines Berliner Nacktsportvereins. Sie erzählen, warum FKK für sie Freiheit bedeutet und weshalb Nacktheit nicht mit Sexualisierung gleichzusetzen ist.
denkt man, dass man den perfekten Körper haben muss, damit man ihn zeigen kann, ohne sich dafür zu schämen.«
Plötzlich nackt in der Öffentlichkeit sein – für viele ein Albtraum. Denn in unserer Gesellschaft wird Nacktheit als etwas Privates und Intimes angesehen. Für die 33-jährige Hanna ist der vermeintliche Albtraum jedoch eine angenehme Vorstellung. Sie fühlt sich in Klamotten unwohl und verbringt so viel Zeit wie möglich nackt. Damit gehört sie in Deutschland zur Ausnahme. In einer Umfrage von YouGov und Statista aus dem Jahr 2021 gaben über 60 Prozent der befragten Deutschen an, dass sie sich an Orten, an denen man nackt ist, unwohl fühlen oder diese Orte ganz meiden.
Das Verhältnis von Nacktheit und Sexualität wirft in unserer Gesellschaft ein Spannungsfeld auf: Nacktheit wird oftmals mit der Sexualisierung von Körpern gleichgesetzt. Während beispielsweise auf Instagram weibliche Brustwarzen zensiert werden, wird in Pornos extra nah herangezoomt. Pornos zeichnen zudem ein unrealistisches Bild vom menschlichen Körper, mit dem auch Jeff aufgewachsen ist. Erste Erfahrungen mit FKK öffneten ihm die Augen: »Es war interessant, Menschen in allen Größen und Für Menschen, die das anders sehen, bietet ©Illustration: Cathrin Weil Formen im wirklichen Leben zu sehen. Das hat mir der Berliner Nacktsportverein FSV Adolf Koch Ort geholfen, mich in meinem Körper im Vergleich zu anderen und Rahmen, um Nacktheit in Gesellschaft auszuleben. nicht mangelhaft zu fühlen.« So auch für Hanna, Paulo und Jeff, drei junge Mitglieder. Adolf Koch war Anfang des 20. Jahrhunderts Vorreiter der FreikörperkulAn den Treffen des FSV Adolf Koch schätzt Hanna besonders, dass tur (FKK) und Begründer des Vereins, der heute circa 120 Mitgliedort keinerlei sexuelle Spannung vorhanden sei. »Mir ist es wichtig, der zählt. Das Angebot an naturistischen Aktivitäten ist groß: es dass ich insbesondere als Frau selbst entscheiden kann, wann mein reicht von Yoga über Volleyball bis hin zu Body-Awareness-Kursen. Körper sexuell betrachtet wird.« Die FKK-Szene sei äußerst männerdoIm Sommer finden zudem Camps, Yoga-Retreats und Nacktwandeminiert, findet sie. Dies könne auf Frauen einschüchternd wirken. Darungen statt. her hat der Verein eine FLINTA*-Gruppe gegründet, in der sich Hanna Es gibt gute Gründe, die Hüllen fallen zu lassen. Nacktsein könne zusammen mit anderen engagiert: »Es geht mir darum, einen sicheren sich positiv auf die Gesundheit auswirken, so eine Studie der BARRaum zu schaffen, in den FLINTA* kommen können, ohne das Gefühl MER Krankenkasse. Darin heißt es: »Wer sich öfter selbst mal ganz zu haben, eine Minderheit zu sein oder schief angeschaut zu werden.« auszieht, der bekommt dadurch ein besseres Körperbild und auch Nacktheit könne auch »ein großer Gleichmacher« sein, meint Hanna, ein höheres Selbstwertgefühl.« da man eine nackte Person nicht danach beurteilen könne, was sie trägt. »Wenn alle nackt sind, muss man die Person wirklich so kenDiese Aussage deckt sich mit den Erfahrungen von Paulo, der ernenlernen, wie sie ist.« zählt, seine Körperwahrnehmung habe sich durch die Teilnahme am Nacktsport massiv verändert. Der 26-Jährige stellt fest: »Früher war Die erste Teilnahme am Nacktsport sei wie ein Sprung ins kalte Wasich sehr unsicher in Bezug auf meinen Körper. Das Nacktsein hat ser, findet Paulo, doch die Nervosität verfliege schon nach wenigen mir geholfen, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist.« Trotzdem Minuten. »Mit den Klamotten streifst du auch all die Probleme und sind nackte Körper weiterhin mit Scham besetzt. Dafür gibt es verden Stress ab; du lebst einfach im Moment. Du fühlst dich frei.« schiedene Gründe. Während Hanna in einer Familie aufgewachsen ist, in der »Kleidung optional war«, wurde Jeff eine schamhafte Einstellung zum nackten Körper vorgelebt. »Mir wurde beigebracht, mich für meinen Körper zu schämen«, erzählt er. Gerade deshalb bedeutet FKK für ihn heute Clara Baldus hat sich vorgenommen, in Zukunft ein Freiheitsgefühl. Neben der Erziehung haben auch soziale Medien öfter nackt ins kalte Wasser zu springen. einen großen Anteil daran, dass Menschen sich nicht trauen, nackt zu sein, meint Paulo: »Wegen dieser neuen ›Instagram-Generation‹,
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FURIOS 27
Toxische Selbstliebe Speckrollen, Wachstumsstreifen und Problemzonen einfach lieben? Und dazu lächelnd ein Foto posten? Social-Media-Trends bestimmen Art, Weise und Tempo unserer Körperwahrnehmung. Ein Kommentar.
des eigenen Körpers stattfindet, ist ›Love yourself‹ begegnet uns als ein Privileg. Das ›SelbstliebepaHashtag, als plakativer Spruch in ket‹ kommt für diese Menschen Videos und in allen erdenklichen – zwanghaft positiv verpackt – Farbkombinationen auf Pinteper Expressversand. rest. Aber was, wenn der eigene Körper nicht geliebt werden Body positive zu sein, bedeutet kann oder zumindest nicht alles für viele Druck. Die Body-Neutralidaran? Wenn man wieder vor dem ty-Bewegung wählt daher einen anSpiegel steht und die vermeintlichen deren Ansatz. Ihr Fokus liegt darauf, Problemzonen hervorstechen, über den Selbstwert nicht von Äußerlichkeidie auch die bunten, positiven Sprüche ©Illustration: Laura von Welczeck ten abhängig zu machen. Wir alle haben nicht hinwegtrösten? Die Body-Positivieigene, individuelle Körperformen und werty-Bewegung lebt uns vor, dass es so einden nie so aussehen wie Influencer*innen und fach sei, seinen Körper zu lieben. Viele traModels – selbst wenn wir alle exakt denselben gen ihr scheinbar gestärktes Selbstbewusstsein Trainings- und Essensplan verfolgen würden. Und das wie eine neue, gut sitzende Jeans. Diese erzwungene ist völlig in Ordnung. Es scheint nicht nur leichter, sondern auch Selbstliebe kann genauso schnell ins Toxische umschlagen wie gänwichtiger, unseren Körper erst einmal anzunehmen. Gerade in einer gige Schönheitsideale. Gesellschaft, die uns stets vorlebt, dass man seine Röllchen am Bauch nicht – oder der Body-Positivity-Bewegung folgend ganz beSocial-Media-Posts, in denen Speckrollen gezeigt und gezielt in Szesonders – zu lieben hat. ne gesetzt werden, sollen empowern. Auf der Tagesordnung steht nicht mehr, den Bauch einzuziehen, sondern – im Gegenteil – ihn zu Body neutral zu sein, kann also helfen, unser Körpergefühl und unsezelebrieren, mit all seinen Fettpolstern. Diese Posts kommen oft von re Körperwahrnehmung zu verbessern. Natürlich geht es aber auch cis Frauen, die dem westlichen Schönheitsideal entsprechen und dehier wieder um die Herstellung eines Selbstbewusstseins, doch ren Problemzonen verschwinden, sobald sie wieder geradestehen. diesmal durch Akzeptanz. Unser Körper trägt uns durch die Welt, Im Grundgedanken will die Body-Positivity-Bewegung Raum und begleitet uns Tag für Tag, ist unser ganz persönliches SchneckenAkzeptanz für Körper schaffen, die nicht den westlichen Schönhaus. Am ehesten werden wir ihm gerecht, wenn wir ihn dankbar heitsidealen entsprechen. Dieses Konzept entstand aus dem fat hinnehmen. acceptance Movement der 60er-Jahre in den USA, wo auf eine systeSo wie sich die Bewegungen verändern, zu Trends werden – die matische Diskriminierung mehrgewichtiger Menschen aufmerksam wie Schlaghosen kommen und gehen –, so rapide verändern sich gemacht wurde: Personen, die bei Bewerbungen abgelehnt werden, Schönheitsideale. Es ist, soll und kann nicht unsere Aufgabe sein, keine passende Kleidergröße im Laden vorfinden und ihre mutmaßauf eine zwanghafte Weise mitzuhalten. Wir dürfen lernen, unseren lich minderwertigen Körper nicht lieben dürfen. An der Spitze dieKörper zu akzeptieren und ihn mit der Zeit vielleicht auch zu lieben. ser Bewegung standen vor allem Schwarze FLINTA*, während die In unserem eigenen Tempo und nicht, wie es Social-Media-Trends Posts auf Instagram heute von normschönen weißen Nutzer*innen vorgeben. kommen. Der Hashtag verliert somit die Essenz der Bewegung und marginalisierte Gruppen werden weiter in den Hintergrund gedrängt. Probleme mit der eigenen Körperwahrnehmung sollen weißen, schlanken und trainierten Menschen nicht abgesprochen werden. Aber viele, die an dieser Bewegung teilnehmen und sich bedenkenlos die positiven Sprüche an ihr Pinterest-Board pinnen, übersehen ihre privilegierte Position. Sich ausschließlich auf die eigene Körperwahrnehmung zu konzentrieren, obwohl keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen und keine systematische Diskriminierung
Lucie Schrage liebt ihren Körper an einigen Tagen und akzeptiert ihn an anderen.
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Sex & Körper Wir haben mit fünf Studierenden über Körper beim Sex und im Dating gesprochen. Hier teilen wir ihre Erfahrungen und Eindrücke.
NUR KÖRPERLICH A N Z I E H E N D
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Ich hatte mal etwas mit jemandem, den ich nur körperlich gut fand. Der Sex war gut, aber als wir uns danach unterhalten haben, habe ich gedacht: Mit dem würde ich mich nicht auf einen Kaffee treffen. Sex ist viel schöner, wenn er mit Empfindungen verbunden ist.
Viele Menschen denken, man kann nicht gleichzeitig asexuell sein und masturbieren, aber das ist nicht so. Wenn ich was bei mir selbst mache, bin ich voll dabei. Früher habe ich auch Pornos geguckt, mittlerweile sind es eher Kopfkinos. Es ist für mich auch absolut anziehend, mir vorzustellen, wie Leute Sex haben. Viele Dinge, die ich mir vorstelle, würde ich niemals im echten Leben machen wollen.
Ich hatte mal mit einem Typen Sex, den ich wirklich extrem hot fand. Am nächsten Morgen im Bett ist mir dann aufgefallen, dass er sehr dämlich ist. Dann hatten wir auch keinen Sex mehr.
Mein Exfreund und ich haben uns zweimal beim Sex gefilmt. Das war im Nachhinein sehr heiß, weil wir uns die Filme auch beide später – jeder für sich – angeschaut haben.
K O M M U N I K AT I O N
O N L I N E DAT I N G
Als ich meinen Freund kennengelernt habe, waren wir beide Anfang 20 und sexuell sehr unerfahren. Kommunikation über Sex hat nie wirklich stattgefunden; wir haben keine Vorlieben geäußert. Wir hatten unsere Standardpositionen und in der gesamten Zeit keinen Oralsex. Damals fand ich das nicht schlimm. Nach der Beziehung habe ich mich dann ausgelebt und Neues ausprobiert.
Grindr wird in der Szene vor allem von denjenigen genutzt, die etwas Schnelles, Unverbindliches suchen. Hier wird auch Vieles im Profil angegeben, wie sexuelle Vorlieben, ob man aktiv oder passiv ist, HIV-positiv oder -negativ und am besten hat man ein Bild vom Oberkörper drinnen. Es lässt sich auch relativ schnell eine Galerie anfertigen von irgendwelchen Penissen, die man ungewollt zugeschickt bekommen hat.
Die Art zu kommunizieren ist mit queeren Personen ganz anders, als mit cis Männern. Für mich war das mega weird, als ich das erste Mal was mit einer queeren Person hatte und sie mich gefragt hat: »Fühlt sich das gut an? Soll ich etwas anders machen? Bist du einverstanden?« Ich war so überrascht, dass ich gefragt habe: »Ist es normal, dass du mich das gerade fragst?« Seitdem weiß ich, was ›consent‹ bedeutet. Als ich mit cis Männern körperlich war, fand eine Kommunikation auf diesem Level nie statt.
Gerade beim Online-Dating, wo es wirklich nur um die Selbstpräsentation geht, schrumpft das Selbstbewusstsein. Jedes Mal, wenn man einem Typen schreibt, den man irgendwie attraktiv findet, und dann keine Antwort erhält, ist das wie ein kleiner Stich.
Bei mir hat es leider so angefangen, wie man sich das vorstellt: mit Grindr. Das Klassische, was in den Profilen steht, ist ›no fats‹, ›no femmes‹, ›no asians‹, ›no blacks‹. Damit dich nicht jemand anschreibt, bei dem du von vornherein denkst: der ist nicht mein Typ.
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Ich hatte mal etwas mit einem Typen, der zu mir meinte: »Du hattest früher als Jugendliche doch bestimmt voll die Komplexe, weil deine Brüste so klein sind.« Ich war erst etwas vor den Kopf gestoßen und habe dann geantwortet: »Ja schon, aber jetzt halt nicht mehr. Ich finde meine Brüste schön, so wie sie sind.« Er hat mir dann hinterher auch direkt ein Kompliment gemacht. Trotzdem fand ich es etwas verwunderlich, dass man so eine Aussage trifft. Wir wurden gerade körperlich und plötzlich kommt so ein Kommentar.
In der Schwulen-Community wird dein Körper auch einfach mal random in einer Bar kommentiert. Und das nicht immer nur positiv. Kommentare, die gemacht werden, sind z.B.: »Schüttel deinen Speck.« Du kannst nie wirklich einschätzen, ob das jetzt negativ gemeint ist oder nicht. Werde ich gerade fetischisiert und sexualisiert oder werde ich tatsächlich gerade runtergemacht?
Auch in der queeren Community gibt es Bodyshaming. Betroffene Personen haben mir von fat shaming berichtet, und dass sie eher nicht gedated werden, weil sie nicht dem Standardgewicht entsprechen.
S E X U E L L E S
Ich selbst habe Bodyshaming glücklicherweise nicht erlebt, aber es ist in der Schwulen-Szene schon sehr verbreitet. Es wird viel aufs Körperliche geachtet und teilweise herrscht auch viel Intoleranz – gerade was verschiedene Körpertypen, unterschiedliche Sexualitäten oder diverse Fetische angeht.
Ich war zwischen 16 und 17 regelmäßig im Gym, weil mein damaliger Freund mir das bezahlt hat, da er der Meinung war: »Speck mal ab.« Auf dem Level spielt sich das ab. Er hat beim Kuscheln gemeint: »Du kannst doch mal etwas abnehmen.«
Selbst in einer Bär-Gruppe gibt es toxisch-maskuline Denkweisen. Dünne Männer werden als ›Hungerhaken‹ oder ›Lauche‹ bezeichnet. Das ist dasselbe Level an Bodyshaming. Um das zu verstehen, muss man aber Kritik an der eigenen, der queeren Community zulassen.
Ich habe mehrfach Dates gehabt, bei denen ich angekommen bin und Leute direkt zu mir meinten: »Sorry, du bist mir halt zu dick« – und das war noch nett formuliert.
B E G E H R E N
Fesseln sind cool, da man sich dem Partner noch einmal anders hingeben muss. Mal eine austeilen oder sich anspucken, finde ich völlig okay. Ernsthafte Schmerzen mit einer Peitsche zufügen ist für mich eher ein schwieriges Thema. Durch eine Augenbinde und Fesseln werden Berührungen viel intensiver, weil man die Kontrolle verliert. Der Fokus liegt auf der Wahrnehmung und man spürt auch viel mehr das Vertrauen zum Partner – das ist super schön.
