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Über Nordafrika nach Indochina

Über Afrika nach Indochina

Von Ludwig Höcher

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Unmittelbar nach dem 23. August 1944 wurden alle Deutschen aufgefordert, sich bei der lokalen Gendarmerie zu melden, ihre Radios, Photoapparate, Fahrräder u. a. abzugeben. Es stellte sich später heraus, dass die Meldeliste der Deutschen vom August 1944 für die Aushebung am 15./16. Januar als Beweisliste gedient hatte. Ich war in jenen Tagen nicht zu Hause in Ferdinandsberg, sondern beim rumänischen Militär, wo ich selbstverständlich als Deutscher registriert war. Wäre ich am 15./16. Januar noch beim Militär gewesen, dann wäre ich aus den Reihen geholt und zur VerschlepLudwig Höcher pung übergeben worden, wie es meinen zwei Klassenkollegen widerfahren ist. Sie dienten in einer anderen Reserve-Offizierschule und wurden damals beim Rapport herausgerufen, umgekleidet und dem Deportationsorgan übergeben. So haben meine Kollegen Egon Wermescher und Hugo Wehry fünf Jahre im Kohlenbergbau und als Waldarbeiter in Russland arbeiten müssen. Da ich Weihnachten 1944 zu Hause erleben durfte, feierte ich diese Festtage wie gewöhnlich mit meinen rumänischen Kollegen und Freunden. Öffentliche Bälle, wie einst üblich, waren allerdings verboten. Nur am 15. Januar war solch eine Veranstaltung genehmigt. Leider wurde mir hier das Tanzen verleidet. Ein mir gut gesinnter Rumäne, der Mitglied im Gemeinderat war, nahm mich in der Pause zur Seite. Er gab mir den Rat, die Veranstaltung sofort zu verlassen. Ich verließ den Tanzsaal, ohne Abschied zu nehmen und ohne Aufsehen zu erregen. Ich machte mich trotz meiner sonntäglichen Aufmachung nach Glimboca auf, wo ich den für mich zugedachten Salasch (Stall) erreichte. Tags darauf erfuhr ich von meinem Freund Simion, der mich mit seinem Onkel hier aufsuchte, was in der Nacht vom 15. auf den 16. geschehen war. Die Aushebung aller noch hier lebenden Deutschen wurde kurz nach Mitternacht auf unmenschliche Art und Weise von den Russen durchgeführt, die von einem rumänischen Gendarm und einem Vertrauensmann, einem Kommunisten, begleitet wurden, um so die Namen und Hausnummern leichter zu finden. Herzzerreißende Szenen spielten sich ab; Mütter wurden von ihren kleinen

Kindern getrennt. Wo keine Großmutter da war, wurden diese Kinder bei den Nachbarn untergebracht. Einige haben sich durch überstürzte Flucht in Sicherheit gebracht, doch wurden sie durch Vergeltungsmaßnahmen später gezwungen, sich zu stellen. Auch Selbstmorde hat es gegeben. Herr Müller, eigentlich ein Österreicher, erschoss sich, nachdem er zuerst seiner Ehefrau durch Kopfschuss das Ende bereiten wollte. Frau Müller überlebte jedoch und blieb von der Verschleppung verschont. Ich wurde nicht gesucht. Ich hielt mich auch die nächsten Tage in Ferdinandsberg auf, später in einem anderen Ort beim Onkel meines Freundes Simion. Meine Freunde konnten meine miserable Lage besser beurteilen als ich selbst. Sie verschafften mir zuallererst falsche Ausweispapiere mit rumänischem Namen, denn mit deutschem Namen wurde man bei einer Razzia sofort festgenommen. Sie sorgten auch dafür, dass ich aus dieser für mich gefährlichen Region, wo ich doch gut bekannt war, wegkam. Ende Januar war ich in Hermannstadt, wo ich zuerst bei meinem Freund Simion wohnte. Alles lief gut bis zu dem Tag, an dem man mir einen Rucksack mit Winterausrüstung und ein paar Skiern ins Haus brachte mit der Aufforderung, mich für den Abend bereitzuhalten. Vagen Andeutungen konnte ich entnehmen, dass Gefahr im Verzuge war. Es war mir klar, dass meine Legionär-Freunde im politischen Untergrund tätig waren. Bei einigen Aktionen war ich bereits beteiligt gewesen.

