hörbar 04 | 2021|22

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hörbar

DAS MAGAZIN DES KONZERTHAUS DORTMUND

IGOR LEVIT

AUSGABE 04 2021 22


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DANKE FÜR: SO KLINGT NUR DORTMUND.


SICHTBARER ZAUBER

TITELFOTO: EMILE DUCKE · THE NEW YORK TIMES · REDUX · LAIF FOTO: MARCEL MAFFEI

Akustik. Es wird eine unglaubliche Freude sein, unseren ehemaligen Exklusivkünstler Yannick Nézet-Séguin und sein Weltklasse-Ensemble der New Yorker Met Ende April mit Wagners »Rheingold« zu erleben und uns dabei so voll und ganz auf diese wunderbare Musik einlassen zu können.

»Oh mein unsichtbares, tiefer gelegtes, verklärtes Orchester im Theater der Zukunft.« So begeistert zeigte sich Richard Wagner seinerzeit von seiner Vision, das Orchester vollständig vor den Blicken des Zuschauenden zu verbergen. Ihm ging es um die perfekte Illusion. Nichts dürfe das Publikum vom Bühnengeschehen ablenken. Vielmehr solle es in einen Zustand des »Hellsehens« versetzt werden, indem der »technische Herd der Musik« – so nüchtern klang das damals – vollständig vor seinen Augen verborgen blieb. Mit seiner Erfindung des unsichtbaren Orchestergrabens, den er als »mystischen Abgrund« bezeichnete und der die »Realität von der Idealität« zu trennen habe, gelang Wagner nichts Geringeres als eine Revolutionierung des Musiktheaters. Doch wir machen es genau anders herum: In unserer inzwischen legendären Reihe Konzertante Oper holen wir das Orchester aus dem Graben heraus und wieder auf die Bühne. Dort, wo für Wagner visuelle und ideelle Aspekte im Vordergrund standen, fokussieren wir uns ganz und gar auf seine großartige Musik und präsentieren sie in unserer einzigartigen Konzerthaus-

Apropos exklusive Künstler: Man mag es kaum glauben, aber die Residenz von Maestra Mirga in Dortmund neigt sich bereits dem Ende entgegen. Zum Abschluss erwarten uns gleich zwei sehr besondere Konzerte mit ihr an nur einem Wochenende. Wir entdecken gemeinsam das hochspannende Werk des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg. Dazu hören wir Tschaikowskys 4. Sinfonie und erleben zwei tolle Solistinnen und Solisten an Mirgas Seite: Patricia Kopatchinskaja interpretiert Strawinkys Violinkonzert und unser »Junger Wilder« Sheku Kanneh-Mason Schostakowitschs 2. Cellokonzert. Damit nicht genug: Das London Symphony Orchestra, ebenfalls mit einer Dreijahres-Residenz in Dortmund, kommt diesmal mit seinem Principal Guest Conductor François-Xavier Roth. Einmal mehr verzaubert uns Igor Levit an den Tasten, Teodor Currentzis kommt mit der »tragischen« 1. Sinfonie von Brahms, die JohannesPassion erklingt am Karfreitag, und wir haben noch ganz viele weitere Goldschätze für Sie gehoben. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich, ich freue mich auf Sie! Mit herzlichen Grüßen, Ihr Dr. Raphael von Hoensbroech Intendant und Geschäftsführer des Konzerthaus Dortmund

editorial 03


Fr 24.06.2022 · 20.15 Uhr

LIEDERABEND Anna Prohaska

Sopran,

Julius Drake

Klavier

ANNA PROHASKA Unter dem Titel »Der Garten Eden – Paradise lost« beleuchtet Anna Prohaska in Kompositionen von Fauré über Debussy und Bernstein bis Messiaen die biblische Figur der Eva.

04 einblick


06 interview

03 editorial

Ein Lied in allen Dingen

04 einblick

Ein Gespräch mit Georgette Dee über das Älterwerden und die Zusammenarbeit mit Terry Truck

05 inhalt

10 titel

27 augenblick

Tiefsinn mit Weitsicht

28 gästebuch

Igor Levit beschreibt sich selbst in drei Worten: Bürger, Europäer, Pianist.