Ich bin queer und in der Beziehung mit meiner Exfreundin habe ich gemerkt, dass ich kein Bedürfnis nach Sex habe. Ich habe den Sex nie initiiert. Wir hatten Sex und er war, denke ich, auch schön.
Körperliches und mentales Begehren hängen für mich zusammen. Sobald ich jemanden menschlich gut finde, fühle ich mich auch körperlich zu dieser Person hingezogen.
Es ist spannend, was sich auf der sexuellen Ebene mit meinem Partner alles entwickelt hat. Füße fand ich früher ganz schlimm und mittlerweile sind sie ein Körperteil, das ich attraktiv finde.
Es gibt auch ganze ›Bodytypes‹ in der Schwulen-Community. Du bist ein Bär, wenn du dick und behaart bist. Alle Nischen, die man irgendwie erfüllen kann, werden sehr stark fetischisiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der einzige Grund ist, warum ich mir nicht mehr die Brusthaare rasiert habe, seitdem ich 17 bin.
©Illustrationen: Johanna Böker
Laura Kübler fühlt sich nach den Interviews sicherer in der Kommunikation über Sex.
Lucie Schrage benutzt jetzt andere Dating-Apps.
FURIOS 27
Wenn die Angst überhandnimmt Das Herz klopft, Gänsehaut macht sich am Körper breit und der Atem stockt – Angst ist eine Emotion, die wir alle kennen. Doch was, wenn Angst zum ständigen Begleiter wird? Wie sich Angststörungen anfühlen und warum so viele Studierende unter ihnen leiden.
zittere ich, kriege schlecht Luft und habe Herzrasen. Ein paarmal dachte ich schon, das sei ein Herzinfarkt, und habe einen Krankenwagen gerufen. Ich dachte, ich würde sterben.«
Es war an einem Sommerabend im Freiluftkino. Zoé guckte in den dunklen Nachthimmel. Sie erblickte eine Sternschnuppe, doch anstatt sich etwas zu wünschen, bekam sie es mit der Angst zu tun. Kam die Sternschnuppe immer näher? Würde gleich ein Meteorit einschlagen? In der Zeit danach träumte sie jede Nacht davon, dass die Welt untergeht. Zoé erinnert sich noch gut an die Anfänge ihrer Angststörung, damals war sie 18. Heute ist sie 26 Jahre alt und studiert Geschichte und Politikwissenschaft an der FU. Seit dem Abend im Freiluftkino begleiten sie Angstzustände in ihrem Leben. An einem Café vorbeilaufen, in einer vollen U-Bahn sitzen oder eine fremde Person anrufen – was für andere alltägliche Aktivitäten sind, ist für Zoé nur schwer möglich. »Ich habe immer das Gefühl, dass irgendwo eine Gefahr lauert und ich aufpassen muss«, erzählt sie.
Einen großen Anteil ihrer Angststörung machen bei Zoé soziale Phobien aus. Sie erklärt, mit Menschen in Kontakt treten zu müssen, löse bei ihr Unbehagen aus. »Ich darf nicht so lange unter zu vielen Menschen sein und brauche immer wieder Zeit, um durchzuatmen. Ich passe auf, dass ich nur mit Leuten unterwegs bin, die empathisch sind und bei denen ich mich wohlfühle.« Ängste sind unter Studierenden an der FU keine Seltenheit – das zeigt der University Health Report aus dem Jahr 2021. In der Onlinebefragung gaben 38 Prozent der befragten Studierenden an, unter Symptomen einer Angststörung zu leiden. Erfragt wurden Symptome wie »Nervosität, Ängstlichkeit oder Anspannung« sowie ein »Mangel an Kontrolle über die eigenen Sorgen«. Diese Ergebnisse sind zwar nicht mit diagnostizierten Angststörungen gleichzusetzen, doch auch der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse im Jahr 2015 lieferte schon Hinweise darauf, dass Studierende, verglichen mit jungen Erwerbstätigen, verhältnismäßig oft unter Angsterkrankungen leiden. Aber woran liegt das?
Eigentlich ist Angst etwas ganz Normales. Sie soll uns davor schützen, Gefahren einzugehen, und ist somit lebensnotwendig. Treten diese Ängste übermäßig auf, sodass die Lebensqualität eingeschränkt wird, spricht man von einer Angststörung. Unterscheiden lassen sich generalisierte Angststörungen, Panikstörungen und Phobien. Während bei Phobien spezifische Situationen Besorgnis erregen – wie beispielsweise bei der sozialen Phobie, wo alltägliche soziale Interaktionen zur Belastung werden –, treten bei der generalisierten Angststörung eher diffuse Ängste auf. Die Panikstörung dagegen beschreibt das Auftreten massiver Panikattacken, die mit starken körperlichen Symptomen wie Herzrasen und Schwindel einhergehen.
So würden körperliche Schmerzen nach einem Unfall auf die Psyche schlagen. Umgekehrt reagierten auch Organe auf psychische Belastungen, wofür Magen-Darm-Probleme ein typisches Beispiel seien.
»Bei Studierenden fehlen oft Strukturen, die Sicherheit geben«, erklärt Reysen-Kostudis. Durch ihre Tätigkeit als psychologische Beraterin an der FU kennt sie die individuellen Sorgen der Studierenden, aber auch die Bedingungen des Studiums, die diese auslösen. So sei das große Maß an Selbstorganisation und oft fehlender Rückmeldung seitens der Lehrkräfte ein Auslöser für Ängste: »Studierende haben häufig dieses Gefühl: Ist das gut genug gewesen? Sollte ich die Hausarbeit nicht doch noch mal verbessern?« Diese ständige Unklarheit, ob die erledigte Arbeit auch wirklich reiche, führe bis hin zu Ängsten, das Studium nicht zu schaffen. Hohe Durchfallquoten bei wichtigen Prüfungen, wie beispielsweise bei den juristischen oder pharmazeutischen Studiengängen, verstärkten diese Tendenz noch. In geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern kämen Ängste jedoch nicht seltener vor. Denn gerade bei Studiengängen ohne festes Berufsbild gebe es oft Zweifel, ob man gut genug oder überhaupt fähig sei, ins Berufsleben einzutreten. »Studierende schätzen sich oft sehr viel kritischer ein als es der Realität entspricht«, merkt Reysen- Kostudis an.
So schildert auch Zoé, wie sich das Zusammenspiel von Psyche und Körper bei ihr auswirkt: »Wenn ich Angst habe, dann werde ich müde und schlapp und kann mich nicht bewegen.« Während andere bei Aufregung Herzklopfen bekommen, hat Zoé das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen. Anders ist das, wenn Zoé eine Panikattacke hat: »dann
Verantwortlich für die Ängste der Studierenden ist laut Reysen- Kostudis aber auch das »Dazwischen-Sein«, was im Fachjargon als prolongierte Adoleszenz bezeichnet werde. Das heißt: Studierende müssten zwar oft schon ähnlich viel Verantwortung übernehmen wie Erwerbstätige, begegneten dabei aber vielen nicht altersgemä-
Die Angststörung gilt zwar als psychische Krankheit, doch für Diplompsychologin Brigitte Reysen-Kostudis, Mitarbeiterin an der psychologischen Beratungsstelle der FU, ist klar:
»Körper und Psyche können nicht getrennt werden, das gehört immer zusammen.«
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ßen Abhängigkeiten. Allem voran die finanzielle Abhängigkeit, bei der den Eltern oder dem BAföG-Amt erklärt werden müsse, wie lange das Studium denn noch dauere. »Für das Alter ist das entwürdigend«, sagt Reysen-Kostudis. All diese Sorgen führten bei Studierenden zu Verunsicherungen und »verunsicherte Menschen sind generell anfälliger für Ängste«. In der Beratungsstelle stünden Ängste nach Arbeitsstörungen (Anm. d. Red.: (häufiges) Nicht-Erreichen der als wichtig beurteilten Arbeitsziele) und Depressionen an dritter Stelle der Gründe, die als Anlass für das Aufsuchen der Beratungsstelle angegeben werden. Teilweise lasse sich das jedoch nicht voneinander trennen, denn oftmals gingen Angststörungen mit anderen psychischen Problemen einher. Auch Zoé erzählt, dass sie schon früh mit Depressionen gekämpft habe. Erste Bewältigungsstrategien bei Ängsten seien körperzentrierte Übungen, die Stress reduzierend wirken wie Atemübungen oder sportliche Betätigung, so Reysen-Kostudis. Anderen helfe ein Gespräch mit Freund*innen. »Das ist dann eine Ablenkung von den inneren Monologen, die immer unsicherer machen«, sagt Reysen- Kostudis. Wer sich vor Angsterkrankungen schützen wolle, sollte Sicherheit schaffen: ein sicheres Umfeld, feste Beziehungen pflegen und auch schauen, dass die elementaren Bedürfnisse – Wohnung, Studium, Finanzen – nicht übermäßig Grund zur Sorge geben und weitgehend geregelt sind. Die Angststörung beeinträchtigt Zoé stark in ihrem Alltag. An manchen Tagen schaffe sie es nicht aufzustehen, um in die Uni zu fahren. Manchmal seien selbst essen oder auf Toilette gehen zu viel. Sie glaubt, wenn sie die Angststörung nicht hätte, wäre sie viel extrovertierter und aktiver: »Es ist sehr anstrengend, Sachen nicht machen zu können, die man eigentlich machen will, weil man Angst davor hat.« Wer unsicher ist, ob die eigenen Ängste ein gesundes Maß überschreiten, sollte laut Reysen-Kostudis ein Gespräch mit Psycholog*innen vereinbaren, um abzuklären, ob die Probleme behandlungsbedürftig sind. Wie eine Angststörung therapiert werde, sei unterschiedlich: »Es muss immer auf den Einzelfall geschaut werden«, so Reysen-Kostudis. Bei vielen Ängsten sei jedoch die Verhaltenstherapie die Methode der Wahl. Hier gehe es darum, »Übungen an die Hand zu bekommen, um mit der Angst umzugehen«. Das könnten die Analyse und Veränderung von Handlungsabläufen und Gedankenspiralen sein oder auch Entspannungsübungen, erklärt die Diplompsychologin.
©Illustration: Malin Krahn
Julia Wyrott konnte sich sehr mit dem „Dazwischen-Sein“ identifizieren und freut sich auf das Ankommen im Berufsleben.
Zoés Angststörung ist bislang nicht systematisch therapiert worden, auch wenn sie schon von verschiedenen Psychotherapeut*innen diagnostiziert wurde. Derzeit versucht sie aber, einen Platz in der Verhaltenstherapie zu bekommen, um ihren Ängsten etwas entgegenzusetzen. Ihr Selbstbewusstsein lässt sie sich von der Angststörung nicht nehmen: »Ich weiß, wer ich bin und was ich kann. Ich finde mich toll.«
Clara Baldus studiert Politikwissenschaft und kennt die Zukunftsängste bei der Suche nach einem festen Berufsbild.
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Blut, Schweiß und Tränen Schon in der Antike schrieb die Viersäftelehre den Körperflüssigkeiten große Bedeutung zu, hier noch zur Unterscheidung der Temperamente. Doch heutzutage kennen wir mehr als Blut, Schleim und Galle. Ein Überblick über ausgewählte ›Säfte‹.
Eiter Das Zeichen einer Infektion durch Bakterien: Wird Gewebe unter Einfluss von Erregern oder des eigenen Immunsystems verflüssigt, entsteht das Abbauprodukt Eiter. Je nach Infektion variieren Farbe, Geruch und Konsistenz. Die wohl bekannteste Eiteransammlung: Pickel.
Tränen Die Tränendrüse schützt die Hornhaut vor dem Austrocknen und spült Fremdkörper aus. Auch aus emotionalen Gründen weint der Mensch; die Ursache ist in der Forschung weitestgehend unbekannt. Tränen bestehen aus Wasser, Glucose und Kochsalz, was ihnen ihren salzigen Geschmack verleiht.
Sperma Die Samenflüssigkeit enthält unter anderem die Keimzellen und wird in den Hoden produziert. Dies dauert circa drei Monate. Sie beinhaltet unter anderem Fructose, um als Energiequelle die Bewegung der Spermien anzutreiben. Pro Ausstoß werden hierbei etwa 200 bis 300 Millionen Spermien freigesetzt, je nach Regelmäßigkeit der Ejakulation. Das Präejakulat, auch als Lusttropfen bekannt, enthält keine Spermien, aber Achtung: Auch hier können sich Spermien einschleichen.
Nasensekret Das Sekret ist umgangssprachlich als ›Rotze‹ oder ›Schnodder‹ bekannt. Dabei hat es wichtige Funktionen: Es transportiert Krankheitserreger ab und reinigt sowie befeuchtet die Atemluft. Den Hauptteil des Nasensekrets verschlucken wir, ohne es zu merken.
Vaginalsekret Durch das Sekret werden die Vagina befeuchtet und Keime abgewehrt. Ebenso sondert die Bartholindrüse am Vaginaleingang ein Sekret bei sexueller Erregung ab, um die Gleitfähigkeit während des (penetrativen) Geschlechtsverkehrs zu fördern. Geruch, Farbe und Konsistenz der Vaginalflüssigkeit können sich je nach Hormonhaushalt unterscheiden. Liegt eine große Menge vor, sodass es zum Ausscheiden kommt, spricht man vom fluor genitalis, dem Scheidenausfluss, der meist vor dem Einsetzen der Periode oder während des Eisprungs auftritt, aber auch auf Krankheiten hindeuten kann.
Speichel Pro Tag entstehen circa 1,5 Liter Speichel, abhängig von der Häufigkeit der Nahrungsaufnahme. Erforderlich ist Speichel vor allem für die Wahrnehmung von Geschmacksreizen, die Mundhygiene und das Herunterschlucken von fester Nahrung. Außerdem kann der ›Speichelhaushalt‹ Durst signalisieren. Schweiß Schweiß tritt über mehr als eine Million Drüsen nach außen. Dieser besteht zu über 99 Prozent aus Wasser und verhindert damit das Überhitzen des Körpers. Auch bei Krankheit oder psychischer Belastung wie Stress bildet sich Schweiß. Ein Phänomen, das wir als Kaltschweißigkeit bezeichnen.
Urin In der Niere werden Abfallprodukte und noch Verwertbares aus dem Blut herausgefiltert. So entsteht der Primärharn. Letztlich bleiben davon ein bis zwei Liter Urin pro Tag übrig, der zu 95 Prozent aus Wasser besteht und zum Ausscheiden der enthaltenen Abfallprodukte dient. Farbe und Geruch sagen viel über den Gesundheitsstatus aus.
Blut Der Star der Körperflüssigkeiten: Zwischen vier und sechs Liter Blut fließen durch unseren Körper, je nach Körpergröße. Es übernimmt zahlreiche Aufgaben: Versorgung der Organe, unter anderem mit Sauerstoff, Hormonen und Informationen, Abtransport von Kohlenstoffdioxid sowie die ›Polizeiwache‹ des Immunsystems. Blut besteht zur einen Hälfte aus Blutplasma, zur anderen aus roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen.
Lisa Hölzke versucht ihre Flüssigkeiten bei sich zu halten.
©Illustrationen: Sara Harton
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Haarspaltereien »Du hast aber lange Beinhaare! Wieso hast du dir eine Glatze rasiert, deine langen Haare waren doch so schön!« Die Körperbehaarung ist ein kontrovers diskutiertes Thema, zu dem jede*r etwas zu sagen hat. Dabei geht sie nur einen selbst etwas an. Ein Kommentar.
im Drogeriemarkt kaum zu übersehen. Auf der Suche nach einem Rasierer bot mir die Frauenabteilung nur Produkte im Farbspektrum von Rosa und Lila. Nach einer blauen Variante suchte ich dort vergeblich. Schließlich wurde ich in der Männerabteilung fündig und verließ das Geschäft mit einem blau-schwarzen Rasierer, auf dessen Verpackung mich das Wort ›Men‹ förmlich ansprang.