Bei Nachteinbruch wurde ich von einem jungen Burschen abgeholt. Ich wusste nur, dass er mit Spitznamen Puiu hieß. Wir schlugen den Weg in die Richtung Junger Wald ein, der Straßenbahnlinie folgend. Am Friedhof angelangt, machten wir Halt, und mein Kompagnon pfiff, bis wir hinter der Friedhofsmauer ähnliche Pfiffe als Erkennungszeichen wahrnahmen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und schon sprangen drei Gestalten über die Mauer und sprachen uns an. Sie sprachen Deutsch, mein Freund sprach nur Rumänisch. Da erkannte ich die mir zugedachte Stellung und Verwendung: Ich wurde als Dolmetscher gebraucht. Die Gruppe der drei noch Unbekannten bestand aus Jakob Kolb, Herbert Doll und Karl Roth. Jakob Kolb, Jacky genannt, war Hauptmann des Fallschirmregiments Brandenburg und mit seiner 2. Kompanie nach dem Putsch bei Bukarest abgesprungen, um König Mihai I. zu kidnappen. Ein Versuch, der kläglich scheiterte. Wir sollten zu Fuß das Legionär-Partisanenlager in den Bergen erreichen und bis zum eventuellen Einsatz ausharren. Dort lebten wir zusammen mit 20 verschworenen Legionären bis Herbstanfang. Gelegentlich eines Abstiegs mit Jacky nach Hermannstadt erfuhren wir die letzten militärischen und politischen Meldungen. Sie waren hoffnungslos. Die Straßenkämpfe tobten schon in Berlin. Am 8. Mai kapitulierte Deutschland bedingungslos. Unsere Situation warf unzählige Fragen auf. Wie sollte es mit uns hier in der „Wildnis“ weitergehen? Ich jedoch, ausgestattet mit rumänischen Papieren,

dazu noch mit einem Studentenausweis, fühlte mich gefeit vor jeglicher Gefahr. Unzählige Razzien, die zum Abfangen und Auffinden von „feindlichen Elementen“ tagsüber in den bereits abgeriegelten Straßen eingesetzt wurden, passierte ich ohne Emotionen. Inzwischen war aber vereinbart worden, dass ich nach Hause fahren sollte.

In Ferdinandsberg fand ich alles fast wie in alter Zeit vor; Mutter war da, meine rumänischen Freunde waren vollzählig da. Nur waren sie schon in Aufbruchstimmung, um in die Universitätsstädte zu fahren. Die Sommerferien neigten sich dem Ende zu. Nur das Deutschtum, das fehlte. Von der alten Garde war nur noch Johann übriggeblieben. Da entschloss ich mich zum Studium. Ich fühlte mich sicher. Mit zwei Personalausweisen in der Tasche, besaß ich eine gewisse Immunität. Unser Herr Szabo, der Vermieter, meldete mich mit meinem rumänischen Namen bei dem Meldeamt in Klausenburg an, im guten Glauben, ich wäre Rumäne. In der Uni war ich mit dem deutschen Namen eingetragen, da meine Zeugnisse auf meinen richtigen Namen ausgestellt waren. Dann kamen die ersten Russlanddeportierten heim und erzählten hinter vorgehaltener Hand von den grausamen Bedingungen der Zwangsarbeiter, aber auch vom allgemeinen Leben im „siegreichen und blühenden Sowjetreich“. Nur Invaliden und Schwerkranke durften den Heimweg antreten. Es herrschte große Not; Lebensmittel konnten nur auf dem Schwarzmarkt gekauft werden. Nach der in Kraft getretenen Agrarreform, eher eine Enteignung des Bauerntums, kam der Markt gänzlich zum Erliegen. Während der Sommerferien 1946, die ich bei meiner Mutter in Ferdinandsberg verbrachte, wurde ich in Abständen zur Gendarmerie gerufen. Manchmal begründet, als man uns das Radio zurückgab, ein anderes Mal aber ohne jeglichen Grund, was mir damals unerklärlich blieb. Zum Glück wurde ich jedes Mal nach Hause geschickt. In Klausenburg erfuhr ich keine Schikane. In den Sommerferien 1947 fuhr ich erneut nach Hause. Anfangs unbehelligt, holte mich ein bewaffneter Gendarm ab, als wir uns schon für die Uni vorzubereiten begonnen hatten. In der Gendarmerie war schon ein Deutscher. Es war Schweinert, der auch nicht zur SS gegangen war, sondern wie ich den Militärdienst als Soldat in der rumänischen Armee abgeleistet hatte. Wir warteten gelangweilt. Es verging die Mittagsstunde, und wir saßen noch immer da, ohne den Grund zu wissen. Erst in den Nachmittagsstunden wurden wir einem bewaffneten Gendarmen übergeben, der uns in Lugosch abliefern sollte. In der dortigen Gendarmeriekaserne brüllte der Wachtmeister unseren Gendarm zuerst an, warum er uns nach Büroschluss abliefere. Der verdutzte Gendarm verneinte jede Schuld, wir seien vom Bahnhof direkt hierher gekommen. Nachdem der Wachtmeister die Papiere entgegengenommen und dem Gendarm die Heimreise befohlen hatte, fragte er uns: „Nun, was mach' ich mit euch?“ Nach einer kleinen Überlegung hörten wir: „Geht in die Stadt, sucht euch ein Zimmer, und