29 ausblick I rätsel I impressum

14 konzertante oper

30 haus und verkauf

Feier des Lebens

Weit ausschwingend, als wolle er so die Welt umarmen – so kennt man Yannick Nézet-Séguin auf dem Podium.

17 orchesterzyklus

Das Geschenk der Musik

Mirga Gražinytė -Tyla und das »grande finale« ihrer Residenz

20 lso in residence

Absolut beziehungsfähig

Mehr als zwei Jahrzehnte machen sie gemeinsam Musik: das London Symphony Orchestra und François-Xavier Roth.

FOTOS: MARCO BORGGREVE, CHRISTIAN LOHSE, BENJAMIN EALOVEGA, JULIEN MIGNOT · HARMONIA MUNDI

22 pop-abo

Grenzgänger zwischen den Sounds

Die Band Calexico verschmilzt den staubigen Sound des amerikanischen Südwestens mit Klängen von Vintage-Surfmusik bis Latin.

24 meisterkonzerte

Von der Stimme inspiriert

Bratscher Antoine Tamestit singt auf seinem Instrument ein neues Viola-Konzert.

25 chorklang

Barocke Bilderwelt

Ein Evangelienbericht voller Schmerz und Farbenpracht: Bachs Johannes-Passion

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»Deutschlands größte lebende Diseuse« – so wurde Georgette Dee einmal bezeichnet. Seit Anfang der 1980er-Jahre steht sie auf der Bühne und widmet sich unentwegt dem Menschsein. Die Dee singt und erzählt furios von großen Gefühlen auch in kleinen Momenten. Durch ihre Songs wird die Welt neu beleuchtet, das Leben schwer und wieder leicht gemacht. Im Mai 2022 gibt Georgette Dee ihr Debüt im Konzerthaus, begleitet von ihrem langjährigen Weggefährten und Pianisten Terry Truck. Am Telefon sprach sie mit Klaus Wolf-Henrich, Kleinkunst-Connaisseur,

EIN LIED IN ALLEN DINGEN

langjähriger Fan Dees und Stellvertretender Leiter des Ticketings am

Konzerthaus Dortmund, über das Älterwerden, die Zusammenarbeit mit

Terry Truck und neue Inspirationsquellen für ihr Programm.

Das Programm »Mensch« war ursprünglich geplant für das langerwartete Konzerthaus-Debüt, musste aber pandemiebedingt verschoben werden. Was darf unser Publikum im Mai erwarten? Ich denke mal, es wird ein »Schläft ein Lied in allen Dingen«-Programm sein. Denn es war ja nicht nur Corona, sondern Terry wurde auch von der Flut in der Eifel heimgesucht. Das ganze Studio, alle Noten, Instrumente, alles war weg! Deshalb sind wir jetzt erst einmal reduziert in unserem Programm. Sie haben einmal gesagt: »Die Bühne ist mein Leben«. Wie hat sich die Corona-Pandemie für Sie ausgewirkt? Nicht gut. Am Anfang hat man noch seine Energie und so ein Durchhalte-Gen. Aber so nach einem dreiviertel Jahr ist das energetische Grundrauschen, das man als Künstler hat, wenn man immer mit Publikum in Kontakt ist, weggegangen. Denn das ist auch ein Austausch von Energien und Leben. Und wenn das ganz weg ist, war das ein bisschen so, als hätte man die Grundenergie verloren und die hat sich auch noch nicht wieder so richtig eingestellt. Man fühlt sich irgendwie so geleert, aber auf eine ungute Art und Weise. Mal sehen, wie es weitergeht. Ich meine, wir singen wieder und die Energie ist auch wieder da. Aber dieses Level, das man sonst auf Dauer hatte, das man eigentlich gewohnt war und für selbstverständlich genommen hat, das ist irgendwie weg. Das geht vielleicht anderen Künstlern anders, aber das ist für mich an dieser ganzen Pandemie-Situation die unangenehmste Angelegenheit, die es zu bewältigen gilt. Was hat sich für Sie in 40 Jahren Show-Business am stärksten verändert? (lacht) Naja, dass man nicht mehr jung ist. Wenn man jung ist, ist eine ganz andere Energie da und natürlich sind es auch andere Themen, eine völlig andere Lust am Leben. Insofern hat sich für mich viel verändert. Aber ich habe schon immer versucht, bei dem zu bleiben, was jetzt da ist. Ich habe mich mit dem Altern auseinandergesetzt. Ich weiß noch, vor zehn Jahren gab es so eine Phase, da beschwerten sich die Kritiker,