Unser Körper ist fast vollständig mit Haaren übersät: von den Zehen über die Beine bis hin zum Kopf. Die Körperbehaarung erfüllt wichtige Funktionen, beispielsweise den Schutz bestimmter Körperteile. Und dennoch: Wenn es um Haare geht, beschäftigt die Mehrheit der Gesellschaft allein die Frage, wie diese zu tragen sind. Geknüpft sind die Vorstellungen meist an Erwartungen, binäre Geschlechtlichkeit und Sexualität. So gilt gerade bei Frauen: je weniger Haare, desto besser – aber das Kopfhaar möglichst lang, bitte! Von Männern wird dagegen fast nie verlangt, sich die Beine zu rasieren – das wäre ja dann nicht mehr männlich. Wer seine Körperhaare wie tragen soll, ist je nach Stelle der Körperbehaarung geschlechtsspezifisch binär festgelegt.
Während es an vielen Körperstellen, vor allem bei weiblich gelesenen Menschen, um möglichst wenig Haare geht, sieht es bei der Kopfbehaarung anders aus: Je länger und voller sie ist, desto besser. Was jedoch, wenn die Haare dünn sind oder gar ausfallen? Ich selbst hatte mit Haarausfall zu tun, der durch eine hormonell bedingte Kopfhautentzündung ausgelöst wurde. Dabei merkte ich, wie wichtig meine Kopfhaare für mein Schönheitsempfinden und mein Selbstbewusstsein waren. Je dünner meine Haare wurden, desto unsicherer wurde ich. Ich fühlte mich damit nicht mehr schön. Einfache Dinge, wie etwa meine Haare zu waschen, waren plötzlich der Horror für mich, weil ich sie dabei büschelweise verlor. Ich trug meine Haare häufig nur noch im Zopf, weil ich nicht damit umgehen konnte, ständig überall ausgefallene Haare zu finden. Dabei halfen mir nett gemeinte Aufmunterungen wie »Das sieht man aber gar nicht« oder »Das sind doch nur Haare, die wachsen nach« auch nicht. Denn diese Kommentare führten mir umso mehr vor Augen: Für mich sind es eben nicht nur Haare.
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, erinnere ich mich besonders an die Umkleidekabinen beim Sport. Dort sah ich zum ersten Mal, wie meine Mitschülerinnen ihre Körperhaare trugen oder, besser gesagt, nicht trugen. Eigentlich galt: alles ab! Über sichtbare Körperbehaarung wurde getuschelt und gelästert. Besonders in der Pubertät wollte ich nicht negativ auffallen und rasierte mich deshalb so wie die anderen. Seitdem begleitet mich diese Wertvorstellung. Mit der Zeit wurde mir jedoch immer egaler, ob ich Haare an den Beinen oder unter den Achseln habe, und so ließ ich sie wachsen. Ich stellte erstaunt fest, dass meine Achseln nicht mehr so intensiv nach Schweiß riechen, wenn ich die Haare wachsen lasse. Es ist erschreckend, dass es mich fast die Hälfte meines Lebens gekostet hat, das rauszufinden! Das Selbstbewusstsein, die Haare nicht zu rasieren, war jedoch nicht von heute auf morgen da. Auch meine Beinhaare ließ ich wachsen, rasierte sie jedoch schnell wieder ab, weil ich immer das Gefühl hatte, im Stillen bewertet zu werden. Nur einmal machte jemand einen ironischen Kommentar zur Länge meiner Beinbehaarung. Ohne eine böse Intention war die Message dabei klar: Lange Beinhaare werden bei Frauen als unnormal angesehen, was beweist, wie stark der Einfluss gesellschaftlicher Normen ist. Ich fing an, mich zu fragen: Wann mache ich etwas für mich selbst und wann nur für andere?
Für mich bleibt es paradox. Mit dünnen, ausgefallenen Kopfhaaren bin ich für die Mehrheit nicht mehr schön. Mit einer vollen Haarpracht an meinen Beinen oder unter den Armen aber auch nicht. Dabei ist das einzig Wichtige, dass wir uns in unserer Haut wohlfühlen, denn unsere Haare gehen nur uns allein etwas an und niemand hat das zu bewerten. Ich habe genug von der Haarspalterei!
Binäre Geschlechterbilder und Schönheitsideale sind so fest in unserem Denken verankert, dass ein großer kommerzieller Markt sich diese zunutze macht und im Endeffekt noch mehr verstärkt. Er bietet schier unendlich viele Möglichkeiten, Haare zu entfernen: Rasierer, Waxing-Studios, Laserhaarentfernung und noch viele andere. Besonders bei Rasierern sind binäre Geschlechterzuschreibungen
Gesine Wolf hat zwei Hippies unter den Armen.
©Illustrationen: Nora Borkenhagen
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leibhaftig In Religionen geht es nicht nur um den Geist und die Seele. Ob pfingstkirchlicher Gottesdienst oder hinduistische Puja: Der Körper ist mehr als nur ein Instrument religiöser Erfahrung. Ein Essay über Religion, Körper und kollektive Dynamiken.
Eigendynamik, der sich niemand entziehen konnte. Wenn Hunderte Menschen ihre Arme nach vorne streckten, welche auf eine Person im Zentrum des Raumes zuliefen, die gesegnet werden sollte. Oder alle schwiegen.
Es ist ein ungewöhnlich heißer Frühlingstag. Die Bäume am Rand der Blaschkoallee spenden kaum Schatten, die Luft steht. Hinter der rotbraunen Ziegelfassade des Neuköllner Bezirksamtes liegt der Sri-Mayurapathy-Murugan-Tempel. Mit den kunstvollen Dachverzierungen und rot-weiß gestreiften Außenwänden wirkt er wie ein Fremdkörper in dieser sonst eher tristen Gegend. Wer durch das Holztor ins Innere des hinduistischen Tempels geht, betritt eine neue Welt. Die Puja, das tägliche Ritual der Götterverehrung, ist in vollem Gange. Dazu kommen eher unerwartete Sinneseindrücke: Mir dröhnt Baulärm mit der surrenden Frequenz eines Zahnbohrers entgegen, dazu beißender Lackgestank. Die Götterstatuen des Tempels werden renoviert.
Ich werde niemals den Anblick des Mannes vergessen, der sich noch Stunden nach dem Gebet lachend auf dem Rücken wälzte. Ein Leiter sagte mir damals, er sei vom Heiligen Geist besetzt und deshalb so euphorisch gewesen. Diese Wirkung hätte ich in anderen Kontexten halluzinogenen Drogen zugeschrieben. Wer noch nie mit derartigen Ritualen in Berührung gekommen ist, muss hier wahrscheinlich schlucken.
Ein Gebet, begleitet von vielen Gesten, dazu in der hinduistischen Glaubensgemeinschaft – das wollte ich erleben. Ein völlig anderes Verständnis von Körperlichkeit, als es unser westlich, christlich geprägtes Religionsverständnis zulässt, kennenlernen. Ungeachtet des Lärms schreitet ein Brahmane von einer zur nächsten Murti. Auf seinem nackten Oberkörper glänzen weiße Farbstriche, er hat ein orangenes Tuch um die Hüften geschlungen. Barfüßig, die langen dunklen Haare zu einem Knoten gebunden, legt er Blütenblätter vor den Götterfiguren Ganeshas, Vishnus und Murugans ab, schwenkt Rauch vor den Statuen, läutet mit der anderen Hand kontinuierlich eine Glocke und singt dabei in einem tiefen Nasalton. Im Lärmteppich der Bohrmaschine geht alles unter. Bis der Handwerker seine Arbeit unterbricht.
»Auch für mich entstand ein immer größer werdender Zwiespalt zwischen diesen faszinierenden kollektiven Transzendenzerfahrungen und dem unheimlichen, ja manipulativen Sog der Masse.« Irgendwann fiel mir auf, wie sich alle Menschen im Raum intuitiv an einen Kodex hielten. Es wurde auf eine bestimmte Art gebetet, sich zur Musik bewegt, Amen gesagt; nämlich ›Amén!‹ – nicht ›Aamen‹. Wer sich nicht an die kodierten Bewegungsabläufe hielt, dem fehlte der Zugang zur Gruppenerfahrung mit Gott.
Vielleicht habe ich die Worte und das Glockengeräusch schon vorher wahrgenommen, aber erst jetzt entfalten sie ihre ganze Wirkung. Nun hallt sein Gesang in mir wie eine Stimmgabel. Ich spüre, wie er in mir summt. Etwas ist anders. Es ist, als hätte sich der Klang mit meinen Nerven, meiner Haut und meinen Muskeln, sogar mit meinen Knochen verbunden. Als würden die Glockenschläge nicht nur durch die Luft schweben, sondern in mir verankert sein.
Die wahre Macht der Rituale besteht darin, dass sie auf eine Weise dem Glaubensinhalt entsprechen können, wie Sprache es nicht kann. Denn sie erreichen uns unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Zudem kann sich der Mensch nur über seinen Körper ausdrücken – Sprechen ist bei genauerer Betrachtung auch ein physischer Vorgang. Doch schon bevor wir sprechen können, beginnt die Welt der Zwischentöne: Von Beginn an kommunizieren ein Kind und seine Mutter durch ein gestisches Hin und Her. Laut der Psychotherapeutin Bettina Alberti spürt ein Kind, wenn die Mutter die Hand auf ihren Bauch legt, und bewegt sich als Reaktion darauf zuverlässig zur jeweiligen Seite. Durch die frühe Interaktion lernen wir, Gefühle mit Bewegungen zu verbinden. Diese subtilere Art der Kommunikation durch Bewegung wird auch in Praktiken monotheistischer Religionen angewendet, um mit dem ›himmlischen Vater‹, dem Gott oder der Göttin in Dialog zu treten.
Ich kenne dieses Gefühl aus der Zeit um meine Konfirmation. Ich besuchte Gottesdienste in einer Pfingstkirche, einer freien Kirchengemeinde mit charismatischer Glaubenspraxis: Gospel statt Orgel, Hipster, kein Talar. Doch unter dem modernen Gewand verbirgt sich trotzdem der gleiche dogmatische Muff von 1000 Jahren. Lobpreise glichen dort professionellen Konzerten. Und in der Menge, die gemeinsam sang, betete und sich im Takt bewegte, entstand eine
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©Illustrationen: Luca Klander Eine rhythmische Ebene geht der Sprache und dezidierten Gedanken voraus und durchdringt sie. Demut ist ein Beispiel hierfür: auf die Knie gehen, den Kopf senken, die Augen schließen, die Hände aufeinanderlegen oder -falten – ein Bewegungsablauf, der in vielen Glaubensgemeinschaften praktiziert wird. Der Ablauf illustriert Demut eindrücklicher, als es die rein sprachliche Auseinandersetzung mit dem Wort könnte. Es setzt sich aus ›dienen‹ und ›Mut‹ zusammen. Die Essenz des Begriffs zeigt sich allein dadurch, dass sich die Gläubigen in die denkbar unterwürfigste und wehrloseste Haltung begeben, die man sich zur Abwehr von Gefahren und Feinden vorstellen kann. Manchmal ist die Beschäftigung mit den genauen inhaltlichen Bedeutungen religiöser Praktiken auch schlichtweg verwirrend. Wenn Christ*innen sich bekreuzigen, stehen zwei Finger für die Einheit Gott und Mensch. Drei für die Dreifaltigkeit. Der Papst benutzt fünf Finger, keine Ahnung, wieso.
der Räucherstäbchen und Baustaub in der Luft, die bunt bemalten Wände und Murtis im Kerzenlicht. Es sind zu viele Reize, die auf mich treffen. Ich verlasse den Tempel, gehe heraus aus dieser faszinierenden Welt zurück in die Sonne. Was ich im Inneren erlebt habe, muss ich erst einmal nachhallen lassen. Transzendenz finde ich heute – viele Berliner*innen kennen das – eher auf Konzerten und Tanzflächen. Auch hier entsteht durch die gemeinschaftliche Bewegung zur Musik ein kollektives Glückserlebnis. Ein Moment, den man später mit einem Lied verbindet und niemandem vermitteln kann, der oder die nicht die gleiche Erfahrung machte. Es ist eine Form von körperlicher Erinnerung, von Musik und Energie mit emotionalem Widerhall. Gleiches Prinzip wie in der Kirche, nur dass die Autorität der Musikpriesterpäpste am Altar auf zwei, vielleicht drei Stunden begrenzt ist.
Jüdinnen und Juden legen beim Beten eine Tefillin an, die über ihren Kopf, das Herz und den Arm bis zur Tora verläuft. Sie symbolisiert die geistige, seelische und körperliche Verbindung mit Gott im Gebet. Und macht gleichzeitig den Dualismus zwischen Körper und Geist deutlich, der alle monotheistischen Religionen kennzeichnet. Weil für die Gläubigen die Seele eines Menschen unsterblich ist, wird sie der Vergänglichkeit des Leibes entgegengesetzt. Dadurch entsteht ein Gegensatz, der so in der Biologie und Medizin nicht wiederzufinden ist. Die Trennlinie und Metapher des Körpers als eine Maschine, die durch Anweisungen des Geistes gesteuert wird, wurde mit dem Aufkommen der Erfahrungswissenschaften durchbrochen. Descartes war der erste Philosoph, der das holistische Konzept der ›verkörperten Person‹ entwarf. Der Mensch, das sei eine Einheit aus biologischem Organismus, Bewusstsein, Emotionen und Handlungen.
Luca Klander faltet ihre Hände am liebsten um Iced Coffee.
Holistisch, das Ganze betreffend, ist auch die Puja. Der Brahmane umschreitet die Verkörperung Murugans ehrfurchtsvoll. Minutenlang hat er nun gesungen und die goldene Glocke geläutet, ein brennendes Licht vor sie gehalten und der Murti Blüten und Räucherstäbchen dargeboten. Gerade hatte ich mich an den leicht hypnotischen Zustand gewöhnt, der durch die Stimulation aller Sinne entsteht. Dann setzt ein altbekanntes Geräusch ein. Mit dem donnernden Bohrmaschinenlärm werden die fein aufeinander abgestimmten Sinneswahrnehmungen durcheinandergewirbelt. Das Bohrgeräusch, die läutenden Glocken, der Gesang des Brahmanen, dazu der Duft
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Körper im Widerstand Der Körper ist nicht nur häufig Gegenstand von, sondern auch Mittel zum Protest. Dabei machen sich Aktivist*innen auch angreifbar. Wie stark kann die eigene Körperlichkeit Teil von zivilem Ungehorsam sein?
gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu protestieren. In Hongkong und Belarus haben Menschen aus Protest gegen ihre Regierung öffentliche Plätze eingenommen und auch an der FU haben Studierende zivilen Ungehorsam in Form von Hörsaal-Besetzungen genutzt, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen – so zum Beispiel in der ›Klimastreikwoche‹ im November 2019. Doch was ist ziviler Ungehorsam und was macht ihn so körperlich?
Auf der Weltklimakonferenz COP 26 in Glasgow hat Sophie 2021 gemeinsam mit anderen Aktivist*innen eine Straße blockiert. Mit Fahrradschlössern aneinander gekettet, auf der Straße sitzend, musste sie ruhig bleiben und ihren Mitstreiter*innen, die sie vor der Aktion kaum kannte, vertrauen. Sophie, die neben ihrem Klimaaktivismus an der FU studiert, musste für diese Aktion eine Nacht in Polizeigewahrsam. Besonders prägend sei für sie der Moment gewesen, in dem die Tür zuging und sie erkannte, dass an der eigenen Seite kein Griff vorhanden war, in dem sie merkte, dass sie bis auf einen Anruf, eine Decke und Wasser kaum mehr Rechte hatte. Dieser Moment, in dem sie nicht mehr frei auf die eigenen körperlichen Bedürfnisse reagieren konnte.
In der langen Geschichte des zivilen Ungehorsams finden sich sowohl individuelle Held*innenfiguren als auch kollektive Praktiken des Widerstands: Antigones individueller Aufstand gegen die vorherrschenden gesellschaftlichen Normen der Antike ist ebenso ziviler Ungehorsam wie die von Mahatma Gandhi und Martin Luther King angeführten Massenbewegungen gegen Kolonialismus und Rassismus im 20. Jahrhundert. Ziviler Ungehorsam sei eine »kollektive Praktik, deren spezifische Form sich erst im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt hat, auch weil erst dann politische Systeme entstanden sind, die sich dezidiert als demokratisch verstanden haben«, erklärt Robin Celikates, Professor für Sozialphilosophie an der FU. Diese Wendung habe eine Anpassung von zivilem Protest erfordert, da demokratische politische Systeme im Prinzip nun Legitimität beanspruchen konnten. Mit zivilem Ungehorsam solle nun nicht mehr – wie im Widerstand gegen Tyrannei – das ganze System gestürzt, sondern auf eine weitere Demokratisierung hingearbeitet werden werden. Heute finde sich diese Art des Protests auch in prodemokratischen Bewegungen in autokratischen Regimen wieder, wie der Arabische Frühling oder die Proteste in Russland im Frühjahr zeigten.
