I M F O K U S P O L I T I S C H E KO M M U N I K AT I O N
Digitale Spätstarter In der Coronakrise setzen Regierungen, Parteien und Politiker in ihrer Kommunikation verstärkt auf Online-Tools. Zoom, Jodel, TikTok, Telegram, Streaming – plötzlich ist vieles möglich. Von MARTIN FUCHS
Neue Wege Selbstverständlich ist vieles davon nicht komplett neu, einige Formate und Tools werden seit Jahren angewendet. Aber bisher eben nur in der Nische. In der Breite konnten sich aufgrund von Datenschutzbedenken, fehlenden Kompetenzen und dem Ver52
Beim WirVsVirus-Hackathon der Bundesregierung entwickelten rund 40.000 Teilnehmer mehr als 1.500 Lösungen zur Bewältigung der Coronakrise.
weis auf Geschäftsordnungen und Gesetze digitale Formate, Prozesse und Workflows noch nicht zum Standard entwickeln. Nun werden sie täglich angewendet. Nutzer sammeln positive Erfahrungen. Sie sehen, welche Vorteile die Digitalisierung für den eigenen Alltag haben kann. Dieser kulturelle Erfahrungsschatz und die Lernkurve werden nachhaltig auf Politik und Verwaltung wirken. Im Bundestag vollzog sich am 25. März 2020 eine dieser disruptiven Veränderungen, ich würde sogar sagen, eine Revolution. Die Geschäftsordnung wurde dahingehend geändert, dass vorerst bis zum 30. September 2020 temporär Ausschusssitzungen auch über „elektronische Kommunikationsmittel“ zulässig sind. Das hohe Haus und auch einige Landesparlamente
Foto: picture Klaus-Dietmar allianceGabbert / Fabrizio / picturealliance Bensch
Immer noch reibe ich mir jeden Tag erstaunt die Augen, wenn ich sehe, wie massiv sich Politik und Verwaltung in der Krise digitalisieren. Ähnlich verwundert waren viele der rund 40.000 Teilnehmer*innen des WirVsVirus-Hackathons der Bundesregierung, die sich noch vor wenigen Wochen nicht vorstellen konnten, für und mit der Bundesregierung zu hacken und in 48 Stunden mehr als 1.500 zivilgesellschaftliche Tools zu programmieren. Diese sollen Staat, Gesellschaft und Bürger*innen in der Krise unterstützen. Viele dieser Projekte wird es auch nach der Coronakrise geben. Nicht zuletzt diese vielfältigen Impulse werden Deutschland auf ein neues Digitalisierungsniveau heben. Durch Kontaktverbote, Homeoffice und die Abkehr von ausschließlich analogen Politikformaten merken nun erstmals viele Verantwortliche in Ämtern und Parteistrukturen, dass das Internet eben nicht nur Spielwiese für einige Digital Natives ist, sondern zur „Selbstverständlichkeit“ geworden ist, wie es Dirk von Gehlen in der „Süddeutschen Zeitung“ richtig beschrieb. Ohne Internet und digitale Plattformen, Videokonferenzsysteme und Kollaborations-Tools wären vielerorts die politische Kommunikation und das Verwaltungshandeln zum Erliegen gekommen.
April / Mai 2020