ATLAS 17 - Distanz / Distance

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DAS MAGAZIN VON GEBRÜDER WEISS THE GEBRÜDER WEISS MAGAZINE

AUSGABE ISSUE 17 2022

Distance




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Entfernungen …

Distances …

… sind nicht mehr das, was sie ­einmal ­waren. Menschen und Märkte sind besser verbunden als je zuvor – auch und gerade durch die Logis­tik: Der Ausbau von Transportinfrastruk­ tur, die fortschreitende Perfektionierung von Lieferketten sowie der Einsatz von digitalen Systemen haben einen wesentlichen Beitrag zur Globalisierung geleistet und bringen uns nah, was zuvor in weiter Ferne lag. Die Pandemie indes hat uns von unseren Mitmenschen entfernt. Wo man sich früher schnell für ein Meeting getroffen hat, spricht man heute auf Distanz. Konzerte oder Sport­ kurse werden gestreamt anstatt per­sönlich besucht – ein großes Experiment zur Frage, was Nähe und Distanz uns Menschen bedeuten. Wie der Soziologe Hartmut Rosa darauf blickt, lesen sie in diesem Magazin. Aus den vom Head Office in Lauterach am weitesten entfernten Ecken unseres globalen Netzwerkes berichtet die Reportage aus Australien. Und dass auch in einem weltwei­ ten Dorf noch nicht jeder Winkel bekannt ist, zeigt der Bericht aus Kasachstan. Des Weite­ ren lesen Sie, wie Sie im Rahmen der Aktion »Cycling around the world« gemeinsam mit anderen die Erde umrunden können. Neben all den friedlichen Verbindungen auf der Welt ist es während der Arbeit an dieser Ausgabe in Europa zu einem Krieg zwischen Nachbarländern gekommen. Das bestürzt uns sehr. Die Brücken, die durch friedliches Miteinander entstanden sind, werden damit eingerissen. Wir hoffen, dass diese Situa­tion bald endet und neue Annähe­ rungen stattfinden können.

… aren’t what they used to be. People and markets are better connected than ever, thanks in no small part to logistics. The extension of transport infrastructures, ongoing optimization of supply chains, and implementation of digital systems have played pivotal roles in globalization. They bring us close to things that used to be far away. The pandemic, on the other hand, has kept us at a distance from our fellow men and women. Where before we came together for a quick meeting, today we speak remotely. Concerts and sports activities are streamed rather than held face-to-face – ­initiating a major debate on what proximity and remoteness mean for us. The sociologist Hartmut Rosa expounds on these matters in this issue. We’re also featuring an article on Australia, the most distant outpost of our inter­ national network and the furthest-removed from our head office in Lauterach. A report on ­Kazakhstan demonstrates that, even in ­today’s global village, there are still unchart­ ed territories in the world. Read about how you can team up to circumnavigate the planet with our “Cycling around the world” campaign. In addition to all the world’s peaceful relations, during the genesis of this issue war broke out between two of our European neighbors. We are dismayed by this development, for it destroys the bridge­ building that has secured years of peaceful coexistence. We hope that the conflict ends soon, and lasting peace will be restored.

Herzlich, Gebrüder Weiss

Sincerely, Gebrüder Weiss

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Aram Pohosyan ist unser Landesleiter in der Ukraine. Der promovierte Germanist ist seit 2014 bei Gebrüder Weiss. Derzeit befindet sich Aram im Homeoffice im Westen des Landes und unterstützt die Abwicklung ­zahlreicher Hilfstransporte. Mit unseren Gedanken sind wir in dieser schweren Zeit bei ihm und den anderen ­Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine. Wir hoffen ­inständig, dass sie unversehrt bleiben, und wünschen für uns alle Frieden in Europa und der Welt. Aram Pohosyan, who can boast a Ph.D. in German ­Studies, is our country manager in Ukraine. Having joined the company in 2014, Aram is now working from his home office in the west of the country, where he is helping to manage numerous relief deliveries. In our thoughts we are with him and our other Ukrainian colleagues during these difficult times. We sincerely hope that they remain unharmed and that, for the benefit of everyone, a lasting peace can be restored in Europe and beyond.


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Julica Jungehülsing Das Herz von Australien

Julica Jungehülsing The Heart of Australia

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Interview Michael Zankel Eine Frage der Perspektive

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Strecken und Entfernungen 1 Thuy Anh Nguyen Der Gütige am Nordpol Stefanie Hardick Kein Weg zu weit

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Routes and distances 2

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Alex Raack Running 57

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Strecken und Entfernungen 3

Edda Schlager A blank spot on the New Silk Road Routes and distances 3

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Around the world: Dennis Kailing

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Around the world with Gebrüder Weiss

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Interview Hermann Höglinger Drei Tage hin, drei Tage zurück

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Interview Hartmut Rosa Danger at close range

Edda Schlager Ein weißer Fleck auf der Seidenstraße

Impressum

Routes and distances 1

Orange network

Strecken und Entfernungen 2

Florian Aigner Auf Kollisionskurs

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Stefanie Hardick No distance too far

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Interview Hartmut Rosa Gefahr aus nächster Nähe

Interview Michael Zankel A matter of perspective

Thuy Anh Nguyen The kind heart at the North Pole

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Die Welt in Orange

Alex Raack Über das Laufen

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Interview Hermann Höglinger Three day there, three days back

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Around the world: Dennis Kailing

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Around the world with Gebrüder Weiss Florian Aigner Collision course Imprint

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Das Herz von Australien text Julica Jungehülsing fotos Michael Amendolia

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Das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, ist in Australiens abgelegenen Regionen fast doppelt so hoch wie in den Großstädten. Vor allem weil der Weg zu Diagnose und Behandlung weit ist. Medizinische ­Versorgung per Sattelschlepper ist da eine Möglichkeit. »Diese Ungleichheit dürfen wir nicht einfach tolerieren«, sagt Dr. Rolf Gomes, »wir müssen die Versorgungskette in Ordnung bringen – weil wir es können.« Der Kardiologe aus Brisbane ist kein Mensch, der fordert und jammert, er ist jemand, der Probleme löst. Als Assistenzarzt war er viel in den ländlichen Gegenden von Queensland unterwegs, einem Bundesland, in dem fünf Millionen Menschen auf einer ­Fläche leben, die mehr als viermal so groß ist wie Österreich und Deutschland zusammen. Täglich erlebte er, wie Ärz­ tinnen und Ärzte mit beschränkten Mitteln arbeiten muss­ ten. Er ließ sich in der Landeshauptstadt Brisbane nieder, doch die Menschen im Outback vergaß er nicht. Er sah sich in seiner Praxis um – Laufbänder, Ultraschallgeräte, Herz­ rhythmus-Monitoren – und fragte sich: »Was spricht dage­ gen, all die Geräte in ein Fahrzeug zu packen und zu jenen Leuten zu bringen, die sie dringend brauchen?« Ein simpler Gedanke, zugleich ein teures und ehrgeiziges Unterfangen. Fünf Jahre plante und kämpfte Gomes, suchte

und fand Partner und Sponsoren, entwarf eine mobile Klinik auf dem Papier, überzeugte Kolleginnen und Kollegen und setzte seine Idee in die Tat um. Seit 2014 fährt das »Heart of Australia« ärztliches Fachpersonal und das Handwerks­ zeug über Tausende von Kilometern durch das Bundesland, das berühmt ist für sein Great Barrier Riff vor der Küste und die Regenwälder im Norden. Längst rollt der erste Sattel­ schlepper mit dem Nummernschild »Heart1« nicht mehr allein durch den Nordosten des Kontinents: Im Februar ­wurde bereits die fünfte rollende Spezialklinik auf die Reise geschickt. »Es sind nicht mehr fünf Orte wie zu Beginn, ­sondern 32 Stationen, die unsere Sattelzüge ansteuern«, sagt Dr. Gomes. »Inzwischen sind wir 23 Fachleute, die mehr als 11.000 Menschen behandelt und mindestens 500 Leben gerettet haben.« Die Trucks bedienen drei feste Routen, ein kleinerer Laster ergänzt das An­gebot in Notfällen. Die Ärz­ tinnen, Ärzte und Sonografen ­fliegen oder fahren für ein paar Tage an ihre jeweiligen ­Einsatzorte. Dann kommt ein neues Team. »Wenn man sich so ein Projekt ausdenkt, ist nicht wirklich klar, ob es funk­tioniert«, sagt Gomes rückschauend. »Aber heute sind das Team und ich wirklich stolz auf das, was wir erreicht haben.« Und die Bevölkerung ist unendlich dankbar.


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Ben Williams ist der Fahrer, aber als Koch und ­Allrounder auch Teil des Betreuungsteams um ­Maria Abrigo, Kyle Fan und Dr. Thomas Dover. Jack-of-all-trades Ben Williams serves as both driver and cook, making him a key part of the bush-doctor team alongside Maria Abrigo, Kyle Fan and Dr. Thomas Dover.

Starkregen statt Klinikalltag 260 Kilometer sind es von Dalby nach Stanthorpe. Ein moder­ ner Sattelschlepper bewältigt diese Strecke in gut drei Stun­ den. Erst recht »Heart 2«, eine Kenworth-K200-Zugmaschine, die ihre 44 Tonnen schwere und gut 25 Meter lange Diagnose­ klinik durch Wälder und Weideland zieht. An diesem Morgen allerdings setzen sich die 34 Räder des medizintechnischen Wunderwerks erst gar nicht in Bewegung. In weniger als 24 Stunden sind in Dalby 300 Millimeter Regen gefallen, Flüsse sind über die Ufer getreten, Landstraßen und Highways ste­ hen unter Wasser. Statt Echokardiogramme, Herzfrequenzen und Ultraschallbilder beobachtet das »Heart of Australia«Team Pegelstände und Wetterprognosen. Logistik-Chefin Maria Abrigado bucht Patientinnen und Patienten um, stor­ niert Unterkünfte, telefoniert mit Einsatzkräften und Straßen­ verkehrsdiensten. »Wir Ärzte finden meist einen Weg, zur Not fliegen wir in die Einsatzorte, um die Patienten zu sehen«, sagt Dr. Alexan­ der Dashwood in Brisbane. »Ich komme aus England, ich kenn’ mich mit Regen aus, aber was da draußen gerade vom Himmel rauscht, habe ich noch nie gesehen.« Schafft es der Laster nicht durch die Überschwemmungsgebiete, macht auch kein eingeflogener Kardiologe Sinn. Zum Glück passiert derlei selten – bei Wetterextremen wie in diesem sehr nassen

La-Niña-Sommer, den Australiens Südwesten 2022 erlebt, bei Wirbelstürmen oder Waldbränden. Oft finden die Fahrer selbst dann einen (Um-)Weg. An diesem Nachmittag gelingt es Ben Williams, »Heart 2« über eine Ausweichroute zu ­steuern. Mit einem Tag Verspätung erreicht das Team den 5.000-Einwohner-Ort Stanthorpe immerhin für den zweiten geplanten Diagnosetag. Routineuntersuchungen und Spezialfälle Sobald Williams auf den Messewiesen an der High Street geparkt hat, bleiben Anwohnende unter ihren Regenschir­ men stehen und sehen zu, wie sich der Lastwagen in eine Klinik verwandelt: Der Anhänger ist nicht nur so lang wie ein Schwimmbecken, per Knopfdruck wird er auch beinahe so breit. Auf 6,50 Meter schieben sich die Behandlungsräume seitlich heraus. Das Team klappt ein Vordach aus, hängt Treppen ein und testet die Hebebühne für Rollstühle. Maria Abrigado rückt das Mobiliar in den Sprechzimmern zurecht, prüft Telefonempfang, Internet und Diagnosegeräte: Echo­ kardiograf, Laufbandmonitor und Spirometer sind ange­ schlossen. In der Bordküche macht Ben Williams Tee für alle, im einem der Behandlungszimmer schaltet der Endo­ krinologe Dr. Thomas Dover den Computer an. Stanthorpe hat zwei Jahre ausschließlich Dürre erlebt, doch seit zwei

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Früher mussten sie sechs Stunden fahren, heute kommt der Arzt zu ihnen: Beverley und ­Kenneth Hargans bei einer Routineunter­suchung in der rollenden Klinik. In the past they needed a six-hour drive, now the doctor basically shows up at their doorstep: Beverley and Kenneth Hargans report to the clinic on wheels for their routine checkup.

Tagen schüttet es wie aus Kübeln, Ben Williams stellt noch schnell Eimer für die Regenschirme auf. Australiens größte mobile Spezialklinik ist bereit für die ersten zu behandelnden Personen des Tages. Kenneth Hargans hat Diabetes Typ 2, seine Frau Beverley Typ 1, beide müssen ihre Blutzuckerwerte genau im Blick behalten. Früher bedeuteten die Kontrollen und Gesund­ heitschecks für sie sechs Stunden Fahrt in die nächste Klinik. Dank des Herzlasters sind die regelmäßigen Kontrollen ­keine Strapaze mehr. »Es ist so ein Segen, dass dieser Dienst zu uns in den Ort kommt«, sagt Bev. Das Team sei hoch ­qualifiziert und wunderbar, und ihre Gesundheit und Lebens­ qualität jetzt deutlich besser. Dr. Dover ist erleichtert, wie gut Bev Hargans mit dem neu entwickelten Glukose-Monitor am Oberarm zurechtkommt. »Es ist ein Fortschritt, wenn wir neue Technologie in ländlichen Gemeinden einführen können, die sonst vernachlässigt ­wer­den«, sagt der Arzt, der seit zwei Jahren jeden Monat im »Heart of Australia« steht. Zu Beginn arbeiteten nur Dr. Gomes und weitere Kardio­ logen in den mobilen Kliniken. Doch nach und nach merkten sie, wie sehr auch andere ­Spezialkräfte gebraucht wurden. Inzwischen sind regelmäßig Fachärztinnen und -ärzte der Endokrinologie, Geriatrie, Neurologie, Urologie und Gynä­­ ko­logie sowie ein Psychologe an Bord. Sie verpflichten sich


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für mindestens zwei Tage Einsatz pro Monat – neben ihren eigentlichen Jobs in Praxen und Kliniken der Großstadt. Selbst nach fünf Arbeitstagen im Herztransplantations­team der Kardiologie in Brisbane sind die Wochenendeinsätze im Truck für Dr. Dashwood eine Freude: »Ich mag die länd­liche Bevölkerung, die Menschen sind widerstandsfähig, pragma­ tisch, hartnäckig, und sie sind oft überwältigend dankbar«, erklärt er. »Für mich ist es mental weniger anstrengend, ich kehre von den Einsätzen zufriedener nach Hause, auch weil wir draußen im Bush einen echten Unterschied machen.« Vom Bush reden Australier, wenn sie über Gegenden außerhalb von Städten und Vororten sprechen. The bush meint das Outback, in dem es keine Zäune, wenig Menschen, aber umso mehr Horizont gibt, the bush sind aber auch Ort­ schaften mit 400 oder 4.000 Einwohnern, die riesige Ein­ zugsgebiete von Farmland oder Bergbaugegenden versorgen. In größeren Orten praktizieren häufig zwei oder drei Allge­ meinmediziner und -medizinerinnen, manche haben ein kleines Hospital, das Armbrüche versorgt oder Gegengifte für Schlangenbisse verwahrt. Notfälle werden in die Groß­ stadt geflogen. Aus dem Outback-Ort Winton zum Beispiel fahren Landwirte zehn Stunden bis zur Küste, in die Haupt­ stadt sind es weitere fünf. Das Dramatische an dieser großen Distanz ist, dass viele Menschen ihre Gesundheitsvorsorge

deshalb vernachlässigen oder Warnzeichen ignorieren – ­ein­fach, weil es mühsam erscheint, zwei Tagesreisen einzu­ planen, um ein Geräusch in der Brust zu checken. »Ein 50-Jähriger kam kürzlich eigentlich nur auf Drängen seiner Tochter zu uns in den Truck«, erzählt Dashwood. »Der Mann hatte seit Wochen Schmerzen in der Brust und wollte gerade gut 300 Kilometer weiter ins Outback fahren, um ein paar Hundert Schafe zu scheren.« Der Stresstest ­zeigte klar, dass etwas mit seinem Herzen nicht stimmte. Der Mediziner überzeugte den Patienten, statt zu den Scha­ fen ­sofort nach Brisbane zu fliegen, wo ihm am gleichen Nachmittag ein Stent eingesetzt wurde – der dem Farmer mit großer Wahrscheinlichkeit das Leben rettete. Sinnstiftende Arbeit »Die Arbeit ist lohnend und dankbar«, stimmt Endo­krinologe Dover mit Dr. Dashwood überein. Beide lieben die vielseitige Arbeit im kleinen Team, zu dem außer dem Facharzt eine medizinisch-technische Assistentin, der Fahrer und ein Ultra­ schalldiagnostiker gehören. Ben Williams steuerte früher noch gigantischere Laster aus Bergwerken in der westaustrali­ schen Pilbara-Region zur Küste. Doch der ­»Heart of Australia«Job liegt ihm mehr: »Vor allem, weil ich hier nicht nur hinterm Steuer sitze, sondern Kontakt mit Menschen habe«, erzählt

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der 43­Jährige. Er holt die Ärzte vom Flughafen, wenn sie ein­ geflogen werden müssen, kocht für das Team, hilft Patienten über die Hebebühne in den Truck, wenn nötig, und freut sich über die gute Stimmung: »Die Leute sind so froh, wenn wir kommen, und jeder hat ein freundliches Wort für uns.« Auch für »HeartBus«­Erfinder Gomes, der nach wie vor bis zu fünf Tage pro Monat in den mobilen Kliniken arbeitet, ist das positive Feedback Bestätigung und Antrieb zugleich. »Wir haben heute so viele Behandlungsmöglichkeiten – aber sie nützen nur, wenn sie auch für jene verfügbar sind, die sie brauchen«, sagt er. Und das sind sie jetzt: In Longreach, mehr als eine Tagesreise von der Landeshauptstadt entfernt, oder in Weipa am Cape York, wo sich das Team derzeit noch hinfliegen lässt, weil die Schotterstraße zu schlecht für die Fahrzeuge ist. Gomes kennt schwierige Lebensbedingungen. Als Zehnjähriger zog er mit den Eltern und Geschwistern aus Indien nach Australien. Sein ältester Bruder starb mit fünf, vermutlich weil er wegen eines Stromausfalls zu früh aus dem Krankenhaus in Kalkutta entlassen wurde. Gomes’ El­ tern wollten eine bessere Zukunft für ihre Kinder und wan­ derten aus. Rolf wurde Elektroingenieur, merkte aber bald, dass ihn Menschen mehr interessierten als Computer. 1998 begann er Medizin zu studieren, und von Beginn an faszi­ nierte ihn das Herz am meisten: »Es pumpt und pumpt, oft 80 Jahre lang, ohne Unterbrechung – was für ein Meister­ werk.« Aber seine Ingenieurskenntnisse blieben nützlich, sie halfen beim Entwickeln und Entwerfen der Klinik auf Rä­ dern.

Ausgedehntes Fördernetzwerk Für eine Million Australische Dollar (damals 700.000 Euro) baute Gomes sein erstes Diagnosemobil. Eine weitere Million veranschlagte er für den Betrieb im ersten Jahr. Er fand Sponsoren, Staat und Bundesland gaben zum Start insgesamt eine halbe Million Dollar dazu. Gomes selbst nahm eine zweite Hypothek auf sein Haus auf, nicht gerade zur Begeis­ terung der Familie. »Wer viel Geld von anderen erbittet, muss auch selbst bereit sein zu investieren.« Derzeit bezuschusst die australische Regierung das »Heart of Australia«­Projekt mit einer Drei­Jahres­Förderung von 12 Millionen Dollar, den Großteil der Kosten bestreiten jedoch Sponsoren wie die Energiefirma Arrow, die seit der Gründung dabei ist. Andere Unternehmen stellen etwa Begleitfahrzeuge und Treibstoff zur Verfügung, Kliniken spenden Material, eine Fluglinie fliegt die Spezialisten bei Bedarf ein, eine deutsche Pharma­ firma unterstützt das Nachwuchsprogramm für jährlich sechs Studierende, die in den Trucks über mehrere Wochen Erfah­ rungen sammeln und lernen. Auch Queensland steckte nach langem Zögern zuletzt 2 Millionen australische Dollar in den Bau des jüngsten Lasters: Vor allem weil der mit Spezial­ diagnostik ausgestattete »Heart 5« in die Bergbauregionen des Landes fährt um Arbeiter und ehemalige Bergleute auf Lungenkrankheiten zu untersuchen. Zum ersten Mal bringt der neue Truck nun sogar Röntgengeräte und Computer­

tomografen direkt dorthin, wo sie gebraucht werden. Der Erfolg des Projekts soll nicht nur Menschen in Queensland helfen, nicht ohne Grund hat Gomes seinen ersten Lkw »Heart of Australia« genannt: »Meine Vision war immer, das Programm eines Tages auf den ganzen Kontinent aus­ zuweiten«, sagt der Mediziner. »Aber natürlich mussten wir irgendwo anfangen. Jetzt wissen wir es funktioniert. Wir haben die mobile Gesundheitsversorgung einen großen Schritt weitergebracht.«

Julica Jungehülsing lebt und arbeitet seit 2001 in Australien. Sie ist Mitglied des Korrespondentennetzwerks weltreporter.net. Sie hat die Distanzen und die Weite des Südhalbkugelkon­ tinents lieben gelernt, beide flößen ihr aber auch Respekt ein: »250 Kilometer entfernt vom nächsten Krankenhaus schaut man etwas genauer hin, ob man einen Schlangenbiss oder eine Verletzung riskiert.«


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The Heart of Australia TEXT

Julica Jungehülsing

The risk of a dying of a heart disorder is nearly twice as high in Australia’s remote regions as in its major metropolitan areas. The main reason: diagnosis and treatment are far away. Medical supplies in semis might change this. “We can’t simply ignore this imbalance,” says Dr. Rolf Gomes. “We need to fix the supply chain, because we can.” The Brisbane-based cardiologist is not one to make demands and whine; this is a man who solves problems. During his medical residencies, he spent a great deal of time travelling in rural areas like Queensland, a state four times the size of Germany and Austria combined – inhabited by a mere five million people. Every day he witnessed how physicians were forced to work with limited means. While he ultimately settled in the state capital of Brisbane, he never forgot those people in the outback. He would look around his office, taking in the treadmills, ultrasound units and cardiac rhythm monitors. And he would ask himself: “Why can’t all this equipment be packed into a vehicle and brought to the people who urgently need it?” A quite simple idea in theory, but an expensive, ambitious undertaking in practice. For five years, Gomes planned and fought; he sought and found partners and sponsors. He created a mobile clinic on paper and convinced colleagues to join the effort. Finally, he put his plan into action. Since 2014, the “Heart of Australia” has been traveling thousands of kilometers, transporting medical personnel and equipment across the state that is home to the Great Barrier Reef in the east and rainforests in the north. His initial semitrailer sporting the license plate “Heart1” has long been joined by others of its kind. In February, the fifth mobile clinic took to the roads. “We no longer serve five locations like in the beginning. Now our semi stops at 32 stations located along three fixed routes,” says Dr. Gomes. “In the meantime, our 23 medical professionals have treated more than 11,000 people and saved at least 500 lives.” The big trucks are flanked by a smaller one that is deployed in emergencies. The

physicians and ultrasound specialists fly or drive to their assigned locations for shifts lasting several days; then they are replaced by a new team. “When you dream up a project like this, you can’t really be sure it will work,” Gomes says in retrospect. “But today the team and I are very proud of what we’ve accomplished.” And the population’s gratitude knows no end. Deluge instead of Day Clinic The stretch from Dalby to Stanthorpe is 260 kilometers long. A modern semi can cover this distance in a good three hours – or even faster if it’s the “Heart 2,” a Kenworth K200 that tows its 44-ton, 25-meter-long diagnostics clinic through fields and forests. This morning, however, the 34 wheels of this mobile medical marvel aren’t turning. Within a scant 24 hours, some 300 millimeters of rain have drenched Dalby and its environs. Rivers have risen over their banks, rural roads and highways are flooded. Instead of echocardiograms, pulse rates and ultrasound images, the “Heart of Australia” team is checking water levels and weather forecasts. Maria Abrigado is in charge of logistics: she is now rescheduling appointments, cancelling accommodations, phoning with emergency personnel and road services. “We physicians usually find a solution; if necessary, we fly to the locations to see patients,” says Dr. Alexander Dashwood in Brisbane. “I’m from England, I know my way around rain. But I’ve never seen the likes of what’s bucketing down from the sky out there.” If the truck can’t traverse the flooded areas, flying in a cardiologist doesn’t make sense. Luckily, this happens very rarely, under extreme weather conditions: such as this year’s very wet La Niña summer in the southwest, or if there are cyclones or forest fires. Even under such circumstances, the drivers are often able to find a detour – like Ben Williams, who has circum­ vented the worst in “Heart 2.” Just one day late, the team has arrived in the 5,000-soul hamlet of Stanthorpe for day two of planned diagnostic work.