Sie erzählt von der Wut, die sie empfunden habe angesichts dieser Ungerechtigkeiten im Umgang mit der Klimakrise. Denn mit ihrer Sitzblockade – einem eigentlich kleinen Delikt –, welche Geschäftsführer*innen und Politiker*innen von einem schicken Abendessen in Glasgow abhielt, haben sie und ihre Mitstreiter*innen lediglich gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen.
Sophie begreift ihren eigenen Körper im Aktivismus vor allem als »erweitertes Mittel der Demokratie.« Es gehe darum, auf die globalen und vielschichtigen Ungerechtigkeiten hinzuweisen, die die Klimakrise bereits verursacht hat und zukünftig auslösen wird. »Das zeigt ja die Verzweiflung. Der letzte Weg, den wir haben, ist, unseren Körper zu nutzen, denn mehr bleibt uns nicht.«
©Illustration: Nina Schlömer
Wenn Sophie aktivistisch tätig ist, dann ändere sich ihr Körperempfinden. Als sie, zusammen mit anderen Aktivist*innen der Gruppe Ende Gelände, durch eine Sitzblockade gegen den Braunkohleabbau protestierte, habe sie auf Grundbedürfnisse, wie den Gang zur Toilette oder die Menstruation, kaum achten können. Deshalb sei es bei solchen Aktionen noch wichtiger als sonst, auf den eigenen Körper zu hören. Im schlimmsten Fall könne ein Heraustreten aus der Gruppe dazu führen, dass die eigene Identität preisgegeben werden muss. Sophie sei bei diesen Formen des Protests sehr unter Spannung und stelle sich dann auch mal die Frage: Schaffe ich das, schafft mein Körper das?
»Ich wusste, ich habe jetzt eine richtige Scheißnacht und mich wird das richtig prägen, aber immerhin habt ihr keinen Kaviar gegessen.« »Eine körperliche Forderung nach besseren Lebensbedingungen« – so beschreibt die US-amerikanische Philosophin Judith Butler den Einsatz des eigenen Körpers als Form des politischen Protests. Vor dem Bundestag formte sich jüngst ein Teppich aus Menschen, um
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©Illustration: Nina Schlömer
Es sei daher wichtig, Protestaktionen ausreichend zu planen. Celikates sieht das ähnlich: Man müsse wissen, wie man sich in so einer Situation verhält und bei Provokationen Eskalation vermeidet. »Man kann in eine Sitzblockade nicht ohne Vorbereitung gehen, weil das extrem belastend für Körper und Psyche ist und man als Gruppe das politische Ziel im Blick behalten muss.« Diese Vulnerabilität des Körpers, welche man bewusst in Kauf nimmt, ist für Celikates eine der beiden entscheidenden Punkte im Aktivismus. Den anderen sieht er im kollektiven Körpereinsatz. Denn erst wenn eine kritische Masse an Demonstrierenden erreicht sei, könne ziviler Ungehorsam erfolgreich sein. Erst dann werde der Protest öffentlich wahrgenommen und die Bewegung könne den entsprechenden Druck aufbauen. Für Sophie führe der gemeinsame Protest vor allem zu einem Gefühl von kollektiver Ermächtigung und der Hoffnung, tatsächlich etwas zu bewirken.
Die eigenen Privilegien, die sie als weiße Frau in Europa genießt, möchte Sophie daher nutzen, um für genau diese betroffenen Menschen einzustehen. Celikates sagt in diesem Zusammenhang: »Nicht alle Beteiligten haben die gleichen Möglichkeiten, sich auf diese Weise im öffentlichen Raum zu positionieren oder auch den Risiken auszusetzen, die dann mit Körpereinsatz im Rahmen von Protest einhergehen.« Dies treffe insbesondere auf People of Color und Migrant*innen, in einigen Ländern aber auch auf andere marginalisierte Gruppen, wie LGBTQ*-Personen, zu. Er hält es jedoch für wichtig, darauf zu achten, dass das Sprechen im Namen anderer nicht zur Ermächtigung über diese führe und weitere Asymmetrien reproduziere.
Die Frage, welche Verstöße im zivilen Ungehorsam (noch) legitim sind, ist entscheidend für diese Form des Protests und steht immer wieder zur Debatte. Denn neben Sitzblockaden gehören auch Praktiken wie Sachbeschädigung, Besetzung von Wäldern und Häusern, Hungerstreik oder sogar Selbstverbrennung zum zivilen Ungehorsam. Gegner*innen solcher Proteste bezeichnen diese oftmals vorschnell als ›Gewalt‹, um sie zu delegitimieren. Celikates führt dazu aus: »Der Gewaltbegriff ist sowohl sehr schwammig als auch schnell zur Hand, wenn es um Protest geht. Da muss man genau hinschauen, denn im Prinzip gewaltfreie Aktionen wie Straßenblockaden werden aus Perspektive von Recht und Öffentlichkeit oft als gewaltsam wahrgenommen.« Andererseits sei auch klar, dass ziviler Ungehorsam nicht mit starker physischer Gewalt gegen andere vereinbar ist.
Am Ende bleibt die Frage, wie sich die Welt ohne zivilen Ungehorsam entwickelt hätte. Celikates hält solche Protestformen in Demokratien für unerlässlich. Dass ziviler Protest dabei immer auch die Vulnerabilität des Körpers als solchen zum Thema macht, zeigen Sophies Erfahrungen eindrücklich. Doch bereits das Gefühl, auf einer Demonstration in der Menge zu stehen und gemeinsam bessere Lebensbedingungen einzufordern, lässt dies nachempfinden.
Sophie zieht die Grenze dort, wo andere Menschen zu Schaden kommen könnten. Sie steht damit in Einklang mit einer weiteren Aussage Judith Butlers: »Gewaltfreier Widerstand bedarf eines Körpers [...], der mit seinem Handeln eine Welt begründen will, die anders ist als die, der er begegnet, und das bedeutet, der Gewalt zu begegnen, ohne deren Bedingungen zu reproduzieren.« Sophie möchte bei ihrem Protest die Menschenrechte achten. Denn das sei genau das, was sie mit ihren Aktionen kritisiere: Menschenrechte würden momentan dauerhaft beschnitten. Damit verweist sie auf die bereits existierenden Folgen der Klimakrise, wie vermehrte Wetterextreme, Dürren und Hunger. Diese treffen vor allem Menschen im Globalen Süden schon heute, obwohl diese gleichzeitig viel weniger zur Krise beitragen.
Caroline Blazy hat die Funktion von Fahrradschlös sern vollkommen unterschätzt.
Laura von Welczeck muss nicht erst durch eine Sitzblockade am Kaviar essen gehindert werden.
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Nur ›Ja‹ heißt Ja Ungefragte Berührungen sind nicht nur übergriffig, sondern oft stark traumatisierend. Die Verantwortung wird dabei meist den Betroffenen zugeschrieben. Man sei zu empfindlich, hätte ja auch ›Nein‹ sagen können. Was sagt dieser Umgang mit körperlichen Grenzen über die patriarchalen Machtstrukturen unserer Gesellschaft aus?
Handlung aktiv zugestimmt haben. Ein wichtiger Zusatz, der die Passivität einer Person, beispielsweise aufgrund von Angst oder Unsicherheit, nicht länger als stilles Einverständnis auslegt. An der FU wird nach offizieller Richtlinie eine Situation ab dem Moment übergriffig angesehen, in dem die betroffene Person sie als solche wahrnimmt. Je nach Fall können bei Verstößen Klärungsgespräche und in Folge Kündigungen, Exmatrikulationen oder Strafanzeigen folgen.
Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert sexualisierte Gewalt. Es ist früher Vormittag, als Mascha* mir die Wohnungstür öffnet. Als ich sie zur Begrüßung umarmen möchte, halte ich kurz inne – wäre das jetzt unpassend? Wir umarmen uns dann doch, wenn auch etwas unbeholfen. Während ich meine Schuhe ausziehe, überlege ich: Hätte ich sie fragen sollen, ob das für sie okay ist? Habe ich sie damit eventuell in eine unangenehme Situation gebracht und eine körperliche Grenze überschritten?
Katharina Schmidt ist als eine der dezentralen Frauenbeauftragten der FU Ansprechpartnerin für Studierende und FU-Studentin Mascha hat in Bezug auf Beschäftigte, welche sich belästigt oder ihre körperlichen Grenzen bereits Trauübergriffig behandelt fühlen. Sie erklärt: matisches erlebt. Sie hat sich bereit »Betroffene kommen vor allem zu mir, erklärt, darüber zu sprechen. Mascha wenn sie sich unsicher sind: War das sagt: »Bei manchen Leuten stört es jetzt eine Belästigung oder nicht? Oder mich überhaupt nicht, wenn sie mich anbin ich nur zickig und stelle mich an?« fassen. Vor allem bei Freund*innen, da Das Wichtigste sei hierbei, den eigenen ist das eine Sache von Vertrautheit.« Bei Gefühlen zu vertrauen, Belästigungen Fremden und auch in sexuellen Kontexals solche zu benennen und sich selbst ten sei das anders: »Wenn ich mit einer klarzumachen, dass man sich wehren Person schlafe, kommt es viel leichter könne. Schmidt erzählt, es gebe pro Sezu Grenzüberschreitungen. Diese könmester allein in ihrem Fachbereich drei nen dann auch krass traumatisieren, bis vier bekannte Fälle sexueller Beläsweil die Situation so intensiv ist.« tigung. Doch oft bleibt es nicht nur bei Belästigungen: Laut einer Studie der Grenzen können persönlich und durch European Union Agency For Fundameneigene Erfahrungen beeinflusst sein, tal Rights (FRA) aus dem Jahr 2014 hat bestätigt auch Claudia Liebelt, Sozialjede dritte Frau in Europa bereits sexuaund Kulturanthropologin an der FU. Sie ©Illustration: Sara Harton lisierte und/oder körperliche Gewalt ererklärt, Grenzen bestünden aber auch lebt. Die Statistik des Bundeskriminalamtes im kulturellen Kontext durch historisch ge(BKA) zählte im vergangenen Jahr in Deutschland 9903 erfasste wachsene Strukturen. Faktoren wie Raum und Situation, Geschlecht, Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Forscher*innen Alter oder sozialer Status spielten dabei eine Rolle: »Ein und dieselschätzen die Dunkelziffer dabei um das Fünf- bis 15-Fache höher. be Person kann abends auf einer Party etwas als nicht übergriffig empfinden, was sie aber tagsüber im Büro anders bewerten würde.« Mascha erzählt, dass sie viele Grenzüberschreitungen im Alltag einDer Übergang von einer leicht unangenehmen Berührung zu einer fach erduldet, beispielsweise, wenn ihr fremde Männer ungefragt stark übergriffigen Grenzüberschreitung ist also oft fließend. den Arm um die Schulter legen. Sie habe keine Energie, jeder Person zu erklären, was Grenzen überhaupt sind. Bei sexuellen BegegnunOb eine Grenzüberschreitung strafbar ist, regelt in Deutschland seit gen erwarte sie jedoch mehr Sensibilität. Hier sei auch das aktive 2016 das neue Sexualstrafrecht (StGB § 177) mit dem Grundsatz Erfragen von Zustimmung – ›consent‹, also Konsens nach einer Ja›Nein heißt Nein‹. Es besagt, dass jede (versuchte) sexuelle Handheißt-Ja-Regelung – wichtig. lung, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird, strafbar ist. Spanien und Schweden gehen mit ihrer ›Nur-JaDenn Mascha hat bereits zwei sexuelle Übergriffe erlebt: »Beim ersheißt-Ja‹-Regelung noch weiter: sexuelle Übergriffe werden als Verten Übergriff war ich 16. Ich habe mich danach so benutzt gefühlt, gewaltigung betrachtet, wenn nicht alle involvierten Personen der
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©Illustration: Sara Harton
Das Konzept von Konsens ist jedoch nur die Lösung für eine einzelne Ebene des deutlich vielschichtigeren Problems. Laut dem Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland (bff) ist das Motiv für sexualisierte Gewalt nicht Sexualität, sondern Macht. Sexualität werde funktionalisiert, um Frauen zu demütigen, zu erniedrigen und zu unterdrücken. Es handelt sich also um ein strukturelles Problem patriarchaler Machtverhältnisse.
es ging mir einfach nur scheiße.« Damals habe sie das Erlebnis heruntergespielt und verdrängt. Sie machte sich selbst Vorwürfe: »Ich habe ja auch nichts gesagt und das einfach nur über mich ergehen lassen.« Mittlerweile sieht sie das anders und appelliert: »Es ist nicht deine Schuld, wenn dir Dinge passieren. Es ist okay, wenn du es mal nicht schaffst, Dinge zu verbalisieren.«
»Es ist nicht unser Job, jedes Mal Leuten ›Nein‹ ins Gesicht zu brüllen, damit sie es verstehen!«
Weltweit gibt es gegen das Patriarchat viel Protest, wie die Demonstrationen zum feministischen Kampftag am 8. März zeigten. Dass feministische Bewegungen sexualisierte Übergriffe als »ein strukturelles Problem und nicht nur als eine persönliche Empfindlichkeit« begreifen, sei besonders wichtig, meint Anthropologin Liebelt. Denn körperliche Verhaltensweisen seien zum großen Teil erlernt und an binäre Auffassungen von Geschlecht geknüpft. Sie verweist auf den Essay Throwing like a Girl und erklärt: »Marion Young schreibt, dass Mädchen im euro-amerikanischen Raum oft schon als Teil ihrer Sozialisation lernen, möglichst wenig Raum einzunehmen und sich auf eine bestimmte Art auch körperlich fragil zu geben.« So ist auch Maschas Wahrnehmung: »Leute lesen mich als weiblich und nehmen sich viel mehr raus, als sie es bei einem Typen jemals tun würden.«
Im Zusammenhang mit dem zweiten sexuellen Übergriff schildert sie: »Ich habe so oft ›Nein‹ gesagt und es wurde nicht darauf gehört. Schließlich habe ich mir die Kontrolle durch Haareziehen, Wegdrücken und Kratzen zurückerkämpft.« Wie sehr sie die Übergriffe geprägt haben, bemerkte Mascha in intimen Situationen mit anderen Menschen: »Mein Sexleben war danach auf Eis gelegt. Ich konnte nichts mit Leuten haben, die den gleichen Körpertyp hatten wie dieser Mensch. Sobald ich sie nackt gesehen habe, war bei mir sämtliche Anziehung weg.« Als sie das erste Mal penetrativen Sex nach dem Übergriff hatte, sei ihr das ganze Ausmaß bewusst geworden: »Er hat gar keinen Druck gemacht, alles war meine Entscheidung. Letztendlich ist er dann in mich rein und ich habe sofort angefangen zu heulen und zu zittern. Das war richtig schlimm für mich.« Der Weg zurück zu einem gesunden Körpergefühl und Sexualleben war lang, mühsam und erforderte viel Reflexion. Trotzdem sagt sie heute: »Das war auch ein schöner und empowernder Prozess. Ich habe gelernt, Dinge noch klarer zu kommunizieren.«
Als wir uns zur Verabschiedung erneut umarmen, fühlt es sich vertraut an. Vieles, was Mascha mir erzählt hat, spiegelt auch meine eigenen Erfahrungen mit körperlichen Grenzen wider. Ihre positiven Erlebnisse zum Thema Konsens stimmen mich jedoch hoffnungsvoll. Mascha bringt es auf den Punkt: »Es muss doch in deinem Selbstanspruch liegen, nicht übergriffig zu sein.« *Anm. d. Red.: Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Mascha erklärt, in ihrem jetzigen Freund*innenkreis sei Konsens zu erfragen selbstverständlich. Lachend räumt sie ein: »Am Anfang hat mich das krass verlegen gemacht hat. Es war fast schon unangenehm, zu verbalisieren: ›Ja, ich will das, mach weiter!‹« Inzwischen sei dies für sie normal geworden: »Mir macht es eher Bauchschmerzen, wenn eine*r mich nicht nach Konsens fragt.«
Anna-Lena Schmierer wäre gerne geschockt, ist es aber nicht.