morgen um 9 Uhr seid ihr wieder hier!“ Welch eine Überraschung für uns! Wir suchten uns ein Zimmer und verbrachten den Abend feuchtfröhlich. Unser Entschluss stand fest: Wir hauen ab. Tags darauf ging es nach Ferdinandsberg. Ich war entschlossen, zunächst einmal unterzutauchen. Für mich stand aber auch fest, dass ich Rumänien verlassen musste. Es wäre zu gefährlich gewesen, lediglich unterzutauchen, denn jetzt hatte ich mich bewusst den Staatsorganen entzogen, was mich schwer belasten würde. Außerdem war der Gedanke an eine Flucht aus Rumänien seit langer Zeit vorhanden. Absprachen mit einigen sehr guten Freunden waren soweit gediehen, dass wir das Vorhaben in kürzester Zeit umsetzen konnten. Für mich war die Zeit reif. Ich nahm sofort Kontakt zu den Personen auf, die sich anschließen wollten. Wir mussten eiligst aus Ferdinandsberg weg, vor allem ich. Es war nicht einzuschätzen, wie der Wachtmeister in Lugosch das Fernbleiben am nächsten Tag aufgenommen hatte. Wie würde er reagieren? Noch am selben Abend trafen wir uns am Bahnhof, nahmen aber die Gegenrichtung als Ziel, Arad an der ungarischen Grenze. Wir, die Verschworenen, waren: Simion, Ferry und ich. In Arad sollten wir Pubi Papházy treffen, der sich uns als guter Grenzführer anschließen wollte. In Arad jedoch haben wir Pubi an seiner Adresse nicht angetroffen. Man sagte uns, er sei unterwegs. Wir warteten zunächst auf Pubis Rückkehr. Da uns die Stadt doch zu gefahrvoll erschien, zogen wir aufs Land, ins Grenzdorf Curtici, wo wir Unterkunft bei einem Bauern fanden.

Erster Fluchtversuch

Da wir Pubi nicht erreichen konnten, entschlossen wir uns, auf eigene Faust über die Grenze zu gehen. Ferry ging eines Tages mit dem Bauern aufs Feld, um die Richtung zu erkunden. Am Abend darauf, bei Einbruch der Dunkelheit, wollten wir losziehen. Wir hatten uns schon zum Abschied die Hände gereicht, da eröffnete uns Simion, er habe sich entschlossen, nicht mitzugehen, sondern nach Hause zurückzukehren. Selbstverständlich waren wir überrascht, hatten jedoch keine Zeit, ihn umzustimmen. Also zogen wir nun zu zweit los, folgten einem Feldweg und kamen gut voran. Plötzlich hörten wir Wagengeräusche, die sich uns näherten, aber die Gefahr nicht ahnend, blieben wir auf der Straße. Auf dem Wagen saßen ein Unteroffizier und ein Grenzsoldat. Sie nahmen uns fest und fuhren uns zum Grenzerstützpunk. Der große eingezäunte Hof des Grenzerstützpunkts war voller Menschen; alle in jener Nacht gefasst. Die meisten von ihnen waren schwäbische Bauern, die in ihre Dörfer zurück wollten. Andere Schwaben wollten in den Westen, um dort ihre Familien zu erreichen, die nach Deutschland geflüchtet waren. Eine große Gruppe bildeten die Juden, die dem Ruf der internationalen jüdischen Organisation JOINT in den Westen folgen

wollten. Wir wurden einem Offizier übergeben, der uns nach unserem Reiseziel fragte. Wir verstrickten uns schon beim ersten Verhör in Widersprüche, so dass wir beim zweiten Verhör unsere Fluchtpläne zugeben mussten. Damit zufrieden, steckte der Offizier seine Pistole in den Schaft, mit der er uns vorher gedroht hatte, falls wir ihm nicht die Wahrheit sagen würden. Nachher ließ man uns frei im Hof umherlaufen, und wir konnten somit mit den anderen Leidensgenossen sprechen. Irgendwie fielen wir auf. Besonders Juden suchten das Gespräch mit uns. Wir fanden das seltsam. Eine jüngere Frau plauderte freimütig mit uns. In unserem jugendlichen Leichtsinn verkannten wir unsere missliche Lage; wir brüsteten uns, besonders der neuen Bekannten gegenüber, wir wollten demnächst wieder einen Grenzübertritt wagen. Unser Getue erweckte Eindruck, denn diese Frau ließ nicht mehr locker und bat uns sogar, sie beim nächsten Versuch mitzunehmen. In unserer überschwänglichen Stimmung versprachen wir ihr das, und sie gab uns ihre Anschrift in Arad. Sie hieß Della Sonntag und war verwitwet. Bei Tagesanbruch wurden die Juden von außen versorgt. Es kamen, meiner Meinung nach auch Juden, die regelmäßig Essen brachten. Umso mehr staunten wir, als man uns auch bedachte. Ein Stück frisches Brot und eine Zwiebel, das kam unserem leeren Magen gerade recht, und es schmeckte vorzüglich. Ferry und ich wurden in ein Gefängnis nach Arad überführt, wo wir untätig, etwa zu sechst in einer Zelle, eine Woche verbrachten. Anschließend brachte man uns nach Temeswar, wo ich von Ferry getrennt wurde. Er, als Rumäne, wurde bis zur Gerichtsverhandlung freigelassen, ich jedoch, als Deutscher, wurde der Polizei überstellt. Wir waren zunächst etwa 50 Personen in einem Hinterhof. Es sollten aber immer mehr werden, denn Prostituierte, Zuhälter und Bettler kamen nachts hinzu. Am Nachmittag wurde ich einer anderen Polizeistelle überstellt. Auch dort ein großer Hinterhof, umgeben von leeren Büros. Nahezu 100 Menschen waren hier eingepfercht. Es dürfte die Polizeipräfektur am Domplatz gewesen sein. Die Tage verstrichen. Einige der Festgehaltenen, auch hier waren es in der Mehrzahl Schwaben, wurden weggebracht. Ich weiß nicht, ob sie in Freiheit entlassen wurden. Mit jedem Tag wurden wir weniger Gefangene. Ich blieb zurück. Inzwischen war es mir gelungen, meinen Freund Hermann, der aus Russland heimgekehrt war und hier eine führende Stellung als Ingenieur hatte, zu benachrichtigen, dass ich hier „saß“. Er kam täglich mittags zu Besuch. Ansonsten waren die Tage sehr langweilig. Ich vermied Gespräche mit den anderen, weil ich nur Klagen zu hören bekam. Die Nächte dagegen waren ziemlich kalt, und ich kämpfte mit Bewegung gegen die Kälte an. An einem Tag, als ich schließlich allein übrig war, erfuhr ich, dass ich am nächsten Tag nach Steierdorf-Anina ins Arbeitslager abkommandiert werde. Weil ich mich schon die ganze Zeit nach einer Fluchtmöglich-

