KiZ-ePaper Nr. 24/2022

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KirchenZeitung Diözese Linz

Kunst & Kultur 29

16. Juni 2022

Fronleichnamsaltar von Abtsdorf Zu Fronleichnam – am Hochfest des Leibes und Blutes Christi – geht die katholische Kirche auf die Straßen, um die Gegenwart Christi in der Hostie öffentlich zu bezeugen. LOTHAR SCHULTES

Das Wort „vrôn“ bedeutete im Mittelhochdeutschen alles, was den Herrn betrifft. „Lîcham“ steht für den Leib, hier den in der konsekrierten Hostie verehrten Corpus Christi. Das Fest beginnt mit einer Messe, gefolgt von einem feierlichen Umzug, bei dem der Priester die Monstranz unter Gebet und Gesang der Gläubigen durch den Ort trägt. Da die Prozessionen von der Reformation abgeschafft wurden, war ihre Wiedereinführung ein vorrangiges Ziel der katholischen Gegenreformation. Barocke Frömmigkeit. Zu den schönsten erhaltenen Beispielen der barocken Fronleichnamsfrömmigkeit gehört der 1931 in St. Georgen im Attergau für das OÖ. Landesmuseum erworbene, ursprünglich aus Abtsdorf stammende Wachsaltar, der als eine der Stationen beim Fronleichnamsumzug in Verwendung war. Er zeigt im Mittelteil den Gekreuzigten inmitten von Weinranken, deren Trauben an den Wein erinnern, der bei der Messe in das Blut Christi gewandelt wird. Jesus blickt vom Kreuz herab auf jene Getreuen, die bis zuletzt bei ihm ausgeharrt haben: den Lieblingsjünger Johannes, der die am Boden sitzende Maria stützt, und Maria Magdalena, die ihre Hand hält. Der Altarschrein wird von Weinstöcken umrankt, in die Spanschachteln mit Szenen aus der Passion eingefügt sind. Aus der obersten blickt Gottvater auf seinen leidenden Sohn herab. Auf dem Sockel darunter sieht man in der Mitte Christus im Grab und im Hintergrund die Seelen im Fegefeuer, flankiert von Maria Magdalena und Petrus als Büßer. Aus Holz und Wachs. Der Altar gilt als Werk des Bildhauers Meinrad Guggenbichler, der ab 1678 im Dienst des Klosters Mondsee stand und zwischen 1698 und 1701 die gesamte Ausstattung der Pfarr-

Fronleichnamsaltar, Meinrad Guggenbichler (1649–1723) und unbekannter Bossierer (Spezialist für Wachsarbeiten), um 1700, Holz, gefärbtes Wachs, Glasaugen, wachsgetränkter Stoff, Höhe 238 cm, Breite 140 cm, Linz, Schlossmuseum, Inv. Nr. S 74. OÖ LANDESKULTUR GMBH, LAND OBERÖSTERREICH

kirche von Abtsdorf schuf. Auftraggeber war das Stift, dessen Äbte die Sommer im dortigen Pfarrhof verbrachten. Bei der Ausführung arbeitete Guggenbichler gewiss mit einem Spezialisten für Wachsarbeiten zusammen. Während der Gekreuzigte hohl gegossen ist, bestehen bei den ­Begleitfiguren nur Köpfe, Hände und Füße

aus Wachs. Für die Kleider wurde wachsgetränkter Stoff über ein Gerüst aus Werg und Draht drapiert. Der Altar war durch oftmaliges Auf- und Abbauen sowie Sonnenbestrahlung bereits stark beschädigt, als er 1962/63 im Hinblick auf seine spätere Präsentation im Schlossmuseum restauriert wurde.

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Reihe „alt und kostbar“ mit Lothar Schultes Lothar Schultes, der Autor dieser Serie, leitete bis zur Pensionierung 2020 am OÖ. Landesmuseum die Sammlungen Kunstgeschichte und Kunstgewerbe.


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