FURIOS 27
Willkommen in der Porno-Revolution? Im Internet drehen sich 25 Prozent aller Suchanfragen um Pornografie. Selbstbestimmung und Diversität sind dabei nicht die ersten Assoziationen. Hoffnung auf Veränderung bringt OnlyFans. Wahr gewordene Utopie oder Spitze des Plattformkapitalismus?
bleiben bei der Plattform. Boomen konnte die Seite vor allem aufgrund der Pandemie. Nicht nur Seminarräume, Feierabendbiere und Arbeitsplätze mussten ins Virtuelle umziehen, sondern eben auch die Sexarbeit. Zu OnlyFans gehören zwar auch virtuelle Yogakurse und Gitarrenunterricht, ihre DNA ist aber schnell die Pornografie geworden. Ersteller*innen für Content direkt zu bezahlen, statt sie in dauerhafte Werbefiguren zu verwandeln, ist an sich schon eine progressive Idee. Gerade im Bereich der Pornografie wurde OnlyFans so bereits früh ein revolutionäres Potenzial zugeschrieben. Ohne Arbeitshierarchien durch Regisseur*innen und Produzent*innen könnten Pornodarsteller*innen frei ihre eigenen Narrative entwickeln und würden dafür auch noch direkt bezahlt, so die Hoffnung. Damit einhergehen würden diversere Darstellungen von Sex und Körpern, mit denen sich auch die Darsteller*innen wohlfühlten. Diese Art der Selbstbestimmung habe Sexarbeit für immer verändert, titelte die New York Times schon 2019. Was ist dran an der sexuellen Revolution auf OnlyFans? ©Foto: Simon Geiger
In Marius’ Augen unterscheidet sich seine Arbeit völlig von professionell produzierten Videos, die auf Mainstream-Pornoseiten zu finden sind: »Die sind viel zu übertrieben. Niemand brüllt so beim Sex rum.« Mitmachen möchte er in solchen Produktionen nicht. Denn auf OnlyFans sei alles privater und vor allem echter. So finde sich auf seiner Seite nur Material, das er selbstbestimmt produziert hat. Dabei gefalle ihm der Gedanke, dass Menschen auf seine Bilder masturbieren. »Sonst würde ich das auch nicht machen«, meint er. Außerdem schätzt Marius an seiner Arbeit, nicht an einen festen Ort gebunden zu sein: »Ich kann überall Sex haben und mir einen runterholen.«
Während andere 20-Jährige gerade ihr Studium beginnen, von einem prekären Arbeitsverhältnis ins nächste stolpern oder mit einer Ausbildung ihr Glück versuchen, verdient der Berliner Marius Rohde monatlich bereits fünfstellige Summen. Dieses Geld bescheren ihm Fotos und Videos im Internet. Das Motiv? Er und sein Körper. Klar, ein Influencer, der sein Geld mit Werbeeinnahmen auf Instagram verdient, mag so manche*r beim Lesen annehmen. Doch Marius’ Content ist nur über ein monatliches Abo verfügbar – und sehr viel expliziter, als es auf Instagram sein darf. Denn er produziert Amateur-Pornografie auf der Internetplattform OnlyFans.
Seinem Kanal folgen momentan 1.600 Menschen, die regelmäßig mit neuem Content überrascht werden wollen. Zweimal die Woche postet er deshalb neue Fotos und Videos, montags und freitags. Zeit für Urlaub und ›Digitalfasten‹ bleibt da wenig. Das brauche er aber auch nicht, erklärt er.
Blonde Löckchen, wache blaue Augen und ein verschmitztes Grinsen. Sein Instagram-Feed zeigt Marius im Urlaub und in Cafés, am Strand oder in schicken Klamotten auf den Straßen Berlins. Nur hin und wieder schleicht sich ein oberkörperfreies Bild ein. Für 15 US-Dollar monatlich kann man Marius von einer anderen Seite kennenlernen – auf OnlyFans bekommen Abonnent*innen tiefe Einblicke in seine sexuellen Vorlieben, Fetische und das Sexleben mit seinem Freund.
Allerdings besteht das Produkt auf OnlyFans nicht allein aus dem hochgeladenen Content. Abonnent*innen suchen auch Nähe und Intimität. Denn nicht nur Körper, auch Einblicke in die Schlafzimmer der Creators werden geteilt. Viele verwenden zudem die Chatfunktion der Seite, um in Kontakt zu treten. Marius erzählt, einige würden sich nur gern mit ihm austauschen. Andere teilten ihre ganz persönlichen Wünsche. Für ein ›Trinkgeld‹ von 50 bis 250 US-Dollar erfüllt er sie, vorausgesetzt er hat auch Lust darauf. Etwa die Hälfte seines
Das Geschäftsmodell von OnlyFans ist denkbar einfach: Sogenannte ›Creators‹ wie Marius laden auf eigenen Kanälen Bildmaterial hoch. Um dieses sehen zu können, ist ein monatliches Abo fällig, dessen Preis die Creators selbst bestimmen. 20 Prozent ihrer Einnahmen
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