keit umgesehen hatte, gab ich meinen kleinen Handkoffer Hermann mit. Mit ein wenig Glück schien mir die Flucht möglich. Während der Mittagszeit, wenn die Beamten die Büros verließen, kam regelmäßig die Frau des Wachpolizisten, der seine Beobachtungsstelle in unmittelbarer Nähe des Tores hatte, das auch einen schmalen Durchgang hatte. Die Frau brachte ihrem Man Essen. Ich beobachtete, dass die beiden sich nicht nur laut unterhielten, sondern sogar fröhlich miteinander schäkerten. Ich nahm mir vor, zu fliehen. Mit einer Zigarette in der Hand betrat ich den breiten Gang, ging am Spionfenster vorbei und öffnete mit Herzklopfen die schmale Tür. Im nächsten Moment war ich draußen. Zwar hielt mich jemand an, aber nur, um mich etwas zu fragen. Ich erreichte das Eck der Präfektur, wo ich dann zu laufen begann, so schnell ich nur konnte. Ein Freund brachte mich für die Nacht bei einem Bekannten unter. Am nächsten Tag stieg ich am Fabrikstädter Bahnhof in Temeswar in einen Zug in Richtung Arad, denn dort sollte ich Ferry wieder treffen. Beim Einsteigen bemerkte ich eine Gruppe von vier Leuten, darunter eine mir bekannte Person. Es war unglaublich, aber wahr: unser Pubi, der Grenzführer, den wir vergebens in Arad gesucht und erwartet hatten, nun stand er da. Er gab mir Zeichen, ihn noch nicht anzusprechen. Nachdem er die drei in einem Abteil untergebracht hatte, kam er zu mir. Er versicherte mich, noch heute werde er mich aus meiner misslichen Lage befreien. Die Bahnfahrt bis zur Grenzstation Curtici verlief ohne Zwischenfall. Pubi führte seine drei Begleiter, es waren Juden, die er über die Grenze führen wollte, in sein Versteck, und ich ging zu unserem, wo ich Ferry treffen sollte. Ferry wartete tatsächlich schon einige Tage auf mir. Er hatte keine Ahnung von den Hindernissen, die sich mir entgegengestellt hatten. Als ich ihm mitteilte, dass Pubi uns am Abend besuchen werde, brach er in Lachen aus; er dachte, das sei ein dummer Scherz. Am späten Nachmittag besprachen wir mit Pubi den Fluchtplan, der noch in der kommenden Nacht in die Tat umgesetzt werden sollte. So glücklich Ferry auch war, ich konnte mich nicht recht mitfreuen. Nach dem vielen Glück der letzten Tage bedrückte mich jetzt unser Versprechen, Della mitzunehmen. Deshalb schlug ich vor, die Flucht aufzuschieben. Am Abend mussten wir noch den drei Juden die Änderung mitteilen. Da war Frau Schwarz, von Beruf Damenfriseurin, und ihre Tochter, ein gut aussehendes, lebendiges Mädchen, das noch keine 16 war. Die dritte Person war ein junger Student. Wir wurden uns einig, noch einen Tag zu warten, um Zeit zu haben, Della abzuholen. Am nächsten Tag fuhr Ferry nach Arad und kam am Abend mit Della zurück. Della wurde wohlwollend von allen aufgenommen. Am späten Abend begann die Vorbereitung. Das reichliche Gepäck wurde auf einem Leiterwagen verstaut, und dann wurden wir, nun sieben an der Zahl, unter Stroh versteckt. So

