FURIOS 27
Wenn der Beat einsetzt Im Club, beim Filmabend, im Aufzug – überall begegnen wir ihr: Musik. Dabei kann sie uns zu Tränen rühren, vergangene Erlebnisse vor unserem inneren Auge aufblitzen und unseren Puls höher schlagen lassen. Doch wie werden durch Musik Emotionen erzeugt und was passiert dabei in unseren Körpern?
Doch wenn das Genre keinen Einfluss hat, wie werden dann Emotionen durch Musik erzeugt? Neben dem Hervorrufen von Erinnerungen durch Musik ist Küssner zufolge die sogenannte emotionale Ansteckung eine Möglichkeit, Gefühle auszulösen. »Hierbei findet eine Personifizierung der Musik statt. Wir imitieren die Emotionen, die in der Musik wahrgenommen werden, so wie wir auch angesteckt werden, wenn jemand lacht.« »Während des Hörens können manche Menschen auch Bilder vor dem inneren Auge sehen«, erläutert Küssner. Es würden Gedanken in bildlicher Form hervorgebracht, die ein höheres emotionales Potenzial besäßen. So stellten sich einige ganze Landschaften, Tänzer*innen oder auch Orchester vor. Physiologische Prozesse wie die Herzrate und die Atemfrequenz können sich dem Beat eines Stücks anpassen. Der Musikwissenschaftler führt aus: »Auf eine gewisse Weise simuliert man den Rhythmus mit seinen eigenen Körperfunktionen und diese Änderungen der Körperfunktionen können wiederum Emotionen auslösen.« Auch die Pupillengröße sei ein Indikator für die physiologische Auswirkung von Musik. Küssner betont, dass es in Untersuchungen zusätzlich wichtig sei, das subjektive Empfinden der Proband*innen mitzuerfassen. Nur so ließe sich auf einen Zusammenhang zwischen Musik, individueller Wahrnehmung und körperlicher Reaktion schließen. Eine Studie der Londoner Royal Holloway University ermittelte, dass das Hören von Musik durch Kopfhörer die Grenzen des persönlichen Raums – oder auch der comfort zone – verschiebt. Proband*innen, die positiv assoziierte Musik hörten, fühlten sich wohler damit, fremde Personen nah an sich heran treten zu lassen. Übertragen auf enge U-Bahn-Situationen könne so das Gefühl erzeugt werden, man hätte einen größeren persönlichen Bereich, als tatsächlich der Fall.
©Illustration: Akane Lang Es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem wir keine melodischen Klänge wahrnehmen. Diese sind schon früh Bestandteil unseres Lebens. »Eine akustische Umgebung besteht schon vor der Geburt«, erklärt Susanne Bauer, Professorin für Musiktherapie an der Universität der Künste Berlin. Im Mutterleib nehme der Fötus verschiedene Klänge wahr und bereits ab dem vierten Monat auch solche, die von außen kommen. Musik, die in der Kindheit als angenehm empfunden werde, könne später noch positive Assoziationen wecken, so Bauer.
»Auch Heavy Metal oder Rockmusik können beruhigend wirken, wenn Individuen positive Erfahrungen mit der Musik verbinden.«
Wirkt Musik wie eine Droge? Das Glückshormon Dopamin wird ausgeschüttet und steigert unser Wohlbefinden. Küssner ergänzt, dass gleichzeitig das Stresshormon Cortisol reduziert werden könne: »Durch gemeinsames Singen zum Beispiel.« Er selbst ist davon überzeugt, dass Musik, vor allem auf Konzerten, all unsere Sinne aktiviere. Es gäbe sogar Personen, die Musik als Geschmack auf der Zunge spürten. Bei sogenannten Synästhetiker*innen – also Menschen, deren Sinneswahrnehmungen besonders stark verflochten sind – finde dies in gesteigertem Maße statt. Die Idee des Hörens von Musik auf Tonträgern wie CDs oder auf Spotify, ohne die Musizierenden dabei zu sehen, sei evolutionsbio-
Dass sich keine pauschalen Aussagen über Genres und daraus erzeugte Emotionen treffen ließen, sagt auch Mats Küssner, Musikpsychologe und Dozent für Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Wichtig für die Ausprägung des Musikgeschmacks sei vielmehr die Sozialisation und in welcher Musikszene man sich bewege.
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