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Routine Exams and Special Cases As soon as Williams has parked on the fairgrounds behind the high street, the local residents stop under their umbrellas, watching the metamorphosis from semi to clinic. The trailer is as long as a swimming pool. What’s more, its width can expand to nearly the same length at the touch of a button, when the treatment rooms slide out sideways. The team unfurls a canopy, attaches stairs, and tests the hydraulic wheelchair ramp. Abrigado arranges the furnishings in the consultation rooms, checks the telephone line and internet signal, and connects the diagnostic equipment: echocardiograph, treadmill monitor and spirometer. Meanwhile in the galley, Williams prepares a round of tea; in the treatment room, endocrinologist Dr. Thomas Dover runs up the computer. The past two years, Stanthorpe has seen only droughts, but for the past two days it’s been raining cats and dogs. Williams quickly puts out buckets for the umbrellas. Australia’s largest specialized mobile clinic is now ready to treat its first patients of the day. Kenneth Hargans suffers from type 2 diabetes, his wife Beverley from type 1. They both need to keep a close eye on their blood-sugar levels. In the past, the requisite tests and checkups entailed a six-hour drive to the nearest clinic. Thanks to the cardiac center on wheels, regular checks no longer pose a problem. “It’s such a blessing that this service comes here to our town,” Bev says. The team was highly qualified and simply wonderful; it had greatly improved their health and quality of life. Dr. Dover is pleased with how well Bev Hargans has adapted to wearing the newly developed continuous glucose monitor (CGM) on her upper arm. “It greatly simplifies matters to extend the new technologies to rural areas that are usually neglected,” the doctor says; he has been manning the “Heart of Australia” every month for the past two years. In the early days, only Dr. Gomes and several other cardiologists worked in the mobile clinics. Gradually, however, they realized that other disciplines were sorely needed as well. In the meantime, specialists in endocrinology, geriatrics, neurology, urology and gynecology are on board, along with a psychologist. They sign up for at least two days per month, in addition to their regular jobs in offices and clinics in the cities. Even after five days on the heart transplant team in Brisbane, Dr. Dash-

wood enjoys his weekend shifts in the truck: “I like the rural mentality. The people are resilient, pragmatic, tenacious and often overwhelmingly grateful,” he explains, which is why the extra effort pays off. “It’s less of a mental strain; I head home satisfied after work, not least as we make a genuine difference out in the bush.” Australians refer to areas outside of cities and suburbia as “bush country” – in other words, the outback, where there are no fences and few people, surrounded by huge, endless horizons. The term also encompasses the small towns with 400 to 4,000 inhabitants that serve huge catchment areas comprised of farmland and mining country. The larger settlements often have two or three general practitioners on site; some have a small hospital that attends to broken arms and keeps stocks of antidotes for snake bites. Emergencies are flown to the nearest major city. From the outback town of Winton, for instance, farmers have to drive ten hours to reach the coast and another five to the capital. These great distances have dramatic consequences: many people neglect regular health checks and ignore warning signs for the simple reason that it seems too arduous to plan two days of travel just to have a noise in your chest checked out. “A 50-year-old came to see us recently only because his daughter insisted,” Dashwood says. The man had been experiencing chest pain and was on the verge of driving some 300 kilometers into the outback to shear a few hundred sheep.” A stress test revealed that something was definitely wrong with his heart. The doctor convinced the patient to fly immediately to Brisbane instead of tending to his sheep. A stent was implanted that same afternoon, which in all probability saved the farmer’s life. Meaningful Work The endocrinologist Dr. Dover agrees with his colleague: “This work is both rewarding and gratifying.” Both physicians love the variety, and working in a small team comprised of a doctor, a paramedic, a driver and an ultrasound diagnostician. Williams used to steer even more gargantuan trucks from the mines of western Australia’s Pilbara region to the coast. But he prefers the “Heart of Australia” job, “because I do more than sit behind the wheel here; I have contact with people,” explains the 43-year-old. He picks up the physicians from the airport if


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they need to be flown in; he cooks for the team; he helps patients navigate the hydraulic ramp into the truck if necessary, and simply enjoys the overall positive atmosphere. “These people are so happy to see us, and everyone has a kind word.” Gomes, the “heart bus” inventor who continues to work up to five days a month in the mobile clinics, takes the positive feedback as both acknowledgement for a job well done – and motivation. “Today we have so many different treatment options, but they only help if they’re available to the people who need them,” he says. Now they are: in Longreach, more than a day’s journey from the state capital; or in Weipa on Cape York, which the teams have to reach by air because the gravel roads are too rough for the vehicles. Gomes is no stranger to hard living conditions. At the age of ten, he and his parents and siblings left India for Australia. His eldest brother died at age five, most probably because he was released from a Calcutta hospital prematurely due to a power outage. Gomes’ parents wanted their children to have a better life and decided to emigrate. Rolf initially became an electrical engineer, but soon realized that he was more interested in people than in computers. He began med school in 1998 and knew from the very start that the heart fascinated him most. “It just goes on pumping and pumping, often for 80 years without interruption. What a masterpiece!” At the end of the day, his engineering background stood him in good stead, helping him devise and develop his mobile clinic. Extensive funding network Gomes built his very first diagnosis-mobile for one million Australian dollars, at the time the equivalent of 700,000 euros. He had calculated another million for the first year of operation. And he found sponsors: the state and federal governments together contributed half a million Australian dollars at the outset. Gomes himself took out a second mortgage on his home, which was not exactly to his family’s liking. “If you ask other sources for a lot of money, you also need to be willing to invest yourself.” Currently, the Australian government is supporting the “Heart of Australia” project with a three-year grant of twelve million dollars, but the majority of the costs are borne by sponsors like the energy company Arrow, which has companioned the project since its inception. Other companies

provide auxiliary vehicles and fuel; clinics donate materials, an airline flies in specialists when required. A German pharmaceutical company sponsors a new talent program for six university students every year: they spend time on the trucks over a period of several weeks, learning by doing. And finally, after hesitating for a long time, Queensland recently invested two million Australian dollars in the construction of the youngest truck. Its motivation: “Heart 5” is equipped with special diagnostic tools, and travels to the mining regions to monitor former miners for lung diseases. For the first time, a truck will be taking X-ray and computer tomography equipment directly to places where they are needed. In the end, the success of the project will hopefully not only benefit the population of Queensland. After all, that was one reason Gomes christened his first truck “Heart of Australia”: “My vision has always been to one day expand the program to the entire continent,” the physician says. “But obviously we have to start somewhere. Now we know how it works. We have taken mobile healthcare a giant leap forward.” Julica Jungehülsing has been living and working in Australia since 2001. She is a member of the correspondents network weltreporter.net. She has learned to love – and respect – the distances and wide-open expanses of this continent in the southern hemisphere. “If you’re 250 kilometers away from the next hospital, you’re very careful about risking a snakebite or injury.”

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Eine Frage der Perspektive gespräch Christina Gasser mit Michael Zankel

Der Österreicher Michael Zankel ist seit 2017 Leiter der Region East Asia bei Gebrüder Weiss – seit 2020 verantwortet er auch die Geschäfte des Logistikers in Ozeanien. Welche Rolle spielen die Gebrüder Weiss Niederlassungen in Neuseeland und Australien für das Netzwerk des Unternehmens? Die Länder sind eine absolute Bereicherung für uns. Bisher haben wir im Unternehmen immer eher Richtung Ost-West gedacht: Europa, Nordamerika sowie Asien auf der nördli­ chen Halbkugel. Eine Nord-Süd-Verbindung fehlte. Australien und Neuseeland liegen zwischen Amerika und Asien und ­haben mit beiden Kontinenten starke Handelsbeziehungen. Die Märkte dort sind sehr importorientiert, die neuen Linien, die wir dort aufbauen, kommen unseren Kunden entgegen. ­Unser Netzwerk wird dadurch nicht nur größer, sondern auch globaler. Christchurch in Neuseeland ist die südlichste Gebrüder Weiss-Niederlassung überhaupt, dort sind die Handelspartner China und Amerika weit weg, auch das Head Office in Österreich. Wie arbeitet man über solche großen Distanzen zusammen? Das hängt natürlich von der Perspektive ab: Von Österreich aus ist die Entfernung zu Australien riesig. Von Hongkong, wo ich mein Büro habe, ist Neuseeland jedoch ähnlich weit weg wie Europa oder USA. Das lässt sich von hier aus also ganz gut steuern. Grundsätzlich sind in der Region Ostasien/Ozeanien die Distanzen sehr groß. Zwischen unserer nördlichsten ­Destination Seoul und der südlichsten in Christchurch liegen

mehr als 10.000 Kilometer. Ob das eine besondere Herausfor­ derung ist? Wir sind ja Logistikspezialisten, da ist es unser Job, Distanzen zu überwinden. Mit Singapur haben wir einen guten Brückenkopf für Australien und Neuseeland. In Australien decken die Städte Sydney, Melbourne, Adelaide und Brisbane 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ab und liegen alle entlang der Küste. Perth im Westen hat vielleicht auch noch wirt­ schaftliche Bedeutung. Der Rest des Landes ist fast unbesie­ delt. Das heißt, die für uns relevanten Orte sind doch näher beieinandergelegen, als man denken könnte. Das sind quasi europäische Distanzen. Eine größere Herausforderung sind die unterschied­ lichen Zeitzonen: Von Neuseeland nach Hongkong sind es allein schon 5 Stunden, zu unserem Head Office sind es von dort 12 Stunden. Das ist wortwörtlich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich glaube, die räumlichen Distanzen, so wie das Wort zumeist gelesen wird, können durch die Überwin­ dung der inneren Distanz in der Region durchaus überbrückt werden: durch enge Zusammenarbeit, gute Kommunikation, viel Interaktion, Vernetzung – da kann man einiges tun.

Die Eröffnung der Standorte in Ozeanien fiel mitten in die Pandemie, du konntest bisher nicht persönlich nach Australien oder Neuseeland reisen. Wie hast du trotz Pandemie eine Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen vor Ort aufgebaut? Im Februar 2020, kurz bevor nichts mehr ging, konnte ich unseren heutigen Managing Director Australien & Neusee­ land, Andrew Antonopoulos, in Vietnam treffen. Er ist der Einzige aus dem Team, den ich persönlich kenne. Das ist na­


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türlich schon eine Herausforderung, die viel mit Vertrauen zu tun hat. Seit Eröffnung der Landesorganisation haben wir unter dem Stichwort Zusammenarbeit viele Aktionen ge­ startet: Wir haben verschiedene Projektgruppen ins Leben gerufen wie Logistik, Einkauf, Talententwicklung, Marke­ ting, in denen Manager und Direktoren aus unserer Region in Teams zusammenarbeiten. Außerdem haben wir ein intensives Teamcoaching über mehrere Monate organisiert. Das hat dazu geführt, dass Leute, die sich noch nie im Leben persönlich getroffen haben, jetzt trotzdem meinen, einander relativ gut zu kennen. Das hilft enorm.

Die Pandemie beeinflusst auch das Geschäft in den beiden Inselstaaten, sie sind sehr importabhängig. Was bedeuten die Störungen in den globalen Lieferketten für Gebrüder Weiss dort unten? Auch hier wirkt sich das natürlich auf die Transporte aus. Die Lieferzeiten sind länger, und wir erleben durch die Teue­ rung unter anderem auch der Transporte eine Inflation. Aber für Gebrüder Weiss ist ja jede Schwierigkeit auch eine Chance. Wir sehen uns in erster Linie nicht nur als Transpor­ teur, sondern als Solution Manager: Vor Kurzem haben wir ein neues Air & Sea­Produkt auf den Markt gebracht, das die Waren in den europäischen Produzentenländern einsammelt und per Flugzeug nach Singapur bringt. Von da geht es auf dem Seeweg weiter nach Australien und Neuseeland. Das gab es in dieser Größenordnung bisher nicht, wir konnten schnellere Lieferzeiten und günstigere Preise auf der Strecke anbieten. So etwas hat durchaus Potenzial auch in der Zeit nach Corona.

Was möchtest du mit deinem Team in Ozeanien noch erreichen? Wir wollen in Australien und Neuseeland Landesorganisa­ tionen mit vergleichbaren Strukturen aufbauen wie in unseren asiatischen Ländern. Eigene Büros in zentralen Städten zum Beispiel. Da sind wir in Neuseeland schon recht weit, in Australien müssen wir noch einiges aufholen. Corona hat uns in den letzten zwei Jahren schon sehr ausgebremst. Brisbane und Perth, da wollen wir einmal vertreten sein. Wir wollen gewisse Lieferketten innerhalb des Landes aufbauen, damit wir nicht nur Luft­ und Seefracht anbieten können. Momentan sind wir von dort aus hauptsächlich mit drei, vier Ländern in Kontakt. Wenn wir unser gesamtes Netzwerk nutzen, können wir noch deutlich mehr erreichen. Mein persönlicher Wunsch für dieses Jahr ist es, endlich die räum­ liche Distanz zu überwinden und in diese Länder zu reisen. Genauso hoffe ich, dass das Management von dort die Gelegenheit haben wird, unser Head Office und auch unsere Asien­Organisationen zu besuchen und gemeinsam bei einem australischen, österreichischen oder asiatischen Bier zu sitzen.

Christina Gasser ist Teamleiterin International Marketing bei Gebrüder Weiss und Ansprechpartnerin für die Gebrüder Weiss­ Niederlassungen in Übersee.

Gebrüder Weiss in Ozeanien

Gebrüder Weiss in Oceania

Seit 2020 hat Gebrüder Weiss eigene Landesorganisationen in Australien und Neuseeland.

Gebrüder Weiss has maintained its own country organizations in Australia and New Zealand since 2020.

Niederlassungen: Sydney und Melbourne (Australien); Auckland und Christchurch (Neuseeland)

Branches: Sydney and Melbourne (Australia); Auckland and Christchurch (New Zealand)

Mitarbeitende: 12 (Australien); 15 (Neuseeland)

Employees: 12 (Australia); 15 (New Zealand)

Portfolio: Luft­ und Seefracht, Zollabfertigungen, Landverkehr

Portfolio: Air & Sea freight, customs handling, land transport


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A Matter of Perspective INTERVIEW

Christina Gasser with Michael Zankel

The Austrian Michael Zankel has been Regional Director East Asia at Gebrüder Weiss since 2017; since 2020 he is also responsible for the company’s business in Oceania. What role do the branches in New Zealand and Australia play in the Gebrüder Weiss network? These countries have been a valuable addition for us. In the past, we were thinking more in east-west terms: Europe, North America and Asia in the northern hemisphere. We lacked a north-south connection. Australia and New Zealand are situated between the Americas and Asia, and maintain strong trade relations with both continents. The markets there are very import-oriented; the new lines we are setting up bring advantages to our customers. Our network has thus not only become larger, but more global as well. Christchurch in New Zealand is the southernmost Gebrüder Weiss outpost in the world; it is far away from trading partners in the Americas and China, and from the head office in Austria. How do you work together over such great distances? That obviously depends on your perspective: from Austria, the distance to Australia is enormous. From Hong Kong, where my office is, New Zealand is just as far away as Europe and the United States. So coordinating business from here is not a problem. Generally speaking, the distances are quite long in the Eastern Asian/Oceanic region. Our northernmost destination of Seoul and the southernmost one in Christchurch are separated by more than 10,000 kilometers. Is that a special challenge? Hey, we’re logistics experts, it’s our job to overcome distances. Singapore gives us a good bridgehead for Australia and New Zealand. Some 80 percent of Australia’s economic output is generated by the coastal cities of Sydney, Melbourne, Adelaide and Brisbane. Perhaps Perth, located in the west, also has some economic significance, but the rest of the country is basically unpopulated. For us that means the relevant places are in closer proximity than one

might imagine. These are practically European distances. The bigger challenge lies in the different time zones. It’s already five hours from New Zealand to Hong Kong, and twelve hours to our head office. That is, quite literally, the difference between day and night. I believe that the spatial distances, which is how we usually conceive of them, can definitely be bridged by overcoming the inner distance in the region: by close coop­er­­ ation, good communication, lots of interaction, networking ... there’s a great deal you can do. The Oceania locations were opened in the middle of the pandemic; to date, you have not been able to travel personally to Australia or New Zealand. How have you built up close contact with your on-site colleagues despite the Covid restrictions? In February 2020, shortly before everything shut down, I was able to meet our current Managing Director Australia and New Zealand, Andrew Antonopoulos, in Vietnam. He is the only member of the team I know personally. Sure, that is a challenge – one that has a lot to do with trust. Since the country organization opened, we have launched several initiatives under the heading “cooperation.” We’ve created various project groups in areas such as logistics, purchasing, talent development and marketing, in which managers and directors from our region work together in teams. We have also organized intensive team coaching that lasts several months. This has led to a situation in which people who have never actually met still have the feeling they know one another well. That has been an enormous help. The pandemic has also impacted business in the two island nations, as they are very dependent on imports. What do the disruptions in the global supply chain mean for Gebrüder Weiss there? Here too, obviously there is a knock-on effect on transport. Delivery periods are longer, and we are seeing the cost of transport inflate as a result of the general rise in prices. But for Gebrüder Weiss, every obstacle represents an


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Australia

opportunity. We do not see ourselves foremost as a transport company, but rather as a solution manager. Just recently we launched a new Air & Sea product on the market: goods are collected in the European producing countries and flown to Singapore. From there they are brought by ship to Australia and New Zealand. This type of service, in this magnitude, is brand new; we were able to offer faster delivery times and lower prices for the route. Things like this obviously have potential even after Covid. What else do you hope to achieve with your team in Oceania? We plan to set up country organizations in Australia and New Zealand that are structured like those we maintain in Asian countries. With our own offices in major cities, for example. We’ve already made quite a bit of progress in New Zealand on this front; we need to catch up in Australia. The past two years, Covid has certainly put a brake on things. We want a presence in Brisbane and Perth. We want to establish specific supply chains within the country so we can offer more than Air & Sea freight. At the moment we are locally in contact mainly with three, four countries. If we tapped our entire network, we could obviously achieve a great deal more. My personal hope for this year is to finally overcome the spatial distance and travel to these countries. I also hope that local management there will have an opportunity to visit our head office and our Asian organizations, – and to sit down together over an Aus­ tralian, Austrian or Asian beer. Christina Gasser is Team Leader International Marketing at Gebrüder Weiss and the contact person for the company’s overseas branches.


Strecken und Entfernungen Artikel 1 xx Routes and Distances 1

Alte Verbindungen auf dem Wasser Der älteste und auch der längste schiffbare Kanal der Welt ist der Kaiserkanal in China. Vor etwa 2.500 Jahren wurden erste Abschnitte der Wasserstraße errichtet, heute ver­ bindet der Kanal auf 2.000 Kilometer die Hauptstadt Peking mit dem ­Norden des Landes, wo er in den Jangtse mündet.

Die längste Strecke auf dem Land Die Strecke zwischen Chom Town in Liberia und Shitangzhen in China durchquert neun Zeitzonen und 18 Länder und ­Territorien und ist die längste Landstrecke zwischen zwei ­Orten auf der Welt. Sie misst 13.589,31 Kilometer und damit knapp ein Drittel des Erdumfangs. Bei einer flotten Marsch­ geschwindigkeit von 5 Kilometer pro Stunde würde die Wan­ derung vom einen Ende zum anderen 113 Tage und 6 Stun­ den ­dauern – aber nur, wenn man Tag und Nacht ohne Pause durchmarschiert.

9.288 km Chom Town/ Liberia

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Ancient transport links on waterways The oldest and longest navigable canal in the world is the Imperial Canal in China. The first sections were built some 2,500 years ago. Today the canal runs two thousand kilometers from the capital of Beijing to the north of the country, where it flows into the Yangtze River.

The longest overland distance The route between Chom Town in Liberia and Shitangzhen in China traverses nine time zones and 18 different countries and territories, making it the world’s longest transport link between two places. At 13,589.31 kilometers, it is almost a third of the Earth’s circumference. At a brisk pace of 5 kilometers per hour, walking from one end to the other would take 113 days and 6 hours – but only if you walk nonstop 24/7.

Shitangzhen/ China

113 Tage Days Die längste Strecke auf dem Meer Fährt man an der Küste Pakistans los und immer nur gerade­ aus entlang der Ostküste Afrikas, knapp an Feuerland ­vorbei, über den Pazifik, dann landet man irgendwann an der Küste der russischen Halbinsel Kamschatka. Die Strecke misst 32.089,7 Kilometer, ohne jemals auf Land zu treffen.

Pakistan

32.089,7 km

6 Stunden Hours

The longest route at sea If you set off from Pakistan, then sail straight down the east coast of Africa and around the continent’s southern tip, and head west past Tierra del Fuego before heading north up the Pacific, you will likely eventually end up at the Russian peninsula Kamchatka. The route measures 32,089.7 kilometers without ever touching land.

Kamschatka


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Der Gütige am Nordpol text Thuy Anh Nguyen

Vor 133 Jahren brach ein Expeditionsteam auf, um den nördlichsten Punkt der Erde zu erreichen. Mit dabei war der Afroamerikaner Matthew Henson. Gut möglich, dass er der erste Mensch am Nordpol war. Es ist 1887, als Matthew Henson in einem Hutgeschäft auf einen Mann trifft, der sich als Robert Peary vorstellt. Dieser sucht einen Assistenten für seine Reisen. Henson willigt ein, nicht wissend, dass er zwei Jahrzehnte später mit jenem Mann 665 Kilometer Marsch bestreiten wird, bis sie glauben, auf dem nördlichsten Punkt der Erde zu stehen. Matthew Alexander Henson kommt am 8. August 1866 in Maryland zur Welt, in einer für einen Afroamerikaner auf­ wühlenden Zeit, der Bürgerkrieg ist erst ein Jahr vorbei. Nach dem Tod der Eltern wird Henson mit 12 Jahren Ka­ binenjunge auf dem Schiff Katie Hines und bereist Europa, Asien und Afrika. Als er nach Washington D.C. zurückkehrt, begegnet der mittlerweile 21-jährige Henson dem zehn ­Jahre älteren Robert Edwin Peary, einem Ingenieur der US-­ Marine. Für die nächsten zwei Jahre begleitet Henson Peary nach Nicaragua und hilft ihm bei Vermessungsarbeiten. ­Henson muss Peary sehr beeindruckt haben, denn er heuert ihn für sein nächstes Vorhaben wieder an – für diese Zeit eher untypisch. Doch Peary hat ein ehrgeiziges Ziel, das ihn die gesellschaftlichen Konventionen im Umgang mit Afroamerikanern vorerst ignorieren lässt: Er will als erster Mensch den Nordpol erreichen. Für das Expeditionsteam ist Henson von unschätzbarem Wert: Mit seinen Fähigkeiten als Handwerker baut und ­wartet er die Schlitten. Von den Inuit lernt er, wie man in der Arktis überlebt. Er wird ein begnadeter Hundeschlitten­ fahrer: »(Henson) kann besser mit einem Schlitten um­ gehen und ist wahrscheinlich ein besserer Hundeführer als jeder andere lebende Mann, mit Ausnahme einiger der bes­ ten Eskimo-Jäger selbst«, schreibt Peary über ihn. Henson ­adaptiert nicht nur die Strategien der Inuit, er lernt auch ihre Sprache und Lebensweise – und wird zu ihrem Freund. »Mahri Pahluk« nennen sie ihn: Matthew der Gütige. Gemeinsam unternehmen Henson und Peary ab 1891 mehrere Expeditionen nach Grönland mit Anläufen zum

Nordpol, die jedoch erfolglos bleiben. Zu brutal ist die ­Arktis mit Temperaturen von 50 Grad unter null. Bei einem der Versuche verliert Peary acht Zehen. 1908 wollen sie es ein letztes Mal wagen: Mit dem Schiff Roosevelt kommen sie im September auf Ellesmere Island an und verbringen dort den langen arktischen Winter mit der Lagerung von Vor­räten. Ende Februar 1909 ist es so weit, das Team aus 24 Männern, 19 Schlitten und 133 Hunden verlässt das Fest­ land und betritt den gefrorenen Arktischen Ozean. Vor ­ihnen wartet ein ca. 665 Kilometer langer Marsch zum Pol. In den ersten Tagen kommen sie kaum voran. An den Küsten staut sich Packeis zu meterhohen Bergen. Das Eis bricht immer wieder, es driftet weg, manchmal bis zu zehn Kilometer Richtung Süden, weg vom Pol. Offene Wasser­ rinnen behindern den Weg, der Wind schneidet ins Gesicht, Schneestürme zerren an Kräften und Psyche der Expedi­ teure. »Wir überquerten mehrere, meist zugefrorene Rinnen und waren über zwölf Stunden unterwegs. Die Kilometer­ leistung war gering, und statt Freude empfand ich Ent­mu­ tigung. Ich war so erschöpft wie noch nie«, schreibt Henson später in seiner Autobiografie. Ab der dritten Woche wird die Route einfacher. Auf dem Weg schickt Peary nach und nach Teammit­ glieder zurück – eine übliche Taktik damals. Er nutzt erst ihre Arbeitskräfte und spart später ihr Transportgewicht. Nie­ mand kann sich sicher sein, dass er am nächsten Tag noch mit dabei ist. Als wieder einer gehen muss, schreibt Henson: »Mein Herz hörte auf zu klopfen, ich atmete leichter, und mein Geist war erleichtert. Ich war noch nicht an der Reihe, ich durfte weitergehen.« Am 1. April, kurz vor dem 88. Brei­ tengrad, schickt Peary zum letzten Mal einen Mann zurück. Es ist Kapitän Bartlett, der beste Navigator des Teams. Diese Entscheidung wird später viele Fragen aufwerfen.