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Politisierte Körper Wenn es um den Körper geht, dann wird seit jeher diskutiert, protestiert und diskriminiert. Diese Grafik stellt die verschiedenen Schauplätze dieser Auseinandersetzung um den Körper da. Dabei ist sie keine vollständige Auflistung der gegenwärtigen Konflikte; vielmehr soll sie zum Denken und Diskutieren anregen.
Verhütung Würde die Anti-Baby-Pille heute noch zugelassen werden? Aufgrund ihrer starken Nebenwirkungen vermutlich nicht. So war es zumindest bei der Pille für Männer, bei der es von Libidoverlust bis zu Depressionen kommen kann. Tatsächlich leiden aber viele Frauen, die mit der Pille verhüten, genau unter eben jenen Nebenwirkungen. Ein Lichtblick ist, dass die Forschung zu hormoneller Verhütung für Männer weitergeht. Und dann gibt es ja noch das Kondom. Leider nicht so sicher wie die Pille und auch nicht so beliebt. Wenn Männer das Kondom während des Sex ohne Einwilligung des*der Partner*in abziehen, ist das eine Form von Missbrauch und dieses ›Stealthing‹ strafbar.
r, sie/ih son ( n h e h o e frü a P. J Mash 92) war ein il des -19 d Te 1945 tin un s, der ktivis A nd s a t n ufs y Tra wall-A r Street Da Stone e h p o t hris ndete den C begrü
Periode Die Periode ist noch immer ein Tabuthema. Periodenprodukte sind teuer. Als deren Mehrwertsteuer gesenkt wurde, behielten die Unternehmen den ursprünglichen Preis bei und erhöhten so ihre Gewinnmarge – der Markt regelt! Doch manchmal regelt auch die FU: Am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie stehen Binden, Tampons und Kondome kostenfrei zur Verfügung.
Trans Personen Queeres Leben ist eng mit Fragen des Körpers verbunden. Besonders deutlich wird das beim Thema Transgender. Menschen, die sich nicht mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren und daher körperlich oder sozial geschlechtsangleichende Maßnahmen unternehmen, stehen vor riesigen Hürden. Zum Beispiel vor dem Transsexuellengesetz (TSG), das momentan die amtliche Änderung der persönlichen Daten reguliert und wegen seiner verpflichtenden psychiatrischen Gutachten als ›entwürdigend‹ kritisiert wird. Seit Ende Juni liegt nun ein Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz vor, welches das TSG ersetzen soll. Außerdem sind trans Personen häufig Verletzungen ihrer Grundrechte ausgesetzt, zum Beispiel durch Belästigungen und Diskriminierungen, aber auch durch Gewalttaten. Dies führt vermehrt zu Angstgefühlen und Depressionen, in Extremfällen zu Suizid.
St In d ud en i vi e de US A er m r U ha al ni b v ei hö er en ne he si Tr t r G re y o an ew W f C sm a ci altt hrs alif ens s o Pe at z che rni che rs u w inl a a n l on ic u a en erd hk s 2 ut e e . n eit O 02 ine 1 al s pfe ein r r e
Abtreibungen Er ist schon lange Kernthema feministischer Kämpfe, aber auch Teil der Tagespolitik: Der Streit um die selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft. Während in Deutschland der § 219a des StGB, der ›Werbung‹ für Schwangerschaftsabbrüche verboten hat, seit diesem Juni der Vergangenheit angehört, ist in den USA zeitgleich Roe vs. Wade gekippt worden: Ein Grundsatzurteil, das Schwangerschaftsabbrüche bisher legalisierte. In einigen Staaten werden Schwangerschaftsabbrüche ab sofort sogar bei Inzest und Vergewaltigungen verboten.
Sterbehilfe Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper wird vor allem dann stark diskutiert, wenn es um den Beginn und das Ende eines Lebens geht. Die Sterbehilfe möchte Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihr Leben beenden wollen, bei diesem Vorhaben zu unterstützen. Dies ist in Deutschland bislang verboten, allerdings hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 neuen Wind in die Debatte gebracht. Es hatte das Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, unter die auch die Sterbehilfe fällt, aufgehoben. Momentan liegen verschiedene Gesetzesentwürfe auf dem Tisch. Wohin der Weg gehen wird, bleibt weiter unklar.
un l P Ko K ters iche ers ö po nte rpe che n S on Situ D lit xt r s id elb en at ie is ei in et s un io ch ng d n t en eb je sich bes d ih vo d t r un et oc gr im en n d tet h av m k ge u im ie un ör se nd m ren gs pe lls ge er d re rdi cha na in e je n cht es f us in a en e. tlic o e ch he die n lo La n n De rec kale d. ba htl n tte ich n en um ,
Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation - FGM) Weltweit sind 200 Millionen Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen (Schätzung nach UNICEF). Das Beschneiden oder Zunähen von Teilen der Vulva und der Vaginalöffnung erfolgt oft mit stumpfen Instrumenten und unter miserablen hygienischen Bedingungen. Im schlimmsten Fall kann dieser Eingriff zum Tod führen.
Sem ra E rt Arb eite an (195 r 7-19 i n zün und 82 de wac te sich Dichter ) war i h n. S aufg sen Deu tsch den Ra rund d ie an. es land ss Im öffe ismus sich Mai di n i n t l i c es h ihr T ode en Jah selbst stag res jäh zum 40. rte Rassismus Mal . Rassismus und seine Folgen sind auf vielschichtige Weise an den Körper gebunden. So werden Menschen durch rassistische Stereotype auf ihre äußeren und vermeintlich anderen Merkmale wie Hautfarbe oder Haare reduziert. »Rassismus macht den Körper krank«, titelt Deutschlandfunk Kultur. Und das nicht nur in seiner grausamsten Form der rassistisch motivierten Straftaten und Terrorismus wie in Buffalo, Halle und Hanau: Auch alltägliche Mikroaggressionen, die sich immer und immer wieder gegen nicht weiß gelesene Menschen richten, können – laut Forschung – zu physischen und psychischen Krankheitsbildern führen.
Brüste Manche sekundären Geschlechtsmerkmale werden stark sexualisiert, wie zum Beispiel die weiblich gelesene Brust. Das erschwert Dinge wie das Nicht- Tragen von BHs oder Stillen in der Öffentlichkeit.
Ableismus Körper, die von gesellschaftlichen Normvorstellungen abweichen, werden in vielen Bereichen nicht mitgedacht und ausgeschlossen. Neben struktureller Gewalt erfahren Menschen mit Behinderung diese auch oft direkt am eigenen Körper. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer von Gewalt werden, ist zwei- bis viermal so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung.
Medizin für weiße Männer Dass die Medizin zuweilen noch tief im patriarchalen und binären Sumpf steckt, zeigt die Gender Data Gap deutlich. Diese beschreibt das Ungleichgewicht in der Erhebung medizinischer Daten zwischen Männern und Frauen, wie das Beispiel des Medikaments Digoxin gut illustriert: Was für Männer ein hilfreiches Medikament ist, erhöht bei Frauen das Sterberisiko. Krankheiten oder die Wirkung eines Medikaments werden nicht oder nur unzureichend an nicht-männlichen und nicht-weißen Körpern untersucht. Bei People of Color sind beispielsweise manche Symptome wie Blässe oft nur schwer erkennbar. All das führt dazu, dass FINTA* und People of Color oftmals geringere Überlebenschancen haben.
©Illustrationen: Laura von Welczeck
Marie Blickensdörfer wurde beim Recherchieren für diesen Artikel traurig.
Laura von Welczeck wurde beim Schreiben dieses Artikels wütend.
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Wenn der Beat einsetzt Im Club, beim Filmabend, im Aufzug – überall begegnen wir ihr: Musik. Dabei kann sie uns zu Tränen rühren, vergangene Erlebnisse vor unserem inneren Auge aufblitzen und unseren Puls höher schlagen lassen. Doch wie werden durch Musik Emotionen erzeugt und was passiert dabei in unseren Körpern?
Doch wenn das Genre keinen Einfluss hat, wie werden dann Emotionen durch Musik erzeugt? Neben dem Hervorrufen von Erinnerungen durch Musik ist Küssner zufolge die sogenannte emotionale Ansteckung eine Möglichkeit, Gefühle auszulösen. »Hierbei findet eine Personifizierung der Musik statt. Wir imitieren die Emotionen, die in der Musik wahrgenommen werden, so wie wir auch angesteckt werden, wenn jemand lacht.« »Während des Hörens können manche Menschen auch Bilder vor dem inneren Auge sehen«, erläutert Küssner. Es würden Gedanken in bildlicher Form hervorgebracht, die ein höheres emotionales Potenzial besäßen. So stellten sich einige ganze Landschaften, Tänzer*innen oder auch Orchester vor. Physiologische Prozesse wie die Herzrate und die Atemfrequenz können sich dem Beat eines Stücks anpassen. Der Musikwissenschaftler führt aus: »Auf eine gewisse Weise simuliert man den Rhythmus mit seinen eigenen Körperfunktionen und diese Änderungen der Körperfunktionen können wiederum Emotionen auslösen.« Auch die Pupillengröße sei ein Indikator für die physiologische Auswirkung von Musik. Küssner betont, dass es in Untersuchungen zusätzlich wichtig sei, das subjektive Empfinden der Proband*innen mitzuerfassen. Nur so ließe sich auf einen Zusammenhang zwischen Musik, individueller Wahrnehmung und körperlicher Reaktion schließen. Eine Studie der Londoner Royal Holloway University ermittelte, dass das Hören von Musik durch Kopfhörer die Grenzen des persönlichen Raums – oder auch der comfort zone – verschiebt. Proband*innen, die positiv assoziierte Musik hörten, fühlten sich wohler damit, fremde Personen nah an sich heran treten zu lassen. Übertragen auf enge U-Bahn-Situationen könne so das Gefühl erzeugt werden, man hätte einen größeren persönlichen Bereich, als tatsächlich der Fall.
©Illustration: Akane Lang Es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem wir keine melodischen Klänge wahrnehmen. Diese sind schon früh Bestandteil unseres Lebens. »Eine akustische Umgebung besteht schon vor der Geburt«, erklärt Susanne Bauer, Professorin für Musiktherapie an der Universität der Künste Berlin. Im Mutterleib nehme der Fötus verschiedene Klänge wahr und bereits ab dem vierten Monat auch solche, die von außen kommen. Musik, die in der Kindheit als angenehm empfunden werde, könne später noch positive Assoziationen wecken, so Bauer.
»Auch Heavy Metal oder Rockmusik können beruhigend wirken, wenn Individuen positive Erfahrungen mit der Musik verbinden.«
Wirkt Musik wie eine Droge? Das Glückshormon Dopamin wird ausgeschüttet und steigert unser Wohlbefinden. Küssner ergänzt, dass gleichzeitig das Stresshormon Cortisol reduziert werden könne: »Durch gemeinsames Singen zum Beispiel.« Er selbst ist davon überzeugt, dass Musik, vor allem auf Konzerten, all unsere Sinne aktiviere. Es gäbe sogar Personen, die Musik als Geschmack auf der Zunge spürten. Bei sogenannten Synästhetiker*innen – also Menschen, deren Sinneswahrnehmungen besonders stark verflochten sind – finde dies in gesteigertem Maße statt. Die Idee des Hörens von Musik auf Tonträgern wie CDs oder auf Spotify, ohne die Musizierenden dabei zu sehen, sei evolutionsbio-
Dass sich keine pauschalen Aussagen über Genres und daraus erzeugte Emotionen treffen ließen, sagt auch Mats Küssner, Musikpsychologe und Dozent für Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Wichtig für die Ausprägung des Musikgeschmacks sei vielmehr die Sozialisation und in welcher Musikszene man sich bewege.
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logisch eine sehr junge, erklärt der HU-Dozent. »In der Geschichte fand Musik meist im sozialen Kontext statt.« Auf Konzerten oder im Club könne Musik wie ein Katalysator wirken, da man sich mit den anderen Personen auf der Tanzfläche synchronisiere und so besonders starke Emotionen ausgelöst würden. Ebenso werde in der Gruppentherapie auf das Zusammenwirken mehrerer Personen gesetzt, sagt Musiktherapeutin Bauer. »Es gibt viele Patient*innen, deren Umgang mit anderen Menschen belastet ist, weil sie in der Familie oder in der Schule schlechte Gruppenerfahrungen gemacht haben.« Bei Gruppensitzungen könne durch gemeinsames Musizieren ein Gefühl von Geborgenheit und Wertschätzung erzeugt werden. Therapeut*innen musizierten in den Sitzungen mit, gäben jedoch nicht vor, was die Patient*innen spielen sollen. »Es wird kein Rezept verschrieben, wir sagen nicht: ›Spiel mal den Ton, der tut dir gut‹«, so Bauer. Vielmehr bestehe die Kunst darin, Gemütszustände der Patient*innen während des gemeinsamen Improvisierens wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Ein sich wiederholender leiser Ton könne auf eine unterdrückte Wut oder den Wunsch nach Nähe hinweisen. Therapeut*innen könnten darauf eingehen und lauter werden, um die aufgeladene Spannung aufzulösen oder ein melodisch-rhythmisches Beziehungsangebot machen. Auch Marketing mache sich die Wirkungskraft von Musik zunutze, durch gezielt ausgewählte Hintergrundmusik in Kaufhäusern, Supermärkten und Restaurants. »Ein langsames Musikstück kann Menschen dazu verleiten, sich dem Tempo anzupassen und sich beim Essen mehr Zeit zu nehmen«, so Küssner.
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Laura Kübler weint schon bei einem Moll-Akkord.
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Doch nicht jede*r wird durch Musik beeinflusst: »Es gibt tatsächlich auch Menschen, die keine emotionale Reaktion auf Musik zeigen – das wird musical anhedonia genannt«, erklärt Küssner. Das Belohnungssystem im Gehirn funktioniere bei Betroffenen zwar, beispielsweise, wenn sie im Lotto gewinnen, bei Musik blieben die Glückshormone jedoch aus. Schätzungsweise seien aber nur rund vier Prozent der Weltbevölkerung von diesem Phänomen betroffen. Dass Musik uns also rührt, unseren Puls höher schlagen lässt oder Kopfkino verursacht, ist nicht selbstverständlich. Wer morgens gerne eine ›Gute-Laune-Playlist‹ anschmeißt, beim Joggen schnelle Songs streamt oder den Abend mit ein paar jazzigen Akkorden ausklingen lässt, kann sich glücklich schätzen – und die Sensationen das nächste Mal noch bewusster genießen.
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»Das ist kein Dreck, das ist meine Haut« Schwarzsein in einer weißen Gesellschaft – was bedeutet das? Medizinstudentin Annika erzählt über alltägliche Mikroaggressionen, ihren Weg der Identitätsfindung und dass alle weiß sozialisierten Menschen rassistisch sind. Ein Protokoll.
Dazu meinte sie gegen Ende des Gesprächs: »Ich bin ja jetzt nicht Schwarz, sondern weiß, aber ich sage trotzdem was dazu.« Das ist ein Satz, nachdem eigentlich gar nichts Gutes kommen kann. So auch hier: »Sie sollten das nicht so zum Teil Ihrer Identität machen, dieses Schwarzsein.« Sie habe selbst Schwarze Kinder und für die sei das auch kein Problem. Sie sagte: »Diskriminierungserfahrungen machen wir ja irgendwie alle. Man muss das externalisieren!«
Dass ich Schwarz bin, war mir irgendwie schon immer klar – und gleichzeitig noch nie. Meine erste Erinnerung an ein Erlebnis, bei dem mir das wirklich bewusst wurde, ist aus dem Kindergarten. Alle mussten sich die Hände waschen und die Kindergärtnerin hat auf Sauberkeit kontrolliert. Ich weiß noch, wie ich an der Reihe war, meine Hände gezeigt habe und die Kindergärtnerin sagte: »Sind die noch dreckig?« Das war kein Dreck – das war meine Haut. Hautfarbe war schon immer ein Merkmal, wonach unterschieden wurde. Dennoch habe ich erst vor kurzem angefangen mich als Schwarz zu bezeichnen und mich mit meiner Schwarzen Identität auseinanderzusetzen.