interview 07


dass ich immer so viel vom Altwerden und Sterben rede. Aber ich bin trotzdem dabei geblieben, denn es sind Sachen, die mich beschäftigen. Natürlich bleiben Themen wie zwischenmenschliche Beziehungen, die Liebe. Aber sich mit über 60 auf die Bühne zu stellen und zu singen »Ficken ist schön« – das ist nicht so prickelnd. Natürlich hat man durch die Lebenserfahrung auf viele Dinge einen anderen Blick. Ich habe zu vielen Dingen auch gar nichts mehr zu sagen, weil ich denke, es ist alles gesagt. Wenn ich dann im Radio neue Songs höre und da geht es um Schmacht und Liebe, könnte ich mich manchmal vor Lachen biegen. Es ist alles mit großem Herzschmerz vorgetragen, aber das ist für mich sehr weit weg. Ich kann für mich immer noch einen Saal mit einem tollen Liebeslied zum Weinen bringen, aber das ist dann auch das Handwerk einer langjährigen Bühnenerfahrung. Wie viel Autobiografisches liegt in Ihren Werken, gerade in den selbstgeschriebenen Songs und in den Geschichten, die Sie zwischendurch erzählen? Tja, das kann man gar nicht so auseinanderhalten, denn das Leben wirkt immer auf die Kunst ein. Es sind immer Geschichten, die einen bewegen. Warum sollte man sie sonst erzählen? Ich gehöre nicht zu den Liedermachern, die über andere schreiben. Ich bin immer sehr nah bei meinen eigenen Sachen geblieben. Es gibt talentierte Kollegen, die können sehr schöne Geschichten über Fremdschicksale erzählen, die sie berühren und die berühren. Das habe ich aber eher selten gemacht. Die Geschichten in meinen Liedern haben auch immer irgendetwas mit mir zu tun. Autobiografisch, ja das ist immer so eine schwierige Sache... Gibt es ein Ritual vor Ihren Auftritten? Ruhe. Die letzten 20 Minuten müssen mir gehören. Ich bin gerne ziemlich knapp vorher erst fertig, ich hasse es stundenlang vorher schon vollgeschminkt rumzusitzen. Ich mag es lieber so im Schwung, den letzten Strich im Gesicht lieber so 10 Minuten vor Beginn.

Welche Rolle spielt Terry oder generell ein Begleiter für Sie, wenn Programm entwickelt wird? Geben Sie eher die Impulse? Das ist verschieden. Aber es gibt immer eine Sammlung an Liedern, bei der ich denke: »Ach, da könnte man mal drauf gucken.« Und dann setzen wir uns zusammen und schauen, was eigentlich gerade so in der Luft liegt. Sicherlich bringe ich materialmäßig erstmal das meiste mit, aber es kommt auch immer wieder einiges von Terry, sowohl verrückte Geschichten als auch Liedvorschläge. Ich habe den großen Vorteil, dass ich seit über 20 Jahren Workshops an der Otto-Falckenberg-Schule in München und auch an der Hochschule in Zürich gebe. Die jungen Studenten bringen immer Lieder mit, die sie gerne machen wollen. Ich nutze sozusagen einen ganz frischen Quell von jungen Spirits, die in der Musikkiste gewühlt haben. Mir läuft immer mal wieder etwas über den Weg, was ich schön finde. Mit meinen eigenen Texten ist es in den letzten Jahren dünn geworden. Manchmal möchte ich irgendetwas schreiben und denke: »Ach, das haben andere Leute viel besser gesagt, das habe ich schon hunderttausend Mal gehört, was soll das eigentlich?!« Es sei denn, es gibt irgendetwas, das einen wirklich berührt. Oft sind es nur Fragmente und es bleibt dann auch dabei, dass es kein ganzes Lied gibt. Aber hin und wieder schon. Im letzten Jahr habe ich ein sehr schönes Liebeslied geschrieben, das ein Münchner Musikerfreund für mich vertont. Das ist ein tolles Ding geworden. Manchmal gibt es dann doch so Sachen, die wiederkommen. Das Interview führte Klaus Wolf-Henrich.