Aus den amerikanischen Südstaaten an den Nordpol: der Schwarze Entdecker Matthew Henson From America’s south to the North Pole: the AfricanAmerican explorer Matthew Henson


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Probefahrt auf dem Trockenen – Matthew ­Henson (rechts) und die Crew auf dem Schlitten, der sie zum Nordpol bringen sollte Seite 33: Bereit zur Abfahrt – Henson (3. Reihe, 1. von rechts) und die Crew auf dem Forschungsschiff Roosevelt Dry run – Matthew Henson (right) and the crew on the sled that was to take them to the North Pole Page 33: Ready to go – Henson (third row, far right) and the crew of the research vessel Roosevelt

Am Ende sind es noch Peary, Henson und vier Inuit: ­Ootah, Egingwah, Seegloo und Ooqueah. Sie legen die ­verbliebenen 240 Kilometer in rekordverdächtigem Tempo ­zurück, Henson als Hundeschlittenführer fährt vor. Am 6. April schätzt er, dass sie angekommen sind, und macht halt. »Ich spürte, dass das Ende unserer Reise gekommen war.« Peary trifft eine Dreiviertelstunde später ein. Für viele ist das der Hinweis, dass womöglich nicht Peary, sondern Henson als Erster den Nordpol erreicht hat. Am nächsten Tag, als sich der Nebel lichtet, bestätigt Peary mit seinen Berechnungen ihre Position. Es ist geschafft! Die Männer hissen die US-­ Flagge und machen Fotos. Erst Tage später vermerkt Peary auf einem losen Zettel: »Endlich der Pol. Der Preis dreier Jahrhunderte, mein Traum und Ziel seit 23 Jahren.« Auf dem Rückweg spürt Henson, dass Peary sich von ihm distanziert. »Von dem Moment an, als ich ­Commander Peary sagte, dass ich glaubte, wir stünden auf dem Pol, hörte er offenbar auf, mein Freund zu sein«, ­erzählt er später. In den USA bricht Peary abrupt den Kontakt zu ihm ab. In den Wochen darauf wird es kurios: Eine seltsame ­Geschichte droht ihren Triumpf zu zerstören. Der Aben­teurer Frederick Cook behauptet, er sei schon am 21. April 1908, also ein Jahr früher als Peary, am Nordpol gewesen. Es kommt zum bitteren Streit. Was die Beweisführung so schwierig


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The kind heart at the North Pole TEXT

Thuy Anh Nguyen

133 years ago, an expedition set out to reach the northernmost place on Earth. The African-American Matthew Henson was part of the team. He may well have been the first human being at the North Pole. It was 1887 and Matthew Henson had just met a man in a haberdashery who introduced himself as Robert Peary. The latter was looking for an assistant to accompany him on his travels. Henson agreed, unaware that two decades later they would be trooping 665 kilometers together – until they thought they had reached the most northerly point on our planet. Matthew Alexander Henson was born on August 8, 1866, in Maryland, during a turbulent time for African-Americans. The Civil War had ended just a year earlier. At the age of twelve, following the death of his parents, Henson hired on to the Katie Hines as a cabin boy and traveled to Europe, Asia and Africa. When he returned to Washington D.C., the now 21-yearold Henson met Robert Edwin Peary, a U.S. Navy engineer ten years his senior. For the next two years, Henson accompanied Peary to Nicaragua to help with his surveying work. Henson must have made a big impression on Peary because, rather unusually for the time, he re-hired him for his next project. Peary had an ambitious goal that led him to disregard, temporarily, the social conventions underpinning interactions with African-Americans. He had set his heart on being the first person to reach the North Pole. Henson was invaluable for the expedition team. His skills as a craftsman enabled him to build and maintain the sleds. From the Inuits he had learned how to survive in the Arctic. He became a gifted dog sledder. Peary wrote that he “is probably a better dog-driver, than any other man living, except some of the best of the Eskimo hunters themselves.” Henson not only adapted the strategies of the Inuit people. He also learned their language and way of life. And he became their friend. They dubbed him “Mahri Pahluk”: Matthew the Kindhearted. Starting in 1891, Henson and Peary undertook several expeditions to Greenland that

included forays towards the North Pole. With temperatures plunging to minus 50° Celsius, the Arctic is simply too harsh. On one of the expeditions, Peary lost eight toes. In 1908 they resolved to make one final attempt. In September Peary and Henson arrived on their vessel The Roosevelt at the very northern tip of Canada, and spent the long Arctic winter storing their supplies on Ellesmere Island. At the end of February 1909, the team of 24 men, 19 sleds and 133 dogs embarked on their journey across the frozen Arctic Ocean. Ahead of them lay an approximately 665 kilometer trek to the Pole. During the first few days, they made scant progress. Pack ice had accumulated along coastlines into meter-high mounds. The ice kept cracking and breaking away, sometimes drifting up to ten kilometers to the south – in the opposite direction to the Pole. Channels of open water blocked their path. The winds tore at their faces, snowstorms sapped the explorers’ strength and morale. “We crossed several leads, mostly frozen over, and kept on going for over twelve hours. The mileage was small and, instead of elation, I felt discouragement . . . I was as tired out as I have ever been,” Henson was to write in his autobiography. Travel became easier from the third week onwards. En route, Peary repeatedly sent team members back. This was a common strategy back then: he tapped their strength and manpower and then dispensed with them to reduce the team’s weight and cargo requirements. No one knew for certain if or when they would have to bow out. When one member was dispatched back to base, Henson wrote: “My heart stopped palpitating, I breathed easier, and my mind was relieved. It was not my turn yet. I was to continue onward.” On April 1, just before the 88th parallel, Peary sent back a man for the last time. It was Captain Bartlett, the team’s best navigator. This decision was to prompt many a question later. In the end Peary, Henson and four Inuit were left: Ootah, Egingwah, Seegloo and Ooqueah. They covered the remaining 240 kilometers at record-breaking speed. As the sled driver, Henson forged ahead. On April 6, he assessed


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The kind heart

that they had arrived at their destination and stopped. “I felt that the end of our journey had come.” Peary arrived three quarters of an hour later. For many, this was the clue that Matthew Henson, and perhaps not Peary, was the first person to reach the North Pole. The next day, as the fog cleared, Peary recalculated and confirmed their position. We’ve made it! The men hoisted the Star-Spangled Banner and took photos. Some days later Peary noted on a small sheet of paper: “At long last the Pole. The price of three centuries, my dream and goal for 23 years.” On the return trip, Henson sensed that Peary was becoming aloof. “From the moment I declared to Commander Peary that I believed we stood upon the Pole, he apparently ceased to be my friend,” Henson related later. Once in the United States, Peary abruptly broke off all contact with him. The following weeks saw some strange developments, as an unexpected story threatened to undercut the expedition team’s triumph. The adventurer Frederick Cook claimed that he had already reached the North Pole on April 21, 1908, a year before Peary. A bitter dispute ensued. Providing proof for the competing claims was particularly difficult given a unique geographic feature of the North Pole: it has no fixed position on a solid landmass, as the Arctic ice is constantly shifting. Anyone claiming to have been there needs to have precise infor­ mation on the route taken and the location reached. Both Cook’s and Peary’s expedition diaries contain glaring gaps and amendments, and neither had a navigation expert present to verify their respective locations. New research shows that Peary and Henson’s team had at least been within range of the North Pole. In the best-case scenario, they actually reached it. In the worst, they were 111 kilometers away. Irrespective of who arrived first, all of these daredevils performed fantastic feats. They traveled hundreds of kilometers and expanded the boundaries of what can be humanly achieved. They tested new strategies and methods, and collected data for scientific research. And for Henson one thing is clear: without him and the Inuit, Pearson’s expedition would have achieved little. It would have been doomed to failure. Their role was pivotal. But this fact has long been ignored by white-oriented chroniclers of history. Following several investigations, the National Geographic Society declared that Robert Peary was the

sole explorer to “discover” the North Pole. For his achievements, he received the Medal of Honor and numerous awards. And Matthew Henson? For the African-American explorer, there were initially no medals or distinctions from prestigious geographical societies. Henson worked as a regular employee in a customs post and lived in very modest circumstances. His story only gained currency following Peary’s death, when the African-American community began to celebrate his monumental accomplishments. Thuy Anh Nguyen works as a freelance editor and social ­media manager specializing in science. She also organizes media projects with young people on issues such as diver­ sity, empowerment and postmigration.


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macht, hat mit der Besonderheit des geografischen Nordpols zu tun. Er hat keinen Fixpunkt auf einer festen Landmasse, da sich die Eislandschaft in der Arktis ständig verändert. Wer auch immer beansprucht, dort gewesen zu sein, muss eine präzise Dokumentation der Route und genaue Positionsan­ gaben vorweisen. Sowohl in Cooks als auch in Pearys Expedi­ tionstagebüchern gibt es auffällige Lücken und nachträgliche Änderungen, keiner der beiden hat am Ziel einen Navigati­ onsexperten an der Seite, der ihre Position bestätigen kann. Neue Untersuchungen zeigen: Zumindest das Team von Peary und Henson ist innerhalb eines Radius um den Nord­ pol gewesen. Im besten Fall haben sie den Nordpol tatsäch­ lich erreicht, im schlechtesten Fall waren sie 111 Kilometer entfernt. Wer auch immer der Erste am Nordpol gewesen ist, sie alle haben Unglaubliches geleistet. Sie haben Hunderte Kilometer Distanz überwunden und die Grenze des mensch­ lich Erreichbaren erweitert. Sie haben neue Strategien und Techniken getestet, Daten für die Wissenschaft gesammelt. Und für Henson gilt: Ohne ihn und die Inuit wäre die Ex­ pedition nicht weit gekommen, geschweige denn erfolgreich gewesen. Ihre Rolle war entscheidend. Doch diese Tatsache wird von der weiß dominierten Gesellschaft lange ignoriert. Nach etlichen Untersuchungen

erklärt die National Geographic Society Robert Peary zum alleinigen »Entdecker« des Nordpols. Er bekommt die Medal of Honor für seine Verdienste und zahlreiche Auszeichnun­ gen. Und Matthew Henson? Für den afroamerikanischen Polarreisenden gibt es zunächst keine Medaille und keinen Aufstieg in hoch angesehene Geogesellschaften. Henson arbeitet als einfacher Angestellter im Zollamt und lebt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Erst nach Pearys Tod und mit dem Einsatz vor allem der afroamerikanischen Com­ munity wird seine Geschichte mehr gehört – und seine mo­ numentale Leistung endlich anerkannt.

Thuy Anh Nguyen wurde 1988 geboren und arbeitet als freie Redakteurin und Social­Media­Managerin mit Schwerpunkt Wissenschaft. Außerdem macht sie Medienprojekte mit Jugend­ lichen zu Diversität, Empowerment und Post­Migration.

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Kein Weg zu weit text Stefanie Hardick

Wissenschaft ist mehr als Bibliothek, Computer und Labor. Auch heute noch forschen Menschen an abgelegenen und schwer zugänglichen Orten, denn die spannendsten Erkenntnisse warten im Unbekannten. Drei Geschichten aus einer isolierten Polarstation, labyrin­ thischen Höhlen und der Tiefe des Meeres.

Die Telemedizinerin Wer den Winter in der Forschungsstation Concordia über­ standen hat, darf sich mit einem Wegweiser verewigen. In der Werkstatt schnitzt Beth Healey »Hereford: 16.533 Kilo­ meter« in ihr Schild. Die Britin ist in diesem Moment weiter von ihrem Heimatort entfernt als die Raumstation ISS, so­ wohl von der Distanz als auch von der Reisedauer her. Die Forschungsstation liegt 1.000 Kilometer von der Küste der Antarktis entfernt, auf einem Hochplateau 3.233 Meter über dem Meeresspiegel. Ursprünglich wurde sie für Eis­ bohrungen errichtet, mit denen das Klima der Vergangenheit erforscht werden kann. Doch Beth Healey überwintert hier 2016 im Auftrag der Europäischen Weltraumagentur. Als Forschungsärztin betreut sie die anderen 12 Crewmitglieder. Vor allem aber untersucht sie, welche Auswirkungen extreme Bedingungen und Isolation auf Körper und Psyche haben. Ihre Erkenntnisse sollen helfen, Marsmissionen vorzuberei­ ten. Concordia steht an einem der lebensfeindlichsten Orte der Erde, dem sogenannten »Weißen Mars«. Im Winter ­sinken die Temperaturen auf minus 80 Grad. Im Notfall könnte kein Flugzeug Hilfe bringen, weil Kerosin bereits bei minus 50 Grad gefriert. Anfang Mai versinkt die Sonne hinter dem Horizont, 105 Tage lang dringt kein Lichtstrahl zu den Forscherinnen und Forschern. Durch die Höhenlage enthält die Luft ein Drittel weniger Sauerstoff als auf Normalnull. Jeder Gang wird zum anstrengenden Dauerlauf. Mit smarten Armbändern überwacht Beth Healey die Körperwerte der Crew. Außerdem kann sie nachvollziehen, wer im Gemeinschaftsraum zusammensitzt oder sich selbst

noch weiter isoliert. Alltagsbeobachtungen über die Stim­ mung des Teams protokolliert sie in Video-Tagebüchern. Schnell wird klar, dass sich Menschen auch nach langer Zeit kaum an die extrem niedrige Sauerstoffversorgung anpassen können. Die Polarnacht zehrt an den Nerven: »Die Dunkel­ heit ist brutal. Erst wenn die Sonne fehlt, merkt man, wie sehr sie uns sonst mit dem Rest der Welt verbindet,« sagt Healey. Die Schlafrhythmen der Crew geraten durchein­ ander. »Zu Beginn war ich vier Nächte am Stück wach.« Weil alle sich für eigene Forschungsprojekte zurückziehen, ist die Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten verpflichtend. »Während die einen frühstückten, nahmen die anderen schon ihr Abendbrot ein«, sagt Healey. »Und immer fühlte es sich an, als äßen wir um 3 Uhr nachts Nudeln.« Der Appetit schwindet, alle verlieren an Gewicht, werden blasser. »Ich hatte das Gefühl, mein Körper fällt auseinander.« Die psychische Stabilität des Teams und seiner Mitglieder kann während einer realen Raummission über Leben oder Tod entscheiden. Im Notfall sind Crews dann auf Telemedi­ zinerinnen oder -mediziner angewiesen, die nicht nur die körperliche, sondern auch eine seelische Heilung einleiten können. Diagnose und Behandlung aus der Distanz will Beth Healey weiter erforschen, die Telemedizin voranbringen. Nicht nur, weil es ihr großer Traum ist, irgendwann selbst ins All zu fliegen: »Auf der Erde wohnen viele Menschen weit entfernt von medizinischer Versorgung. Unsere Forschung kann auch ihre Lebensbedingungen verbessern.«

Die Ärztin Beth Healey hat zu Forschungs­ zwecken in der Antarktis überwintert. The physician Beth Healey spent the winter in the Antarctic for her research.


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Abgelegene Forschung

Für Keneiloe Molopyane ein gewöhnlicher Arbeits­ platz, für die meisten anderen unerreichbar: die ­R ising-Star-Höhlen in Südafrika Just a regular workplace for Keneiloe Molopyane, but inaccessible to most others: the Rising Star caves in South Africa

Die Paläoanthropologin Wer den Stammbaum des Menschen erforschen will, stützt sich meist auf Fossilien. Aus ihnen kann man auf Körper­ größe, Gehirnvolumen und Lebensweise unserer entfernten Verwandten schließen. Doch vollständige Überreste von Vor- und Frühmenschen werden selten ausgegraben. Oft findet sich nur ein Zahn oder das Fragment eines Schädels. Einzigartig ist deshalb der Schatz, den die Rising-Star-­ Höhlen in Südafrika bergen. Mehr als 1.500 Fossilien wurden hier, etwa 50 Kilometer nordwestlich von Johannesburg, gefunden. Es sind die Knochen von mindestens 15 Indivi­ duen einer zuvor unbekannten Art, die Homo naledi ge­ tauft wurde. Darunter ist sogar ein etwa sechsjähriges Kind, ­dessen fragile Schädelknochen wie durch ein Wunder 250.000 Jahre erhalten geblieben sind. Es ist kein langer Weg, den Keneiloe Molopyane zurück­ legen muss, wenn sie in die beiden Kammern gelangen will, in denen Homo naledi entdeckt wurde: Nur etwa 100 Meter. »Usain Bolt läuft diese Distanz in weniger als 10 Sekunden«, sagt die südafrikanische Paläoanthropologin. »Wir brau­ chen mindestens 45 Minuten und müssen die ganze Zeit hoch ­konzentriert sein.« Der Weg in die Tiefe ist anstren­ gend und nervenzehrend. Neben Keneiloe Molopyane gibt es nur eine Handvoll Menschen, die es überhaupt durch das Höhlen­labyrinth schaffen. Als die Universität Witwatersrand 2013 das erste Team zusammenstellte, klang die Stellenan­ zeige so: »Exzellente Paläontologen mit Erfahrung in der Höhlen­forschung. Die Personen müssen fit und so klein und dünn wie möglich sein. Sie dürfen nicht klaustrophobisch sein. Erfahrung im Klettern ist ein Bonus.« Bis heute sind es überwiegend Frauen, auf die alle Kriterien zutreffen: die Underground Astronauts. Tief in der Höhle müssen sie sich durch einen Spalt zwän­ gen, der als »Superman-Krabbler« bekannt ist: Sie können ihn nur passieren, wenn sie minutenlang auf dem Bauch vor­

wärtskriechen, einen Arm eng an den Körper legen und den anderen am Kopf entlang nach vorne strecken, wie Super­ man im Flug. Später führt eine 12 Meter tiefe, beinahe senk­ rechte Rutsche in die Fossilienkammer. Der stockdunkle Spalt ist gespickt mit Felsvorsprüngen und verengt sich zu einer 18 Zentimeter schmalen Öffnung. »Ich bin schon sehr oft stecken geblieben«, sagt Keneiloe Molopyane. Ein Mo­ ment der Unachtsamkeit, fehlender Schwung beim Einstieg, zu wenig Griff am glitschigen Gestein: »Schon steckt man gefühlt stundenlang fest.« Gemeinsam versucht das Team dann einen Ausweg zu finden. »Meistens hilft es, im richti­ gen Moment einzuatmen und den winzigen Schwung des Ausatmens zu nutzen, um sich ein wenig herauszubewegen.« Allen ist klar: Wer sich verletzt, muss bis zur Genesung unter der Erde leben. Eine Rettung wäre riskanter als die Versor­ gung in der Höhle. Endlich angekommen, arbeiten die Underground ­Astronauts eine sechsstündige Schicht in der Ausgrabungs­ kammer. Manchmal bringen sie auf dem Rückweg sogar noch zerbrechliche Fossilien an die Erdoberfläche, wo sie weiter untersucht werden können. Bis heute wissen die ­Forschenden zum Beispiel noch nicht, wie Homo naledi vor 250.000 Jahren in die Höhle kam und warum. »Früher war es üblich, alles für sich zu behalten, sagt Keneiloe Molo­ pyane. »Aber dann würden wir nur unsere eigenen Ideen immer wieder aufkochen. Wissenschaft lebt durch frische Perspektiven.« Andere Forschende können deshalb auf alle Erkenntnisse zugreifen. So unzugänglich der Fundort ist, so zugänglich soll das Wissen über ihn sein.

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Abgelegene Forschung

Arbeitsplatz unter Wasser: das Tauchboot von Victor Vescovo A workplace under water: Victor Vescovo’s submersible

Der Tiefseetaucher 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel beginnt eine unbe­ kannte Welt. Nur ein Prozent der Ozeane reicht hinab in eine Zone, die nach dem griechischen Gott der Unterwelt be­ nannt ist: die Hades­Zone, eine Welt der ewigen Finsternis unter dem Druck kilometerdicker Wassermassen. Erst 1960 gelang es Forschern, an den tiefsten Punkt der Erde vorzu­ dringen: das Challengertief im Marianengraben, 10.928 Me­ ter unter dem Meeresspiegel. Bis heute schafften es weniger Menschen dorthin als auf den Mond. Selbst die Oberfläche des Mars ist besser vermessen als der Boden der Ozeane. Dabei werden Daten über die Tiefsee immer wichtiger: für die Erforschung des Klimawandels, für den Schutz der Küs­ ten, für die Gewinnung von Energie und Rohstoffen. Um die Tiefsee zu erforschen, braucht man Geld, moder­ nste Technik und Mut. Der US­Amerikaner Victor Vescovo hat all das. Und er setzt es ein, um seinen Traum zu ver­ wirklichen: Als erster Mensch reiste der ehemalige Marine­ offizier zu den tiefsten Stellen aller fünf Ozeane. Für die Ex­ pedition »Five Deeps« umsegelte er zwei Jahre lang die Erde, kreuzte mit seinem 30­köpfigen Team insgesamt 87.000 Kilometer zwischen Arktis und Antarktis und tauchte in Ge­ wässern, die berüchtigt sind für ihr gefährliches Wetter. Das Team hatte dafür ein besonders sicheres Triton­ Tauchboot aus Titan entwickelt, die »Limiting Factor«. Es kann zwei Menschen in die Tiefe bringen, oft tauchte Victor Vescovo aber auch allein. »Es ist eine sehr intensive Erfah­ rung, die ich genieße«, erklärt er. »Es gibt dann nur mich, die Maschine und die Umgebung.« Er verbringt bis zu 13 Stun­ den in der engen Tauchkapsel, begrenzt nur durch den Lade­ stand der Akkus und seine eigene körperliche Ausdauer. »Klaustrophobisch darf man wirklich nicht sein. Und man sollte sich dick anziehen: Es wird eiskalt in der Kapsel.« Die drei Stunden, die Vescovo unten am Meeresboden verbringen kann, sind eine Zeit des Staunens, etwa über die

Lebewesen, die sich an diese lichtlose, nährstoffarme Um­ welt angepasst haben. Rund 40 neue Arten hat er bei seinen Tauchgängen entdeckt. »Einige Lebewesen passen in mei­ ner Vorstellung eher auf fremde Planeten als auf die Erde«, sagt er. Die gesamte Zeit filmen hochauflösende Kameras die Umgebung, drei Robotersonden sammeln Wasser­ und Bodenproben. »Je mehr wir sammeln, desto größer ist die Chance, dass wir bei den Analysen später etwas Bemer­ kenswertes finden.« Die größte Aufmerksamkeit erregte allerdings ein trauriger Fund: Auf dem Boden des Marianen­ grabens, in fast 11.000 Metern Tiefe, entdeckte er Müll. »Natürlich war ich unglaublich ernüchtert. Noch viel mehr beunruhigt mich aber das, was ich nicht sehen konnte: Mikroplastik ist in jedem Ozean, jeder Tiefe, jeder Nahrungs­ kette.« Mit seinen spektakulären Expeditionen macht Victor Vescovo auf die Verletzlichkeit der Meere aufmerksam. Alle gesammelten Daten stellt er für die Forschung frei zur Verfügung. Sein Team sondiert weiterhin jeden Monat Zehn­ tausende Quadratkilometer der Tiefsee und unterstützt damit das Projekt »GEBCO 2030«. Sein Ziel: die lückenlose Kartierung des Meeresbodens.

Stefanie Hardick wurde 1978 geboren und schreibt als freie Journalistin über Wissenschaft und historische Themen. Die Geschichte von Entdeckungen und Erfindungen vermittelt sie nicht nur in Artikeln, sondern auch bei Stadtführungen durch Berlin.


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No distance too far TEXT

Stefanie Hardick

Science is more than libraries, computers, laboratories. Even today, people still conduct research in remote and virtually inaccessible places – after all, the most exciting findings await in the unknown. Here are three stories from an isolated polar station, labyrinthine caves, and the depths of the ocean. The Telemedicine Specialist Anyone who has survived a winter at the Concordia research station is entitled to immortalize themselves with a signpost. In the workshop, Beth Healey is carving “Hereford: 16,533 kilometers” into her sign. At this moment, the British woman is further away from her hometown than the ISS space station, in terms of both distance and the duration of the journey. The research station is located 1,000 kilometers from the coast of Antarctica, on a high plateau 3,233 meters above sea level. Originally it was built for ice drilling, which is used to explore earlier climates. But Healey is wintering here in 2016 on behalf of the European Space Agency. As a research physician, she looks after the other twelve crew members. Above all, how­ ever, she investigates the effects of extreme conditions and isolation on the body and psyche. Her findings should help to prepare Mars missions. Concordia is sited in one of the most hostile places on the planet, the so-called “White Mars.” During the winter, temperatures drop to minus 80 degrees Centigrade. In an emergency, no aircraft could bring help because kerosene already freezes at minus 50 degrees. At the beginning of May, the sun sinks behind the horizon, and not a single beam of light penetrates through to the researchers for 105 days. Due to the altitude, the air contains a third less oxygen than at sea level. Every short walk becomes a strenuous endurance run. Healey monitors the crew’s vitals using smart bracelets. She can also track who is sitting together in the common room – or isolating him- or herself even further from the others. She records her everyday observations on the mood of the team in video diaries. It quickly becomes evident that, even after a long

time, human beings are hard put to adapt to the extremely low oxygen supply. The polar night is nerve-wracking: “The darkness is brutal. Only when the sun is missing do you realize how much it connects us to the rest of the world,” says Healey. The sleeping rhythms of the crew are disrupted. “In the beginning, I was awake four nights in a row.” Because everyone withdraws for their own research projects, partici­ pation in the common meals is mandatory. “While some were having breakfast, others were already eating their supper,” says Healey. “And it always felt like we were eating pasta at 3 a.m.” Appetites disappear, everyone loses weight, becomes paler. “I felt like my body was falling apart.” The psychological stability of the team and its members can make the difference between life and death during a real space mission. In an emergency, crews are then dependent on telemedicine specialists who can initiate not only physical but also mental healing. Healey wants to conduct further research into diagnosis and treatment from a distance, and advance telemedicine. Not only because she dreams of flying into space herself at some point: “On Earth, many people live far removed from medi­ cal care. Our research can also improve their living conditions.” The Biological Anthropologist Anyone who wants to research the family tree of humans usually relies on fossils remains. From these, one can infer the height, brain volume and lifestyle of our distant relatives. However, complete remains of pre- and early humans are rarely excavated. Often only a tooth or skull fragment is found. All the more unique is the treasure trove housed in South Africa’s Rising Star caves. More than 1,500 fossils have been unearthed here, some 50 kilometers northwest of Johannesburg. They are the bones of at least 15 individuals of a previously unknown species that was baptized Homo naledi. Among them is even a six-year-old child whose fragile skull has miraculously been preserved for 250,000 years.