wurden wir aus dem Hof und dann aus Curtici gefahren. Nach etwa einer Stunde unbequemer Fahrt stiegen wir aus und machten uns nun mit unseren Koffern zu Fuß auf den Weg. Der Marsch war mühselig. Frau Schwarz hatte zwei große Koffer, schwer mit Friseurutensilien aus ihrem Salon gefüllt, ihr ganzes Kapital. Ich hatte nur einen kleineren Koffer und Ferry nur eine geräumige Aktentasche, so dass wir uns als Kofferträger von Frau Schwarz betätigten. Der nächtliche Marsch kam uns vor wie eine Odyssee. In der wolkenlosen Nacht näherten wir uns mit jedem Schritt unserem Ziel, der rumänischungarischen Grenze. Einige Male mussten wir zum Verschnaufen stehen bleiben, dann wortlos im Laufschritt Bodeneinschnitte durchschreiten. Als die Grenzstreife eben um eine Ecke bog und wir damit nicht zu sehen waren, erhielten wir von Pubi das Zeichen: Los. Wir liefen der Grenze entgegen. Unbehelligt suchten wir Deckung in einem Maisfeld. Jedoch hatten uns Zigeunerjungen gesehen, die sich an uns heranmachten. Erst als sie einige Armbanduhren und etwas Schweigegeld erhalten hatten, entfernten sie sich. Den folgenden Tag mussten wir uns bei einem Bauern namens Kovács still verhalten, denn die ungarischen Grenzer kamen öfters auf einen Schluck vorbei. Erst bei Einbruch der Dunkelheit wurden die Vorbereitungen zum Abtransport getroffen. Es zeigte sich jedoch, dass unser Gepäck unmöglich unterzubringen war. Deswegen wurde vereinbart, nur das Notwendigste mitzunehmen. Die zwei großen Koffer mit den Friseurutensilien wurden sollten nach unserer Ankunft in Budapest von Pubi und Ferry abgeholt werden. Unter Stroh versteckt, wurden wir erneut mit einem Pferdewagen aus dem kleinen Ort hinausgefahren. Unser Ziel hieß diesmal Lőkösháza, der nächste Ort, wo eine JOINT, eine Aufnahmestelle für Juden, eingerichtet sein sollte. Mit den Frauen war vereinbart worden, dass wir ihnen bis Ungarn behilflich sein werden und sie im Gegenzug in Ungarn beim JOINT bezeugen werden, dass wir Juden wären, deren Papiere verlorengegangen seien. Leider war die JOINT-Stelle in Lőkösháza aufgelöst, wir mussten mit dem Zug nach Budapest.

Mit jüdischem Pass nach Österreich

Wir fuhren die ganze Nacht durch. In Budapest trugen wir uns beim JOINT mit Hilfe der Frauen als Juden ein und bekamen provisorische Ausweise. Ich hieß nun Mischu Silberberg, Ferry hieß Ferry Strauss, und Pubi behielt seinen Namen: Pubi Papházy. Tags darauf fuhr ich, wie schon mit Ferry und Pubi geplant, zum Hauptbahnhof. Die zwei sollten zur Grenze zurückfahren, um das Gepäck nachzuholen. Der nächste Treff wurde für einen der folgenden Tage vereinbart. An dieser Stelle muss ich über eine Abmachung berichten, die wir im Laufe unserer Feier in Lőkösháza getroffen hatten. Es dürfte am reichlich servierten guten Wein gelegen haben, dass Pubi ein gewagtes Zwischenspiel vorschlug:

Verlockt durch die einträglichen Prämien, die er den Juden abverlangte, wollte er mit Ferry einen erneuten Grenzübertritt wagen und eine weitere Gruppe herüberführen. Die beiden zeigten sich entschlossen; meinen Einwand überhörten sie. Am vereinbarten Termin erwartete ich am Bahnhof die Rückkehr der beiden. Vergeblich. Auch an den folgenden Tagen tauchten sie nicht auf. Pubi und Ferry blieben überfällig. Ich musste annehmen, dass sie aufgeflogen waren. Den Frauen konnte ich den von mir vermuteten Grund des Fernbleibens nicht offenbaren, ich ließ sie in dem Glauben, dass sie bei einer Razzia in Ungarn festgenommen worden waren. Inzwischen hatten wir das JOINT-Lager verlassen und eine schöne und saubere Wohnung bezogen. Unsere Gastgeberin war eine Christin, die Witwe eines Juden, der in den Wirren des Krieges und der Verschleppung den Tod gefunden hatte. Sie war dem Judentum außerordentlich zugetan. Ich verehrte sie heimlich sehr. Das tägliche Leben bestand hier in der Hauptsache darin, dass ich zum JOINT gehen und von dort das Essen holen musste. Am Wochenende gab es koscheres Fleisch, es wurde für zwei Tage ausgeteilt. Inzwischen fuhren Transporte mit unzähligen Juden zur Grenze nach Österreich. Lastwagen fuhren am Tor des JOINT einzeln vor; darauf stiegen Aufgerufene, bis er voll war. Im Konvoi ging es nach Nickelsdorf zur Grenze. Nach ein paar Wochen wurde auch unsere Gruppe aufgefordert, sich bereitzuhalten. Frau Schwarz sorgte dafür, dass wir zurückgestellt wurden. So vergingen noch einige Wochen, aber Pubi und Ferry tauchten nicht auf. Für mich war klar, dass sie beim Versuch, nochmals die Grenze zu überschreiten, gefangengenommen worden waren. Inzwischen wurden wir erneut vom Joint aufgefordert, uns für den nächsten Transport bereitzuhalten. Mit einem Lkw fuhren wir im Konvoi Richtung Österreich. Wir standen dicht an dicht. Nachts ging es nach Nickelsdorf. Wir standen stundenlang auf dem Lkw ohne Halt, aber wird konnten nicht umfallen, weil einer den anderen hielt. In der Morgendämmerung hielt der Konvoi. Erst jetzt konnte man die lange Reihe der Lkw wahrnehmen. Da unser Lkw im hinteren Glied fuhr, hatte man beim Anhalten einen Überblick über das, was sich vor uns abspielte: Unzählige kleine Pünktchen und Striche, einige auch Klecksen ähnlich, bewegten sich alle in eine Richtung und nahmen die ganze Ebene ein. All diese Pünktchen waren Menschen, Juden auf der Flucht. Im wahrsten Sinne ein Exodus. Alle trugen ihr schweres Gepäck, das immer öfter von einer Hand in die andere wechselte. Einige trugen sogar zwei Koffer, über die Schultern gebunden, manche nur Rucksäcke, andere kleine Kinder. Da ich beim Überschreiten der rumänischen Grenze meinen Koffer zurückgelassen und nicht wiederbekommen hatte, war ich ohne Gepäck. Deswegen wurde ich „angeheuert“ als Träger zweier Koffer. Es war ein Job, der mir viel Kraft und Schweiß abverlangte. Ich bekam dafür eine gut duftende Toilettenseife. Damals ein Artikel, der als Grundkapital für

allerlei Tauschaktionen geeignet war. Ich war mehr praktisch als kaufmännisch veranlagt; ich wusch mich damit. Nach ein paar Kilometern mühseligen Marsches mussten wir an der österreichischen Grenze warten. Niemand wusste, warum. Gegen Mittag rollten amerikanische Lkw an, und wir wurden erneut verladen, um die kurze Strecke bis Wien zurückzulegen. Dort wurde das große und berühmte Rothschild-Hospital angesteuert, wo wir die erste Nacht im Freien verbringen mussten. Man fürchtete, wir könnten Läuse einschleppen.

Der „Visite“ des Rabbiners entgangen

Tags darauf wurden wir entlaust, dann sollte die „Visite“ des Rabbiners erfolgen. Vor der „Visite“ waren Frau Schwarz, ihre Tochter und Della meinetwegen sehr besorgt. Ich wusste nicht, warum. Dann aber, als wir einen flachen Bau mit mehreren Räumen betraten, ahnte ich plötzlich, was da folgen sollte. Es ging im Gänsemarsch den Gang entlang. Da kam mir die spontane Inspiration, aus der Reihe zu treten. In dem darunterliegenden Raum befand sich noch eine Tür, die ich öffnete, und siehe da, ich stieß direkt auf meine Frauen, die erschrocken nur noch fragen konnten: „Wie war's?“ Worauf ich wahrheitsgetreu antwortete: „Ich weiß nicht!“ Die Frauen drängten mich, den Männern zu folgen, die im Laufschritt, noch ihre Hosen hochziehend, den Ausgang verließen, um den Hof zu überqueren und die Büroräume aufzusuchen. Dort wurden die Namen nochmals überprüft, und am letzten Tisch der wertvolle JOINT-Paß ausgehändigt. Auch ich war nun im Besitz eines solchen Passes. Am Nachmittag wurden wir in ein Lager gefahren. Die Zimmer waren sauber, mit Doppelbetten ausgestattet, das Bettzeug auch sauber. Das Lager befand sich im amerikanischen Sektor. Des öfteren ging ich mit Della in die Stadt, jedoch wirkte diese trostlos. Überall zerbombte Häuser, sogar der Stephansdom war beschädigt, der Prater stillgelegt. Nur einige Gaststätten schenkten leichtes Bier aus. Ein öffentliches Bad war auch in Betrieb. Dorthin ging ich mit Della, aber auch mit einer kleinen Männergruppe gern baden. Inzwischen hatte ich mich mit einem Bukarester Friseur angefreundet, der uns oft begleitete. Eines Abends begaben wir uns in den russischen Sektor. In meiner jüdischen Gesellschaft musste ich immer auf der Hut sein, meine wahre Identität nicht zu verraten. Della versuchte vergeblich, mich zu überreden, mit ihr Wien „schwarz“ zu verlassen, um über Salzburg schneller nach Triest und von dort nach Palästina zu gelangen. Sie hatte mich zwar nie gefragt, ob ich nach Palästina wollte. Eines Morgens war Della weg. Ein paar Tage später hörte ich über den Lautsprecher meinen Namen. Ich möge in die Direktion kommen. Beim Eintritt ins Büro sah ich zwei kräftige, hochgewachsene Typen im Türrahmen stehen. Der Direktor begrüßte mich mit der Behauptung: „Sie sind kein Jude!“ Ich sei schon Jude, die Mutter sei Jüdin, der Vater nicht. Da wurde mir das Wort abgeschnitten, und