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FOTO: TARNOLD MORASCHER

Die Reunion mit Terry Truck liegt nun auch schon ein paar Jahre zurück, hat sich die Zusammenarbeit verändert? Ja schon, weil unser persönliches Verhältnis sich nach den zehn Jahren Pause sehr verändert hatte. Und zwar sehr zum Guten. In den 20 Jahren davor, die wir zusammengearbeitet haben, war es eine sehr, sehr intensive künstlerische Zusammenarbeit, aber privat waren dort eigentlich wenige Punkte. Jetzt, in der erneuten Zusammenarbeit hat sich mehr Freundschaftliches entwickelt, als davor je da war. Und das ist ein sehr schöner Aspekt. Wenn man älter wird und jemand mit einem einen langen Weg gegangen ist, gibt es eine Vertrautheit und auch eine Kenntnis der Macken und der Themen, die man besser nicht anspricht. Das ist einfach ein schönes Gefühl.


Steckbrief

GEORGETTE DEE 1958 in der Lüneburger Heide geboren 1979 Ausbildung zum Krankenpfleger 1981 Kennenlernen mit Pianist und Komponist Terry Truck Ab 1992 fast jährlich Veröffentlichung einer neuen CD Konzerte im Burgtheater Wien, Odeon Theater Paris, Suederen Theater Stockholm, Schauspielhaus Zürich, an der Deutschen Oper Berlin und auf der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz 2001 Terry Truck und Georgette Dee beenden ihre Zusammenarbeit vorerst 2009 Reunion mit Terry mit dem Liederabend »Brecht-1« im Berliner Ensemble 2012 – 2015 Theaterengagements u. a. in »Helena – Plädoyer für eine Schlampe« 2018 Liederabende mit Sängerin, Liedtexterin und Regisseurin Cora Frost Live im Konzerthaus: Georgette Dee & Terry Truck Fr 13.05.2022 um 20.15 Uhr

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TIEFSINN MIT WEITSICHT

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Seit mehreren Jahren schwimmt der Pianist Igor Levit auf einer großen Popularitäts- und Erfolgswelle. Seine mediale Präsenz droht manchmal seine außergewöhnlichen künstlerischen Fähigkeiten zu verdecken. Doch Levit begegnet dem souverän.

FOTO: SONJA WERNER · KONZERTHAUS DORTMUND

Er liebt die Metamorphose, und er lebt sie. Wenn er Stücke über eine längere Zeit erarbeitet hat, wenn er sie ausprobiert, liegenlässt, wieder aufnimmt und dann auch aufführt, beginnen diese Werke ein Eigenleben. »Nehmen wir die Beethoven-Sonaten, die ich zyklisch oder in kleineren Gruppen in den letzten Jahren oft gespielt habe. Da ist es doch natürlich, dass ich einen Wandel erlebe, ich an mir und mit diesen Stücken«, sagt Igor Levit. Über wenige Pianisten ist in jüngerer Vergangenheit so viel geschrieben und berichtet worden. Kaum ein klassischer Musiker ist medial so präsent wie er. Ob als Wahlkämpfer oder als Mitglied der Bundesversammlung, als Talkshow-Gast oder als Geehrter bei Preisverleihungen, auch außerhalb des musikalischen Kerngeschäfts. Etwa 2020, als Levit vom Internationalen Auschwitz Komitee für sein Engagement gegen Antisemitismus und rechtsextremen Hass geehrt wurde. »Diese Auszeichnung hat mich sprachlos gemacht. Wenn Sie neben einem Mann sitzen, der Auschwitz überlebt hat, und einem dabei die Historie und ihr Kontext so unmittelbar bewusst werden, dann ist das berührend und bewegend und macht einfach sprachlos«, erklärt Levit, dem es ansonsten fast nie an Worten mangelt. Doch auch solche Momente fließen in seine Interpretationen ein. Über das »Wie« hingegen herrscht Unklarheit. Levit zögert. »Ich weiß nicht, ob das Publikum die möglichen Auswirkungen überhaupt spüren kann. Ich habe auch keine Kontrolle darüber, wer das hören und merken wird. Es ist vielleicht das Einzigartige an Musik oder Kunst generell, dass Empfindungen sich nicht verallgemeinern lassen. Ich kann ein Werk spielen und dabei das größte Glück empfinden, und im Saal sitzt eine Zuschauerin, die im selben Moment den größten Schmerz empfindet – das eine ist so wahrhaftig wie das andere. Diese Art von Freiheit, Kunst unterschiedlich erleben zu können, ist ein riesiges Geschenk.« Bei Igor Levit ist vieles anders als bei anderen Musikern – und das schon seit Studienzeiten, als er in Hannover einen Abschluss hinzauberte, den es bis dato an dieser Hochschule und in dieser Qualität noch nie gegeben hatte. Mutig auch, sein erstes Album relativ lange hinauszuzögern, obwohl sein Name längst schon als Versprechen für die Zukunft durch viele Zeitungen und Zeitschriften geisterte. Dann, 2013, folgte endlich das erwartete CD-Debüt, mit den letzten fünf Beethoven-Sonaten – eine Herkulesaufgabe, erst Recht für junge Pianisten. Ohnehin ist da eine Vorliebe für die großen Brocken des Repertoires: Bachs Partiten, die »Goldberg-Variationen«, Beethovens »Diabelli-Variationen« oder Frederic Rzewskis »The people united will never be defeated«. Auch Schostakowitschs Präludien und Fugen sind ein riesiger Kosmos, nur weniger bekannt. Überhaupt: Da ist Levits herausragende Fähigkeit, ein riesiges Pensum in erstaunlich kurzer Zeit zu erlernen. Gemeint sind nicht nur die titel 11