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Remote research

Keneiloe Molopyane need not travel far to reach the two chambers where Homo naledi was discovered: only about 100 meters. “Usain Bolt runs this distance in less than ten seconds,” says the South African biological anthropologist. “We need at least 45 minutes and we have to be utterly concentrated all the time.” The way into the depths is exhausting and nerve-wracking. Apart from Molopyane, only a handful of people make it through the cave labyrinth at all. When the University of the Witwatersrand put together the first team in 2013, the ad read: “Excellent paleontologists with experience in caving. People must be fit and as short and thin as possible. They must not be claustrophobic. Experience in climbing is a bonus.” To this day, it is predominantly women to whom all these criteria apply: the Underground Astronauts. Deep in the cave, they have to squeeze through a crevice known as the “Superman crawler”: they can only navigate it if they crawl forward on their stomachs for minutes, holding one arm close to their body, and stretching the other upward on the side of their head – like Superman in flight. Later, a twelve-meter-deep, nearly vertical slide leads into the fossil chamber. The pitch-dark gap is peppered with rocky outcrops and narrows to an 18-centimeter opening. “I’ve often gotten stuck,” says Molo­ pyane. A lapse in concentration, a lack of momentum when entering, too little grip on the slippery rock, and “you already feel like you’ve been stuck for hours.” Together, the team then tries to find a solution. “Most of the time it helps to inhale at the right instant and use the tiny momentum of exhalation to inch out a little.” It is clear to everyone that those who injure themselves must remain underground until they recover. A rescue would be riskier than providing care in the cave. Once they have finally arrived, the Underground Astronauts work six-hour shifts in the excavation chamber. Sometimes they even bring fragile fossils back with them to the Earth’s surface, where they can be further studied. To this day, for example, researchers do not yet know how Homo naledi entered the cave 250,000 years ago, and why. “It used to be the rule to keep everything to yourself,” says Molopyane. “But then we would just be boiling up our own ideas and outlooks, over and over again. Science lives off fresh perspectives.” So all the findings are made available to other researchers. As inaccessible as the site is, the

knowledge gained about it should be as accessible. The Deep-Sea Diver 6,000 meters below sea level, an unknown world begins. Only one percent of the oceans extends further, down to a realm named after the Greek god of the underworld: the Hades Zone. It is a place of eternal darkness under the pressure of kilometer-thick masses of water. It was not until 1960 that researchers succeeded in reaching the lowest point on earth: the Challenger Deep in the Mariana Trench, 10,928 meters below sea level. To date, fewer people have made it there than to the moon. Even the surface of Mars is better measured than the bottom of the oceans. Yet data on the deep seas are becoming increasingly important: for research into climate change, for coastal protection, for the extraction of energy and raw materials. To explore the deep sea, you need money, state-of-the-art technology and courage. The American Victor Vescovo has it all. And he has tapped it to realize his dream: the former naval officer was the first person to travel down to the deepest points of all five oceans. For the “Five Deeps” expedition, he sailed around the world for two years, cruising a total of 87,000 kilometers between the Arctic and Antarctic with his 30-strong team, and diving in waters notorious for their perilous weather conditions. For the mission, the team had developed an ultra-safe Triton submersible made of titanium, the “Limiting Factor.” It can transport two into the depths, but often Vescovo did the dives alone. “It’s a very intense experience that I enjoy,” he explains. “Then there is only me, the machine and my surroundings.” He spends up to 13 hours in the narrow capsule, limited only by the battery charge and his own physical endurance. “You certainly can’t be claustrophobic,” he says. “And you need to dress warmly; it gets freezing cold in the capsule.” The three hours that Vescovo can spend down on the seabed are an exercise in wonderment, in being amazed, for example, by the creatures that have adapted to this lightless, nutrient-poor environment. Vescovo has discovered some 40 new species during his dives. “In my opinion, some living creatures are a better fit for an alien planet than Earth,” he says. High-resolution cameras film the environment nonstop, and three robotic probes collect water


Remote research

and soil samples. “The more we collect, the greater the chance that we will find something remarkable in the analyses later.” However, what caught his attention most was a sad find: on the floor of the Mariana Trench, at a depth of almost 11,000 meters, he discovered waste. “Of course I was incredibly disillusioned. But what worries me even more is what I couldn’t see: microplastics are in every ocean, at every depth, in every food chain.” With his spectacular expeditions, Vescovo promotes an awareness of the fact that the oceans are vulnerable. He makes all the data he collects available for research. His team continues to explore tens of thousands of square kilometers of the deep sea every month, supporting the “GEBCO 2030” project. His goal: to completely map the ocean floor. Stefanie Hardick, born in 1978, is a freelance journalist ­specializing in scientific and historical topics. The history of discoveries and inventions are themes in both her articles and her guided tours of Berlin.

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Artikel xx

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1 USA

USA

El Paso heißt der neue, mittlerweile achte Gebrüder Weiss-Standort in den USA . Die im Bundesstaat Texas gelegene Grenzstadt mit rund 700.000 Einwohner*innen soll künf­ tig Dreh- und Angelpunkt für Kom­ plettladungsverkehre zwischen dem benachbarten Mexiko und den Ver­ einigten Staaten werden. Denn der Warenstrom zwischen beiden Län­ dern wächst und damit auch die Nachfrage nach Transportkapazitä­ ten. Besonderen Bedarf hat derzeit die Automobil-, Stahl-, und Textil­ industrie. Beste Ausgangsbedingun­ gen also – viva México!

El Paso has just been inaugurated as the eighth Gebrüder Weiss ­location in the U.S. With some 700,000 inhabitants, the border city in Texas will become the main hub for full-load traffic between neighboring Mexico and the United States – serving the fast-growing flow of commodities between the two countries and the rising demand for transport capacity that this ­generates. The automotive, steel and textile industries currently have heightened needs: the most propitious of circumstances for a new venture. Viva México!

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2 Deutschland

3 Österreich

4 Slowakei

Ein innovatives Bahnkonzept wurde für den langjährigen Kunden Henkel auf Schiene gebracht. Gebrüder Weiss nutzt für die Strecke Wien – Düsseldorf jetzt ein Verladesystem von Helrom. Spezielle Trailerwagen ermöglichen ein unabhängiges Ver­ laden am Bahnhof ohne Kran. Die Trailer werden einfach über seitlich ausschwenkbare Ladeflächen auf die Güterwagen geschoben. Doppelt gut: Mit der Bahnlösung wird der Eng­­pass beim Lkw-Laderaum umgangen, und gleichzeitig werden die CO 2-­ Emissionen um bis zu 70 Prozent auf der gefahrenen Strecke gesenkt.

Produkte wie das Regal »Billy« oder das Bett »Hemnes« des schwe­ dischen Möbelherstellers Ikea er­ reichen Kunden im Großraum Wien seit Oktober 2021 in emissionsfreien Elektrofahrzeugen. Für die Sparte Home Delivery hat Gebrüder Weiss 15 neue vollelektrisch ange­trie­bene Zustellfahrzeuge des Herstellers Quantron im Einsatz. Durch die ­abgasfreien Fahrzeuge werden bei der Endkundenzustellung im Jahr etwa 150 Tonnen CO 2 eingespart. ­Gebrüder Weiss ist in Österreich der größte Logistikpartner von Ikea und bedient auch in Ungarn, Rumä­ nien, Bulgarien und Kroatien dessen ­Home-Delivery-Kunden.

Die Slowakei macht mit. Nämlich bei der Konzern-Initiative »zero ­emissions«. Mit diesem neuen Ser­ vice bietet Gebrüder Weiss seinen Kunden die Möglichkeit, den CO 2Ausstoß ihrer Sendungen vollständig auszugleichen – durch die finanzielle Unterstützung eines zertifizierten ­Klimaschutzprojektes auf verschiede­ nen Kontinenten. Ein innovativer Schritt, um CO 2-Fußabdrücke sicht­ bar zu machen und Kunden auf ihrem Weg zu einer ausgeglichenen Öko-­ Bilanz zu begleiten. Auch für sich selbst hat Gebrüder Weiss ein ehr­ geiziges Ziel: die Klimaneutralität der eigenen Logistikanlagen bis 2030.

Germany An innovative railway concept has been launched for the company’s long-standing customer Henkel. Gebrüder Weiss is now using a loading system devised by Helrom for its Vienna to Düsseldorf route. Special trailer wagons allow goods to be loaded at the station without a crane. The trailers are simply pushed onto the freight wagons via swiveling loading ramps. Additional benefits: the rail solution circumvents the ­bottleneck in truck cargo space and simultaneously reduces CO² emissions by up to 70 percent on the route traveled.

Austria Since October 2021, products such as Billy shelves and Hemnes beds have been supplied to IKEA’s customers in the Greater Vienna area using emission-free electric vehicles. For its Home Delivery division, ­Gebrüder Weiss is deploying 15 new all-electric vans from the manufacturer Quantron. The vehicles save some 150 metric tons of CO² per year during end-customer delivery. Gebrüder Weiss is the Swedish furniture company’s main logistics partner in Austria and also serves its Home Delivery customers in Hungary, Romania, Bulgaria and Croatia.

Slovakia Slovakia is keeping clean and green too – by joining the Group’s “zero emissions” initiative. With this new service, Gebrüder Weiss offers its customers the opportunity to fully offset the CO² emissions of their shipments – by providing financial support to certified climate protection projects spanning multiple continents. This innovative step serves to make CO² footprints visible and help ­customers take further strides towards a balanced life-cycle assessment. Gebrüder Weiss has also set itself an ambitious target: ­climate neutrality at its own logistics facilities by 2030.


Artikel xx Die Welt in Orange Orange network

5 Bulgarien

Bulgaria

Ziemlich cool: Für Liebherr über­ nimmt Gebrüder Weiss die Distribu­ tion von Kühl- und Gefriergeräten zu Vertragspartnern in sieben Länder Osteuropas. In Bulgarien geschieht das direkt ab dem Liebherr-Werk in Marica. Von dort werden auch die Vertriebsstellen in Rumänien und Ungarn beliefert. Das Besondere: Alle Prozesse sind für Liebherr über das Kundenportal myGW jederzeit nachvollziehbar. Das ist in einigen Zielländern noch keine Selbst­ verständlichkeit. Ein weiterer Ge­ schäftsausbau ist in Planung, dann sollen auch die Home-Delivery-­ Services für Liebherr in Osteuropa übernommen werden.

Pretty cool. In seven Eastern European countries, Gebrüder Weiss manages the distribution of refrigerators and freezers to partners of the appliance manufacturer Liebherr. In Bulgaria, this is handled directly from its plant in Marica, from where the sales offices in Romania and Hungary are also supplied. The big benefit: Liebherr can monitor all its processes around the clock – using the myGW customer portal. This is still a real bonus in some target countries. Further expansions are in the works, at which point Gebrüder Weiss will also take over home delivery services for Liebherr in Eastern Europe.

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Auch am Bosporus stehen die Zei­ chen auf Wachstum. Mit der Über­ nahme des Speditionsunternehmens 3S Transport & Logistik in Istanbul verdoppelt Gebrüder Weiss Türkei sein Transportvolumen und positio­ niert sich als Top-Player für Verkehre mit Deutschland, Österreich und der Schweiz. In diesem Frühjahr folgt die Gründung eines neuen Standorts in Mersin im Süden der Türkei. Die Aktivitäten rund um den zweitgröß­ ten Hafen des Landes umfassen Luftund Seefrachtservices sowie inter­ modale Landtransporte. Mersin ist eine zentrale Logistikdrehscheibe am Mittelmeer für Transporte Richtung Kaukasus, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien.

Lights on! Für den Lichtkonzern Zumtobel wurden 12.600 LED- Stra­ ßenleuchten und Lichtmasten über die Bahnroute der Neuen Seidenstra­ ße von Österreich in die Mongolei transportiert. Um sicherzustellen, dass die sensible Ware während der 30-tägigen Bahnfahrt nicht verrutscht und heil ans Ziel kommt, wurde sie in eigens dafür angefertigten Holz­ gestellen fixiert. Innerhalb von zwölf Monaten erreichten so über 80 Con­ tainer termingerecht und mit un­ beschädigtem Inhalt die mongolische Hauptstadt Ulaan­baatar.

Mongolia

Brightening up the future! On behalf of the lighting group Zumtobel, ­Gebrüder Weiss has transported 12,600 LED street lamps and light There are portents of growth on the poles from Austria to Mongolia Bosporus as well. With the acquisivia the New Silk Road railway link. tion of the freight forwarder 3S Trans- To ensure that the fragile goods port & Logistics in Istanbul, Gebrüder ­arrived at their destination safely Weiss Turkey is doubling its transport and survived the 30-day train jourvolume and positioning itself among ney undamaged, they were attached the top players for traffic with Germa- to specially constructed wooden ny, Austria and Switzerland. This frames. Over a period of twelve spring will see an additional location months, more than 80 containers open its doors in southern Turkey: were delivered to the Mongolian Mersin. The operations now based in capital Ulaanbaatar, on time and the country’s second-largest port with their contents in perfect con­ range from Air & Sea freight services dition. to intermodal land transport. Mersin is a key logistics hub on the Mediterranean for goods destined for the Caucasus, the Near and Middle East, and Central Asia.

Turkey

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Seit über einem Jahrzehnt arbeitet Gebrüder Weiss erfolgreich mit dem Kunden Toyota Motor Kazakhstan zusammen. Zu den Services im Be­ reich Automobil- und Lagerlogistik zählt neuerdings auch die inländi­ sche Distribution von Ersatzteilen zu den Toyota-Händlern im Land. Zu­ sätzlich werden zudem Transporte von Almaty direkt nach Bischkek in Kirgisistan durchgeführt. Als wich­ tiger Logistik-Hub auf der Route der Neuen Seidenstraße gewinnt der Standort im Südosten Kasachstans für Gebrüder Weiss und seine Kun­ den weiterhin an Bedeutung.

Kazakhstan For more than a decade now, the company has maintained a suc­ cessful partnership with its customer Toyota Motor Kazakhstan. The ­Gebrüder Weiss services in the fields of automotive and warehousing logistics now include the distribution of spare parts to Toyota’s ­domestic dealerships. In addition, the company also provides direct deliveries from Almaty to the Kyrgyzstani capital of Bishkek. As a pivotal logistics hub along the New Silk Road, the Almaty site in south­ eastern Kazakhstan is continuing to grow in importance for Gebrüder Weiss and its customers.


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Gefahr aus nächster Nähe gespräch Frank Haas mit Hartmut Rosa

Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass die Verbindungen mit der Welt loser geworden sind – man geht den gewohnten Hobbys nicht mehr so intensiv nach wie früher oder trifft seltener Freundinnen und Freunde. Stattdessen greift ein Gefühl der Stumpfheit und der Entfremdung um sich, was eine Theorie von Hartmut Rosa stützt: Für ein gelingendes Leben sei es absolut erforderlich, so der Soziologe, dass wir unsere Umwelt wahrnehmen und uns auf sie einlassen – ohne über sie verfügen zu wollen. Kurz: Dass wir mit ihr in Resonanz treten. Was aber, wenn die Bereitschaft dazu etwas eingerostet ist? Frank Haas hat sich mit Hartmut Rosa über Entschleunigung, soziale In­teraktionen und die Folgen von Social Distancing unterhalten.

Hartmut Rosa ist Professor für Allgemeine und Theo­retische ­S oziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und hat seit 2002 eine Gastprofessur an der New School University in New York. Im Rahmen seiner S ­ oziologie des guten Lebens hat er das ­soziologische Konzept der Resonanz beschrieben, bei dem Körper und Seele beziehungsweise Mensch und ­Umwelt so m ­ iteinander in Einklang gebracht werden, dass sie sich gegenseitig anregen und eine Schwingung entsteht. Harmut Rosa is a professor of Socio­logy at Friedrich Schiller University in Jena; since 2002 he has been associated with the New School University in New York City as a visiting professor. In connection with his work Socio­logy of the Good Life, Rosa formulated the sociological concept of resonance in which body and soul – i.e. humans and their environment – can enter into a balanced relationship of mutual motivation which generates resonance.

Herr Rosa, die Menschheit hat nun schon zwei Jahre ­hinter sich, in denen wir stark auf Abstand zueinander gehen mussten und das sogenannte Social Distancing ist normal geworden. Was hat das mit uns gemacht? »Social Distancing« ist eigentlich der falsche Begriff. Man wollte die Leute ja nicht sozial auseinander bringen, sondern räumlich. Mittlerweile aber ist schon auch eine echte Social Distance eingezogen, eine soziale Distanz zum anderen, insbesondere, was die körperliche Begegnung angeht, also, dass der andere potenziell als Gefahr wahrgenommen wird. Man hat direkt körperlich das Gefühl, da ist eine Bedrohung, wenn man in die Nähe von Menschen kommt. Und interes­ santerweise hat sich auch unser Raumsinn geändert. In den Lockdown-Phasen ist ein neuer Ausnahmemodus entstan­ den: das Gefühl, dass sich die Welt in konzentrischen Kreisen um uns herum aufbaut. Früher war das der Normal­modus. Die Wohnung war der Mittelpunkt, das war unsere Welt, dann kam der Garten und die Straße bis zum Laden, alles eng und vertraut. Dahinter lag der Dorfrand oder, je nachdem, wo man lebte, der Wald, die Berge, das alles war noch er­ reichbar. Dahinter wiederum wurde es immer ­diffuser und London und New York waren überhaupt nicht erreichbar, sondern unverfügbar. Früher war es nicht ­normal, dass man dachte, nächstes Wochenende bin ich in Wien, danach habe ich noch diesen Termin in Innsbruck und die Welt ist wie ein Atlas, der vor mir liegt und auf dem ich mich bewege. Das hat sich während der Pandemie wieder geändert.


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Interview

»Erst, wenn man sich überwindet, stellt man fest, was man die ganze Zeit vermisst hat.« Obwohl wir uns jetzt in einer Phase befinden, in der die Hoffnung auf eine ­Normalisierung keimt, habe ich ­persönlich mittlerweile ein Gefühl von Welthemmung. Ich bekomme zwar endlich wieder Einladungen, denke aber, dass ich eigentlich gar nicht mehr so richtig mag. Können Sie das nach­vollziehen? Das kann ich nicht nur nachvollziehen, das kann ich auch erklären. Was Sie mit Welthemmung meinen, ist die Beo­ bachtung, dass eine Art von Distanz zwischen mir und der Welt eingetreten ist. Ich hatte schon im Mai 2020 den Ein­ druck, dass sich dieses Gefühl wie Mehltau über die Gesell­ schaft legt. Viele Menschen berichteten, dass man Einla­ dungen gar nicht mehr unbedingt annehmen will oder dass man denkt: »Ich könnte zwar den oder die mal wieder ­an­rufen und mit ihm oder ihr reden – aber ich hab irgend­ wie keine Lust darauf.« Woran liegt das? Mir ist aufgegan­ gen, dass man zunächst Energie braucht, um sich in die Inter­ aktion mit der Welt zu stürzen. Das gilt übrigens für alle ­Arten von Interaktion, auch zum Beispiel für das Rausgehen, wenn die Sonne scheint. Da denkt man ja auch schnell: ­»Eigentlich habe ich keine Lust, ich bin zu müde, zu abge­ schlafft oder zu lustlos, ich bleibe lieber auf dem Sofa.« Die Energie kommt aber durch die Aktivität, sie ist nicht einfach in mir, und das gilt insbesondere für soziale Interaktion. Und je weniger soziale Interaktion stattfindet, desto weniger scheinen Menschen das Bedürfnis danach zu haben. Das wissen wir aus der Einsamkeitsforschung. Wenn Menschen lange genug allein sind, haben sie irgendwann gar kein ­Bedürfnis mehr, mit anderen zu reden. Die anderen werden dann genau zu dem, was wir schon besprochen haben, ­nämlich zur Gefahr oder zum Krafträuber. Erst, wenn man sich überwindet und trotzdem wieder in die Volleyballgruppe geht oder in den Chor – oder welcher Gruppe auch immer man angehören mag –, stellt man fest, was man die ganze Zeit ­vermisst hat und wie sehr wir solche Begegnungen als ­Lebens­elixier brauchen. Das, was uns zusammenhält und uns ­wechselseitig Energie und Kreativität verleiht, ist durch die Pandemie zum Erliegen gekommen. Und ich glaube, wir kön­ nen die entstandene Distanz nur überwinden, indem wir die­ se Dinge wieder aufnehmen und hingehen, obwohl wir keine Lust haben. Es ist die alte Sache mit dem Schweinehund. Sie selbst sind während der Pandemie zu einem sehr ­gefragten Gesprächspartner geworden, weil Ihre Philo­ sophie offenbar gerade einen Nerv trifft. Wie sehen Sie das?

