Forum 170/2022 – Das Magazin der IPPNW

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FRIEDEN

Die Not in Syrien ist das Ergebnis falscher Politik Die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien müssen aufgehoben werden!

W

estlichen Regierungen und Denkfabriken gilt Syrien als „gescheiterter Staat“, doch Syrien wird daran gehindert, mit eigenen Kräften das Land wiederaufzubauen. Voraussetzung wäre der Rückzug ausländischer Truppen und Kampfverbände aus den ressourcenreichen Gebieten des Landes. Darüber hinaus müssten die einseitig von EU und USA verhängten Wirtschaftssanktionen, die auch Nachbarländer Syriens und nicht-syrische Unternehmen treffen, aufgehoben werden. Die Europäische Union und auch die USA verweigern das und verlängern damit die humanitäre Krise in Syrien ebenso wie Not und Perspektivlosigkeit von Flüchtlingen in den Nachbarländern. Die Krisensituation wird aufrechterhalten, um die Regierung in Damaskus und die mit ihr verbündeten Partner Russland und Iran unter Druck zu setzen. Als der Krieg in Syrien 2011 begann, war das Land schuldenfrei. Niemand musste Hunger leiden, das Tourismusgeschäft boomte. Die Beziehungen Syriens zu den Nachbarländern Irak, Jordanien, Libanon und Türkei waren von wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit geprägt, die allen nutzte. Seit Beginn des Krieges hat sich die Lage kontinuierlich verschlechtert, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in

der syrischen Gesellschaft erodieren. Zeichen dafür ist das Verschwinden einer stabilisierenden Mittelschicht, Schwarzmarkthandel und Korruption nehmen zu. Die wichtigen Ressourcen des Landes – Wasser, Öl, Gas, Baumwolle, Weizen – werden von Gegnern der Regierung besetzt gehalten und kontrolliert. Das vertieft die Spaltung im Land und schadet den Menschen. Ende 2021 galten nach Angaben des Welternährungsprogramms rund zwölf Millionen Menschen – 55 Prozent der syrischen Vorkriegs-Gesellschaft – als arm und waren auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

An einem gesonderten Stand gibt es Käse und Eier, die aus dem rund 30 km entfernt liegenden Sednaya gebracht werden. Früher kostete eine Palette mit 30 Eiern 250 bis 300 Syrische Pfund (SYP). Heute liegt der Preis pro Palette bei 11.000 SYP. Früher wurden die Eier palettenweise gekauft, heute in geringer Stückzahl. Am Nachbarstand gibt es Obst und Gemüse, das bis auf die ägyptischen Kartoffeln aus Syrien stammt: Große Avocados von der Küste, wo auch die Orangen herkommen. Knoblauch, Kartoffeln, Gurken, Tomaten, Zwiebeln, Aubergine, Salat – alles ist kunstvoll aufgeschichtet und ausgestellt.

Leben in der Krise

Die guten Tomaten aus dem Hauran

Der Alte Souk, Al Souk al Adiq sagen die Damaszener zu dem beliebten Markt auf der Al Ammara Straße, am nördlichen Ende der Altstadt. Früher kamen die Bauern aus dem Umland mit ihrem Obst und Gemüse, mit Hühnern, Eiern und Milch, um alles frisch anzubieten. Als der neue Großmarkt, der Souk al Hal in Zablatani gebaut wurde, brachten die Bauern ihre Waren direkt dorthin. Heute werden dort auch die Lastwagen beladen, die Waren in den Irak oder bis nach Saudi-Arabien transportieren.

Hier verkauft Abu Ahmad, der gerade 15 Jahre alt war, als er 2003 seine Arbeit am Gemüsestand anfing. Der Mittdreißiger arbeitet sieben Tage die Woche von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, erzählt er und sortiert nebenbei Tomaten aus. Sein Tageslohn beträgt 15.000 SYP, was aber für ihn, die Frau und drei Kinder nicht reiche.

Der Alte Souk bietet (fast) alles: Erdbeeren, Kräuter aller Art, Datteln aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es gibt Kiwis aus Tunesien, Ingwer aus China, Datteln und Granatäpfel aus Jordanien. Die Produkte aus dem Ausland sind teuer und werden von Kunden nur in sehr kleinen Mengen gekauft, sagt ein Dattelverkäufer, der früher und vor allem während des Fastenmonats Ramadan deutlich mehr Umsatz hatte. Die Datteln gehören zum Ritual des Fastenbrechens, doch viele Familien verzichten heute aus Kostengründen darauf. 12

Die Tomaten seien mit 3.000 SYP pro Kilo sehr teuer, weil sie unter Plastikplanen bei Banias, an der Küste gezüchtet worden seien. Von dort müssten sie nach Damaskus transportiert werden und das koste: „Diesel ist teuer, aber auch der Dünger, der im Ausland eingekauft werden muss, ist teuer“, erklärt Abu Ahmad. Was im Ausland gekauft werde, müsse mit US-Dollar bezahlt werden, die das Land kaum noch habe. Das verteuere alles. Die guten, natürlich – nicht unter Plastikplanen – gewachsenen Tomaten gebe es zwischen Mai und Dezember und die kämen aus dem Hauran (Deraa), sagt er. Das sei nicht weit von Damaskus entfernt und so seien die Tomaten von dort nicht nur besser, sondern auch billiger. Als er vor 19 Jahren


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