Noten, sondern auch deren geistige Durchdringung, egal ob solo oder die großen Konzerte, ob Kammermusik oder im Klavier-Duo. Oder, eingeschränkt, im Lied: »Meine Arbeit im Lied-Bereich steht und fällt mit Tenor Simon Bode. Er ist gefühlt der einzige, mit dem ich so eng zusammenarbeiten kann. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben gemeinsam studiert.« Levit nähert sich Komponisten der Vergangenheit von heute aus: »Ich habe Noten, ich habe Dokumente und Bücher. So versuche ich die Komponisten zu verstehen. Aber ich kenne sie dadurch nicht wirklich. Ich würde nicht behaupten, dass ich einen Komponisten der Vergangenheit wirklich spüren kann. Ich spüre die Menschen, die mich heute umgeben, und diese Erfahrungen wiederum prägen mich.« Insofern sieht sich Igor Levit als Wahlverwandter von Ferruccio Busoni, der sinngemäß behauptet hat, dass man die Musik aus ihrer Einengung in Form von schwarzen Punkten in die Unendlichkeit überführen müsse. Anders gesagt: Levit versucht, einen glaubwürdigen, einen authentischen Zugang zur Musik zu ermöglichen. Das geschieht bei ihm mit einer Mischung aus Intellekt, schneller Auffassungsgabe, Selbstbewusstsein und Bodenhaftung. Igor Levit scheint immer gewappnet, egal ob man mit ihm über Musik spricht oder tagesaktuelles Weltgeschehen. »Als Künstler zu meinen, man stehe über allen gesellschaftlichen Dingen, ist ein Luxus, den wir uns in der jetzigen Situation nicht mehr leisten können.« Levit begann mit vier Jahren Klavier zu spielen, in Nischni Nowgorod (dem ehemaligen Gorki), wo ihm seine Mutter, eine EnkelSchülerin des großen Heinrich Neuhaus, die ersten Tastenübungen nahebrachte. Mitte der 90er-Jahre entschied sich die Familie, Russland zu verlassen. Man besaß ein Visum für Australien – und landete in Hannover. Levit begann sein Studium. Die weitere Erfolgsgeschichte ist bekannt. Heute betrachtet er sich als weitgehend frei. »Meine Auffassungen über das Leben, über Gesellschaft, über Politik sind nicht abhängig von einer Beethoven-Sonate. Wenn Du als Künstler nicht politisch sein möchtest oder kannst, ist das völlig in Ordnung. Dann aber bitte möge man auch konsequent sein.« Suspekt ist ihm, wenn behauptet wird, Musiker seien per se Friedensstifter in der Welt oder Musik sei eine internationale Sprache, die alle Menschen zusammenführt. »Dem ist nicht so. Wir kennen nur fünf Prozent Musik der Welt, etwas mehr oder eher noch etwas weniger. Musik kann leicht gebraucht und missbraucht werden. Darin liegt eine Gefahr.«