Ja, ein bisschen ist das so, aber ich habe das in keiner Weise vorausgesehen. Corona hat ja zwei Seiten: Die eine ist das Virus und was es mit uns körperlich macht. Die andere Seite ist, wie wir als Gesellschaft darauf reagieren und welche Politik, welche Maßnahmen wir dabei erfahren. Im Zusam­ menhang mit diesen beiden Seiten hat die Corona-Zeit alle meine drei Forschungsdimensionen in den Vordergrund gerückt – Beschleunigung, Resonanz und Verfügbarkeit. Zunächst war nur Beschleunigung mein großes Thema, und das ist ja auch für ein Logistikunternehmen interessant. Seit Gründung von Gebrüder Weiss 1474 hat die kinetische Un­ ruhe – damit meine ich die materielle, physische Bewegung auf der Welt – ununterbrochen zugenommen. Selbst in Rezes­sionsphasen war das so und erst recht in Kriegsphasen, wo ja ganz viel in Bewegung gesetzt wird. Es geht mir dabei aber nicht um Spitzengeschwindigkeiten, sondern darum, wie viel Materie, also wie viele Menschen, wie viele Waren, wie viele Rohstoffe zu einem bestimmten Zeitpunkt insge­ samt weltweit unterwegs sind. Und da stellen Sie fest, dass dieses Volumen und die Durchschnittsgeschwindigkeit ei­ gentlich immer weiter zugenommen haben. Dieses Die-Welt-­ in-Bewegung-Setzen ist mit Flugzeugen noch deutlich ver­ schärft worden, und inzwischen schickt Elon Musk irgendwie Tausende Satelliten ins Weltall, das muss man sich mal vor­ stellen! Und die Corona-Krise hat diese Bewegung zum ers­ ten Mal massiv angehalten oder sogar umgedreht. Bis zu 95 Prozent des Flugverkehrs blieben am Boden, der inner­ städtische Verkehr ist um bis zu 80 Prozent zurückgegangen, der auf Autobahnen um bis zu 50 Prozent, das ist eigentlich irre! Die Welt so anzuhalten, um ein Virus auszubremsen! Das war eine radikale Entschleunigung, die Sie sogar seismo­ grafisch messen konnten. Das gilt vielleicht nicht, wenn man im Gesundheitswesen tätig ist, und auch nicht, wenn man digitale Software oder Hardware herstellt, aber insgesamt ist für sehr, sehr viele plötzlich das Lebenstempo gesunken, und die Kalender haben sich geleert statt gefüllt. Die normale Erfahrung war zuvor, dass jede noch so klei­ ne Lücke im Kalender irgendwie zugeschrieben wird – durch einen privaten Termin, einen Arzttermin, einen Termin beim Steuerberater, egal durch was. Und auf einmal wird der ­Geschäftstermin abgesagt, die Schulfeier fällt aus, die Hoch­ zeit und die Party auch, die Theaterkarten werden storniert. Menschen haben in großem Maße Entschleunigung erfahren, und da gab es dann die Idee, dass wir jetzt neue Resonanz­ erfahrungen machen, wenn wir endlich Zeit dafür haben. Manche haben vielleicht gedacht, sie würden endlich Wag­ ner hören oder Klavier spielen und dann mit dem Instrument eine Resonanzbeziehung eingehen. Oder sie würden anfan­ gen zu kochen, anstatt sich immer nur Tiefkühlpizza zu ­machen – Kochen ist eine elementare Weltbeziehung. Oder endlich gärtnern. Und jetzt hatten die Menschen also die Gele­genheit, alles das zu tun, und viele haben festgestellt, dass es so einfach gar nicht ist. Man kann eine Resonanz­ achse nicht ohne Weiteres anknipsen. Insofern war die Coro­


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Interview

»Wenn die Welt gefährlich wird, dann ist Rausgehen in die Natur ein resonantes Geschehen.« na­Zeit auch eine Phase der Desillusionierung. Und das drit­ te Thema ist die Unverfügbarkeit. Sehr viel von der Welt ist unverfügbar geworden und, die Kernthese in meinem Buch dazu ist, dass gerade unser Versuch, die Welt in jeder Hin­ sicht beherrschbar zu machen, monströse Unverfügbarkeit hervorruft. Die Finanzmärkte sind beispielsweise unverfüg­ bar geworden, weil eigentlich keiner mehr weiß, wie die genau ticken. Das ist ein hochexplosives Geschehen, in vie­ lerlei Hinsicht. Und auch digital erreichbar gemachte Welt kann unverfügbar werden, wenn einfach das Internet ausfällt oder der Akku leer ist. Auch die Covid­Krise hat die Welt radikal unverfügbar gemacht, insofern ist es tatsächlich so, dass alle meine drei Themen einen massiven Boost durch diese Krise erlebt haben. Nicht nur einen Boost, sondern auch Bestätigung. Und unsere Wünsche und unsere Hoffnungen, die wir am Anfang der Pandemie hatten, haben sich in der Regel nicht erfüllt, weil uns die Energie dafür gefehlt hat. Ja, Covid hat die Resonanzdrähte zum Teil richtig angehal­ ten. Mein nächstes Buch will ich deshalb über Energie schrei­ ben, weil wir in den Sozialwissenschaften kein Konzept da­ von haben, was echt seltsam ist. Wir denken Energie immer physisch, und dafür haben wir gute Konzepte in der Physik oder in der Chemie, also in den Naturwissenschaften. Allen­ falls denken wir Energie noch psychisch und sprechen von Antriebsenergie und Motivationsenergie. Aber es ist ganz unklar, was das eigentlich ist. Und meiner Auffassung nach darf man Energie nicht einfach nur als einen individuellen Besitz verstehen, sondern als etwas zwischen mir und der Welt. Ich möchte allerdings eine Einschränkung machen: Ganz viele Leute berichten – und das ist auch meine eige­ ne Erfahrung gewesen, dass es eine sehr verlässliche Reso­ nanzachse gibt, die in der Krise einen richtigen Boom erlebt hat: die Natur. Wenn die Welt gefährlich wird und soziale Beziehungen nicht mehr so gehen, dann ist Rausgehen in die Natur ein resonantes Geschehen, in dem wir uns lebendig fühlen und Energie zurückgewinnen. Und nun schlittert die Welt aber von der einen Krise in die nächste, wenn wir auf die Weltpolitik schauen. Sehen Sie da einen Zusammenhang? Sie haben eingangs das Phänomen beschrieben, den anderen plötzlich als Gefahr wahrzunehmen. Ich glaube, man muss vorsichtig sein, da kausale Verbindun­ gen herzustellen. Aber wenn Sie mich als Soziologen fragen,

dann möchte ich schon meinen, dass Corona zwei Dinge bewirkt hat: Zum einen hat die Pandemie unser Weltverhält­ nis prekarisiert, das heißt, wir trauen der Welt und dem Leben nicht mehr so ohne Weiteres. Wie gesagt, der andere wird zur Gefahr, sobald er mir zu nahe kommt. Genau ge­ nommen, hat die Corona­Krise uns gelehrt, dass man seinem Nächsten nicht trauen kann. Sogar ein Freund könnte einen umbringen, wenn er das Virus weitergibt und man selbst entsprechend vorbelastet ist. Und nicht einmal sich selbst und den eigenen Sinnen kann man mehr trauen, denn man sieht das Virus nicht, man hört es nicht, man riecht es nicht und kann trotzdem bereits damit infiziert sein und andere anstecken. Und dieses Gefühl generalisiert sich auch gegen­ über der Politik – viele haben das Gefühl, dass man auch der Politik nicht trauen kann. Das schafft, so glaube ich, eine Grundbeziehung zur Welt, die von Angst und Misstrauen geprägt ist. Die Kehrseite davon ist, dass die Menschen sauer werden, wenn sie nicht mit der Welt in Resonanz treten können. Die Welt soll dann entweder resonant gemacht wer­ den oder bitte verschwinden. Das Verhältnis von Angst und Wut ist meiner Meinung nach etwas, das politische Konflikte kennzeichnet und beflügelt. Man misstraut einander, man hat das Gefühl, der andere wird zur Bedrohung und zum Feind, den man am besten zum Schweigen bringen sollte. Allerdings gab es diesen Prozess auch schon vor der Pande­ mie. Schauen Sie sich die politische Kultur an, das kann man überall beobachten, zum Beispiel bei Brexit­Befürwortern und Brexit­Gegnern, die angefangen haben, sich zu be­ schimpfen, oder in den USA, wo Trump­Anhänger und Demokraten nicht einfach nur unterschiedlicher Meinung sind, sondern sich inbrünstig hassen. In Europa sind es viel­ leicht gerade die Impf­Befürworter gegen die Impf­Gegner. Wenn Menschen das Gefühl haben, die Welt sei eine Be­ drohung, dann entsteht Wut. Und an die Stelle von echtem Dialog tritt eine Art Statement­Politik, wo man sich nur noch überbieten will und dem anderen zeigen muss, dass man noch härter ist und noch konsequenter im Abbügeln aller Arten von Verbindungen. Ich glaube, dass das in die Kata­ strophe führt, und ich hoffe, dass wir alle da möglichst bald umlernen.

Frank Haas ist Leiter Markenstrategie und Kommunikation bei Gebrüder Weiss – und als Chefredakteur verantwortlich für den ATLAS .


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Danger at close range INTERVIEW

Frank Haas with Hartmut Rosa

During recent years, many people have experienced how their ties to the world have slackened. They no longer pursue their hobbies with the same intensity, they meet up less often with friends. Filling this vacuum is a growing sense of numbness and alienation, which supports one of Hartmut Rosa’s theories. For a successful life, it is indispensable, the sociologist believes, that we are open to our environment and interact with it – without, however, wanting to control it. In short: that we establish a resonance with it. But what if our willingness to do so has gone rusty? Frank Haas spoke with Hartmut Rosa about deceleration, social interaction and the consequences of social distancing. Mr. Rosa, the human race can now look back on two years in which we have had to greatly increase the distance between ourselves and others, and that has become the norm. What effect has social distancing had on us? “Social distancing” is actually the wrong expression. The point was not to separate people socially, but rather spatially. In the meantime, however, it has literally become that: a social distance to one another, particularly in physical encounters. That is, the other person is perceived as a potential threat. You have a genuine physical sense of danger when you are close to other people. Interestingly enough, our perception of space has changed as well. A new phenomenon arose during the lockdown phases: the feeling that the world exists around us in concentric circles. That used to be the norm. Our home was the center, it was our world, and then came the yard, and the street, and the local stores – it was all very confined, very familiar. Beyond that were the city limits or, depending on where you lived, the woods, the mountains ... all those were still accessible. Further beyond, things blurred: London and New York were completely inaccessible – in other words, uncontrollable. In the past it wasn’t normal to think: next weekend I’ll be in Vienna, after that, Innsbruck: the world is like an open atlas and I'm moving through its pages. That changed again during the pandemic.

Although we are now in a phase in which hopes are budding that we will return to normal, in the meantime I personally feel like the world is an inhibiting place. I’m finally being invited out again, but I’m thinking that I don’t really feel like going anywhere. Do you understand what I mean? Not only do I understand that, I can explain it as well. Your sense of the world being inhibiting follows from the kind of distance that has arisen between me and the world. As early as May 2020, I had the impression that this feeling was settling on society like mildew. Many people were saying that they didn’t necessarily want to accept invitations anymore, or that they were thinking, “I guess I could call a friend and talk to him or her about this, but somehow I don’t really feel like it.” Where does that come from? It struck me that you first need energy to ­jumpstart that move and interact with the world. By the way, that applies to all types of inter­ action, including going outdoors when the sun is shining. Here too, the second thought is, “I really don’t feel like it, though. I’m too tired or too exhausted, I’ll just stay here on the couch.” But energy is generated by activity, it doesn’t just dwell inside you. And that applies all the more to social interaction. The less social interaction people engage in, the less they seem to need it. We know this from research into loneliness. If people are alone long enough, at some point they no longer sense a need to talk to other people. The others then turn into exactly what we discussed earlier on, namely into potential risks, into a drain on their resources. Not until they overcome their lethargy and go out to play volleyball again or sing in the choir, or whatever it is they used to do, will they realize what they have been missing all this time and how much they need these encounters as an

“Not until they overcome their lethargy, will they realize what they have been missing all this time.”


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Interview

elixir of life. What holds us together as a reciprocal source of energy and creativity has succumbed to the pandemic. And I believe we can only overcome that by resuming these activities and going out, even if we don’t feel like it. It’s that old enemy: one’s weaker self. During the pandemic your opinions were increasingly sought, because apparently your philosophy hits a nerve. What is your view on this? Yes, that is the case to some extent, but in no way was I anticipating what happened. Covid has two sides: one is the virus and what it does to our bodies. The other is how we react to it as a society and which political responses and measures we experience in the process. In the context of these two sides, the Corona period has highlighted all three of my research focuses: acceleration, resonance and availability. At the start, acceleration was my main issue and that is also interesting for a logistics company. Since Gebrüder Weiss was founded in 1474, kinetic unrest – by which I mean the material, physical movement in the world – has been increasing nonstop. That was the case even during recessions, and especially during wars, when so much is set in motion. I’m not, however, talking about top speeds, but rather about how much matter, i.e. how many people, how much merchandise, how many raw materials are currently moving around the world at any given time. And then you realize that this volume, along with the average speed, has actually constantly been increasing. This phenomenon of setting the world in motion has clearly been accelerated by aircraft, and meanwhile Elon Musk is somehow sending thousands of satellites into outer space, just imagine! The Corona crisis applied a massive brake to this movement for the first time, perhaps even reversing it. Up to 95 percent of flights were grounded, urban traffic was down by some 80 percent, highway traffic by 50 percent, that’s just crazy! Halting the world like that to slow down the virus! That was a radical deceleration that could even be measured seismologically. Perhaps this doesn’t apply if you’re working in the health sector, or if you produce digital software or hardware, but on the whole, for many, many people, the tempo of life suddenly slowed and datebooks were emptied instead of being filled. Normally, in the past, every single blank in our calendars would be filled in – with a person-

al outing, a doctor’s appointment, a meeting with the accountant, whatever. And all of a sudden, the business conference is cancelled, the school party postponed, the wedding and the celebration as well; theater tickets are refunded. People experienced a high degree of deceleration, and then came the idea that we would experience new resonances when we finally found the time. Perhaps some people thought they would finally listen to Wagner, or play piano to engage in a resonating experience with their instrument. Or they would start cooking instead of living off frozen pizza – cooking is an elementary world relationship. Or finally do some gardening. In other words, people now had the opportunity to do all those things, and many realized that it wasn’t that easy after all. You can’t simply switch on a resonance axis. In that sense, the Corona time was also a phase of disillusionment. The third focus is uncontrollability. Much of the world has become uncontrollable and the core thesis of my book is that it is exactly our attempt to make the world controllable in every way that produces massive uncontrollability. The financial markets, for instance, have become uncontrollable, because no one really understands how they work anymore. That is a highly explosive development, in many senses. Even a world made digitally accessible can be uncontrollable if the internet crashes or a battery dies. The Covid crisis has also served to make the world radically uncontrollable, so it is in fact true that all three of my focuses have been given a massive boost by this crisis. They didn’t just get a boost, they were borne out. And the wishes and hopes we had at the beginning of the pandemic have mostly gone unfulfilled, because we lacked the ­energy to pursue them. Yes, Covid really stopped the resonance wires in some ways. That is why my next book will be about energy, because we sociologists have no concept of it, which is very strange. We always think of energy as something physical, and we have good concepts for that in physics and chemistry, i.e. in the natural sciences. At the outside, we still think of energy as physical, we talk about propulsion energy, motivation energy. But it’s not at all clear what that actually is. And in my view, energy cannot simply be understood as an individual possession. Instead, it is something between me and the world. I would,


Interview

“When the world turns dangerous, embracing nature is a resonant event.” however, note one reservation: a great many people have reported – and this has been my experience as well – that there is a highly dependable resonance axis that experienced a genuine boom during the crisis: nature. When the world turns dangerous and social relationships are no longer a true option, going outdoors, embracing nature is a resonant event in which we feel alive and can regain energy. And now the world is careening from one crisis to the next, if you look at global politics. Do you see a connection here? At the beginning you described a phenomenon in which we suddenly perceive others as a threat. I think you need to be careful about drawing causal conclusions. But if you ask me in my role as sociologist, I would basically say that Covid has had two consequences. For one, the pandemic has rendered our world relationship precarious. In other words, we no longer have blind faith in the world and life. As I said, the other person turns into a threat as soon as he or she gets too close. At the end of the day, the Corona crisis has taught us that you cannot trust your neighbor. Even a friend could kill you if he passes on the virus and you are respectively predisposed. In fact, you can’t even trust yourself and your own senses anymore: you can’t see the virus, you can’t hear it, you can’t smell it – and still you can already be a carrier and infect others. This feeling is generalized in politics: many people have the feeling they can’t trust politicians. I believe that creates a basic world relationship marked by fear and distrust. The flip side is that people get angry if they can’t establish resonant connections to the world: either the world needs to be made resonant, or disappear. In my opinion, the combination of fear and anger is indicative of political conflicts and fuels them. People mistrust one another, they have the feeling that other people pose a threat and are enemies that need to be silenced. That said, this process existed prior to the pandemic as well. Just look at our political

culture, it’s evident everywhere. Take Brexit: you have the Leavers and the Remainers hurling mutual accusations. Take the U.S., where Trump followers and Democrats do not simply uphold different opinions – they despise each other with a passion. In Europe, we perhaps have a parallel in the pro-vaxxers and anti-­vaxxers. When people have the feeling that the world is a threat, that produces anger. And in place of genuine dialog, a type of statement politics ensues, in which the point is to outdo yourself; you need to prove to others that you’re tougher and even more resolute in pooh-poohing any and all relationships. I believe that leads to a catastrophe, and it is my hope that we can all soon turn the corner here. Frank Haas is Head of Brand Strategy and Communications at Gebrüder Weiss – and editor-in-chief of ATLAS.

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Strecken und Entfernungen Artikel 2 xx Routes and Distances 2

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Nachbarschaftsverhältnisse In Grönland betrug die B ­ evölkerungsdichte im Jahr 2020 rund 0,14 Einwohner pro Quadratkilometer. Damit ist ­Grönland das Land mit der geringsten Bevölkerungsdichte weltweit. Für einen Plausch unter Nachbarn ist man unter Umständen eine ganze Weile unterwegs. Im Stadtstaat Macao betrug die Bevölkerungsdichte im Jahr 2020 rund 19.737 Einwohner pro Quadratkilometer. Damit ist Macao das Land mit der höchsten Bevölkerungsdichte weltweit. Man hat es also nicht weit, wenn man sich irgend­ wo eine Tasse Mehl leihen will.

Neighborly relations In Greenland, the population density in 2020 was around 0.14 inhabitants per square kilometer, making the country the most sparsely populated place in the world. You might have to spend quite some time on the road if you fancy a chat with your neighbors. In the city-state of Macao, the population density in 2020 was some 19,737 inhabitants per square kilometer. This gives Macao the world’s ­highest population density. In other words: a couple of eggs and a cup of flour are never far away in an emergency.

Grönland Greenland

Macau Macao

19.737

0,14

Einwohner pro km2 Inhabitants per km2

Einwohner pro km2 Inhabitants per km2

Hauptstadt in der Nachbarschaft Kinshasa ist Hauptstadt der Demokratischen Republik ­Kongo und wird durch den Fluss Kongo von Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, getrennt. Die kürzeste Entfernung zwischen diesen beiden Hauptstädten beträgt nur 5 Kilometer Luftlinie und rund 12 Kilometer Fahrtstrecke.

5 km

Brazzaville Kongo

Kinshasa

Neue Verbindungen auf der Schiene Die längste Schienengüterzugverbindung der Welt fährt auf der Strecke Yiwu in China nach Madrid in Spanien in 18 Tagen und legt dabei 13.261 Kilometer zurück.

Yiwu/China

13.261 km

Nearby capitals Kinshasa, the capital of the Democratic Republic of the Congo, is separated by the Congo River from Brazzaville, its counterpart in the Republic of Congo. The shortest distance between these two capitals is a mere 5 kilometers as the crow flies and about 12 kilometers by road.

Luftlinie linear distance

12 km

per Bus per Bus

New rail connections The planet’s longest rail freight link runs between Yiwu (China) and Madrid (Spain). It takes 18 days to cover the 13,261-kilometer route.

Madrid/Spain

18 Tage days


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Über das Laufen text Alex Raack

Früher lief der Mensch, um seine Beute einzuholen und sich ernähren zu können. Hobbyläufer Alex Raack ist dankbar für die zivilisatorische Fortbildung ­seiner Spezies. Er rennt lieber, um seinen Kopf frei zu ­bekommen. Auch wenn dieser Text aus einer bequemen und weitest­ gehend regungslosen Sitzposition geschrieben ist: Wir ­Menschen sind zum Laufen geboren. Es hat durchaus seine Gründe, dass uns die Evolution einst aus dem Wasser, auf den Baum und schließlich auf den Boden der Tatsachen geholt hat. Ausgestattet mit einem kompakten Rumpf, zwei langen Armen und noch längeren Beinen. Dazu sind die Organe so vernünftig aufgeteilt, dass wir – zumindest in der Theorie – auch heute noch problemlos kilometerweit durch die Gegend laufen könnten, um, sagen wir, ein Mammut zu verfolgen, bis es keine Puste mehr hat oder von einer Klippe stürzt. Oder um es mit den Worten der Biologen Daniel ­Lieberman und Dennis Bramble zu sagen: »Fossilienbelege sprechen dafür, dass Dauerlaufen eine abgeleitete Fähig­ keit der Spezies Homo ist, die vor zwei Millionen Jahren ent­ stand und womöglich zur Evolution des menschlichen Kör­ pers beitrug.« »Born to Run« lautet der Titel des im Fachblatt Nature erschienenen Artikels der Wissenschaftler, und manchmal sollte man sich daran erinnern, dass der menschliche Körper eben dafür entworfen wurde, über Stock und Stein zu lau­ fen, statt unbewegt in einem Bürostuhl zu kauern oder ermat­tet auf einem Sofa zu liegen. Für mich persönlich ist der entscheidende Schritt oft schon mit exakt dieser Erkenn­ tnis getan. Die (mindestens) zehntausend weiteren Schritte kommen von ganz alleine, wenn die Schuhe geschnürt, die Playlist ausgewählt und – in meinem Fall – der Hund an der Leine ist. Ich laufe gerne und regelmäßig. Keine über­ mäßig langen Distanzen und auch nur selten mit einer Start­ nummer versehen inmitten von hoch motivierten Hobby­ läufern. Dafür meistens mit meinem vierbeinigen Begleiter, der, das muss ich zugeben, von der Evolution sogar noch mehr begünstigt wurde, als es darum ging, welche Spezies wie lange und wie schnell laufen kann.

Es gibt viele gute Gründe zu laufen. Historisch gesehen, weil unsere Vorfahren so in der Lage waren, ihre Beute zu Tode zu hetzen und damit Essen auf den Tisch zu bringen. Ich bin recht dankbar dafür, dass mir dazu heute ein be­ schwingter Marsch zum Supermarkt reicht. Ein anderer Grund ist selbstverständlich das körperliche Wohlbefinden: Laufen ist gesund, Laufen macht schlank, Laufen macht schöne Waden. Vor allem aber, und das fasziniert mich per­ sönlich so daran, ist die Rennerei äußerst wohltuend für eine ganz andere Körperregion. Der Sportpsychologe Pro­ fessor Oliver Stoll, selbst passionierter Langstreckenläufer, sagt: »Ab einem bestimmten Punkt, der je nach Alter und Kondition von Mensch zu Mensch verschieden ist, muss das Gehirn mit dem Sauerstoff, der ihm zur Verfügung steht, stark haushalten, weil die meiste Energie im Körper in die Muskeln fließt. Haushalten heißt: Bestimmte Hirn­ areale bleiben aktiv, andere werden heruntergefahren.«

»Der menschliche ­Körper wurde dafür entworfen, über Stock und Stein zu laufen.« Das Tolle dabei ist: Unser Körper ist so genial konzipiert, dass die wichtigen Funktionen im Gehirn weiterhin auf ­Hochtouren laufen (Bewegungsmotorik, Sehen, Hören), ­während andere, in diesem Fall eher unwichtige Funktionen runtergedimmt werden wie eine Wohnzimmerlampe. So be­ findet sich zum Beispiel der präfrontale Kortex während ­einer ausgiebigen Joggingrunde auf Sparflamme – hier sor­ tieren und verarbeiten wir Informationen und beschäftigen uns mit Lösungsvorschlägen für die kleinen und großen ­Probleme des Alltags. Schlechte Nachrichten, negatives Feed­ back auf die letzte ATLAS-Kolumne, Beziehungsschwierig­ keiten, ­Rechnungen, die bezahlt werden wollen – solche ­Sachen eben.


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Running TEXT

Alex Raack

In the past, hungry humans had to race after their prey for food. The fun runner Alex Raack is grateful for the civilizational progress his species has made in the meantime. That said, he prefers to go running to clear his head – for texts like this. While this text is being written from a comfortable and basically motionless sedentary position, the fact is: we humans were born to walk. There are certainly good reasons why evolution once plucked us out of the water, installed us in trees and finally settled us on terra firma. We come equipped with a compact torso, two long arms and even longer legs. Moreover, our organs are positioned so favorably that, at least in theory, we could still run for miles today to pursue a mammoth until it runs out of breath or plummets off a cliff. Or, to put it in the words of biologists Daniel Lieberman and Dennis Bramble: “Fossil evidence suggests that endurance running is a derived ability of the species Homo, one that originated two million years ago and possibly contributed to the evolution of the human body.” “Born to run” is the title of an article published by scientists in the journal Nature, and sometimes we would do well to remember what the human body was originally designed for: running up hills and down dales – and not cowering at a desk or lying lethargically on a couch. For me personally, the following insight is often enough to take me across the threshold: the ten thousand (and more) additional steps ensue automatically once we lace our shoes, select a playlist and – in my case – put the dog on its leash. I run regularly and always enjoy it. There are no excessively long distances involved and only rarely do I have a starting number on my back and am part of a pack of fellow hobby runners. That said, I am usually in the company of my four-legged friend who, I have to concede, has been favored over humankind by evolution when it comes to speed and endurance. In other words, he can run faster and further than I can. There are lots of good reasons for running. Historically speaking, because it enabled our

ancestors to chase down their quarry and serve it up for meals. I am more than grateful that a brisk walk to the supermarket suffices today. Another reason, of course, is physical well-being: running is healthy, it keeps your weight down, it even gives you cool calves. Above all, however, and this is what fascinates me personally, running is extremely good for a completely different region of the body. The sports psychologist Professor Oliver Stoll, himself a passionate long-distance runner, believes: “At a certain point, which depends partly on a person’s age and physical condition, the brain has to economize with the oxygen at its disposal, because most of our energy is deployed in our muscles. And that means that certain areas of the brain remain active while others are shut down.”

“The human body was originally designed for running up hills and down dales.” The remarkable thing here is as follows: our body is so ingeniously designed that our key brain functions continue to run at maximum speed (motor skills, vision, hearing), while other less important functions are “dimmed down” like a living-room lamp. For example, the prefrontal cortex – where we sort and process information and assess potential solutions to our day-to-day problems large and small – only ticks over to low gear if you jog for an extended period. With problems I mean stuff like bad news, negative feedback on your last ATLAS column, personal relationship problems, bills clamoring to be paid – things that otherwise drive you crazy. I must admit that there aren’t only bats in my belfry. The moment I get up, my brain kicks into top gear, which is why I’m grateful for any way of giving it a time-out. By the way, the popularity of alcohol is partly due to the soporific effect it has on our prefrontal cortex. I have nothing


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Running

against a soothing glass of wine after work, but ten long kilometers through the woods are much healthier than five short shots in a bar. Alcohol and running have one more thing in common: in excess, they cause damage to the body and mind and can even result in addiction. The psychiatrist Dr. Tobias Freyer, medical director at the Wiesbaden Schlangenbad Park Clinic, warns: “Most amateur athletes get no professional support during training.” In some cases, enthusiasts overestimating their powers might find themselves succumbing to depression or becoming addicted to performance-­ enhancing drugs. Thankfully, overambition is not one of my risk factors. For me, it’s just about shifting my butt after writing pieces like this, churning through the meters with my pet Labrador at my side – until my calves start to hurt, the sweat runs down my face and the mind games are starved of fuel for a while. Another positive effect I often observe in myself has also been scientifically proven: rhythmic sequences of movement over an extended period of time stimulate the processes in the human brain. So: three guesses where I got the idea for this article! Once known for his exceptional sporting stamina, today Alex Raack is a freelance journalist who enjoys letting his dog burn off energy on their regular runs. He himself is still planning to enter his hometown’s Wasa Run.


