FRIEDEN
Was kann Afrika tun?
Foto: African Union Mission to the UN
Eine kenianische Perspektive auf den Krieg in der Ukraine
BOTSCHAFTER MARTIN KIMANI: VERABSCHIEDUNG DER UN-RESOLUTION ZUM KRIEG IN DER UKRAINE
Wie wird der Krieg gegen die Ukraine in Afrika und Kenia diskutiert? Kenia hat seine Position sehr deutlich gemacht, wie, Kenias UN-Botschafter Martin Kimani im Februar 2022 erklärte – und seine Stellungsnahme spiegelt die Position der Afrikanischen Union seit 2002 wider: Wir respektieren territoriale Integrität und Selbstbestimmung. Wir können nicht in Nostalgie schwelgen und bereits gezogene Grenzen neu ziehen wollen, indem wir die Souveränität anderer Länder zerstören. Bei der Diskussionen in den sozialen Medien über den Krieg in der Ukraine gibt es in Afrika verschiedene Perspektiven – vom Schutz der ukrainischen Grenzen um jeden Preis bis hin zu einer sehr pro-russischen Haltung.
Mehrere afrikanische Länder haben sich bei der Abstimmung über die UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine der Stimme enthalten. Was sind die Gründe dafür? Einige afrikanische Länder haben sich enthalten, weil sie militärisch oder wirtschaftlich von Russland abhängig sind – oder sie sind Russland gegenüber loyal, weil es sie in der Vergangenheit bei der Befreiung von der westlichen Kolonialherrschaft unterstützt hat. Dafür habe ich Verständnis – der Kolonialismus ist in unserer Erinnerung näher als der Zweite Weltkrieg. Die Art und Weise, wie dieser Krieg die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie überspielt, und die kaum vergleichbare
Empörung und Berichterstattung über den äthiopischen Tigray-Krieg, den Bürgerkrieg in Kamerun und andere afrikanische Kriege verstärken bei vielen Menschen in Afrika das Gefühl, zurückgelassen worden zu sein – frei nach George Orwell: „Einige Tiere sind gleicher als andere.“
Dennoch bin der Meinung, dass es uns als Kontinent spaltet, wenn wir den Krieg nicht verurteilen und dass wir Gefahr laufen, der nächste Kriegsschauplatz zu werden. Wir können uns nicht „enthalten“ in einem Konflikt, in dem schon einige Male mit einem Atomkrieg gedroht wurde.
Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf Kenia und andere afrikanische Länder? Afrika war der größte Exportmarkt der Ukraine für Weizen, Kenia importierte hauptsächlich Weizen von dort. Die steigenden Kraftstoff- und Gaspreise haben in afrikanischen Ländern zu vielen Preissteigerungen geführt, von Lebensmitteln bis zu Düngemitteln. Wir nähern uns schnell einem kritischen Punkt. Es sind die Haushalte und Familien, die für diesen Krieg zahlen. Wir hoffen, dass sich die Lage bald stabilisiert, denn der erhöhte wirtschaftliche Druck kann weitere Konflikte auf dem Kontinent befördern. Meine größte Sorge gilt der Nahrungsmittelknappheit. Der Anstieg der Düngemittelpreise bedeutet, dass Kleinbauern (und auch einige Großbauern) nicht genügend Nahrungsmittel produzieren können. Wir sehen bereits, dass das Welternährungsprogramm Schwierigkeiten hat, seinen Bedarf zu decken, nachdem die Ukraine den Export von Weizen eingestellt hat.
Was können die afrikanischen Länder tun? Jede Krise birgt auch Chancen. Die Sanktionen gegen Russland bedeuten, dass 16
afrikanische Länder die Wirtschafts- und Versorgungslücken schließen könnten. Länder wie Tansania (sechstgrößter Flüssiggasproduzent), Nigeria und Senegal können ihren Marktanteil erhöhen. Das bedeutet, dass die afrikanischen Volkswirtschaften wachsen, der wirtschaftliche Druck nachlässt und hoffentlich politische Instabilität vermieden wird. Afrikanische Länder mit großen Ackerflächen, z. B. die Demokratische Republik Kongo, können Lücken in der Nahrungsmittelproduktion schließen und ihre Nachbarländer beliefern. Langfristig müssen die afrikanischen Länder ihre Wirtschaftspartnerschaften diversifizieren und ihre Abhängigkeit von Russland verringern. Afrikanische Länder mit größerem diplomatischem Einfluss auf der Weltbühne wie Kenia sollten eine proaktive Rolle übernehmen und „neutrale“ Länder dazu bewegen, Stellung zu nehmen. Wir brauchen den Frieden, und wenn mehr Länder mit einer UN-Stimme ihn unterstützen, werden wir ihn vielleicht schneller erreichen.
Wir haben viel die über rassistische Diskriminierung afrikanischer Studierender gehört, die dem Krieg in der Ukraine zu entkommen versuchten. Ist das in Kenia ein Thema? Kurz gesagt, die Kenianer*innen waren darüber verärgert. Der kenianische UNBotschafter hat das verurteilt. Aber dieser Rassimus ist nicht neu. Ich hoffe, es ist uns eine Lehre, und ich hoffe, dass wir alle daraus lernen, besser zu sein und besser zu handeln.
Hellen Barsosio ist ehemalige IPPNW-KoPräsidentin von Afrika.