Forum 170/2022 – Das Magazin der IPPNW

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UKRAINEKRIEG

Feindbilder und Kriegslogik Ein Beitrag zur psychosozialen Dimension

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it dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist erneut Krieg ausgebrochen – diesmal wieder auf europäischem Boden. Je länger der Krieg dauert, desto komplexer werden politische Antworten, ob friedenspolitische oder militärlogische. Zwar ist der Exit aus Afghanistan erst ein dreiviertel Jahr her, doch schon wird erneut die Macht der Stärke heraufbeschworen, werden militärische Aufrüstung und Waffenlieferungen eingefordert.

wütend die Therapie, die er aber wegen seiner seelischen Probleme dringend weiter bräuchte.

Dieser Beitrag ist eine Erinnerung an die psychosozialen Funktionen des Krieges, wie sie unter anderem von dem Psychoanalytiker Stavros Mentzos (1930–2015) dargelegt wurden.

„No animal shall kill any other animal.“

1. Feindbilder aufbauen: Zuvorderst werden Feindbilder geschaffen, Dämonen an die Wand gemalt. Feindbilder werden meist von allen Seiten bedient. Es geht darum, andere zu entmenschlichen, das Antlitz der Anderen auszulöschen, sie als Persönlichkeiten zu negieren. Diese beklemmende Logik finden wir bei allen politischen Verfolgungen, bei der Ausgrenzung ethnischer oder religiöser Gruppen, aber auch bei internationalen Schuldzuweisungen (wie „den Russen“ oder „der Achse des Bösen“). Beispiele: » Der deutsche Bundespräsident wird wegen seiner fehlenden Russlandfeindlichkeit selbst zur Zielscheibe – er wird von der Ukraine wieder ausgeladen. » Ein russischer Patient, der wegen einer schweren Depression in Behandlung ist, fordert von seiner Therapeutin eine klare Positionierung für Russland. Nachdem dies nicht geschieht, beendet der Patient

» Niemand im Westen will den Krieg. Trotzdem fallen verschiedene Parteien übereinander her, zum Teil mit verächtlichem Spott und Abwertung. Russische Musiker werden mit einem Auftrittsverbot im Westen belegt.

2. Wash-Out der Werte:

(Chapter 2)

sierung des Gewissens, damit Soldat*innen bereit sind, in den Krieg zu ziehen. Tötungshemmungen müssen überwunden, das Über-Ich transformiert, biologische Versöhnungsmuster gelöscht werden. Diesen Prozess hat Yishai Sarid in seinem Roman „Siegerin“ beklemmend dargestellt. Werden Kriegsgräuel unmittelbar erlebt, können sie eine Verrohung bewirken, die „wie ein Schuss Heroin“ wirkt und den Rausch für weitere Gräueltaten absichert (so der Neuropsychologe Thomas Elbert in der SZ vom 09.04.2022). Oder das Resultat ist Traumatisierung. Doch wer will eher Opfer als Täter sein?

3. Heldentum und Katharsis:

„No animal shall kill any other animal without a cause.“

„Krieg ist nicht der Vater aller Dinge, sondern ihr Verhinderer und Vernichter.“

George Orwell: Animal Farm

Stavros Mentzos, Die psychosoziale Dimension des Krieges

(Chapter 8)

Das grundsätzliche Tötungsverbot findet sich nicht nur in Art. 3 der Allgemeinen Menschenrechte als Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit wieder, sondern ist auch Kernelement allen religiösen Empfindens. Dennoch wird mit Begriffen wie Verteidigung von Demokratie und Freiheit, Sicherung der Handelswege oder Recht auf Selbstbestimmung militärische Gewalt erneut gerechtfertigt, hört man zusätzlich nationalistische Töne. Gemeinsam ist den Scharfmachern, dass das Tötungsverbot von anderen Geboten verdrängt wird. „The cause“ kann beliebig gedehnt werden, wie nicht nur die mediale Deutungsmacht in Russland bitter zeigt. In der „Schule der Nation“ bedarf es gezielter Propaganda und einer Synchroni26

Krieg löst Konflikte durch Unterwerfung und Zerstörung. Kompromissbildung und Kreativität sind Kriegsparteien fremd. Krieg ist nicht die Folge von Aggression, sondern Aggression ist das Instrument des Krieges. Menschen, die ungelöste Konflikte in sich tragen, sind anfällig dafür, diese Spannung nach außen abzuführen. Besonders kritisch wird es, wenn Freiheit/Selbstbestimmung oder Bindung/ Liebe fehlen, um eine Balance herzustellen. Interessenkonflikte können nicht als sachliche Widersprüche ausgehalten werden, sondern müssen in der Person des anderen vernichtet werden. Die Verdrängung von Mitgefühl und Mitleid steht im Vordergrund.


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