Externalisieren – was soll das überhaupt bedeuten? Dass ich Rassismus nicht persönlich nehmen soll? Das funktioniert nicht! Mit dem Rassismus, der absichtlich und offen passiert, kann ich irgendwie umgehen, solange es nicht (körperlich) gewaltvoll wird. Das ist der Rassismus, an den die meisten Menschen als Erstes denken, wenn von Rassismus die Rede ist. Für mich ist der versteckte Rassismus im Alltag, vor dem man sich nicht schützen und auch nicht weglaufen kann, das Problem. Besonders von Menschen, die sich selbst für antirassistisch halten, wie diese Ärztin. Denn es ist beispielsweise unfassbar rassistisch und verletzend, wenn Aussagen gerechtfertigt und verharmlost werden, indem man Schwarze Menschen, die man kennt (in diesem Fall ihre eigenen Kinder), exemplarisch nennt. Dafür gibt es sogar einen wissenschaftlichen Begriff: ›Tokenism‹.
Ich bin sehr weiß sozialisiert aufgewachsen. Es wurde in meiner Familie nie thematisiert, dass ich Schwarz bin; dass meine Mama Schwarz ist. Zu sagen: ›Ich bin Schwarz‹ ist etwas, was ich mich erst seit diesem Jahr überhaupt traue. Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, ich bin nicht Schwarz genug. Denn in das Bild, das mir von meinem Umfeld vermittelt wurde, passe ich nicht rein. Mir wurde vermittelt: Schwarz ist arm, Schwarz bedeutet wirklich ›dark-skinned‹ zu sein, Schwarze Leute sind sehr gesellig, Schwarze Leute sind immer unter sich, Schwarze Leute – das sind die Anderen. Die ganzen rassistischen Stereotype, die leider auch ich über Schwarze Menschen vermittelt bekommen habe, musste ich aktiv aufbrechen. Ich bemerkte: Ich lasse weiße Menschen definieren, was Schwarzsein bedeutet.
Es ist für mich wie eine tickende Zeitbombe. Rassismus kann mir jederzeit begegnen und ich kann und will mich nicht von allen weißen Menschen fernhalten. Als ich ihr sagte: »Wer hier in Deutschland aufgewachsen und weiß sozialisiert ist, inklusive mir, ist rassistisch.«, erwiderte sie: »Das sind für mich nur Theorien und Plattitüden, also mit dieser Einstellung wird es Ihnen auch nicht besser gehen!« Wie ignorant kann man bitte sein, das als reine Theorie oder Plattitüde abzutun? Das ist ein von Rassismusexpert*innen wie Tupoka Ogette bestätigter Fakt! Nach dem Gespräch habe ich erst einmal zwei Stunden geweint.
»Ich hätte gar nicht gedacht, dass Sie Schwarz sind. Ich hätte eher gedacht, dass Sie aus Spanien kommen.«, sagte eine Hausärztin neulich. Als solle mich das trösten oder als sei das ein Kompliment. Dabei ist das eine so absurde Aussage! Eigentlich war ich nur bei der Ärztin, um eine Überweisung zu bekommen. Im Gespräch fragte sie dann: »Sie sind ja so halb, halb gemischt. Was sind denn Ihre Eltern?« Warum willst du das wissen? Mein familiärer Background ist vollkommen irrelevant!
Denn so sind wir aufgewachsen: Mit weißen Menschen in unserem Umfeld, im Mittelpunkt, in Machtpositionen. Die weiße Vorstellung von Schwarzsein muss dekonstruiert werden, denn es geht einzig darum, wie ich mich als Schwarze Person fühle, wie ich mich nenne, und wo ich mich zugehörig fühlen möchte!
Diese Art von Mikroaggressionen begegnen mir und vielen anderen BIPoCs ständig. Ich werde so oft gefragt, wo ich eigentlich herkomme. Wenn ich jedes Mal aufstehen und gehen würde – das würde nicht funktionieren. Deshalb habe ich dazu nichts gesagt, sondern einfach erklärt: »Ich bin nicht ›halb, halb gemischt‹. Mein Großvater kommt aus Nigeria.« Ich wollte noch Papiere von ihr, auf die ich angewiesen war. Auch wegen diesem Machtgefälle ignorierte ich anfangs ihren Rassismus. Stattdessen erzählte ich auf Nachfrage, dass ich nach Berlin gezogen bin, weil ich ein antirassistischeres Umfeld brauche. Dass ich mich so mehr mit meiner Schwarzen Identität auseinandersetzen kann.
Anna-Lena Schmierer’s Leseliste hat sich nach diesem Gespräch um ein paar Bücher mehr ins Unendliche erweitert. ©Illustrationen: Anna-Lena Schmierer
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Was ist was? Körper sind in schönster Weise vielfältig, individuell und einzigartig. Wir haben sie uns aus der Nähe angeschaut und ganz neu entdeckt. Könnt ihr erraten, um welche Körperteile es sich handelt? Eine Rundtour über den Campus.
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8 ©Fotos: Caroline Blazy
Caroline Blazy ist begeistert von der Offenheit ihrer studentischen Fotomodels, die sie zwar nicht kannte aber trotzdem in Nahaufnahme ablichten durfte.
Anna-Lena Schmierer: ein Hoch auf die Caliculi gustatorii!
Lösungen: 1.Clavicula 2.Bucca 3.Flexion des Brachium 4.Palma manus 5.Cubitus 6.Articulatio interphalangealis distalis 7.Auricula auris 8.Abdomen
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Willkommen in der Porno-Revolution? Im Internet drehen sich 25 Prozent aller Suchanfragen um Pornografie. Selbstbestimmung und Diversität sind dabei nicht die ersten Assoziationen. Hoffnung auf Veränderung bringt OnlyFans. Wahr gewordene Utopie oder Spitze des Plattformkapitalismus?
bleiben bei der Plattform. Boomen konnte die Seite vor allem aufgrund der Pandemie. Nicht nur Seminarräume, Feierabendbiere und Arbeitsplätze mussten ins Virtuelle umziehen, sondern eben auch die Sexarbeit. Zu OnlyFans gehören zwar auch virtuelle Yogakurse und Gitarrenunterricht, ihre DNA ist aber schnell die Pornografie geworden. Ersteller*innen für Content direkt zu bezahlen, statt sie in dauerhafte Werbefiguren zu verwandeln, ist an sich schon eine progressive Idee. Gerade im Bereich der Pornografie wurde OnlyFans so bereits früh ein revolutionäres Potenzial zugeschrieben. Ohne Arbeitshierarchien durch Regisseur*innen und Produzent*innen könnten Pornodarsteller*innen frei ihre eigenen Narrative entwickeln und würden dafür auch noch direkt bezahlt, so die Hoffnung. Damit einhergehen würden diversere Darstellungen von Sex und Körpern, mit denen sich auch die Darsteller*innen wohlfühlten. Diese Art der Selbstbestimmung habe Sexarbeit für immer verändert, titelte die New York Times schon 2019. Was ist dran an der sexuellen Revolution auf OnlyFans? ©Foto: Simon Geiger
In Marius’ Augen unterscheidet sich seine Arbeit völlig von professionell produzierten Videos, die auf Mainstream-Pornoseiten zu finden sind: »Die sind viel zu übertrieben. Niemand brüllt so beim Sex rum.« Mitmachen möchte er in solchen Produktionen nicht. Denn auf OnlyFans sei alles privater und vor allem echter. So finde sich auf seiner Seite nur Material, das er selbstbestimmt produziert hat. Dabei gefalle ihm der Gedanke, dass Menschen auf seine Bilder masturbieren. »Sonst würde ich das auch nicht machen«, meint er. Außerdem schätzt Marius an seiner Arbeit, nicht an einen festen Ort gebunden zu sein: »Ich kann überall Sex haben und mir einen runterholen.«
Während andere 20-Jährige gerade ihr Studium beginnen, von einem prekären Arbeitsverhältnis ins nächste stolpern oder mit einer Ausbildung ihr Glück versuchen, verdient der Berliner Marius Rohde monatlich bereits fünfstellige Summen. Dieses Geld bescheren ihm Fotos und Videos im Internet. Das Motiv? Er und sein Körper. Klar, ein Influencer, der sein Geld mit Werbeeinnahmen auf Instagram verdient, mag so manche*r beim Lesen annehmen. Doch Marius’ Content ist nur über ein monatliches Abo verfügbar – und sehr viel expliziter, als es auf Instagram sein darf. Denn er produziert Amateur-Pornografie auf der Internetplattform OnlyFans.
Seinem Kanal folgen momentan 1.600 Menschen, die regelmäßig mit neuem Content überrascht werden wollen. Zweimal die Woche postet er deshalb neue Fotos und Videos, montags und freitags. Zeit für Urlaub und ›Digitalfasten‹ bleibt da wenig. Das brauche er aber auch nicht, erklärt er.
Blonde Löckchen, wache blaue Augen und ein verschmitztes Grinsen. Sein Instagram-Feed zeigt Marius im Urlaub und in Cafés, am Strand oder in schicken Klamotten auf den Straßen Berlins. Nur hin und wieder schleicht sich ein oberkörperfreies Bild ein. Für 15 US-Dollar monatlich kann man Marius von einer anderen Seite kennenlernen – auf OnlyFans bekommen Abonnent*innen tiefe Einblicke in seine sexuellen Vorlieben, Fetische und das Sexleben mit seinem Freund.
Allerdings besteht das Produkt auf OnlyFans nicht allein aus dem hochgeladenen Content. Abonnent*innen suchen auch Nähe und Intimität. Denn nicht nur Körper, auch Einblicke in die Schlafzimmer der Creators werden geteilt. Viele verwenden zudem die Chatfunktion der Seite, um in Kontakt zu treten. Marius erzählt, einige würden sich nur gern mit ihm austauschen. Andere teilten ihre ganz persönlichen Wünsche. Für ein ›Trinkgeld‹ von 50 bis 250 US-Dollar erfüllt er sie, vorausgesetzt er hat auch Lust darauf. Etwa die Hälfte seines
Das Geschäftsmodell von OnlyFans ist denkbar einfach: Sogenannte ›Creators‹ wie Marius laden auf eigenen Kanälen Bildmaterial hoch. Um dieses sehen zu können, ist ein monatliches Abo fällig, dessen Preis die Creators selbst bestimmen. 20 Prozent ihrer Einnahmen
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Contents entstehe so. Für die andere Hälfte greife er hingegen auf seine eigenen Fantasien und Vorlieben zurück. Marius weiß: Abonniert wird »für ein privateres Feeling«. Online-Pornografie gibt es schließlich schon zuhauf – und das meistens kostenlos. Damit sich die Arbeit finanziell lohnt, brauchen Creators eine hohe Reichweite und treue Abonnent*innen. Diese Arbeitsbedingungen erinnern stark an das Schicksal anderer sogenannter Solo-Selbstständiger in Zeiten des Plattformkapitalismus. In sozialen Medien wie Instagram und Co. verschwimmen Privatleben und Arbeitsplatz. So auch bei OnlyFans. Gerade Sexarbeitende setzen sich hier tagtäglich mit Hassnachrichten auseinander. Auch Marius erzählt, er habe sich schon Morddrohungen stellen müssen. Seine Liste an blockierten Profilen werde stetig länger: »Mittlerweile stehe ich da ganz gut drüber. Aber jede*r, der*die sagt, ihm*ihr gehe das nicht nahe, lügt.« Die Produktion von Content allein sichert jedoch nicht unbedingt ein stetiges Einkommen. Denn ganz so exklusiv wie beworben sind die Bilder auf OnlyFans oft doch nicht. Neben ausführlichen Threads mit geleakten Bildern auf dem sozialen Netzwerk reddit gibt es mittlerweile sogar eigens für die Leaks erstellte Websites. Auf diesen teilen User*innen fleißig Material – manchmal werden Bilder auch weiterverkauft. Viele Creators würden dagegen vorgehen, erzählt Marius. Doch das bedeute zusätzliche Arbeit – und die sei meist nur mit Management zu bewältigen. Sein Einkommen neben der Plattform noch mit einer*m Manager*in teilen? Das kommt für ihn nicht infrage. »Das wären dann noch mal 20 bis 30 Prozent, die von meinem Einkommen abgehen. Die geleakten Bilder sind im Endeffekt Werbung für mich.« Marius kommt auf der Plattform sehr gut an – schon als er kurz nach seinem 18. Geburtstag die ersten Bilder hochlud, konnte er von der Arbeit leben. »Das hat mir den Ansporn gegeben weiterzumachen.« Ihm habe seine Arbeit auch mehr Selbstbewusstsein in Bezug auf seinen Körper gegeben: »Ich habe nicht den trainiertesten Körper der Welt und denke: Ausstrahlung zählt viel mehr!« Er weiß aber auch: »Je besser man aussieht, desto mehr Geld verdient man.«
©Foto: Simon Geiger
So finden sich zwar alle Körperformen und -expressionen auf der Plattform. Das große Geld aber fließt in Kanäle, die die gängige Norm von Pornhub und Co. nicht aufbrechen. Der durchschnittliche Verdienst auf OnlyFans liegt nur bei etwa 150 US-Dollar monatlich. So kann alternativen, selbstbestimmten und diversen Darstellungen von Sexualität durch OnlyFans zwar Raum gegeben werden, aber von der Arbeit leben können nur wenige. Eine tatsächliche Revolution bleibt damit aus.
Pauline Hofmann hat während der Recherche angefangen von OnlyFans zu träumen.
Sophie Dune Korth findet Kapitalismus generell dystopisch.
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»Das ist der stumme Zwang des Marktes« Kontrolliert, optimiert und leistungsgetrieben. Was Selftracking mit dem Körper macht und welche Rolle der Kapitalismus dabei spielt, erklärt Simon Schaupp im Interview.
©Bild: Universität Basel
Herr Schaupp, Gesundheitsapps und Fitnessarmbänder haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Heute lässt sich nahezu alles tracken: Puls, Schritte, Schlaf. Gibt es auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene Auslöser für diesen Trend? Das muss man im Kontext der Selbstoptimierung sehen, die älter ist als die Digitalisierung selbst. Vorläufer wie Selbstmanagementratgeber bilden eine Traditionslinie mit Selftracking. Der Unterschied ist, dass Selftracking direkt auf die tägliche Lebensführung reagiert. Es beruht auf einem kybernetischen Kontrollmodell. Das heißt, man soll das eigene Handeln auf Grundlage unmittelbarer Feedbacks selbst optimieren. Gesellschaftliche Ursachen der Selbstoptimierung liegen in den Anforderungen postfordistischer Arbeitsmärkte*. Über technische Fähigkeiten hinaus muss man Unternehmen die gesamte Persönlichkeit zur Verfügung stellen. Deshalb erscheint es notwendig, permanent an sich selbst zu arbeiten – auch an Fähigkeiten, die nichts mit der unmittelbaren Arbeit zu tun haben. Zum Beispiel ist es wichtig, gut auszusehen, sportlich fit zu sein und gut ›socializen‹ zu können. Positive Ausstrahlung und ›Happiness‹ verfolgen keinen Selbstzweck, sondern sind Teil einer Selbstvermarktungsstrategie.
Simon Schaupp ist Soziologe an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel. Er forscht unter anderem zur Transformation der Arbeitswelt und der Digitalisierung. 2016 ist sein Buch Digitale Selbstüberwachung: Selftracking im kybernetischen Kapitalismus im Verlag Graswurzelrevolution erschienen.
Krankenkassen belohnen Selftracking von Versicherten und die Zusendung von Gesundheitsdaten mit Bonuspunkten. Halten Sie das für sinnvoll? Wie schätzen Sie den Einfluss dieser Entwicklung auf die Zukunft unseres Gesundheitssystems ein? Das ist eine schwierige Entwicklung, weil es die Verantwortung für die eigene Gesundheit radikal individualisiert und weggeht von dem klassischen Wohlfahrtsgedanken des Versicherungssystems. Es ist eine Art Rückschritt, da man für jede Krankheit tendenziell selbst verantwortlich gemacht wird. Anhand von Daten kann eine entsprechende Lebensführung identifiziert werden, die beispielsweise dazu beigetragen hat, dass ich einen Herzinfarkt bekomme. Das ist nicht nur ein moralischer Druck, sondern schlägt sich auch in Versicherungsprämien nieder. Es gibt also Konfliktpotenzial, weil dieses System letztlich zum finanziellen Nachteil derjenigen wird, die Selftracking nicht betreiben.