auf ein Zeichen wurde ich von den zwei Riesen mit den bereitgestellten Papieren hinauskomplimentiert und ins Rothschild-Hospital gefahren. Dort direkt ins Büro des Rabbis, der mir sofort befahl: „Hose runter!“ Ein Blick auf meinen Penis genügte, um festzustellen, dass ich nicht beschnitten war. Die zwei Riesen erhielten nun das nötige Attest und fuhren mit mir zurück ins Lager. Der Direktor eröffnete mir, dass ich nicht länger bleiben könne. Als ich nun merkte, dass man mit mir nicht grob umging, versuchte ich, Nachsicht und Milde zu erwirken. Meine Beteuerungen halfen, so dass ich ein Schreiben bekam, in dem meine Personalien als Mischu Silberberg beurkundet wurden und das als provisorischer Ausweis diente. Meinen JOINT-Paß musste ich abgeben. Ich holte aus dem Schlafzimmer meine versteckten echten Papiere, meinen Personalausweis, mein Abiturzeugnis und mein Uni-Zeugnis. Ich war wieder frei und auf mich allein gestellt. Ich musste nun sehen, wie ich nach Salzburg gelangen konnte und freundete mich mit einem Tschechen meines Alters an, der auch nach Deutschland wollte. Das große Problem bestand darin, dass wir zuerst die russisch-amerikanische Demarkationslinie überschreiten mussten. Ich benötigte keine große Vorbereitung, da ich kein Gepäck hatte, mein Freund war nur mit einem Rucksack ausgestattet. So begaben wir uns hoffnungsvoll zum Hauptbahnhof und fuhren in Richtung Linz. Die Demarkationslinie lag aber bei Dorf an der Enns, noch vor Steyr. Unsere Pläne, die Demarkationslinie zu überschreiten, waren verschieden. Mein Freund wollte einfach mit der Bahn durchfahren. Ich dagegen wollte die Demarkationslinie zu Fuß über die „grüne Grenze“ passieren. Deshalb schlug ich vor, am Bahnhof Dorf an der Enns auszusteigen und dann die beste Möglichkeit zu suchen. Ich stieg am Bahnhof aus. Kaum im Pulk der Leute aufgenommen, merkte ich, dass mein Freund hinter mir war. Ich fragte einen hochgewachsenen, kräftigen Mann, wo es über die Grenze gehe. Er war sehr überrascht über meine Frage und fragte: „Jetzt, bei Nacht?“ Es war tatsächlich schon finstere Nacht, aber nur deshalb hatte ich Mut, jemand so offen anzusprechen. Zu meiner Überraschung schlug der Mann vor, bei ihm zu übernachten und morgen, dann würden wir weitersehen. Wir folgten dem Mann in sein Haus, wo wir warmes Essen und ein sauberes Bett zum Schlafen bekamen.

Am russischen Posten vorbei in die US-Zone

Noch vor Tagesanbruch wurden wir geweckt. Im Finsteren gingen wir los, folgten einem Pfad über Wiesen und Felder. In der Morgendämmerung merkte ich, dass wir die Richtung zum Bahnhof einschlugen. Ich wollte es nicht glauben, aber wir näherten uns immer mehr. Als wir den Schienenstrang erreichten, fuhr gerade ein Zug ein. Es folgte ein unbeschreibliches Geschrei: Russen, die den