FOTOS: ALFRED STEFFEN

In Dortmund wird Levit nun ein Werk aufführen, mit dem er noch nicht so oft in Erscheinung getreten ist: das Klavierkonzert von George Gershwin, entstanden 1925 im Windschatten des Erfolgs der berühmten »Rhapsody in Blue«. Ein Werk, dessen Vielschichtigkeit zur Metamorphosen-Willigkeit des Igor Levit bestens passt.

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So 29.05.2022 · 16.00 Uhr

IGOR LEVIT & ORCHESTRE DE PARIS Orchestre de Paris, Manfred Honeck

Dirigent,

Igor Levit

Klavier

Werke von Maurice Ravel, George Gershwin und Béla Bartók

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FEIER DES LEBENS

Was für ein Wochenausklang: Yannick Nézet-Séguin und das Rotterdam Philharmonic Orchestra zelebrieren den Doppelschlag mit einem konzertanten »Rheingold« und einem Abend für Alma und Gustav Mahler. »Jetzt werde ich einen kurzen Ausschnitt aus Ravels ›Boléro‹ dirigieren«, sagt der Knirps, der da geschniegelt im weißen Hemd mit schwarzer Fliege vor seiner Schulklasse steht. Und kaum liegt die Nadel auf der Schallplatte mit Ravels »Boléro« legt er auch schon los wie die Feuerwehr. Wobei er sich die passende Maestro-Mimik unter Garantie von einem der alten Pultmeister abgeschaut hat. Die Klassenkameraden sind auf jeden Fall begeistert, während der gerade einmal Zehnjährige sein offizielles Pultdebüt mit zufriedenem Gesichtsausdruck bewertet. Applaus. Abgang. Zu sehen ist dieses herrliche kleine Amateurvideo in dem Filmporträt »Yannick: An Artist’s Journey«, das die Regisseurin Susan Froemke gerade über Yannick Nézet-Séguin gedreht hat. Und das Erstaunliche auch für Froemke war nun, dass Nézet-Séguin schon damals exakt diesen breitarmigen Dirigierstil pflegte, mit dem er heute die großen Orchester leitet. Schon früh wollte Yannick Nézet-Séguin ein Stardirigent werden. Das Talent dazu hatte er. Doch es war speziell eine Person, der er fast alles verdanken sollte: der weltberühmte Dirigent Carlo Maria Giulini, der ihn unter seine Fittiche nahm und ihm auch so manch wichtige Leitsätze ins Stammbuch schrieb. »Du musst dir vorstellen, dass der Klang zwischen deinem Oberkörper und deinen Händen ist und du den Klang sozusagen festhältst«, riet ihm Giulini. Den zweiten Ratschlag des großen Italieners hat Nézet-Séguin aber vielleicht noch mehr beherzigt: »Dirigenten sind nur die Gepäckträger der Komponisten. Weshalb man sich nicht zu wichtig nehmen sollte.« Tatsächlich kann Nézet-Séguin mit Glamour und dem ganzen Rummel, der ihn mittlerweile auch schon seit 20 Jahren begleitet, nicht viel anfangen. Vollkommen allürenfrei wirkt er außerhalb des Konzertsaals, in den Interviews. Aber auch in der Zusammenarbeit mit den weltbesten Orchestern gibt er nicht etwa den klassischen Herrscher-Typ. Nézet-Séguin ist detail- und disziplinverliebt (was ihn wieder mit Giulini verbindet). Trotzdem erkundet der aus dem kanadischen Montréal stammende Dirigent mit den Orchestermusikern

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konzertante oper 15


Do 28. + Fr 29.04.2022 · 19.00 + 20.15 Uhr

YANNICK NÉZET-SÉGUIN & ROTTERDAM Rotterdam Philharmonic Orchestra, Yannick Nézet-Séguin

