Vita Catholica Banatus Nr.2 - 2021

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DIÖZESANAKZENTE Pfarrer Karl ZIRMER, Dekan des Dekanats Rüsselsheim

Ostern 2021: Die Mauer des Todes ist gefallen „Wir alle sind hier, um zu erinnern. An die Nacht der Nächte, nach der nichts mehr war wie zuvor... “ Diese Worte stammen nicht aus einer Osterpredigt in der „Nacht aller Nächte“, wie die Osternacht in der Liturgie auch genannt wird. Sie stammen aus einer ganz profanen Rede. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sie gehalten am 9. November 2019 anlässlich des 30.-ten Jahrestages des Falls der Berliner Mauer. Er erinnerte darin an die vielen Menschen, die regelmäßig montags friedlich gegen die politischen Verhältnisse in der DDR demonstriert haben, aber auch an Einzelpersönlichkeiten wie Michael Gorbatschow, der durch seine mutige Politik eine Politik der Entspannung und Annäherung eingeleitet hat oder Ronald Regan mit seiner Mahnung vor dem Brandenburger Tor am 12. Juni 1987: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall“ „Reißen Sie diese Mauer nieder!“ Diese Mauer hatte 28 Jahre lang die beiden deutschen Staaten, die zwei Hälften Europas getrennt. Beide Länder waren ursprünglich durch eine scharf bewachte Grenze getrennt; nur in Berlin konnte man frei von Ost nach West gelangen und umgekehrt. In den 1950er Jahren aber zogen immer mehr Bürger der DDR über Berlin in den Westen. Um dem ein Ende zu setzen, baute die Führung der DDR 1961 mitten durch Berlin eine Mauer. Die Stadt war damit zweigeteilt. Viele Menschen verloren im Laufe der Jahre ihr Leben bei dem Versuch, diese Mauer zu überwinden. „Die Mauer fiel nicht einfach. Sie war brüchig geworden“, sagte der Bundespräsident. „Brüchig geworden“ weil die Menschen sich mit der Teilung durch diese Mauer nicht abgefunden haben. „Die Menschen in Osteuropa haben sie ins Wanken gebracht… Ihr Mut hat den Menschen in Ostdeutschland Mut gemacht. Ihr Mut hat die Teilung Europas beendet“. Auch wenn die Berliner Mauer, Gott sei Dank,

verschwunden ist, - eine andere Todesmauer besteht weiterhin. Sie scheint tod-sicher zu sein. Wir alle werden selber einmal vor dieser Mauer stehen – am Ende unseres Lebens. Denn wir sind nicht unsterblich, auch wenn wir das in Zeiten der Hochstimmung manchmal vergessen. Das Alte Testament sagt über den Menschen ganz realistisch: „Alles Sterbliche ist wie das Gras und all seine Schönheit ist wie die Blume auf dem Feld. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt“ (Jes 40,6f.). Dem Tod begegnen wir aber nicht erst am Ende unseres Lebens, sondern schon Tag für Tag, in den Nachrichten von Funk und Fernsehen, in den Schlagzeilen der Zeitungen oder im weltweiten Netz. Tag für Tag werden auch die Zahlen der Menschen genannt, die mit oder an Covid-19 gestorben sind. Der Tod aber bleibt anonym. Er reißt Menschen aus dem Leben, die uns unbekannt sind. Er steht zwar auf der Tagesordnung. Wir aber gehen meistens zur Tagesordnung über, als wäre nichts geschehen. Wir haben uns an solche Schreckensnachrichten gewöhnt. Doch plötzlich sind wir zutiefst erschüttert. Ein Mensch, den wir geliebt haben; ein Freund, mit dem wir uns verbunden gefühlt haben; eine VITA CATHOLICA BANATUS

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