Das kann man aber schon als impliziten Zwang bezeichnen, oder? Das ist eben die Frage des stummen Zwangs des Marktes: Kann man etwas als Freiwilligkeit bezeichnen, wenn es direkte Auswirkungen auf den Geldbeutel und damit auch auf die Lebenschancen hat? Was macht Selbstvermessung mit der Beziehung zum eigenen Körper, also dem Körpergefühl und der Wahrnehmung? Es gibt positive und negative Beispiele. Leute erzählen mir, dass sie durch das Tracken des Stresslevels ein besseres Körpergefühl entwickelt haben. Sie können dann bestimmte Atemtechniken einsetzen und sich in ihrem Alltag wohler fühlen. Ich habe aber auch mit Leuten gesprochen, bei denen so etwas im Berufskontext eingesetzt wurde und die eine Art Selbstentfremdung beschreiben. Diese Apps produzieren immer auch Feedbacks, die ein bestimmtes Verhalten hervorrufen sollen. Das hat dazu geführt, dass Menschen sich in ihrem eigenen Verhalten nicht mehr wiedererkannt haben. Es gibt hier also einerseits ein instrumentelles und daher bewusstes Verhältnis zum eigenen Körper, andererseits ist dieses Verhältnis oft auch unbewusst – wie ein Automatismus.
Ist es denn vorstellbar, dass wir als Krankenversicherte irgendwann alle zum Selftracking verpflichtet werden? Das Lustige ist, dass es ja keine Verpflichtung gibt, sondern auf Freiwilligkeit beruht. Sie zahlen nur mehr, wenn Sie es nicht machen. *Anm. d. Red.: Der Postfordismus zeichnet sich durch die Individualisierung der Massenproduktion auf spezifische Kund*innenbedürfnisse sowie lange Lieferketten aus und beschreibt eine neue, von Flexibilität geprägte Produktionsweise
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Diese Grafik zeigt die Anzahl von Schritten, die neun Redaktionsmitglieder digital getrackt haben. Es zeigt sich, dass zwei besonders fleißige Läufer*innen fast genauso viel gelaufen sind, wie der Rest der Redaktion zusammen.
Neun Redaktionsmitglieder haben ihren Schlaf getrackt. Wir haben die Ergebnisse in dieser Grafik, die alle Vollblut-Statistiker*innen triggern wird, festgehalten.
©Illustration/Grafik: Daniel Sax, Text: Marie Blickensdörfer
Energie und technischer Arbeitskraft, wie das im Frühkapitalismus der Fall war: mit 14-stündigen Arbeitstagen in der Fabrik, wo die Arbeiter*innen so lange benutzt wurden, bis sie relativ jung starben – überspitzt gesagt.
Kann es im schlimmsten Fall zu einer Verzerrung oder einem Verlust des Körpergefühls kommen? Das würde voraussetzen, dass es ein natürliches Körpergefühl gibt und daran glaube ich nicht wirklich, weil unser Körpergefühl immer kulturell mitbeeinflusst wird. Selftracking trägt aber dazu bei, unseren Körper verstärkt in Begriffen von Leistung wahrzunehmen und das kann zu zusätzlichem Stress führen.
Inzwischen geht es um die Produktion von komplexen Dienstleistungen, für die der Körper gesund sein muss. Während der Frühkapitalismus den Zugriff auf den Körper nur während der Arbeitszeit hatte, ist dieser jetzt auf weitere Bereiche der Lebensführung ausgeweitet. Für die tiefsten Lebensäußerungen wie Schlafen und das Knüpfen sozialer Kontakte wird eine Art ökonomische Beziehung entwickelt.
Das Verhalten permanent zu tracken und zu optimieren kann auch zur Sucht werden. Dann können sich ursprünglich sinnvolle Ziele wie Abnehmen verselbstständigen, sodass die Optimierung zum Selbstzweck wird.
Wie führt Selftracking zu diesen Mechanismen der sozialen Kontrolle? Selftracking führt zu Selbstkontrolle und dazu, seine Lebensführung einem allgemeinen Leistungsideal anzupassen. Dass man also beispielsweise versucht, so wenig Zeit wie möglich zu verschwenden. Es ist auf gewisse Weise eine Anpassung an gesellschaftliche Normen. Die Selbstverwirklichung und die Leistung verschmelzen dabei. Man muss also paradoxerweise permanent Leistung erbringen, um der Anforderung der Selbstverwirklichung nachkommen zu können.
Sie bringen in Ihrem Buch über digitale Selbstüberwachung die Selftracking-Techniken in Zusammenhang mit dem kybernetischen Kapitalismus. Können Sie das genauer erklären? Im kybernetischen Kapitalismus verschmelzen Produktion, Information und Kontrolle. Die Produktion wird digital überwacht, um sie zu kontrollieren und zu optimieren. Die so entstehenden Daten können dann als zusätzliche Ware verkauft werden. So ist es im Selftracking auch. Hier ›produziert‹ man gewissermaßen einen fitten Körper. Um diese Produkte zu optimieren, werden Daten erhoben. Diese Körperdaten werden aber gleichsam Privateigentum der jeweiligen Firma, die diese Selftracking-App zur Verfügung stellt und die Daten dann weiterverkauft.
Marie Blickensdörfer würde auf Tracking und (kybernetischen) Kapitalismus lieber verzichten.
Der kybernetische Kapitalismus ist also ein Organisationsmodell, das auf feedbackbasierte Selbstoptimierung hinausläuft. Gleichzeitig ist es ein Modell der Warenproduktion, in dem die Daten neben der Produktion als zusätzliche Ware verkauft werden.
Caroline Blazy wird am Ende ihres Lebens 0 Bonuspunkte bei der Krankenkasse haben und findet, das ist ihr gutes Recht.
Wie hat sich die Funktion von Körpern im kapitalistischen System verändert? Der Kapitalismus war immer schon auf Körper angewiesen, um Waren zu produzieren. Körper sind heute nicht mehr nur Träger von
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VER KÖRPERUNG
©Konzept, Anordnung und Fotografie: Ella Rendtorff
Körperlos Lösen sich Köpfe von Körpern los Verpackt und verkleidet In Illusionen Vermeintlich verkörperter Weiblichkeit Kopfzerbrechen An Hirnlosigkeit Geschnürt ins Korsett Künstlicher Haltbarkeit
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»ASCHE ZU ASCHE. STAUB ZU STAUB« DER KÖRPER AUF SEINEM LETZTEN WEG Eine Leiche zu sehen, ist für viele ein abschreckender Gedanke. Was passiert mit dem Körper nach dem Tod? Wie man ihn würdevoll auf seinem letzten Weg begleitet und was von einem Menschen bleibt.
Seit Jahrhunderten begleitet der Spruch »Asche zu Asche, Staub zu Staub« zumindest in christlichen Kontexten die Beisetzung Verstorbener. Er soll die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers zum Ausdruck bringen, der in die Elemente zerfällt, aus denen er nach christlicher Vorstellung entstanden ist. Einen toten Körper – eine Leiche – zu sehen, ist für viele ein abschreckender oder gar anekelnder Gedanke. Gleichzeitig gehört der Tod zu den wenigen Gewissheiten des Lebens. Den menschlichen Körper würdevoll auf seinem letzten Weg zu begleiten, ist die Aufgabe von Bestatter*innen.
Gesprächs. Da seien zum einen die charakteristischen Totenflecken. Dabei sinke das Blut im Körper in die unteren Körperpartien ab und bilde dort rötliche, violette Flecken. Zwei bis drei Stunden nach Eintritt des Todes komme es dann zur Totenstarre: An allen Gelenken des Körpers verharre die Muskulatur in der Position, in der sie zum Sterbezeitpunkt war. Zwei bis drei Tage nach dem Tod setze schließlich die Verwesung ein, die man im Fachjargon Autolyse nennt. Diese Autolyse zeige sich beispielsweise in einer Verfärbung des Körpers, der Ablösung der Haut oder einer Geruchsbildung. Das offensichtlichste, wenn auch ein sogenanntes unsicheres Todeszeichen sei natürlich die Kälte des Körpers. Das irritiere viele Angehörige, berichtet Lenzen. »Wenn man einen Menschen berührt, erwartet man Körperwärme und der ist dann ganz kalt.«
Fabian Lenzen ist Inhaber eines Bestattungsinstituts in Berlin und Obermeister des Bestatter-Verbandes von Berlin und Brandenburg. Außerdem unterrichtet er als Dozent am Bundesausbildungszentrum der Bestatter in Bayern. Medizinisch und juristisch betrachtet gebe es sogenannte sichere Todeszeichen, erzählt Lenzen zu Beginn des
»Als Bestatter*in hat man deutlich mehr mit lebenden als mit toten Menschen zu tun«
Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert die Einäscherung und Bestattung toter Körper sowie die Belastungen, die im Umgang damit einhergehen könnten.
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Vorgang: Die Särge mit den Verstorbenen werden entweder von den Fahrer*innen des Krematoriums abgeholt oder direkt von den Bestatter*innen vorbeigebracht. Anschließend werden Unterlagen wie der Kremierungsauftrag und der Totenschein sowie die Urnenanforderung der Gemeinde überprüft. Für eine Leichenschau kommt ein*e Patholog*in oder Amtsarzt*ärztin vorbei und zeichnet nach Kenntnisnahme ein Etikett auf dem Sarg ab. Erst dann darf eingeäschert werden.
meint er beinahe scherzhaft. Einen großen Teil seiner Arbeit mache die Begleitung der Hinterbliebenen aus. So berät er Angehörige zum Beispiel in Fragen rund um Bestattung und Trauerfeier, erledigt aber auch Formalitäten wie die Beurkundung des Sterbefalls oder die Abmeldung von der Krankenkasse. Natürlich gehöre letztlich auch ein trauerpsychologischer Aspekt dazu, fährt Lenzen fort: »Also dass man zuhört, wie die Gemütslage ist, oder an Fachleute weitervermittelt, wenn man merkt, dass die Begleitung, die wir leisten können, nicht ausreicht.« Er erzählt, die Schicksalsgeschichten, auf die man im Gespräch mit den Angehörigen treffe, könnten emotional belasten. »Deswegen ist es wichtig, dass man eine Distanz schafft zu dem Schicksal des Verstorbenen und der Hinterbliebenen und nicht mittrauert.«
Raven erklärt, dass die Öfen von einem Computerprogramm aus gesteuert werden. Hier werden nicht nur die Ofentemperatur, sondern auch Grenzwerte für Rauchgase und andere Stoffe kontrolliert, die bei der Verbrennung freigesetzt werden. Regelmäßig kommt das Umweltamt vorbei und liest die Grenzwerte ab. Bei zu vielen Überschreitungen, erklärt er, seien hohe Geldstrafen fällig. Spätestens hier wird deutlich, dass bei der Kremierung von menschlichen Körpern ganz technische, handwerkliche Fragen, die für Außenstehende zunächst befremdlich wirken können, wichtig sind. Es sei zum Beispiel so, dass beim Brennvorgang Geschlecht und Körpergewicht – abhängig vom Körperfettgehalt – eine wichtige Rolle spielen würden, da Körper mit unterschiedlicher Intensität brennen. Um die Ofentemperatur konstant zu halten, sei ein Wechsel zwischen sehr leichten und schweren Menschen notwendig.
Neben dem Umgang mit den Hinterbliebenen würden auch viele handwerkliche Aufgaben zum Bestatter*innenberuf dazugehören, erzählt Lenzen weiter. Angefangen beim Transport bis hin zur Versorgung und Einbettung der Verstorbenen. Aber zum Beispiel auch die Fertigmontage von Särgen und das fachgerechte Ausheben und Verschalen von Gräbern. Auch für die Überführung der Verstorbenen. zum Friedhof oder – falls eine Feuerbestattung gewünscht ist – ins Krematorium ist ein*e Bestatter*in zuständig. Letztere ist mittlerweile die häufigste Art der Bestattung in Deutschland. Über 70 Prozent aller Verstorbenen werden inzwischen eingeäschert.
Sobald im Ofen nichts mehr brennt, werden die Überreste, vor allem Asche und Knochen, abgelassen und in einer Knochenmühle zermahlen. Zuvor müssen gegebenenfalls händisch noch Metallreste vom Sarg oder beispielsweise Keramikteile einer künstlichen Hüfte heraus gesammelt werden. »Du siehst halt im Prinzip alles, was im Menschen drin sein kann«, beschreibt Raven. Die fertigen Urnen gehen dann an den*die Bestatter*in.
Raven, Student der Politikwissenschaften und Philosophie, arbeitet nebenher in einem Krematorium. Was für viele Studierende ein mindestens unheimlicher Nebenjob wäre, ist für Raven geradezu normal: »Ich denk’ mir: Früher oder später kommen wir da alle hin.« Er könne genauso gut in einer Bäckerei arbeiten oder irgendwo anders, es würde keinen Unterschied für ihn machen.
Was von einem Menschen bleibt, sei letztlich Glaubenssache, meint der Bestatter Fabian Lenzen. »Diesseitig bleiben das, was die*der Verstorbene geschaffen hat, und die Erinnerung an sie*ihn.« Es bleibe auch der entseelte Leib, der sich über die Zeit auf die Knochen reduziert und auflöst. »Dieser Leib ist nicht mehr die Person selbst, sondern eher deren Hülle. Aber auch diese Hülle bedarf der besonderen Sorgfalt.«
»Es sind halt tote Menschen, aber es sind Menschen. Da ist nichts unheimlich und nichts komisch für mich dran.« Im Vergleich zu anderen Tätigkeiten sei das Belastende an der Arbeit im Krematorium nicht das Körperliche, sondern das Moralische: »Du bist halt nur mit Leuten umgeben, die ihr Geld mit dem Tod verdienen.« Im Vergleich zu den Bestatter*innen, hätten er und seine Kolleg*innen aber am wenigsten mit dem Tod zu tun. Weil alle Verstorbenen im Sarg kommen und eingeäschert würden, gebe es sehr selten unmittelbaren Kontakt mit dem toten Körper. »Ich habe auch Arbeitskolleg*innen, die können keine Leichen sehen und immer wenn doch so eine Situation entsteht, ist das für sie bedrückend«, erzählt Raven. Was alle seine Kolleg*innen stark belaste, sei Babyleichen einzuäschern. Es ist der einzige Moment im Gespräch, in dem Raven kurz schluckt und innehält. »Weil, dann müssen wir uns zwangsläufig das Schicksal der Eltern und des Kindes vorstellen.«
»Im Prinzip sehe ich das nicht als Arbeit für die verstorbene Person, sondern mehr für die Hinterbliebenen«, sagt Raven am Ende des Gesprächs. »Ich empfinde es als große Ehre praktisch den letzten Blick auf eine Person werfen zu dürfen.« An ein Leben nach dem Tod im christlichen Sinne glaubt Raven zwar nicht, aber er meint: »Wir leben in den Köpfen der Hinterbliebenen fort. Das ist das Leben nach dem Tod.«
Valentin Petri sucht immer noch nach einem pietätvollen Kommentar.
Von seiner Arbeit berichtet er sehr offen und sachlich, schildert den Prozess der Einäscherung als einen komplexen, handwerklichen
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Nachts die Welt erobern? Die Traumwelt – ein Ort, an dem die Grenzen der Realität nicht mehr greifen und alles möglich ist. Träume können uns quälen, entspannen, Angst machen oder sogar wünschen lassen, nicht mehr aufzuwachen, weil’s so schön ist. Aber was, wenn wir all das steuern können?
allerdings, ohne dass sie es jemals bewusst erlernt hätte. Plötzlich konnte sie sich im Traum fragen: Ist das die Realität oder träume ich? Sie überprüfe dann, ob die Schwerkraft noch wirkt oder ob sie vom Boden abheben – also fliegen – kann. Ein weiterer Realitätscheck sei, mit dem Zeigefinger auf die eigene Handfläche zu tippen. In Träumen könne man den Finger durch die Hand hindurchbewegen, da die Grenzen des eigenen Körpers fluide seien.
Manchmal fliegt sie durch ihre alte Gegend in Hamburg. Erst durch die Wohnung und dann draußen zwischen den Fassaden entlang, die sie noch aus ihrer Kindheit kennt. Wenn sie fliegt, fühlt sich das an, als bewege sie sich durch Wasser: In langsamen Zügen schiebt sie sich voran und passiert dabei die roten und braunen Gemäuer der Altbauwohnungen. FU-Studentin Hannah* kann luzid träumen. Das bedeutet, sie ist sich während ihrer Träume oft bewusst, dass sie träumt. Luzides Träumen wird auch als ›Klarträumen‹ bezeichnet. Dabei haben die Schlafenden die Möglichkeit zu steuern, was sie träumen. Und Hannah fliegt am liebsten.