Artikel xx

Ich muss zugeben: In meinem Oberstübchen ist sehr häufig und sehr intensiv Programm. Kaum aufgestanden, läuft das Gehirn auf vollen Touren, und deshalb greife ich dankbar nach den verschiedenen Möglichkeiten, um dieser Dauersendung auch mal eine Pause zu gönnen. Alkohol ist übrigens auch deshalb so beliebt, weil er ebenfalls eine einschläfernde Wirkung auf unseren präfrontalen Kortex hat. Nichts gegen ein beruhigendes Glas Wein nach Feierabend, aber die deutlich gesündere Variante sind eben zehn lange Kilometer durch den Wald statt fünf Kurze in der Bar. Alkohol und Laufen haben noch eine Gemeinsamkeit: Zu viel davon schadet Körper und Geist und kann sogar zur Abhängigkeit führen. Dr. Tobias Freyer, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Parkklinik Wiesbaden Schlangen­ bad, warnt: »Die meisten Breitensportler haben im Training keine qualifizierte Unterstützung.« Wer sich überschätzt, laufe im Extremfall Gefahr in eine Depression zu rutschen oder von leistungssteigernden Substanzen süchtig zu werden. Von derlei Überambitionen bin ich gottlob weit entfernt. Mir geht es vor allem darum, meinen Hintern nach Text­ arbeiten wie dieser zu bewegen und Seite an Seite mit mei­ nem Labrador Meter abzureißen, bis die Waden zwicken,

der Schweiß rinnt und das Kopfkino Pause macht. Ein weiterer positiver Nebeneffekt, den ich bei mir selbst bereits häufig beobachten durfte, ist ebenfalls wissenschaftlich nachgewiesen worden: Durch den rhythmischen Ablauf von Bewegungen über einen längeren Zeitraum hinweg werden im menschlichen Gehirn Verarbeitungsprozesse angeregt. Dreimal dürfen Sie raten, woher ich die Idee für diesen Arti­ kel hatte.

Alex Raack galt früher mal als Konditionswunder. Heute ist der freie Journalist froh, wenn er bei regelmäßigen Laufeinheiten seinen Hund auspowern kann. Am Wasa­Lauf seiner Heimatstadt will er trotzdem wieder teilnehmen.

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Ein weißer Fleck auf der Neuen Seidenstraße text und fotos Edda Schlager

Kasachstan: Das zentralasiatische Land ist nicht nur das größte Binnenland der Welt, es liegt von allen Weltmeeren auch am weitesten entfernt – mittendrin eben. Und deshalb ist es als Drehscheibe für den internationalen Handel im Rahmen der »Belt and Road Initiative« zunehmend bedeutender. Manchmal kommen die Züge aus China zu spät. Dann warten die Arbeiter am Dry Port in Khorgos an der Grenze zwischen Kasachstan und China ungeduldig, bis irgendwann aus der Ferne das Signal ertönt und sich ein Zug durch lautes Hupen ankündigt. Auf dem letzten Stück rollen dann die Waggons mit Dutzenden von Containern langsam über das Gleis, bis sie schließlich an einem der Prellböcke mit der chinesischen Flagge zum Stehen kommen. Drei riesige Portalkräne überspannen im Dry Port meh­ rere parallel nebeneinanderliegende Gleise. Mit ihrem gelben Anstrich, der sich leuchtend gegen den meist blauen Himmel hier im äußersten Osten Kasachstans abhebt, sind sie mitt­ lerweile das Markenzeichen von Khorgos geworden, einem der wichtigsten Waren-Umschlagspunkte zwischen Ost und West. Einige der Gleise sind 1.435 Millimeter breit für die aus China kommenden Züge, die anderen, deren Prellböcke die kasachische Fahne tragen, sind 1.524 Millimeter breit und verlaufen von hier aus gen Westen, hinein nach Kasachstan. Wegen der unterschied­lichen Spurbreite werden die Con­ tainer in Khorgos von den chinesischen auf kasa­chi­sche Züge umgeladen, um ihre ­Reise nach Europa fortzusetzen. Kasachs­tan, das bis 1991 zur Sowjet­union gehörte, hat die gleiche Spurbreite wie Russland und die meisten anderen Ex-Sowjet­republiken, China dagegen dieselbe wie Europa. Khorgos ist einer von zwei Grenzpunkten zwischen ­Kasachstan und China. Hier werden Waren umgeschlagen, die von Lianyungang oder Chengdu kommend weiter in Richtung Kaspisches Meer und von dort bis nach Hamburg transportiert werden. Rund 200 Kilometer nordöstlich, am Grenzübergang Dostyk–Alashankou, werden Waren aus Zhengzou, Shenzhen und Chengdu abgefertigt, die über ­Kasachstan, Russland und Polen auf der Nordroute weiter nach Deutschland und Europa gelangen.

Infrastruktur für Belt and Road In den vergangenen Jahren ist Kasachstan ein wichtiges Tran­ sitland auf der Neuen Seidenstraße geworden, dem gewalti­ gen Infrastrukturprojekt, das 2013 von China ins Leben geru­ fen wurde. Von China aus sollte, angelehnt an die historische Seidenstraße aus dem Mittelalter, ein Transportkorridor quer über den eurasischen Kontinent Asien und Europa ver­ binden. Die Zeit, in der Waren von China nach Europa gelan­ gen, verkürzte sich so deutlich, von 45 Tagen übers Meer um Indien herum auf 16 Tage auf dem Landweg. Sowohl das Autobahn- als auch das Schienennetz wurden in Kasachstan seitdem stark ausgebaut. Doch egal, welches Verkehrsmittel man nutzt, die Reisewege sind hier gewöhn­ lich ausgesprochen lang. Denn Kasachstan ist das neunt­ größte Land der Erde. Es erstreckt sich von der chinesischen Grenze über 3.000 Kilometer bis zum Kaspischen Meer. Wer von Khorgos bis nach Aktau, der wichtigsten Hafenstadt Kasachstans ganz im Westen des Landes am Kaspischen Meer, reisen will, ist – bei guter Verbindung – mit der Bahn zweieinhalb Tage unterwegs und durchkreuzt dabei zwei Zeitzonen. Und er lernt ein faszinierendes Land zwischen Orient und Okzident kennen, das in Europa meist als weißer Fleck auf der Landkarte wahrgenommen wird. Von Khorgos kommend kreuzen Züge die Turkestan-­ Sibirische Eisenbahn, kurz Turksib. Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1931 verbindet sie Russland mit den zentralasiati­ schen Republiken. Rund 2.350 Kilometer lang ist die Turksib und verläuft vom russischen Nowosibirsk bis nach Arys in der Nähe von Shymkent im Süden Kasachstans. Sie bindet die bis heute wichtigen Bergbaustädte Semei (früher Semipa­ latinsk) und Öskemen (früher Ust-Kamenogorsk) im äußers­ ten Nordosten Kasachstans an den Rest des Landes an. Nicht

Rollen die chinesischen Waren in Khorgos auf die kasachischen Gleise, müssen sie von der chinesischen auf die russische Spurbreite umgeladen werden. When Chinese goods arrive on the Chinese-gauge ­railway line in Khorgas, they need to be reloaded onto Russian-gauge trains.


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Artikel xx

Gebrüder Weiss in Kasachstan

Gebrüder Weiss in Kazakhstan

Standort: Almaty

Location: Almaty

Mitarbeitende: 21

Employees: 21

Im Gebrüder Weiss-Netzwerk: seit 2016

Part of the Gebrüder Weiss network: since 2016

Services: Landverkehr, Luft- und Seefracht, Bahn-­ logistik, Zollabfertigungen, maßgeschneiderte Logis­tik­ lösungen wie Lager­logistik und E-Fulfillment inkl. Lager mit ­Gleisanbindung, Cross-Docking Hub in der Region für Transporte aus Europa und China, Inland / Central Asia Distribution z. B. für Toyota Motors

Services: Land transport, Air & Sea freight, rail logistics, customs handling. Tailored logistics solutions such as storage logistics and eFulfillment featuring a warehouse with its own rail terminus. Cross-docking hub in the region for transport services from the EU and China. Domestic / Central Asia Distribution for Toyota Motors etc.


Kasachstan

Zwischen goldenen Kegeln thront der ­Präsidentenpalast in Nur-Sultan. The presidential palace in Nur-Sultan is framed by golden cones.

auf der Strecke der Turksib, sondern 700 Kilometer westlich, umgeben von weiter Steppe, liegt die Hauptstadt Kasachs­ tans – Nur-Sultan. Die Stadt wurde mehrfach umbenannt, stets aus politischen Gründen, um ein jeweils neues Zeitalter in der Geschichte Kasachstans zu markieren. Bis 1991 hatte sie Zelinograd geheißen, wurde dann anlässlich der erlang­ ten Unabhängigkeit in Aqmola umbenannt. Und nachdem die Stadt zur neuen kasachischen Hauptstadt ernannt wor­ den war, bekam sie wieder einen neuen Namen – Astana. Seit 2019 heißt die Millionenstadt nun Nur-Sultan, zur Ehrung des langjährigen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, der in eben dem Jahr zurückgetreten ist. Komfortables Reisen Entgegen der weitverbreiteten Meinung wurde die kasachi­ sche Hauptstadt keineswegs erst in den vergangenen 30 Jahren »aus dem Boden gestampft«. Tatsächlich besteht sie nur zur Hälfte aus einem komplett neu erschaffenen, modernen Stadt­ teil am Südufer des Flusses Ishym. Hier hat unter anderem der britische Architekt Sir Norman Foster seine Spuren hinter­ lassen und das Einkaufszentrum Khan Shatyr entworfen; hier stehen der Präsidentenpalast, der Aussichtsturm Baiterek und das Gelände der Expo 2017, das heute das Finanzzentrum des Landes beherbergt. Am Nordufer des Ishym jedoch erin­ nert Nur-Sultan noch immer an eine kleine graue Provinzstadt, die inmitten der riesigen flachen Steppe den eisigen Schnee­ stürmen und der unerträglichen Hitze zu widerstehen sucht. Für viele Kasachen ist jedoch bis heute die frühere Haupt­ stadt Kasachstans das kulturelle Zentrum des Landes: Alma­ ty, das frühere Alma-Ata, liegt rund 1.200 Kilometer weiter südlich von Nur-Sultan. Mit dem Zug dauert die Fahrt zwischen Almaty und NurSultan fast einen ganzen Tag, oder wenn man die schnellen Talgo-Züge nimmt, »nur« zwölf Stunden. Wenn man dann meist am Morgen in die Stadt einfährt, türmen sich vor ­einem die bis zu 5.000 Meter hohen Berge des Tien-ShanGebirges auf, an dessen Füße sich die Zwei-Millionen-Metro­ pole schmiegt. Almaty hat ein fast mediterranes Flair, gilt als modern und trotzdem grün, mit einem angenehmen Klima aus heißen, trockenen Sommern und mäßig kalten Wintern.

Theater, Klubs, das Opernhaus, Dutzende Parks und Hunderte Restaurants lassen Einwohner und Gäste die ganz ­besondere Atmosphäre eines modernen Landes zwischen europäischem und orientalischem Lifestyle spüren. Rund 120 verschiedene Ethnien leben in Kasachstan, neben Kasa­ chen auch Russen, Ukrainer, Türken, Koreaner, Uiguren, Deutsche und viele andere Nationalitäten. Kasachstan ist ein Vielvölkerstaat. Moscheen, Kirchen und Synagogen stehen hier genauso friedlich nebeneinander wie die StreetfoodStände am Grünen Basar, wo es Manty, Piroschki und Samsa, mit Fleisch gefüllte gedämpfte, frittierte oder im Lehmofen ­gebackene Teigtaschen gibt und scharfe koreanische Salate, wo ganze Rinder- und Pferdehälften von der Decke hängen und Plov, ein opulentes Reisgericht mit Fleisch, Mohrrüben, ­Kichererbsen und Berberitzen, aus großen, direkt über dem Feuer stehenden gusseisernen Pfannen verkauft wird. Neue und alte Hauptstadt Die Kasachen, die heute rund zwei Drittel der Bevöl­kerung des Landes ausmachen, sind ein ehemaliges Nomaden­volk. Und obwohl sie mit der Industrialisierung Kasachstans ge­ zwungen waren, das nomadische Leben aufzugeben, sind vor allem in den ländlichen Regionen die ­Spuren davon noch zu sehen. Da stehen Jurten, die Filzzelte der Nomaden, zwischen gemauerten Häusern, und in den Sommer­monaten finden auf den Dörfern wilde Reiterspiele statt. Von Almaty aus ­verlaufen sowohl eine Autobahn als auch eine Eisenbahnlinie als wichtiger Ost-West-Korridor Kasachstans und Teil der Neuen Seidenstraße in Richtung Kaspisches Meer. Vor allem das Zugfahren ist in Kasachstan ein ganz eige­ nes, besonderes Erlebnis, richten sich die Menschen doch für die tagelange Reise oft häuslich ein. Kurz nach der Abfahrt schlüpfen sie in Jogginghosen und Hausschuhe und machen es sich in den Abteilen mit den Doppelstockliegen, so gut es geht, gemütlich. Jeder Waggon hat zwei eigene Schaffner, die sich im Dienst abwechseln und regelmäßig den großen ­Boiler an einem Ende des Waggons kontrollieren, damit es stets heißes Teewasser gibt. Stundenlang geht es dann durch die flache Steppe. Egal zu welcher Jahreszeit sieht man Vieh­ hirten zu Pferd, die ihre Schaf- und Kuhherden gemächlich

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zum nächsten Dorf treiben. Pferdeherden weiden zu Füßen der Hunderte Kilometer langen Bergkette. Die Fahrt führt an Turkestan vorbei, das mit dem von einer blauen Kuppel gekrönten Mausoleum von Hodscha Ahmad Yasawi, einem Gelehrten des Mittelalters aus der Timuriden­Zeit, an Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnert, und am russi­ schen Weltraumbahnhof Baikonur. Mit etwas Glück sieht man eine der Abschussrampen, von denen Passagier­ oder Lastraketen ins All geschossen werden. Kurz vor dem Ziel in der Küstenstadt Aktau hat sich die Steppe in Wüste verwandelt, statt Pferden sieht man hier Kamele neben Autobahn oder Bahngleisen stehen. Und die langsam wippenden Ölpumpen weisen auf den großen Reichtum Kasachstans an Bodenschätzen hin. Das Land hat riesige Lagerstätten an Erdöl, Erdgas, Kupfer, Kohle, Uran und vielem mehr. In Aktau, rund 3.000 Kilometer von Khorgos entfernt, endet der kasachische Teil der Neuen Seidenstraße. Viele der hier ankommenden Waren werden von Zügen auf Schiffe umgeladen. Von hier aus geht es über das Kaspische Meer, durch den Südkaukasus, das Schwar­ ze Meer weiter bis nach Europa. Doch das ist eine andere Geschichte.

Edda Schlager lebt in Kasachstan und arbeitet als freie Zentral­ asien­Korrespondentin für zahlreiche deutschsprachige Medien. Regelmäßig bereist sie auch die Nachbarländer Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan.


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A blank spot on the New Silk Road TEXT

Edda Schlager

Kazakhstan: The transcontinental country is not only the world’s largest land-locked nation; it also lies equidistant from all its oceans, i.e. smack-dab in the middle. This geography is making it an increasingly important hub for international trade within the initiative “Belt and Road.” Sometimes the trains from China run late. Then the workers at Khorgas Gateway Dry Port on the Kazakh-Chinese border wait impatiently until a distant signal sounds and a train announces its arrival with loud blasts of its horn. On the final stretch, the wagons with their dozens of containers slowly roll over the rails until they come to a stop at one of the buffers bearing a Chinese flag. Three huge gantry cranes straddle the parallel sets of tracks in the Dry Port. Painted a striking yellow that glows against the blue sky here in the far eastern corner of Kazakhstan, they have evolved into an easily recognizable hallmark for Khorgas, one of the key transhipment hubs between east and west. Some of the tracks are 1,435 millimeters wide – for the trains hailing from China; the others, whose buffers wear the Kazakh flag, measure 1,524 millimeters and head from here westwards, deeper into the country. Due to the divergent track widths, the containers are transferred from the Chinese to the Kazakh trains in Khorgas to continue their journey towards Europe. A part of the Soviet Union until 1991, Kazakhstan has the same track width as Russia and most of the other former Soviet Republics; China’s tracks have the same measurements as Europe’s. Khorgas is one of two border posts between Kazakhstan and China. Goods are transhipped here that originate in Lianyungang or Chengdu; they are headed for the Caspian Sea and ultimately the German port of Hamburg. Some 200 kilometers to the northeast, at the Dostyk/ Alashankou border crossing, goods stemming from Zhengzou, Shenzhen and Chengdu are processed which will then be transported through Kazakhstan, Russia and Poland on the northern route to Germany and Europe.

In recent years, Kazakhstan has become a main transit country on the New Silk Road – that tremendous infrastructure project launched in 2013 by China. Inspired by the historic medieval Silk Road, the corridor crossing the Eurasian continent has considerably reduced the time needed to transport goods from China to Europe: from 45 days on the sea route around India to a mere 16 days overland. This sparked major expansions in the highway and rail networks in Kazakhstan. Yet no matter which means of transport is deployed, journeys here are normally protracted. Kazakhstan is the ninth largest country in the world. It extends from the Chinese border more than 3,000 kilometers to the Caspian Sea. A trip from Khorgas to Aktau, the country’s most important port on its western coast, takes two and a half days if the connections are good and traverses several time zones. On the way lies a fascinating panoramic country bridging the orient and occident – and one that is often perceived by Europeans as a blank spot on the map. Trains coming from Khorgas travel the Turkestan-Siberia Railway, called Turksib. Since its completion in 1931, it has connected Russia to the Central Asian republics. Stretching some 2,350 kilometers, Turksib runs from the Russian Novosibirsk to Arys near Shymkent in southern Kazakhstan. It links the still important mining centers of Semei (formerly Semi­ palatinsk) and Oskemen (formerly Ust-Kamenogorsk) in the northeastern corner with the rest of Kazakhstan. Not located on the Turksib line, but rather 700 kilometers westward, embedded in endless steppes, lies the country’s capital, Nur-Sultan. The city’s name has often been changed, always for political reasons, to mark a new chapter in Kazakh history. Until 1991 it was called Tselinograd, which then changed to Akmolinsk to mark the country’s independence. And when the city was crowned the new Kazakh capital, it was rechristened Astana. Since 2019, this urban center with over a million inhabitants has gone by the name Nur-Sultan in honor of its longtime president, Nursultan Nasarbajew, who resigned that year.


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Kazakhstan

Contrary to prevailing opinion, the Kazakh capital did not suddenly materialize in the last 30 years. In reality, only half of it comprises the brand new, ultra-modern district on the southern bank of the Ishim River. Among others, the British architect Sir Norman Foster left his mark here, designing the Khan Shatyr Entertainment Center, for instance; here you will find the presidential palace, the Baiterek observation tower, and the grounds of Expo 2017, which today is home to the country’s financial center. The view on the Ishim’s northern bank still recalls a small, gray provincial town in the infinite steppes, struggling to withstand the icy snowstorms and unbearable heat. For many Kasakhs, however, the former capital remains the cultural heart of the country: Almaty, formery Alma-Ata, situated some 1,200 kilometers south of Nur-Sultan. The train journey between Almaty and Nur-Sultan takes nearly an entire day – or, if you’re riding the fast Talgo trains, “only” some twelve hours. Upon arriving (usually in the morning), one feels dwarfed by the Tien-Shan mountain ranges that rise to heights up to 5,000 meters. The city and its two million inhabitants are located at their foot. Almaty exudes Mediterranean flair; it is known for being modern yet still green, with a temperate climate of hot, dry summers and moderately cold winters. Theater clubs, an opera house, dozens of parks and hundreds of restaurants offer residents and guests alike an atmosphere unique to a modern country that melds western and eastern lifestyles. Some 120 different ethnic groups live side by side with the Kazakhs: Russians, Ukrainians, Turks, Koreans, Uyghurs, Germans, and many other nationalities. In this multi-ethnic country, mosques, churches and synagogues co-exist in harmony, just as do the streetfood stands at the Green Bazaar that serve and sell everything under the sun. Manti, piroshki and samsa – steamed, fried or clayoven-baked, filled dumplings; spicy Korean salads. Entire half-carcasses of steer and horses hang from the ceiling; plov, an opulent rice dish made with meat, carrots, chick peas and barberries, is dished up from huge cast-iron pans on open fires. The Kazakhs, who today make up some two-thirds of the population, were originally a nomadic people. And although the country’s industrialization forced them to surrender their lifestyle, its traces can still be found above all

in rural regions. Yurts, the felt tents of the nomads, stand between brick houses; in the summer months, wild riding games are held. A highway and a rail line lead from Almaty to form a key east-west corridor which is also part of the New Silk Road heading towards the Caspian Sea. Riding the rails in Kazakhstan is a very different experience; sometimes people literally make themselves at home for their multi-day journeys. Shortly after departure, they slip into jogging pants and slippers, getting as comfy as possible in the double-decker cots. Each wagon has two conductors that replace one another and regularly check the large boiler at one end of the wagon to ensure that hot water is always available for tea. The train crosses the endless steppes for hours. Regardless of the season, one sees mounted herdsmen leisurely driving their sheep and cattle to the nearest village. Herds of horses graze at the foot of the mountain ranges that extend for hundreds of kilometers. The journey passes Turkestan with its mausoleum housing the remains of the medieval scholar Khoja Ahmed Yasawi from the time of Timur; its blue dome recalls tales from the Arabian Nights. At the Russian spaceport Baikonur Cosmodrome, one might be lucky enough to catch a glimpse of the launching pads from which rockets holding passengers and freight are catapulted into space. Shortly before reaching the train’s destination – the coastal city of Aktau – the steppe metamorphoses into a desert: camels take the place of the horses, standing next to the highways and rail lines. Here the measured rise and fall of the oil pumps bear witness to Kazakhstan’s rich mineral resources. The country has huge reserves of crude oil, natural gas, copper, coal, uranium and much more. Aktau, some 3,000 kilometers from Khorgas, marks the end of the Kazakh segment of the New Silk Road. Many of the goods arriving here are transferred from rail to ships, and transported onward via the Caspian Sea, the South Caucasus and the Black Sea, and further to Europe. But that is another story. Edda Schlager lives in Kazakhstan and works freelance as a Central Asia correspondent for multiple German-language media products. She regularly travels to the neighboring countries of Kyrgyzstan, Uzbekistan, Tajikistan and Turkmenistan.


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Strecken und Entfernungen Artikel 3 Routes xx and Distances 3

Nord-Süd-Achse Die Entfernung vom nördlichsten Standort von Gebrüder Weiss, St. Petersburg (Russland), bis zum südlichsten Stand­ ort in Christchurch (Neuseeland) beträgt 16.910 Kilometer Luftlinie.

North-South axis It is 16,910 kilometers as the crow flies from Gebrüder Weiss’ northernmost hub in St. Petersburg (Russia), to its southernmost location in Christchurch (New Zealand).

N

16.910 km

S

Ost-West-Achse Vom östlichsten zum westlichsten Standort von Gebrüder Weiss in den USA, von Boston nach San Francisco, sind es 4.333 Kilometer Luftlinie.

East-West axis From the easternmost to the westernmost Gebrüder Weiss locations in the United States, i.e. from Boston to San Francisco, it is 4,333 kilometers by air.

Boston San Francisco

4.333 km

Nachhaltige Kilometer 1 Der Elektro-Lkw von Gebrüder Weiss Wien hat voll beladen je nach Einsatz und Umgebung derzeit pro Tag eine Lauf­ leistung zwischen 120 und 150 Kilometern.

Sustainable kilometers 1 The electric truck from Gebrüder Weiss Vienna currently has a maximum mileage of between 120 and 150 kilo­ meters per day, depending on the environment and type of delivery.

120 – 150 km am Tag per Day

Nachhaltige Kilometer 2 Der Orange Combi Cargo-Ganzzug verkehrt auf der Strecke Bludenz – Hall i. T. – Wien in Österreich und legt dabei ­täglich 683 Kilometer zurück.

683 km

Bludenz

Hall i. T.

Sustainable kilometers 2 The Orange Combi Cargo block train plies the Bludenz – Hall i. T. – Vienna route in Austria, covering 683 kilometers a day.

Wien Vienna


Strecken und Entfernungen 3

Langer Lauf Im Wings for Life Run 2021 legten 71 Teilnehmende von ­Gebrüder Weiss an 14 Standorten insgesamt 728 Kilometer zurück.

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In the long run In the Wings for Life Run 2021, 71 entrants from Gebrüder Weiss covered a total of 728 kilometers at 14 locations.

728 km Weit in der Luft Die Antonow An-225, die im Februar bei Kampfhandlungen zerstört wurde, startete noch im September 2021 bei ihrem Transport für Gebrüder Weiss in Tianjin (China) und flog über Almaty (Kasachstan) und Samsun (Türkei) nach Linz (Österreich) – das war eine Route von 8.616 Kilometern.

High in the sky During its transport for Gebrüder Weiss in September 2021, the Antonov An-225 took off in Tianjin (China) and flew via Almaty (Kazakhstan) and Samsun (Turkey) to Linz in Austria – a total journey of 8,616 kilometers. The colossal freighter was destroyed in the Ukraine conflict in February.