Dirigent,

Solistenensemble

PHILHARMONIC ORCHESTRA

quasi im Dialog, auf Augenhöhe die Meisterwerke des Repertoires. Kein Wunder, dass Nézet-Séguins Künstlerpersönlichkeit ankommt. Längst kann er sich als Opernund Konzertdirigent die Angebote aussuchen. Und obwohl er mittlerweile drei feste Fulltime-Jobs hat, als Chefdirigent des Philadelphia Orchestra, als Musikdirektor der New Yorker MET und als Leiter des Orchestre Métropolitain, ist er in Europa weiterhin omnipräsent. Besonders treu ist er dem Rotterdam Philharmonic Orchestra geblieben, das er bis 2018 immerhin zehn Jahre lang hauptamtlich geleitet hat. Aber auch ins Konzerthaus Dortmund kehrt er regelmäßig zurück, zu dem er nicht erst seit 2013 eine enge Beziehung pflegt. Da wurde er allerdings zum Exklusivkünstler ernannt. Und gleich zu Beginn dieser dreijährigen Amtszeit sorgte Nézet-Séguin zusammen mit seinem Rotterdamer Orchester für eine große Wagner-Sternstunde – mit einer konzertanten Aufführung des »Fliegenden Holländer« und dem russischen Starbariton Evgeny Nikitin in der Titelrolle. Seitdem ist Nézet-Séguin immer tiefer in den Wagner-Kosmos vorgedrungen, mit »Lohengrin« und dem »Parsifal«. Nun widmet er sich konzertant erstmals dem »Rheingold« und damit dem Vorabend des Bühnenfestspiels »Der Ring des Nibelungen«. Und für die Aufführung mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra hat Nézet-Séguin ein Vokalensemble zusammengestellt, das man garantiert auch einmal in Bayreuth präsentieren würde. Schließlich sind sämtliche Partien ausnahmslos mit Edelstimmen besetzt, darunter Michael Volle, Christiane Karg, Karen Cargill und Samuel Youn.

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Weil man aber schon mal in Dortmund ist, geben sich Nézet-Séguin & Co. noch ein weiteres Mal die Ehre. Beim zweiten Konzert fokussiert man sich ganz auf das Ehepaar Alma und Gustav Mahler. Von Mahlers Gattin, die nebenbei Wiens berühmteste Circe war, singt die Mezzosopranistin Karen Cargill einige handverlesene Lieder, bevor dann Christiane Karg im Finalsatz von Mahlers 4. Sinfonie ihre Sopranstimme himmlisch leuchten lässt. Seinen Zugang zu den Sinfonien von Mahler verdankt Nézet-Séguin übrigens ebenfalls seinem väterlichen Idol Carlo Maria Giulini. Die erste Sinfonie, die er damals als 26-Jähriger dirigierte, war Mahlers bittersüße, bereits von der Welt abgewandte Neunte. Die 4. Sinfonie ist hingegen für Nézet-Séguin nicht nur eine Art Hommage an die Klassik, an Haydn und Mozart. Für ihn ist dieses Werk zugleich eine einzige Feier des Lebens und der Musik im Himmel und auf der Erde. Genauso dirigiert er sie auch jetzt – mit seinen markant ausschwingenden Armen, als wolle er so die Welt umarmen.

FOTO: HANS VAN DER WOERD

Richard Wagner »Das Rheingold«, Alma Mahler Lieder und Gustav Mahler Sinfonie Nr. 4


DAS GESCHENK DER MUSIK

Drei Jahre lang ist »Maestra Mirga« Exklusivkünstlerin am Konzerthaus in Dortmund. Und auch wenn Corona die ursprünglichen Pläne etwas durcheinander gewirbelt hat, sorgte die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla für besondere Konzerterlebnisse. Nun biegt sie auf die Zielgerade ein.