Zug begleiteten, schrieen für uns unverständliche Befehle und liefen hin und her, den Zug entlang. Wir, im Pulk der Menschen, die hier ausgestiegen waren, gingen weiter, bis wir zu dem nahen Fluss kamen. Es war bestimmt die Enns, die hier die Demarkationslinie bildete. Einige Schritte davor warf ich einen Blick nach rechts, wo eine befestigte Straße den Fluss über eine Behelfsbrücke überquerte, und erschrak im selben Moment. Dort war ein Wachhäuschen vor der Brücke und ein russischer Wachposten, der dort postiert stand. Ich erwartete, dass er uns in jedem Moment auffordern würde, stehen zu bleiben. Aber welch Wunder, es tat sich nichts dergleichen. Unser Führer marschierte unbeirrt weiter, wir folgten ihm und überquerten hinter ihm den Fluss. Am anderen Ufer reichte er uns die Hand und wünschte uns viel Glück. Wir waren noch immer sprachlos, konnten ihm nicht einmal gebührend danken. Ich gebe zu, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, auf welche Weise uns unser Mann über die Demarkationslinie führen würde, ich hätte nie zugestimmt, besonders weil es bei hellem Tag geschehen sollte. Manchmal ist es doch von Vorteil, wenn man einem unbekannten Mann sein Vertrauen schenkt. Nun waren wir in der amerikanischen Besatzungszone, einen wichtigen Schritt näher an unserem Ziel, nämlich Deutschland. Die nächste Stadt, Steyr, erreichten wir zu Fuß. Von dort fuhren wir mit dem Bus nach Linz. Da es ein regnerischer Tag war, warteten wir im Bahnhofsrestaurant, um gegen Mitternacht mit dem Zug nach Salzburg zu fahren. Dort harrten wir aus, bis mein Freund hinausging, um sich im Gang die Beine zu vertreten. Kurz darauf gab es eine Polizei-Razzia. Zwar wurde der Ausgang sofort versperrt, doch es gelang mir, dank meiner vielen Erfahrungen, die Polizisten zu überlisten. Mein Freund kam allerdings nicht mehr zurück, auch nach Stunden nicht. Weil er meine Fahrkarte bei sich hatte, musste ich erneut eine lösen. Ich fuhr dann ohne jeglichen Zwischenfall nach Salzburg und verbrachte die Nacht im Bahnhof. Ziemlich spät kam ein Pulk fröhlich lärmender Menschen herein. Ich erkannte sofort einige davon. Darunter war auch mein befreundeter Friseur aus Bukarest, den ich im Lager in Wien kennen gelernt hatte. Er berichtete mir über die wahren Hintergründe meiner „Ausweisung“: Della hatte nach Verlassen des Lager der Direktion mitgeteilt, dass ich kein Jude sei. Also habe ich Della zu verdanken, dass ich frei war. Ich konnte nicht begreifen, dass sich Della - nach meinem Einsatz, sie mit zunehmen - so „revanchieren“ würde. Tat sie es, weil ich sie nicht begleitete? In Salzburg kam ich im Europa-Hotel unter, damals eine Unterkunft für Flüchtlinge, das uns ein Essen pro Tag gewährte. Dort habe ich erneut einen Weggefährten gefunden, wieder einen Tschechen, der Hamburg als Ziel hatte. Unser Plan war, mit der Straßenbahn bis zur Endhaltestelle zu fahren und zu Fuß nach Deutschland zu wechseln. Es war der Vorabend der Währungsreform in Österreich. Mein Kumpel kaufte noch am Nachmittag auf dem Schwarzmarkt

für sein ganzes Geld Zigaretten, damals die beste Valuta in der entbehrungsreichen Zeit. Am Abend fuhren wir los. An der Endstation stiegen wir aus, ich ging vorweg durch die enge Passage, bis ich die Schritte meines Kumpels nicht mehr hörte. Gendarmen kontrollierten den Rucksack mit den Zigaretten und führten meinen Kumpel ab. Ich lief querfeldein über die verschneiten Felder nach Salzburg zurück. Eine Festnahme hätte für mich zur Folge gehabt, nach Rumänien ausgeliefert zu werden, da ich als rumänischer Staatsbürger galt und gemäß der damaligen zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die nach dem Kriege in Kraft getreten waren, die Rückführung in die Ursprungsländer vereinbart war. Wieder in Salzburg, dachte ich mir einen anderen Plan aus. Ich bekam einen Wink über ein Rekrutierungsbüro für die französische Fremdenlegion. Da die angeworbenen Rekruten per Bahn über Deutschland nach Frankreich gefahren wurden, plante ich mitzufahren, um in Deutschland abzuspringen. Ich ließ mich in eine Liste eintragen und kam in eine französische Kaserne nach Bregenz, war somit noch immer in Österreich. Mit einem Transport ging es tatsächlich nach Deutschland, bis Kehl am Rhein, jedoch war ein Abspringen, wie ich es mir ausgedacht hatte, nicht möglich. So kam ich in die französische Fremdenlegion, wo ich mit Datum des 10. Dezember 1947 als provisorisch aufgenommen galt.

Ludwig Sigismund Höcher wurde am 5. Mai 1924 in Dognatschka im Banater Bergland geboren. Nach dem Abitur, Besuch der Reserveoffiziersschule in Arad und Teilnahme am Feldzug 1944 gegen Ungarn muss er sich 1945 wegen Verfolgung in den Karpaten verstecken. Im Herbst 1945 nimmt er ein Studium in Klausenburg auf. Er entkommt mit List und viel Glück nach zwei Festnahmen, flüchtet über Ungarn nach Österreich und wird Mitglied der französischen Fremdenlegion. Die Ausbildung erfolgt im afrikanischen Sidi-bel-Abbes, als Sergeant kommt er nach Indochina. Nach 27 Monaten kehrt er nach Afrika zurück, wo er vor der Entlassung noch zum Sergeant-Chef befördert wird. Er lässt sich in Kelheim (Bayern) nieder, wo sein Vater seit Kriegsende lebt, nimmt Arebit in einem Chemiewerk auf, beginnt an einer Ingenieurschule zu studieren und steigt vom Angestellten bis zum Laborleiter auf. Heute lebt er in Oldenburg. Diese Geschichte ist ein Teil des autobiographischen Buches „Seitenwechsel mit Schicksalskorrekturen“, das beim Autor bestellt werden kann. Ludwig Höcher ist zu erreichen unter Telefon 0441-16646.

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