8.616 km Tianjin

Almaty

Und ab in die Röhre! Die Gebrüder Weiss-Niederlassung in Wien besitzt ein ­Rohrpostsystem mit einer Länge von ca. 4.200 Metern. ­Dokumente lassen sich hier mit einer Geschwindigkeit von 6 Metern pro Sekunde von A nach B schicken.

4.200 m Unterwegs auf der Seidenstraße Für einen Kunden transportierte Gebrüder Weiss einen 100 Tonnen schweren Bagger von Deutschland nach ­Kasachstan. Der intermodale Break-Bulk-Transport ­führte auf 7.500 Kilometern von Kirchdorf nach Antwer­ pen in Belgien, von dort per Schiff ins russische St. Peters­ burg und weiter über Land per Lkw nach Auyezov in ­Kasachstan.

7.500 km

Kirchdorf

Samsun

Linz

And off into the tube! The branch in Vienna boasts a pneumatic tube postal system with a length of approx. 4,200 meters. Documents can be sent from A to B at a speed of 6 meters per second.

6 m pro Sekunde per second On the Silk Road For one of its customers, Gebrüder Weiss transported a 100-metric-ton excavator from Germany to Kasachstan, covering 7,500 kilo­meters in total. The intermodal break bulk delivery took the route from Kirchdorf to Antwerp in Belgium, from there by ship to the russion St. Petersburg, and thereafter overland by truck to its final destination Auyezov.

Auyezov


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Drei Tage hin, drei Tage zurück gespräch Merlin Herrmann mit Hermann Höglinger

Hermann Höglinger ist seit 1994 bei Gebrüder Weiss ­Passau. Der Öster­reicher ist Vater von drei Kindern und ab Mai in diesem Jahr von drei ­Enkelkindern. In seinem Berufsleben ist er mit dem Lkw insgesamt deutlich über 5 Millionen Kilometer gefahren. Seit fast zehn Jahren läuft er auch über weite Distanzen, an die 2.000 Kilometer ­jährlich. Was war die längste Strecke, die du jemals an einem Stück gefahren bist? An einem Stück? Das war auf jeden Fall ein Hilfstransport mit Lebensmittelspenden im Auftrag des Roten Kreuzes. Das ist jetzt genau 30 Jahre her. Wir sind damals im Kon­ voi mit mehreren Lkw von Passau nach Sagorsk gefahren, dem heutigen Sergijew Possad. Das ist eine Großstadt ­nordöstlich von Moskau, rund 2.500 Kilometer von Passau entfernt. ­Insgesamt waren wir dafür neun Tage auf Tour, drei Tage hin, drei Tage zurück und drei Tage vor Ort, um die Spen­denpakete zu verteilen. Woran denkst du, wenn du dich an diese Tour er­innerst? Vor allem an die Armut der Leute, das war damals eine ­besondere Situation. Wir haben auf dem Land Menschen gesehen, die fast gar nichts hatten. Zur Ausgabe der ­Spenden kamen teilweise ganz alte Leute, die auf dem ­Schlitten die Lebensmittel nach Hause gezogen haben. Es war kurz vor dem russischen Weihnachtsfest, und wir hatten ein ­Gefühl, als würden wir wirklich Geschenke bringen.

Das heißt, es war nicht nur wegen der Entfernung eine ganz besondere Tour. Na ja, sicher. So etwas macht man nicht alle Tage. Wir haben für den guten Zweck eine Gemeinschaft gebildet und uns auf den langen Weg gemacht, das war schon ein echtes Er­ lebnis. Damals hatte man noch CB-Funk, und so konnten wir Fahrer uns den ganzen Tag miteinander unterhalten. Auch was die Infrastruktur unterwegs betrifft, war die Fahrt ein echter Kontrast zu meinem normalen Berufsalltag. Du kommst nach Polen rein und dann nach Russland, und es ist alles ganz anders. Es gab zum Beispiel kaum Schnee­ pflüge, um die ­Straßen zu räumen. Das ist dann ein ganz anderes Fahren. Es war allerdings auch viel weniger Verkehr, und die Autobahnen unterwegs waren leer. Ungewöhnlich war auch die spartanische Beschilderung an den Straßen. Bei uns in Deutschland ist ja überall ein Schilderwald, und ab Polen war dann plötzlich nur noch das Nötigste ausge­ schildert – aber das funktionierte auch! Hast du unterwegs ein bisschen was von Land und ­Leuten mitbekommen? Ja, die Landschaft ist auf der Strecke schon speziell, man sieht einfach Hunderte Kilometer kaum etwas, nur Auto­ bahn. Wir waren kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion unterwegs. Hinter der russischen Grenze war dann an einer Stelle plötzlich ganz viel Qualm, ich dachte, da brennt es auf der Fahrbahn! Beim Näherkommen haben wir gesehen, dass direkt neben der Straße ein Lkw-Reifen angezündet wurde und ungefähr 50 Menschen drum herumstanden, die sich am Feuer die Hände gewärmt haben. Die haben


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Langstrecke

Inzwischen gehört das Kloster der Dreifaltigkeit in Sergijew Possad zum UNESCO­Weltkulturerbe. The Trinity Lavra of St. Sergius monastery in Sergiyev Posad was declared a UNESCO World Heritage Site in 1993.

da Pause gemacht und den Reifen nur für ein bisschen Wär­ me verheizt. Außerdem waren auf der Fahrt Getränke wirk­ lich Mangelware. Abends war zwar immer der Tisch für uns gedeckt, und es wurde ein großer Krug mit Saft gereicht. Ansonsten gab es für jeden noch eine Flasche Wodka, und das war’s. Das war da ganz normal. Der Saft war immer schnell weg, der Wodka ist übrig geblieben. Warmes Essen gab es auch nicht, nur ein Mal, als wir in einem Kloster in Sagorsk eingeladen waren, da hat man uns eine heiße Suppe angeboten. Aber sonst war das Essen höchstens lauwarm, so ist das in Russland eben üblich gewesen, und man passt sich an, wenn man dort ist. Es ist demnach nicht langweilig geworden auf den 2.500 Kilometern? Wirklich nicht, die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man im Konvoi fährt. Über Funk habe ich mit den Kollegen richtig gute Gespräche geführt, wir kannten uns vor dem Transport ja überhaupt nicht. Deshalb hatten wir uns viel zu erzählen, zum Beispiel von Strecken, die man sonst immer fährt. Ich war damals normalerweise nur zwischen Deutschland und Österreich unterwegs, später auch nach Holland oder Belgien, selten einmal nach Luxemburg. Da war es schon spannend von den Kollegen zu hören, wo die überall rumkommen, von Spanien nach Italien und von Italien nach England, so etwas habe ich nie gemacht. Warum nicht? Ich hätte als junger Fahrer schon auch gern die Welt gesehen, aber wenn du Familie hast, dann willst du nicht so lange weg, sondern spätestens am Samstag wieder zurück sein. Das Wochenende zu Hause zu verbringen, war mir schon immer sehr wichtig. Mittlerweile fahre ich nur noch Linienverkehr, da komme ich sogar jeden Abend heim. Ich bin jahrelang nicht im Urlaub gewesen, weil ich dachte, dass ich nicht an­ dauernd unterwegs sein will. Ich bin einfach gern zu Hause.

Würdest du so eine weite Strecke heute noch einmal fahren? Wenn es wieder für einen Hilfstransport wäre: ja. Aber ganz allein hätte ich Bedenken, schon wegen der Sprache. Die Verständigung unterwegs ist einfach schwer, wenn du die Landessprache nicht kannst. Hut ab vor den Kollegen, die in ganz Europa unterwegs sind, sage ich immer. Die sich da durchkämpfen und mit Händen und Füßen verständlich machen. Und es ist nicht nur das, du musst in fremden Ländern ja auch die Gepflogenheiten kennen, du musst über die Verkehrsregeln Bescheid wissen, überall sind die Dinge ein bisschen anders. Da hast du es im Linienverkehr leichter, da kennst du jedes Verkehrsschild und weißt, dass da zum Beispiel Überholverbot von 16 bis 18 Uhr ist, da du es lesen kannst. Aber wie soll das zum Beispiel ein junger Kollege aus Litauen auf Anhieb verstehen? Vor dem Hintergrund deiner langjährigen Erfahrung als Trucker: Was empfiehlst du Autofahrern, die lange hinterm Steuer sitzen müssen? Ruhig fahren ist das Allerwichtigste, der ganze Stress bringt überhaupt nichts. Nehmt euch die Zeit, wenn es möglich ist, entspannt euch beim Fahren. Und brecht nicht auf den letzten Drücker auf.

Merlin Herrmann ist Pressesprecher bei Gebrüder Weiss. Er hat Germanistik, Geschichte und Soziologie studiert und lebt in Vorarlberg.


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Three days there, three days back TEXT

Merlin Herrmann with Hermann Höglinger

Hermann Höglinger has been working for Gebrüder Weiss Passau since 1994. The Austrian is a father of three. In May he will be celebrating the arrival of his third grandchild. He has driven well over five million kilo­meters in his job in total. And for almost ten years now, he has also been running long distances – covering close to 2,000 kilometers annually. What was the longest route you’ve ever driven in one stretch? In one stretch? That was undoubtedly a relief run I had, delivering donated food on behalf of the Red Cross. It was exactly 30 years ago. At that time, we formed a convoy and drove with several trucks from the German town of Passau to Zagorsk, which is now known as Sergiyev Posad. It’s a large city northeast of Moscow, about 2,500 kilometers from Passau. It took us nine days in total: three days there, three days back and three days locally to distribute the aid parcels. Do you have any special memories of that run? Most of all, I recall how poor the people were – it was an exceptional time. We saw people in rural areas who had almost nothing. Some who picked up donations were very old, and they dragged the groceries home on sleds. It was just before the Russian Christmas season and we had the feeling we were bearing gifts. So, you’re saying it wasn’t just the distance that made the trip so special. Absolutely. You don’t get to do something like that every day. We drivers joined up for a good cause and then headed off as a team over the horizon. That was a real experience. At the time we still had CB radios so we could talk to each other all day long. The trip was a real contrast to my normal jobs in terms of the infrastructure, too. You entered Poland and then Russia, and it was all completely different. For instance, there were hardly any snowplows to clear the roads. That changes almost everything when you’re driving. That said, there was much less traffic and the highways were all but deserted.

The sparse signage on the roads also took some getting accustomed to. Here in Germany, signs are planted everywhere; there, from the Polish border onwards, all you got were the bare necessities. But that worked too! Did you have time to enjoy the scenery and meet some of the locals en route? Yes, the landscape along the highway itself is quite unique. You drive hundreds of kilometers and hardly see a thing – just road, road and more road. This was not long after the collapse of the Soviet Union. At one point, just beyond the Russian border, we suddenly saw clouds of smoke rising up ahead. I thought something must be burning on the highway! As we got closer, I realized somebody had set a truck tire on fire on the roadside, and there were about 50 people standing around it basking in the heat. They were taking a break and sacrificing the tire just to warm up a little. Beverages were really in short supply on the trip as well. A table was always set for us of an evening, with a large jug of juice being served. Otherwise, we were each given a bottle of vodka and that was it. That seemed quite normal to everyone. The juice was always gone quickly, but the vodka was left over. There was no hot food either, with one exception: when we were invited to a monastery in Zagorsk and were offered bowls of soup. Otherwise the food was at best lukewarm. That’s usually the case in Russia, and you soon learn to adapt when you are there. So, despite driving 2,500 kilometers, you never got bored? Absolutely not. Time flies when you are part of a convoy. I had lots of really good conversations with my colleagues over the radio. None of us had ever met, so we had plenty to talk about – like, for examples, the routes we normally covered. Until then I had spent most of my time travelling between Germany and Austria, and then, later on, to Holland or Belgium, and very occasionally to Luxembourg. It was exciting to hear about all the places the others had been. From Spain across to Italy and Italy to England. I’ve never worked on any routes like that.


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Long distance

Why not? As a young driver I would have loved to see the world, but once you have family, you don’t want to be away for too long. You like to be back to base by the Saturday at the latest. Spending weekends at home has always been very important to me. Nowadays I only drive regular services, so I make it back home every evening. I haven’t taken a vacation for years because I decided I didn’t want to be on the road all the time. I just like being home. Would you drive such a long route again today? If it were for another relief delivery, I would. But I would have reservations about driving on my own, if only because of the language. Communicating on the road is just plain difficult if you can’t speak the local tongue. Hats off to colleagues who travel all over Europe, I always say – those drivers who just carry on, somehow “talking” with hands and feet. And that isn’t all. You need to understand the customs and habits of people in foreign countries. You have to know the traffic regulations. There are minor differences everywhere. It’s easier if you are driving regular routes. Then you’re familiar with all the signage and you know, for instance, that passing other vehicles isn’t allowed between 4:00 and 6:00 p.m., there it is, signposted. But how can you expect a young guy from Lithuania to grasp all this straight away? Considering your many years of experience as a trucker, what advice would you give drivers who spend hours on end behind the wheel? Staying calm and composed is the most im­ portant thing. Stress doesn’t achieve anything. If possible, take your time and relax while you are driving. And don’t set off at the last moment. Merlin Herrmann is a media spokesman at Gebrüder Weiss. He studied History and Sociology and lives in Vorarlberg.


Around the world: Dennis Kailing protokoll Imke Borchers


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Cycling around the world

Hauptsache, es gibt ausreichend Proviant in den Gepäcktaschen: Dennis Kailing in der Salzebene in Bolivien ­(vorherige Seite) und auf der Durch­ reise in Armenien The main thing is having plenty of provisions in your saddlebags: Dennis Kailing in the Bolivian salt flats (previous page) and cycling through Armenia.

Mit 24 Jahren bricht Dennis Kailing in seinem Heimatort in Hessen, Deutschland, auf, um die Welt mit dem Rad zu erfahren. In 761 Tagen reist er ostwärts durch 41 Länder und legt dabei 43.600 Kilometer zurück. »Ferne Länder haben mich schon immer interessiert, vielleicht auch weil ich mit meinen Eltern meist nicht sehr weit verreist bin – höchstens an die Nordsee oder in die Alpen. Als ich im Internet zufällig etwas über eine Weltreise mit dem Rad ge­ sehen habe, hat mich das Thema sofort fasziniert. Ein halbes Jahr lang habe ich recherchiert, Blogs gelesen, gegrübelt und dann entschieden: Ich mach das jetzt auch, ich fahre mit dem Rad um die Welt. Ich hatte noch nie eine Radreise gemacht, die Etappen habe ich anfangs also nur grob geschätzt. Aber letztlich habe ich das ganz gut kalkuliert mit den zwei Jahren. Das Fahrrad war das Verkehrsmittel meiner Wahl, weil es relativ günstig ist und ich damit unabhängig von anderen bin, von Fahrzeiten und Linien. Ich kann stehen bleiben, wann immer ich will, und komme trotzdem einigermaßen schnell voran. Außerdem ist es umweltfreundlich und verspricht Abenteuer. Dass das Unterwegssein mit dem Rad tatsächlich auch Anlass für zahlreiche Einladungen und Gespräche sein und ich dadurch ganz nah an Land und Leute kommen würde, ist mir erst beim Reisen klar geworden. Und das war dann wirklich faszinierend, weil ich Einblicke in ganz andere Lebens­ realitäten erhalten habe: Aus mitteleuropäischer Sicht ist es beispielsweise finanziell machbar, mit dem Rad um die Welt zu fahren. Aber für ganz viele Menschen, denen ich unterwegs begegnet bin, ist die Anschaffung eines Fahrrads undenkbar. Dabei hat es so viele Vorteile – für den Weg zur Arbeit oder zur Schule, als Transportmöglichkeit für Lasten, zur medizini­ schen Versorgung, und nebenbei ist die Bewegung auch noch gesund. Das alles ist mir erst jetzt richtig bewusst. Etappe für Etappe habe ich die Landesgrenzen hinter mir gelassen, Deutschland, Österreich, Slowakei und so ­weiter. In der Türkei war ich dann so weit, dass ich ganz im

Reise­modus war, dass ich gemerkt habe, ich mache gerade genau das, was ich machen möchte. Das war ein toller Mo­ ment. Ich hatte eine App zum Navigieren, in der ich Stre­ ckenverläufe und Aufenthalte eingetragen habe. Da konnte ich aus der Ansicht rauszoomen, und irgendwann musste ich die Erdkugel tatsächlich etwas drehen, damit ich meine bis­ herige Route verfolgen konnte, so eine lange Strecke hatte ich schon zurückgelegt – und das Zuhause war in weite Fer­ ne gerückt. Aber gefehlt hat mir während der zwei Jahre fast nichts. Eigentlich war das, was ich in meinen Packtaschen dabei­hatte, vollkommen ausreichend. Nur meine Musik­ anlage, die hätte ich manchmal gern gehabt, um laut Musik zu hören. In der ersten Nacht, als ich alleine in meinem Zelt war, hatte ich noch die meiste Angst. Das hatte aber mit mir selbst zu tun, denn natürlich gab es danach noch viel gefährlichere Situationen. Doch letztlich ist alles gut gegangen. Umzukeh­ ren oder abzubrechen, daran habe ich eigentlich nie gedacht, obwohl es Tage gab, an denen es einfach nicht lief – wenn starker Wind konstant von vorne kam oder ich zwei Platten hintereinander hatte. Was mich dann motiviert hat, waren all die tollen Erlebnisse, die bereits hinter mir lagen, und die Gewissheit, dass der Wind früher oder später wieder abflau­ en und die Sonne sich wieder zeigen würde. Mitgenommen habe ich von meiner Reise vor allem einen neuen Blick auf mein Leben. Mir wurde als Kind und Jugend­ licher immer erzählt, eine gute Ausbildung, ein sicherer Job und ein fester Wohnsitz seien das Wichtigste im Leben. Unter­wegs habe ich dann aber so viele Menschen getroffen, für die das gar nicht das Ziel ist oder sein kann. Die haben im Alltag ganz andere Sorgen oder setzen für sich einfach an­ dere Prioritäten, und daraus habe ich für mich sehr viel Zu­ versicht abgeleitet: Es wird immer etwas geben, was mich voranbringt, und das muss ich heute noch nicht unbedingt kennen. Diese Einsicht lässt mich sehr entspannt und positiv in die Zukunft blicken.«


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Around the world: Dennis Kailing TEXT

Imke Borchers

At the age of 24, Dennis Kailing left his hometown in the German state of Hesse to circumnavigate the globe on a bicycle. For 761 days he traveled eastbound through 41 countries, covering a total of 43,600 kilometers. “I’ve always been interested in faraway places, maybe because I never really went on long trips with my parents – just short hops to the North Sea or the Alps. When I stumbled upon an internet report about traveling around the world by bicycle, I was instantly hooked. I spent six months researching the subject, reading blogs, debating back and forth – and then decided: I’m going to do this now, too. Bike around the world! I had never embarked on a cycling tour before, so I just roughly estimated the distances and stages. Ultimately, though, the two years I had calculated turned out to be pretty accurate. The bicycle was my vehicle of choice, because it’s relatively inexpensive and would keep me independent of factors like departure times and routes. I can stop whenever I want and still make good progress. What’s more, it’s environmentally friendly and always good for an ­adventure. The fact that traveling by bicycle would mean lots of invitations and encounters, and that I would come into close contact with people and their cultures, was something I didn’t realize until I was on the road. That was really fascinating; I gained insights into completely different worlds. For instance, from a Central European perspective, it is financially viable to bike around the world. For many of the people I met along the way, though, buying a bicycle was out of the question. But they have so many advantages: you can ride to work or school, you can transport things, provide mobile medical care – plus the fact that it’s healthy and great exercise. I hadn’t realized all those things until now. Slowly but surely, I crossed borders and explored different countries: Germany, Austria, Slovakia etc. By the time I reached Turkey, I had finally entered full travel mode: I realized that I was doing exactly what I had set out to do and what I wanted to do. That was a brilliant

moment. I had an app for navigating, and had entered the routes and stopovers. I could zoom out and at one point I had to actually make the globe revolve a bit so I could view my entire itinerary – I had already covered so much ground! Home was really far away. That said, during those two years I was hardly lacking for anything. What I had in my saddle bags was more than enough. I only missed my stereo system; I would have liked to have been able to listen to music out loud. The first night I spent alone in my tent was the most frightening time. But that was mostly down to me, because there were obviously lots of much more dangerous situations. At the end of the day, everything worked out well. The thought of turning back or giving up never really occurred to me, although there were days when nothing went right – when there were strong, nonstop headwinds or I had two flat tires back-to-back. What motivated me to keep going was all the wonderful experiences I’d already had, and the knowledge that the wind would die down sooner or later and the sun would come out again. The main thing my trip gave me was a new perspective on my life and future. As a child and teenager, I was always told that a good education, a secure job and a fixed address were the most important things in life. On the road I met so many people for whom this is not – or cannot be – their goal. They have completely different problems in their everyday lives, or simply other priorities, and that gave me a lot of confidence. There will always be something to help me on through life, and I don’t need to know what it is right now. That realization lets me calmly face the future with a positive outlook.”



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Around the world with Gebrüder Weiss

Gebrüder Weiss startet weltweite Mitmach-Aktion Würde man die Strecken aneinanderreihen, die verschiedene Verkehrsmittel im Auftrag von Gebrüder Weiss pro Jahr zu­ rücklegen, käme man mit der Gesamtlänge gleich mehrmals um den Globus. Allein die Distanz, die innerhalb des Unter­ nehmens jährlich mit Gabelstaplern zurückgelegt wird, reicht schon von Österreich bis nach Kasachstan. Vor diesem Hinter­ grund scheint die Herausforderung, mit der die Kampagne Cycling around the world with Gebrüder Weiss im April gestartet ist, machbar: Gemeinsam sollen nach dem Vorbild von Dennis Kailing im Rahmen der Aktion 40.075 Kilometer zurückgelegt werden, was der Länge des Äquators entspricht – auf dem Fahrrad. Und damit davon nicht nur die Gesundheit aller Teil­ nehmenden profitiert, sondern auch das Klima, kommt jeder geradelte Kilometer der Aktion »Firmenwald« zugute, die Gebrüder Weiss mit seinem Partner natureOffice umsetzt: Pro 40 gefahrene Kilometer wird in Togo ein Baum gepflanzt. Innerhalb von sechs Monaten sollen so 1.000 neue Bäume anwachsen. Für alle, die mitradeln, gibt es außerdem Preise pro absolvierter »Cycle­Challenge«.

Gebrüder Weiss launches open event worldwide If you were to add up all the kilometers that the various modes of transport cover for Gebrüder Weiss every year, the accumulated routes would encompass the planet several times. Even the total distance covered annually within the company by forklifts extends from Austria to Kazakhstan. With these dimensions in mind, the challenge of Cycling around the world with Gebrüder Weiss – a campaign launched in April – seems eminently doable. Following the example of Dennis Kailing, the route will extend 40,075 kilometers, the length of the equator – on a bicycle. And to ensure that not only those participating will profit health-wise, but the climate as well, every cycled kilometer will be tallied up for the “Company Forest” initiative that Gebrüder Weiss is hosting with its partner natureOffice: a tree will be planted in Togo for every 40 kilometers covered. Within six months, this should lead to at least 1,000 new trees. In addition, for everyone who collects kilometers for the plantings qualifies for prizes when they complete a “Cycle Challenge”.

So können Sie dabei sein An der Aktion Cycling around the world kann jeder teilnehmen, der oder die sich die App Radbonus auf ihrem Smartphone installiert und den Zugangscode »gwmoves« eingibt – Sie können also auch mit Ihren Kindern auf Gebrüder Weiss­Tour fahren oder Freundinnen und Freunde dazu einladen. Um eine oder mehrere der Challenges zu erfüllen, haben alle Rad­ lerinnen und Radler Zeit bis zum 30. September 2022. Danach werden die Preise für die einzelnen Etappen verlost. Alle, die die erste Challenge »Euro Express« schaffen, bekommen ein praktisches Multifunktionshalstuch. Auf unseren Social­ Media­Kanälen können Sie die Aktion verfolgen und eigene Fotos von Ihren Erlebnissen im Sattel einsenden. Auch hier werden attraktive Preise verlost. Weitere Informationen fin­ den Sie hier: www.gw-world.com/de/cycling-around-the-world

Here’s how you can join the challenge: Anyone can participate in Cycling around the World. Simply install the app on your smartphone, and enter the campaign code “gwmoves” – and you’re in! That means you can also embark on Gebrüder Weiss tours with your children or invite your friends along for the ride. Bicyclists have time until October 31, 2022, to complete one or more of the Challenges. Prizes will be raffled off for each leg. Everyone who completes the first stage, “Euro Express”, will receive a practical multifunctional neck scarf. You can follow the event on our social media channels and submit photos of your adventures on the saddle. Here as well, fun prizes await. For more information: www.gw-world.com/ cycling-around-the-world

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Gebrüder Weiss Cycle-Challenges

Gebrüder Weiss Cycle-Challenges

Alle Teilnehmenden der Aktion können so weit radeln, wie sie können und wollen – schon bei 60 km ist das erste Level abgeschlossen! Pro geschaffter Challenge gibt es in jedem Level Preise zu gewinnen.

