INTERVIEW . John Greenwood, Invesco
Hat die Konjunkturerholung bereits ihr Top erreicht? Die Anzeichen mehren sich, dass die rasante Konjunkturerholung der globalen Wirtschaft bereits ihren Höhepunkt überschritten haben könnte. Gleichzeitig steigt die Inflation ungebremst: eine explosive Mischung. WO L F G A N G R E G N E R
erste Inflationstypus ist bereits voll entwi-
angestiegen - dank Anleihenkäufen und
tenbankern und Chefökonomen ist
ckelt, während der zweite gerade aufzutau-
Krediten an die Geschäftsbanken mit der
entbrannt: Ist die derzeit rasant
chen beginnt.
Auflage, diese auch als Kredite an Unternehmen in der realen Ökonomie weiterzu-
steigende Inflation ein temporäres Phäno-
men, oder doch eher ein struktureller Fak-
Die aktuelle Inflation ist also keine tem-
reichen. Dadurch wurde ein viel größeres
tor, der sich länger bemerkbar machen
poräre Erscheinung?
Inflationspotenzial ausgelöst.
wird? Invesco-Chefökonom John Green-
Wenn ich in meinen 50 Jahren in der Wirt-
wood meint, dass Veränderungen der Geld-
schaftsforschung etwas gelernt habe, dann
Wie lange wird die Inflation anhalten?
menge außerhalb des Bankensystems wich-
ist es das: Inflation ist immer und überall
Zwei Faktoren werden das überschüssige
tiger für die Inflationsentwicklung sind als
ein monetäres Phänomen, wie schon der
Geldmengenwachstum absorbieren: Das re-
Zinssätze oder Bilanzen der Notenbanken.
US-Nobelpreisträger Milton Friedman be-
ale BIP-Wachstum (meist bei rund zwei Pro-
Höhere Zinsen seien nicht automatisch mit
merkte. Unter „Geld“ verstehe ich Geld in
zent, mit Ausnahme Chinas) und der Bedarf
einer Kreditverknappung verbunden.
den Händen der Öffentlichkeit, also der ge-
an Bargeld (meist in der Range von 1,7 bis
wöhnlich agierenden Wirtschaftssubjekte,
2,9 Prozent). Der große Rest wird jedoch in
und nicht das Geld, das in den Zentralban-
Form von Inflation auftauchen. Da letzterer
Hat die laufende Konjunkturerholung bereits ihr Top erreicht?
Prozess rund zwei Jahre dauert, wird die In-
Sowohl die Erholung als auch die Inflation
flation im kommenden Jahr höher und
sind ein zweistufiger Prozess. Der steile Anstieg der Konjunktur nach dem CoronaCrash ist in den meisten Ländern zum Großteil bereits vollendet, doch diese werden wie in einem typischen anziehenden Geschäftszyklus noch einige Jahre weiter wachsen. Anders ausgedrückt: Die Veränderungsrate
des
realen
Die Preise für knappe Waren werden viel schneller steigen als die Preise für leicht zu findende Waren.
Bruttoinlandspro-
nicht niedriger ausfallen als 2021. Die Inflation bleibt ein dauerhaftes und nicht ein temporäres Phänomen. Führt die Digitalisierung nicht zu Preisdruck? Auch die Digitalisierung ist ein Phänomen wie auch die Demografie. Die sinkenden
duktes (BIP) hat ihr Hoch bereits erreicht,
ktresoren schlummert. Diese Unterschei-
doch das absolute Niveau der ökono-
dung ist wichtig, weil die Resultate der
falls kein Fall einer Deflation, sondern nur
mischen Aktivitäten (also der Level des BIP)
Geldpolitik in der Pandemie große Unter-
einer relativen Preisverschiebung im Ver-
wird weiter zulegen - falls uns nicht eine
schiede zur monetären Stützung nach der
gleich mit dem Dienstleistungsbereich.
neue, noch gefährlichere Coronavirus-Vari-
letzten großen Finanzkrise 2008/09 auf-
Preise für technologische Güter sind eben-
ante heimsucht. Was die Inflation anbe-
weisen. Denn im Anschluss an diese haben
langt, so sollte man zwischen der Inflation
die Zentralbanken geldpolitische Maßnah-
hier eine Blase?
als Begleiterscheinung der Wiederöffnung
men ergriffen, die zum Großteil das Zen-
Der starke Anstieg der Häuserpreise ist fast
der Weltwirtschaft mit all ihren Anzeichen
tralbankgeld in den Bilanzen der Noten-
ausschließlich durch das Ausmaß des Geld-
wie Gütermangel, Engpässe bei Vorpro-
banken ausweiteten, nicht aber das Geld in
mengenwachstums bestimmt. Ein exzes-
dukten, Lieferkettenproblemen etc. und der
den Händen der Öffentlichkeit. Daher blieb
sives Geldmengenwachstum taucht zuerst
Teuerung als Folge des exzessiven Geld-
die Inflation weiterhin niedrig. Während
in steigenden Asset-Preisen auf (Aktien, Im-
mengenwachstums
der Pandemie jedoch ist Letzteres deutlich
mobilien, Anleihen, Gold und anderen Roh-
unterscheiden.
Der
Und der Immobilienboom? Sehen wir
Credit: beigestellt/Archiv
E
ine heftige Diskussion zwischen No-
8 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2021
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