Wie oft Hannah klarträumt, kann sie nicht genau sagen, denn meist seien ihr nur bestimmte Phasen ihrer Träume bewusst. Sie schätzt aber, dass circa 30 bis 40 Prozent ihrer Träume luzide Abschnitte enthalten. Das sei auch der Grund, warum sie nicht komplett frei bestimmen könne, was in ihren Klarträumen passiert – häufig bleibe sie in der Umgebung, die sich ihr Traum-Ich bereits ausgedacht hat. Andererseits habe sie die Fähigkeit, sich sehr detailliert Dinge vorzustellen:
»Abenteuer erleben, fliegen, unter Wasser atmen, alles essen, worauf man Lust hat, oder auch Rendezvous mit den Lieblingsstars – das sind so die typischen Motive der Kursteilnehmenden«, sagt Sarah Alles, Workshopleiterin bei Die Klarträumer. Gemeinsam mit Geschäftsführer Daniel Wünsch hat sie 2019 das Unternehmen gegründet, das Coaching-Programme für luzides Träumen in Berlin anbietet. Als Duo leiten sie diverse Workshops und Online-Kurse, um das Klarträumen zu lehren.
»Ich kann in meinen Träumen Bücher lesen, die ich mir anscheinend ausdenke, während ich träume.«
Laut Daniel ist luzides Träumen »die modernste Form der Persönlichkeitsentwicklung.« Denn neben spaßigen Aktivitäten könne man das Klarträumen auch für Nützliches einsetzen. Es sei möglich, sich selbst besser kennenzulernen, im Traum motorische Bewegungsabläufe zu trainieren und sogar Problemlösungen zu finden.
Wie lange es für die Kursteilnehmenden bei den Klarträumern dauere, luzides Träumen zu beherrschen, könne pauschal nicht gesagt werden. »Das kann zwischen einem Tag und zwei Jahren variieren«, so Daniel. Wer das luzide Träumen zu einer Priorität in seinem Leben mache und wirklich dranbleibe, könne es wahrscheinlich in ein bis zwei Monaten schaffen. »Es ist wirklich ein Training, wie bei einem Muskel«, erklärt Sarah. Das luzide Träumen wird auch als Therapiemethode eingesetzt, um Albträume zu bekämpfen. Workshopleiter Daniel hat diese Erfahrung selbst gemacht: »Ich habe durch luzides Träumen einen Albtraum aufgelöst, den ich 27 Jahre lang hatte.«
Die Kurse und Workshops behandeln verschiedene Themen: vom Unterbewusstsein über Yoga Nidra (Anm. d. Red.: Yoga-Technik, bei der durch Entspannungstechniken ein Zustand zwischen Schlaf und Wachsein erreicht werden soll) bis zur Traumdeutung. Außerdem werden Achtsamkeits- und Meditationsübungen durchgeführt. Die Basis bildet aber allen voran die Auseinandersetzung mit dem Schlaf. Im nächsten Schritt gehe es dann um das praktische Erlernen des luziden Träumens. Dafür würden im Coaching zwei Methoden vermittelt: das wach- und das trauminduzierte Klarträumen. Bei der wach-induzierten Methode gehe es darum, während des Einschlafens mental wach zu bleiben. »Der Körper schläft ein und das Bewusstsein bleibt wach – du erlebst den Prozess des Einschlafens bewusst mit«, erläutert Sarah. Bei der trauminduzierten Methode hingegen würde den Schlafenden mittels bestimmter Übungen im Traum bewusst, dass sie gerade träumen. Sie erklärt, die meisten Teilnehmenden würden das luzide Träumen durch diese Methode erlernen.
Für Hannah ist das luzide Träumen allerdings selbst der Albtraum. Als das Klarträumen bei ihr anfing, startete sie gerade mit dem Studium. Eine Zeit, in der viele belastende Faktoren in ihr Leben kamen: Sie litt unter den Beziehungsproblemen ihrer Eltern, ihrer Mutter ging es mental sehr schlecht und Hannah hatte mit Einsamkeit und Panikattacken zu kämpfen. Mit Belastung habe das luzide Träumen bei ihr auch noch heute zu tun: »Luzide Träume werden bei mir wie Albträume ausgelöst – wenn ich viel Stress habe oder wenn es mir mental nicht gut geht.«
Ein bedeutender Unterschied zwischen Traumwelt und ›Wachwelt‹ sei, so Daniel, dass physikalische Gesetze im Traum nicht funktionierten. Das könne genutzt werden, um zu überprüfen, ob man sich gerade in einem Traum befände. Diesen Trick nutzt auch Hannah –
Warum sie so empfindet, hat verschiedene Gründe. Zum einen hat sie in ihren Träumen oft Angst, nicht mehr aufwachen zu können.
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©Foto: Leona Ley
ma Nummer eins. Ob sich diese Angst durch das luzide Träumen entwickelt hat oder andersherum, weiß sie nicht. Fest steht aber: »Filme wie Inception kann ich deshalb nicht gucken, das geht mir emotional zu nah.« Auf die Frage, ob sie schon etwas gegen das luzide Träumen unternommen hätte, runzelt sie die Stirn. Sie habe das Gefühl, die ganze Welt um sie herum möchte herausfinden, wie man das Klarträumen erlernt, aber nicht, wie man es loswird.
Dann frage sich Hannah häufig: »Was ist, wenn mein Wecker schon geklingelt hat? Wer findet mich? Weckt mich irgendwann jemand?« Sie versuche sich dann selbst zum Aufwachen zu bringen. »Eine mehr oder weniger wirkungsvolle Methode ist es, sich im Traum umzubringen. Ich habe mich im Traum schon von allem runtergestürzt.« Doch selbst wenn Hannah wach sei, sei der Spuk nicht vorbei. Oft leide sie unter Schlafparalysen. Das bedeutet: Sie ist zwar mental wach, ihr Körper ist aber noch im Ruhezustand. An sich ist dieses Phänomen etwas ganz Natürliches: Während der REM-Phase (Anm. d. Red.: rapid eye movement; Schlafphase, in der sich die Augen schnell hin- und herbewegen) ist der Körper gelähmt. Das schützt uns davor, unkontrollierte Bewegungen, die in unserem Traum vorkommen, in der Wirklichkeit auszuführen. Normalerweise erwacht man nicht aus der REM-Phase. Geschieht es dennoch, kann es einen Moment dauern, bis der Körper wieder beweglich ist – und das macht natürlich Angst.
Die Klarträumer betonen, dass die Motivation und Herangehensweise wichtige Faktoren des luziden Träumens bilden. Auch Hannah sieht das so: »Es ist etwas anderes, wenn man mit dem Willen rangeht, das können zu wollen.« Träume kontrollieren oder nachts abschalten? Fraglich bleibt, ob es wirklich notwendig ist, die eigenen Gedanken auch im Schlaf zu beherrschen. Schließlich ist der Schlaf dazu da, um sich auszuruhen und nicht um produktiv zu sein. Durch Bewusstsein in die Traumwelt einzugreifen, birgt Risiken, eröffnet aber zugleich endlose Möglichkeiten.
Nach luziden Träumen fühlt sich Hannah deshalb meist ausgelaugt. Manchmal ist sie sich dann auch nicht sicher, ob sie wirklich aufgewacht ist oder noch träumt. Diese Schwierigkeit der Unterscheidung betonen auch Die Klarträumer, sehen sie allerdings weniger problematisch. Coach Daniel erklärt: »Auch die Traumwelt ist eine Realität, aber mit anderen Regeln, mit anderen Gesetzen. Und deswegen reden wir in unseren Kursen immer von der ›Wachwelt‹ und der Traumwelt.«
*Anm. d. Red.: Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Julia Wyrott hat jetzt keine Lust mehr, luzides Träumen zu erlernen.
Für Hannah fühlen sich manchmal sowohl Traum als auch Realität nicht echt an. »Das macht mir Angst, weil es mir oft schwerfällt, meine Träume und meine tatsächliche Welt auseinanderzuhalten.« Zusätzlich habe sie auch Bedenken, in die Traumwelt abzurutschen: »In Träumen fühlt sich alles emotional intensiver an. Ich habe die Sorge, meine Träume als das einzige Intensive in meinem Leben wahrzunehmen.« Die Frage, was nun die Realität ist, ist Hannahs Angstthe-
Laura Kübler lässt sich nicht abschrecken und probiert noch immer, luzid zu träumen.
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Nicht-binär und mehr: Begrifflichkeiten Wir haben uns dazu entschieden in unserem Heft Begrifflichkeiten zu verwenden, die möglichst antidiskriminierend sind. Im Folgenden haben wir einige dieser Begriffe genauer erläutert. Unsere Auflistung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und unsere Definitionen sind nicht starr, denn Sprache und Gesellschaft unterliegen einem ständigen Wandel. Die Begriffe dienen lediglich als Orientierung.
Schwarz: Wir schreiben Schwarz in unseren Artikeln absichtlich groß. Der Begriff wird oft als Selbstbezeichnung von Menschen afrikanischer und afro-diasporischer Herkunft verwendet. Mit der Großschreibung soll verdeutlicht werden, dass es sich nicht um eine faktische Bezeichnung von Hautfarbe handelt. Vielmehr handelt es sich um eine soziale Position, welche manchen Menschen in einer rassistischen und hierarchischen Gesellschaftsordnung zugeschrieben wird, und die diese durch ähnliche Rassismuserfahrungen verbindet.
ren. Die Bezeichnung soll gängige Denkmuster aufbrechen, bei denen cis Personen als die Norm angesehen und trans Personen stets als Abweichung oder Fehler begriffen werden. binär: Der Begriff binär bezeichnet, bezogen auf gesellschaftliche Geschlechternormen, die Vorstellung, es gebe nur zwei Geschlechter: Mann und Frau. Menschen, die sich mit keinem der beiden Geschlechter identifizieren, werden meist trotzdem entlang dieser zwei Pole eingeordnet, welche als ›natürliche Ordnung‹ wahrgenommen werden.
weiß: Wir schreiben weiß in unserem Heft absichtlich kursiv. Auch hierbei geht es nicht um die faktische Bezeichnung von Hautfarbe, sondern um eine gesellschaftlich konstruierte, hierarchisierte und privilegierte Position, die Menschen innehaben, welche nicht aufgrund äußerlicher Merkmale oder ihrer Herkunft als anders, fremd, normabweichend oder weniger wertvoll gesehen werden.
FLINTA*: FLINTA* ist eine Abkürzung und steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das angehängte Sternchen dient dabei als Platzhalter für alle Personen, die sich in keinem der Buchstaben wiederfinden. Der Begriff wird für Menschen verwendet, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und durch patriarchale Gesellschaftsstrukturen Diskriminierung erfahren. Er steht also für alle, die nicht cis männlich sind.
PoC/BIPoC: PoC ist eine Abkürzung der englischen Bezeichnung Person of Colour und beschreibt Individuen und Gruppen, die Rassismus ausgesetzt sind. Häufig wird auch der Begriff BIPoC verwendet (Black, Indigenous and People of Colour) um verschiedene, oft ungleiche Rassismuserfahrungen sichtbarer zu machen.
Eine Ausnahme bietet die Bezeichnung Lesbisch in diesem Kontext, da es sich hierbei nicht um eine Geschlechtsidentität, sondern eine sexuelle Orintierung handelt. Deswegen ist auch oft von FINTA* oder FINT* die Rede. Lesbische Personen werden trotzdem oft mit eingeschlossen, um für mehr Sichtbarkeit zu sorgen.
LGBTQ+: LGBTQ+ steht für Lesben, Schwule (Gays), bisexuelle, transgender und/oder transsexuelle und queere Personen. Das + schließt alle sexuellen Orientierungen ein, die sich in keinem der Begriffe wiederfinden. Mit LGBTQ+ werden Menschen bezeichnet, die in einer heteronormativen, patriarchalen Gesellschaft Diskriminierung erfahren.
Männer/Frauen: Es ist nicht immer leicht Sachverhalte außerhalb der Vorstellung cis binärer Geschlechterrollen darzustellen und zu formulieren, speziell da die meisten Statistiken und Studien entlang dieser Normen erhoben werden. Deswegen verwenden wir an einigen Stellen die Bezeichnungen »Männer« oder »Frauen«, wenn aus Quellen nicht eindeutig hervorgeht, ob beispielsweise nicht-binäre Identitäten mitbedacht wurden, oder wenn wir über ein bestimmtes, stark von Binarität geprägtes Gesellschaftsbild oder Phänomen sprechen.
trans: trans ist ein Überbegriff für transsexuelle, transidente und transgender Menschen, also für alle Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Transgeschlechtlichkeit ist dabei unabhängig von der sexuellen Orientierung.
Anna-Lena Schmierer bemerkt dadurch, dass sie die Begriffe überhaupt erklären musste, wie viel gesellschaftlich noch passieren muss.
cis: cis Menschen sind Personen, denen bei ihrer Geburt ein Geschlecht zugewiesen wurde, mit dem sie sich auch identifizie-
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Layout, Illustration, Foto Daniel Sax bereut nicht, sein Maschinenbaustudium hingeschmissen zu haben, um Mediengestalter zu werden.
Johanna Böker ist immer so excited, dass sie sich viel zu viel vornimmt.
Laura von Welczeck hat dieses Mal mehr Sonnenaufgänge wegen des Illustrierens als wegen des Feierns erlebt.
Malin Krahn schiebt für’s Illustrieren auch gerne mal die ein oder andere Hausaufgabe auf.
Tim Gassauer fotografiert Autobahntoiletten, Angelruten und Apfelbäume.
Cathrin Weil studiert Architektur an der TU Darmstadt.
Luca Klander verwechselt gern mal Lösch- und Speichertaste.
Akane Lang prokrastiniert für eine Illustration gerne das Lernen für die nächste Klausur.
Ella Rendtorff zeigt für das perfekte Foto ab und zu auch Körpereinsatz.
Leona Ley ist bei der Umsetzung ganz der Philosophie von Learning by Doing gefolgt.
Sara Harton hat die Hälfte ihrer Illustrationen verlegt und verloren bevor sie fürs Heft abfotografiert werden konnten.
Nora Borkenhagen studiert Illustration an der HAW in Hamburg.
Nina Schlömer war froh, durch das Illustrieren eine Verschnaufpause von ihrer Masterarbeit zu haben.
Simon Geiger
Impressum HERAUSGEGEBEN VON Freundeskreis Furios e.V. REDAKTIONSSCHLUSS 30.06.2022 ERSCHEINUNGSDATUM 19.07.2022 AUFLAGE 3000 REDAKTION AUSGABE 27 Clara Baldus, Caroline Blazy, Marie Blickensdörfer, Lisa Hölzke, Pauline Hofmann, Luca Klander, Sophie Dune Korth, Laura Kübler, Valentin Petri, Lena Rückerl, Anna-Lena Schmierer, Julia Schmit, Lucie Schrage, Laura von Welczeck, Gesine Wolf, Julia Wyrott COVER Laura von Welczeck SATZ, LAYOUT UND GESTALTUNG Daniel Sax CHEF*INNEN VOM DIENST Caroline Blazy, Anna-Lena Schmierer LEKTORAT Caroline Blazy, Anna-Lena Schmierer, Lena Rückerl ISSN 2191-6047 Jede*r Autor*in ist im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt ihres*seines Textes selbst verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Ansicht der Redaktion wider. Gemäß dem Urheberrecht liegen die Rechte an den einzelnen Werken bei den jeweiligen Autor*innen.
CHEFREDAKTION Caroline Blazy, Anna-Lena Schmierer (V.i.S.d.P., Freie Universität Berlin, JK 28/106, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin) POLITIKRESSORT Marie Blickensdörfer, Valentin Petri CAMPUSRESSORT Gesine Wolf, Julia Wyrott KULTURRESSORT Lisa Hölzke, Laura Kübler WISSENSCHAFTSRESSORT Lucie Schrage, Laura von Welczeck COMMUNITYRESSORT Pauline Hofmann, Sophie Dune Korth BILDRESSORT Luca Klander, Lena Rückerl www.furios-campus.de redaktion@furios-campus.de
Luzides Träumen
Aufregend oder angsteinflößend?
Mikroaggressionen
Ein Gespräch über Rassismus
Körper als Kapital
Pornos, aber selbstbestimmt?