Challenge participants can cycle as far as they want to or can. They qualify for a badge even if they only complete 60 kilometers in the first stage. And there are great prizes to be won for each new challenge they overcome.

Beginner: EuroExpress Wien – Bratislava, 60 km

Beginner: EuroExpress Vienna – Bratislava, 60 km

Als zuverlässiger Partner von Gebrüder Weiss stellt sich ­EuroExpress der Herausforderung, ­Waren schnellstmöglich in die österreichischen Nachbarländer auszuliefern.

As a reliable partner to Gebrüder Weiss, ­EuroExpress takes on a daily challenge: ­delivering goods to Austria’s neighboring ­countries asap.

Amateur: Mailänder Bote Lindau – Mailand, 350 km

Amateur: Milanese Courier Lindau – Milan, 350 km

Mit dem Mailänder Boten begann 1474 die ­Geschichte rund um die Entstehung der Firma ­Gebrüder Weiss. Seine Route führte von Lindau über Fußach, Chur und den 2.100 Meter hoch ­gelegenen Splügenpass zum Comersee und bis nach Mailand.

The Milanese Courier traces back to 1474 and with it the roots of the Gebrüder Weiss company. The courier’s route led from Lindau via Fussach, Chur and the 2,100-meter Spluga Pass, to Lake Como and on to Milan.

Intermediate: Orange Combi Cargo Bludenz – Wien, 683 km

Intermediate: Orange Combi Cargo Bludenz – Vienna, 683 km

Der Orange Combi Cargo (OCC) pendelt seit fast 15 Jahren täglich zwischen Bludenz und Wien und hat in der österreichischen Wirtschaft einen Ruf als pünktliche und umweltfreundliche ­Transport-Alternative.

For nearly 15 years, the Orange Combi Cargo (OCC) has been commuting daily between ­Bludenz and Vienna. In the process, it has established its reputation as a punctual, environmentally friendly alternative means of transport.


Cycling around the world

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Advanced: Air Down Under Sydney – Christchurch, 2.136 km

Advanced: Air Down Under Sydney – Christchurch, 2,136 km

Seit 2020 ist Gebrüder Weiss auch am anderen Ende der Welt zu finden: in Australien und ­Neuseeland. Christchurch ist damit die südlichste Repräsentanz von Gebrüder Weiss und selbst von der australischen Metropole Sydney immer noch ziemlich weit weg.

Gebrüder Weiss has been active on the other side of the world since 2020: in Australia and New Zealand. This makes Christchurch the company’s southernmost outpost, while still being quite far away from the Australian city of Sydney.

Professional: Silk Road Shanghai – Almaty, 4.108 km Das Transportnetz der Seidenstraße verknüpft Asien und Europa und wurde früher mit Kame­ len bereist. Gebrüder Weiss unterhält an der ­Route zahlreiche Standorte, unter anderem auch in der kasachischen Metropole Almaty, die un­ gefähr auf der Hälfte der Strecke zwischen China und Europa liegt.

Professional: Silk Road Shanghai – Almaty, 4,108 km The transport network of the Silk Road links Asia and Europe; in the old days, camels plied this route. Gebrüder Weiss maintains several sites along its path; these include the Kazakh city of Almaty, which is located approximately midway between China and Europe.

Expert: Orange Eagle Hamburg – New York, 6.130 km Im Rahmen der Orange Eagle-Kampagne wurde das Netzwerk im Luft- und Seefrachtbereich aus­ gebaut, das gewissermaßen den Atlantik über­ brückt und den europäischen Kontinent mit dem amerikanischen verlässlich verbindet.

Expert: Orange Eagle Hamburg – New York, 6,130 km Within the scope of the Orange Eagle campaign, the Air & Sea freight network was expanded to virtually bridge the Atlantic, forging a reliable link between Europe and the American continent.


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Auf Kollisionskurs text Florian Aigner

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Kollisionen

Himmlische Katastrophen: Die Entfernungen im ­Weltraum sind gewaltig, das Universum besteht hauptsächlich aus Leere. Trotzdem kommt es immer wieder zu Kollisionen. Der Zusammenstoß ist unausweichlich: Mit einer Geschwin­ digkeit von ungefähr 110 Kilometern pro Sekunde rast die Andromeda-Galaxie auf uns zu. Noch ist sie rund zweiein­ halb Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Aber in vier bis fünf Milliarden Jahren wird sie mit unserer Milchstraße kolli­ dieren und zu einer neuen, größeren Galaxie verschmelzen. Das ist weniger dramatisch, als man meinen könnte. Die Sterne, die heute jeweils das Zentrum ihrer Galaxie um­ kreisen, werden dann zwar auf eine völlig neue Bahn um das Zentrum der neuen Riesengalaxie gezwungen, manche von ihnen werden wohl sogar in die Weiten des intergalak­ tischen Raums davongeschleudert, und was dabei mit unse­ rer Sonne passiert, lässt sich nicht vorhersagen. Aber die Chance, dass bei dieser gewaltigen Galaxienkollision irgend­ wo zwei Sterne oder zwei Planeten miteinander zusammen­ stoßen, ist äußerst gering. Galaxien bestehen hauptsächlich aus ­leerem Raum. Die Abstände zwischen den Sternen sind so gewaltig groß, dass Galaxien einander durchdringen können, ohne dass es auch nur einen einzigen direkten Zu­ sammenstoß zwischen zwei Himmelskörpern gibt. Auf kleinerer Skala hingegen kommt es ständig zu Kolli­ sionen. Das erkennt man etwa an der Oberfläche des Mon­ des, die mit Einschlagkratern unterschiedlichster Größe übersät ist. Die Erde ist genau demselben Bombardement ausgesetzt wie der Mond – nur sieht man das der Erdober­ fläche nicht an. Wir haben eine Atmosphäre, die kleinere Objekte zum Verglühen bringt, wir haben Wetter, Wind und Vegetation, die Einschlagkrater verwittern lassen, und wir haben eine Plattentektonik, die im Lauf von Hunderten ­Millionen Jahren die Erdplatten aufschmilzt und neue her­ vorbringt. Heller als die Sonne Wie furchteinflößend es sein kann, wenn ein Himmelsobjekt die Erde trifft, erfuhren die Menschen rund um die russische Stadt Tscheljabinsk am 15. Februar 2013. Ein Asteroid trat dort mit einer Geschwindigkeit von rund 70.000 km/h in die Erdatmosphäre ein. Er dürfte einen Durchmesser von etwa 20 Metern gehabt haben. Weil er die Atmosphäre in recht flachem Winkel durchquerte, explodierte er in der Luft, bevor er am Boden aufschlagen konnte. Sein Leuchten war heller als die Sonne, 100 Kilometer weit konnte man den Blitz sehen. Eine gewaltige Druckwelle beschädigte Tau­sen­ de Gebäude, rund 1500 Menschen wurden verletzt – oft durch splitterndes Fensterglas. Man sollte also im Kopf be­ halten: Wenn man im Himmel eine Explosion beobachtet, dann weg vom Fenster! So wie der Donner nach dem Blitz kommt, erreicht uns auch die Druckwelle einer solchen ­Explosion, erst nachdem wir das Leuchten gesehen haben.

Dieser Meteor von Tscheljabinsk war aber noch harm­ los, verglichen mit dem mysteriösen Tunguska-Ereignis im Jahr 1908. Was dort geschah, ist bis heute nicht ganz klar, denn die Gegend am Tunguska-Fluss in Mittelsibirien ist abgelegen und spärlich besiedelt. Bekannt ist: Es kam zu einer ­gewaltigen Explosion, noch in 500 Kilometer Ent­ fernung wurde ein Feuerschein wahrgenommen. Die Druck­ welle konnte auf der ganzen Welt gemessen werden, in ei­ nem ­Gebiet mit 25 Kilometern Durchmesser wurden Bäume ­entwurzelt. Einen echten Einschlagkrater fand man nie, aber man vermutet, dass es sich um einen Asteroiden mit einem Durchmesser von 30 bis 80 Metern handelte, der einige ­Kilometer über der Erdoberfläche explodierte. Welche Kata-­ s­trophe ein solcher Komet auslösen würde, wenn er diese zerstörerische Wucht über einer dicht besiedelten Metropole freisetzt, lässt sich kaum abschätzen. Eine Katastrophe ganz anderer Größenskala war aller­ dings der Einschlag jenes Asteroiden, der vor 66 Millionen Jahren dem Zeitalter der Dinosaurier ein Ende setzte. Er war etwa 10 bis 15 Kilometer groß und erzeugte einen Einschlag­ krater mit 180Kilometern Durchmesser. Die Folgen waren verheerend: Gestein wurde bis in die höheren Atmosphäre­ schichten geschleudert und fiel teilweise als Trümmerhagel wieder zu Boden. ­Gewaltige Flächenbrände entstanden. Verglichen mit den Erdbeben, die der Asteroid durch seine Wucht vermutlich auslöste, dürften selbst die schlimmsten Erdbebenkatas­trophen der Menschheitsgeschichte harmlos gewesen sein. Gewaltige Tsunamis verwüsteten die Küs­ tengebiete, Staub verdunkelte die Sonne und verursachte einen globalen ­Kälteeinbruch. Die Ökosysteme des Planeten gerieten aus dem Gleichgewicht, es kam zu einem Massen­ sterben. Sternenwald und Kirschenweltraum Asteroideneinschläge auf der Erde sind also nichts Unge­ wöhnliches. Aber wie passt das damit zusammen, dass Kolli­ sionen von Sternen kaum jemals vorkommen, dass Galaxien aber wiederum durchaus miteinander zusammenstoßen? Wie häufig sind kosmische Kollisionen nun wirklich? Oder anders gefragt: Wie leer ist das Weltall eigentlich? Die ­Antwort hängt entscheidend davon ab, auf welcher Größen­ skala man das Universum betrachtet. Galaxien sind ziemlich eng gepackt: Verglichen mit ihrem Durchmesser ist die Distanz zwischen ihnen nicht beson­ ders groß. Der Abstand zwischen Andromeda-Galaxie und ­Milchstraße beträgt ungefähr das Fünfundzwanzigfache des Milchstraßen-Durchmessers. Das entspricht größenord­ nungsmäßig dem Verhältnis zwischen Baumdurchmesser und Baumabstand in einem dichten Wald. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn wir die Distanzen zwischen Sternen mit den Sternendurchmessern vergleichen: Sterne sind typischerweise einige Lichtjahre voneinander entfernt – ein Lichtjahr entspricht knapp zehn Billionen Kilo­ metern. Der Abstand zwischen der Sonne und ihrem nächs­


Der Barringer-Krater ist ein Einschlagkrater des Meteoriten Canyon Diablo im Coconino County, Arizona, USA. Das ­Wüstenklima sorgt dafür, dass er besonders gut erhalten bleibt (vorherige Seite). Der Lyrid-Meteoritenschauer ist jedes Jahr zu beobachten, wenn die Erde die Sternentrümmer des Kometen C/1861 G1 ­Thatcher passiert. The Barringer Crater is an impact crater caused by the Canyon Diablo meteorite in Coconino County, Arizona. The desert ­climate ensures that it remains particularly well preserved. The April Lyrids meteorite shower can be observed every year when the Earth passes the particles of dust shed by the comet C /1861 G1 Thatcher.

ten Nachbarn Proxima Centauri ist so groß wie rund dreißig Millionen Sonnendurchmesser. Stellen wir uns vor, die ­Sonne hätte die Größe einer Kirsche, dann wäre der nächste Stern Hunderte Kilometer weit weg. In jeder EU-Hauptstadt eine Kirsche – das ergäbe eine Kirschendichte, vergleich­ bar mit der Sternendichte in der Milchstraße. Die Kirschen wären winzig klein, verglichen mit dem kirschenlosen Raum dazwischen. Der Asteroid 2009JF1: Wie der schlechteste Fußball­ spieler der Welt Und wie kann man sich die Größenverhältnisse bei Asteroi­ deneinschlägen auf der Erde vorstellen? Im Jahr 2009 wurde das Objekt 2009JF1 entdeckt, das unserer Erde ganz be­ sonders nahe kommt. Die NASA gibt die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags mit ungefähr 1 zu 3.800 an. Das klingt nach einer ziemlich großen Chance – zumindest verglichen mit seltenen Ereignissen wie einem Lottogewinn. Allerdings: Die Erde hat einen Durchmesser von rund 12.700 Kilometern, und nach bisherigen Daten ist davon auszugehen, dass der Asteroid in einer Distanz in der Grö­ ßenordnung von 15 Millionen Kilometern an der Erde vorbei­ ziehen wird – mit einer Unsicherheit von plus oder minus


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Kollisionen

60 Millionen Kilometern. Zum Vergleich: Das ist, als würde man auf ein Fußballtor schießen und damit rechnen, es ungefähr um achteinhalb Kilometer zu verfehlen. Oder eben um 34 Kilometer. Vor so einem Torschützen wird der Tor­ wart keine große Angst haben. Selbst wenn er die Erde trifft, ist ein Asteroid wie 2009JF1 mit etwa 13 Metern Durchmesser sicher keine globale Be­ drohung. Aber natürlich gibt es da draußen im Weltraum auch größere Objekte, die man tatsächlich im Auge behalten sollte. NASA und ESA nehmen diese Aufgabe sehr ernst: Über 27.000 erdnahe Objekte wurden inzwischen katalo­ gisiert, ungefähr die Hälfte von ihnen hat eine Größe von mehr als 140 Metern. Keines dieser Objekte hat eine nennens­ werte Chance, in den nächsten hundert Jahren unsere Erde zu treffen – aber die NASA schätzt, dass man noch nicht einmal die Hälfte der erdnahen Himmelskörper dieser Grö­ ßenklasse entdeckt hat. Die Suche geht weiter. Wie schützen wir uns vorm Killerasteroiden? Die Wahrscheinlichkeit, dass uns in nächster Zeit ein größe­ rer Himmelskörper wirklich gefährlich wird, ist extrem gering. Aber eines Tages wird es zweifellos wieder passie­ ren – vielleicht in hundert Jahren, vielleicht in tausend oder einer Million. Was könnten wir tun, wenn wir plötzlich die Bahn eines neu entdeckten Asteroiden vermessen wür­ den und zu dem Ergebnis kämen, dass er auf Kollisions­ kurs mit der Erde ist? Ideen dazu gibt es viele: Man könnte ein Raumfahrzeug hinschicken, das mit einer nuklearen Explosion den Aste­ roiden von seiner Bahn ablenkt. Man könnte das Raumfahr­ zeug auch einfach mit großer Wucht in den Asteroiden einschlagen lassen. Oder man versucht, ihn durch ein masse­ reiches Raumfahrzeug abzulenken, das neben dem Asteroi­ den fliegt und über lange Zeit eine winzige Gravitationskraft auf ihn ausübt. Auch exotischere Techniken könnten erfolgreich sein. So könnte man etwa versuchen, den Asteroiden über lange Zeit mit kleinen Teilchen zu beschießen. Man könnte auch mit einem großen Spiegel das Licht der Sonne auf ihm bündeln und ihn dadurch teilweise verdampfen. Oder man bemalt ihn einfach mit weißer Farbe. Die würde nämlich das Sonnenlicht stärker reflektieren, die Strahlung der Sonne würde den Asteroiden deshalb ein kleines bisschen ablen­ ken – möglicherweise ausreichend stark, um eine Kollision mit der Erde zu verhindern. Welche dieser Technologien realistisch ist, hängt natür­ lich davon ab, wie früh man den Himmelskörper entdecken würde, wie groß er ist und welche technologischen Fort­ schritte die Menschheit bis dahin gemacht hat. Wir haben schließlich gerade erst damit begonnen, uns über solche Fragen Gedanken zu machen. Wer weiß, welche Möglich­ keiten es in hundert oder zweihundert Jahren geben wird! Ausgeschlossen scheint es jedenfalls nicht zu sein, unseren Planeten eines Tages vor vernichtenden Kollisionen zu

schützen. Nicht jeder Zusammenstoß ist unvermeidlich. Und Platz gibt es im Universum mehr als genug.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftspublizist und lebt in Wien. Im Herbst 2020 erschien sein Buch Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl, in dem er in zahlreichen Geschichten ver­ ständlich macht, warum wir uns auf die Wissenschaft verlassen können.


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Collision course TEXT

Florian Aigner

Celestial disasters: distances in space are enormous, and the universe is largely a void. Nevertheless, collisions occur – again and again. A collision is inevitable: the Andromeda Galaxy is racing towards us at a speed of about 110 kilometers per second. While it is still about two and a half million light years away, in four or five billion years it will reach our Milky Way and merge into a new, larger galaxy. That’s less dramatic than it might sound. The stars that occupy the centers of their galaxies today will then be forced into completely new orbits around the center of the giant new galaxy. Some will probably even be jettisoned into the vastness of intergalactic space. And nobody knows what will happen to our sun in the process. But the chances of two stars or planets crashing into each other somewhere during this massive meeting of galaxies are extremely slim. Galaxies consist mainly of empty space. The distances between the stars are so unfathomable that galaxies can merge without any of their celestial bodies ever coming into contact. On a smaller scale, however, collisions occur constantly. That can be seen, for example, on the surface of the moon, which is dotted with impact craters of various sizes. The Earth is exposed to exactly the same bombardment as the moon – only you don’t see the damage to its surface. We have an atmosphere that incinerates smaller objects as they enter. We have weather, wind and vegetation that disguise impact craters. And we have plate tectonics that melt the Earth’s substructure over hundreds of millions of years and create new plates. Brighter than the sun On February 15, 2013, people near the Russian city of Chelyabinsk learned how frightening it can be when a celestial object literally comes down to Earth. A meteor with a presumed diameter of some 20 meters passed through the atmosphere there at a speed of approx. 70,000 kilometers per hour. Because it entered at a fairly shallow angle, it exploded in the air before it could hit the ground. The flash this generated

was brighter than the sun – clearly visible from 100 kilometers away. A huge shockwave ­damaged thousands of buildings, with some 1,500 residents being injured – many of them by shattered window glass. So that’s a good lesson to learn: if you are observing an explosion in the sky, keep away from the windows! Just as thunder often follows a flash of lightning, the shockwave from an explosion often reaches us after the radiance has waned. The Chelyabinsk meteor was, however, harmless compared to the mysterious phenomenon in Tunguska, central Siberia, in 1908. What happened there is still not entirely clear because the region along the Tunguska River is remote and sparsely populated. There is no doubt that there was a huge explosion. Its flare was visible a full 500 kilometers away. The shockwave was registered and measured around the world, and trees were uprooted within a radius of 25 kilometers. An actual impact crater was never found, but it is believed that an asteroid measuring between 30 and 80 meters across exploded a few kilometers above the Earth’s surface. It is difficult to imagine the carnage that would have been unleashed had this occurred over a densely populated city. A catastrophe of completely different proportions was sparked by the asteroid that wiped out the planet’s dinosaurs 66 million years ago. Measuring approximately 10 to 15 kilometers across, it created an impact crater with a diameter of 180 kilometers. The consequences were devastating: rock was propelled into the higher layers of the atmosphere, with much of it falling back to Earth as a hail of rubble. Huge wildfires broke out. Compared to the earthquakes that this asteroid likely triggered, even the worst seismic events in human history would have seemed trivial. Huge tsunamis devastated the coastal areas, dust darkened the sky and caused a global cold snap. The planet’s ecosystems veered out of kilter, resulting in a mass extinction of its species. A sea of stars and a bowl of cherries Meteoroid hits on Earth are therefore nothing unusual. But why is it, then, that stars so rarely


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Collision course

collide with each other while galaxies do? How common are cosmic collisions really? Or to put it another way: how empty is the universe? The answer is an issue of scale. Galaxies are quite tightly packed: relative to their diameters, the distances between them are not particularly large. The distance between the Andromeda Galaxy and the Milky Way is approximately twenty-five times the diameter of the latter. In terms of size, this is roughly equivalent to the ratio between tree diameters and tree spacing in dense forests. The situation changes radically when you compare the distances between stars with their diameters: stars are typically a few light years apart – and one light year equals almost ten trillion kilometers. The distance between the Sun and its nearest neighbor – Proxima Centauri – corresponds to about 30 million solar ­diameters. So if we think of our sun as a cherry, the closest star would be hundreds of miles away. Putting a cherry in every EU capital would simulate a density comparable to the stars in the Milky Way. The cherries would be tiny compared to the vast fruit-free space between. Asteroid 2009JF1: Like the world’s worst soccer player And how can we best imagine the relative levels of asteroid impacts on Earth? In 2009 scientists discovered 2009JF1, which comes particularly close to our planet. NASA estimates the probability of an impact at about 1 in 3,800. That sounds like a pretty big risk – at least compared to really rare chance events like winning the lottery. However, the Earth’s diameter is roughly 12,700 km and, based on existing data, the asteroid can be expected to pass by some 15 million kilometers away – give or take 60 million kilometers. That would be tantamount to a striker trying to score in soccer, but missing the goal by about 8.5 kilometers! With a differential of 34 kilometers either way! That’s unlikely to worry the poorest of goalkeepers. Even if it hits Earth, an asteroid like 2009JF1 represents no threat. Its diameter is only about 13 meters. But, of course, there are larger objects out there in space that we should actually keep tabs on. NASA and ESA take this task very seriously: over 27,000 near-Earth objects have now been catalogued, approximately half of them more than 140 meters in size. None of these have a significant prospect of hitting

our planet during the next century. That said, according to NASA, fewer than half of the near-Earth celestial bodies of this magnitude have been discovered to date. So the search continues. How do we protect ourselves from killer asteroids? The probability of a major celestial body becoming a real threat to us soon is extremely slim. Yet one day, one will doubtless darken our horizons. Maybe in a hundred years, maybe in a thousand or a million. How could we respond if we calculated the orbit of a newly discovered asteroid and concluded it was on a collision course with Earth? There are many theories on this. We could launch a spacecraft to deflect it from its orbit with a nuclear explosion. Alternatively, we could simply ram the asteroid with the spacecraft. Or we could try to deflect it off course by flying a huge spacecraft alongside it, thereby exerting a small gravitational pull on it for a protracted period. More exotic approaches could also prove successful. For example, we might try to bombard the asteroid with small particles. We could also have a large mirror focus sunlight on it, as a result of which the asteroid would partly evaporate. Or we could even try painting it white. This would reflect sunlight more strongly, so the sun’s radiation would divert the asteroid slightly – possibly enough to prevent a collision. The most realistic method will depend on how soon the celestial body is discovered, how large it is, and what technological advances humanity has made up to that point. After all, our strategies for coping with this threat are still in their infancy. Nobody knows which options will be available in a century or two! Either way, protecting our planet from devastating collisions does not seem implausible. Not every collision is inevitable. There is more than enough space in the universe for us all. Florian Aigner is a physicist and science journalist who lives in Vienna. His book Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl (Gravity is Not a Gut Feeling) was published in the fall of 2020. In it he tells numerous stories that illustrate why we can rely on scientists.


180 km Vor 66 Millionen Jahren schlug ein etwa 10 bis 15 km großer Asteroid in der Nähe der heutigen Stadt Chicxulub in Mexiko ein und erzeugte einen Einschlagkrater mit 180 km Durch­ messer. Er verursachte eine globale Finsternis und eine aus­ geprägte Abkühlung.

Sixty-six million years ago, an asteroid about 10 – 15 kilometers in size struck near the present-day city of Chic­ xulub in Mexico, creating a crater 180 kilometers wide. It caused a global eclipse and a significant cooling of the atmosphere.

20 m Der Asteroid, der am 15. Februar 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk mit einer Geschwindigkeit von rund 70.000 km/h in die Erdatmosphäre eingetreten ist, hatte einen Durchmesser von etwa 20 Metern. 1.500 Menschen wurden damals durch den Einschlag verletzt.

The asteroid that entered the Earth’s atmosphere at a speed of around 70,000 kilometers per hour on February 15, 2013, had a diameter of about 20 meters. Some 1,500 people in and near the Russian city of Chelyabinsk were injured by the impact.

30 – 80 m Möglicherweise ist am 30. Juni 1908 in der Nähe des Flusses Steinige Tunguska in Sibirien ein noch größerer Asteroid einige Kilometer über der Erde explodiert. Dessen Durch­ messer schätzt man auf 30 bis 80 Meter. Bei dem Ereignis wurden Bäume im Umkreis von etwa 30 Kilometer Ent­ fernung entwurzelt und Fenster und Türen in der 65 Kilo­ meter entfernten Siedlung Wanawara eingedrückt.

An even larger asteroid may have exploded a few kilometers above the Stony Tunguska River in Siberia on June 30, 1908. Its diameter was estimated at 30 to 80 meters. During the impact, trees were uprooted within a radius of some 30 kilometers, while windows and doors 65 kilometers away in the town of Vanavara were blown in.

13 m Das Objekt 2009JF1 kommt unserer Erde vergleichsweise nah, besonders nah am 6. Mai 2022 um 9.13 Uhr (MEZ). Es hat einen Durchmesser von 13 Metern. Nach bisherigen Daten ist davon auszugehen, dass der Asteroid in einer ­Distanz in der Größenordnung von mindestens 15 Millionen km an der Erde vorbeiziehen wird.

The 13-meter object 2009JF1 comes comparatively close to our Earth, and it will do so most notably at 9:13 a.m. (CET) on May 6, 2022. According to current projections, it can be assumed that the asteroid will pass Earth at a distance of at least 15 million kilometers.


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