Öffentliche Finanzen - Einnahmen & Ausgaben in Balance bringen

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PERSPEKTIVEN

Finanzierungsperspektiven des Staates Zentrale Herausforderungen und Trends.

von Michael Getzner

Die Einzahlungen belaufen sich auf 71,9 Milliarden Euro. Die Auszahlungen auf 77 Milliarden Euro. Daran sieht man: Wir haben ein Ausgaben- und kein

Einnahmenproblem.

(BM für Finanzen H. J. Schelling, Budget­rede, 14.10.2015, Hervorhebung M.G.)

Foto: TU Wien

A D P ER SON A M Univ.-Prof. Dr. Michael Getzner, Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik, Leiter des Departments für Raumplanung, Technische Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Finanzwissenschaft und Finanzpolitik, Infrastrukturpolitik und -bewertung, ökologische Ökonomik und ökonomische Bewertung öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Er gehört dem Kuratorium des KDZ an.

Der Einschätzung des Bundesministers folgend könnte dieser Beitrag auch bereits zu Ende sein: Offensichtlich gibt es in der Budgetpolitik keine Finanzierungsprobleme des Staates, und es könnte für eine Budgetkonsolidierung reichen, einfach die Ausgaben zu reduzieren. Abgesehen davon, dass sich aus der obigen Einschätzung nicht logisch ableiten lässt, dass der österreichische Staat tatsächlich ein Einnahmen- (oder ein Ausgaben-) Problem hat, liegt dieser Aussage offensichtlich eine politische Vorstellung über die erwünschte Staatsquote zugrunde: Die Abgabenquote liegt in Österreich in den letzten 20 Jahren mit wenigen Schwankungen zwischen rund 41 und 45 Prozent1 (siehe Abbildung) – die 4

KDZ FORUM PUBLIC MANAGEMENT #2 2016

Unterschiede sind hierbei freilich nicht nur der Veränderung der Staatseinnahmen, sondern u.a. auch der unterschiedlichen Höhe des Brutto-Inlandsproduktes geschuldet. Ein wesentlicher Trend weder nach oben noch nach unten ist aus den Daten nicht ablesbar. Eine Festlegung bzw. Reduktion der Abgabenquote von derzeit etwa 44 Prozent auf beispielsweise 42 Prozent bei gleichzeitiger substantieller Reduktion der Ausgaben (zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts) bedeutet, dass für öffentliche Güter und Dienstleistungen, für Sozialleistungen und Umverteilung wesentliche öffentliche Mittel nicht zur Verfügung stünden – dies auch unter der Annahme, dass selbst bei Realisierung der möglichen Effizienzgewinne im öffentlichen Sektor die Ausgaben aus diesem Grund nicht notwendigerweise sinken müssen (z. B. weil die Qualität öffentlicher Leistungen verbessert und eventuell das Leistungsniveau bei gleichen Kosten ansteigen würde). Diese kurzen Überlegungen zeigen, dass in der Budgetpolitik Einnahmen und Ausgaben nur gemeinsam betrachtet werden können – eine isolierte Betrachtung nur der Einnahmen oder nur der Ausgaben lässt die wichtigen Fragestellungen, z. B. nach den Aufgaben des öffentlichen Sektors oder der Staatsquote, außer Acht.

Gibt es in Österreich ein Ausgabenoder Einnahmenproblem?

Diese Debatte wird in der Finanzwissenschaft als „Spend-Tax“- oder „Tax-Spend“These bezeichnet: Wird in der Budget­politik zuerst hauptsächlich über das Aufgaben- und somit Ausgabenniveau, oder über das Ein1 Vgl. Statistik Austria, 2016


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