FOTO: MAT HENNEK

Es war ein kleines Wunder, das sich im letzten Jahr zu Beginn des Salzburger Festspielsommers ereignete: Mirga Gražinytė-Tyla sollte mit ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra samt dazugehörigem Chor Benjamin Brittens »War Requiem« dirigieren, doch das Virus fuhr wieder einmal seine Krallen aus: Wegen neuerlicher Quarantäne-Verschärfungen mussten Chor und Orchester die Reise aus England absagen – zehn Tage vor dem Konzert. Doch es gelang das Unmögliche: Das Gustav-Mahler-Jugendorchester rief in Rekordzeit über 90 seiner Mitglieder aus 18 europäischen Ländern zusammen, Verstärkung stellten außerdem das Radio-Symphonieorchester Wien und der Wiener Singverein, der dafür extra seinen Urlaub absagte. Und so stießen rund 100 Sängerinnen und Sänger zum ad-hoc zusammengestellten Orchester, das in Mirga Gražinytė -Tyla eine Dirigentin fand, die sich furchtlos dieser Ausnahmesituation stellte. Und wie sie das tat: »Das Bekenntnis Brittens wird zu einem alle Zuhörenden erfassenden, emotionalen Erlebnis«, schwärmte Egbert Tholl in der »Süddeutschen Zeitung« und sprach von einer »denkwürdigen Aufführung, künstlerisch fabelhaft, bewegend und auch ein Manifest des Widerstands der Kunst gegen die Unbill der Zeit.« Dieser unbedingte Wille, eine innere Stärke dieser äußerlich so zierlichen Frau, spricht auch aus ihren weit ausholenden Gesten und – mehr noch – aus dem intensiven Blick ihrer funkelnden Augen. »Das Einzige, was mich aufhalten kann, ist meine eigene Vorstellungskraft«, sagt sie passenderweise über sich selbst, man glaubt es ihr aufs Wort. Klar und präzise, so begegnet einem Mirga Gražinytė-Tyla dann auch – als Mensch und als Dirigentin. Wer das Glück hat, sie einmal bei Proben beobachten zu können, erlebt eine Maestra, die Musikerinnen und Musiker wirklich zu Höchstleistungen inspirieren kann. Unvergessen zum Beispiel ihr Auftritt Anfang Juni 2020, dem ersten Konzert am Konzerthaus Dortmund nach dem ersten Corona-Lockdown. Werke ihrer Landsfrau Raminta Šerkšnytė, Haydn und Beethoven standen damals auf dem Programm. »Ein Abend, der unter die Haut ging«, war in einer Kritik danach zu lesen, mit einem fast sakral-andächtigen Publikum.

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Sa 26. + So 27.03.2022

MIRGA GRAŽINYTĖ-TYLA City of Birmingham Symphony Orchestra, Mirga Gražinytė-Tyla Patricia Kopatchinskaja Violine, Sheku Kanneh-Mason Violoncello

Dirigentin,

& CBSO

FOTO: SONJA WERNER

Werke von Igor Strawinsky, Peter Iljitsch Tschaikowsky, Dmitri Schostakowitsch und Mieczysław Weinberg

Noch mal zurück nach Salzburg, denn dort begann ihre – in diesem Fall passt die etwas abgegriffene Formel – kometenhafte Karriere, wurde zum ersten Mal eine größere Öffentlichkeit auf sie aufmerksam, als sie bei den »Salzburger Festspielen« 2012 mit dem begehrten »Salzburg Festival Young Conductors Award« ausgezeichnet wurde. Dann ging alles ganz schnell – schon 2016 wurde Mirga Gražinytė-Tyla Musikdirektorin beim geschichtsträchtigen City of Birmingham Symphony Orchestra und beerbte dort derart klangvolle Namen wie Sir Simon Rattle, Sakari Oramo und Andris Nelsons. Der Grundstein für diese Ausnahme-Karriere wurde dabei früh gelegt. »Es fing schon mit meinen Eltern an«, bekannte sie in einem Interview mit dem BR. »Sie sind auch Musiker und haben mich schon als kleines Mädchen zu ihren Chorreisen, Proben und Konzerten mitgenommen.« Später folgten Kurse bei bei den dirigierenden Urgesteinen Kurt Masur und Herbert Blomstedt. »Die beiden gehören noch einer ganz anderen Generation an und haben mir sehr viel Wichtiges geschenkt.« Zu nennen wären auch noch ihre engen Beziehungen zu Sir Simon Rattle, der in den 80er-Jahren maßgeblich zum internationalen Renommee des Orchesters beigetragen hat, und Gidon Kremer, die sie als »unglaublich inspirierend« bezeichnet. Seit 2013 schon arbeitet sie regelmäßig mit dem lettischen Geiger und dem von ihm gegründeten Ensemble Kremerata Baltica zusammen. Ein Schwerpunkt dieses intensiven künstlerischen Austausches sind die Werke von Mieczysław Weinberg, so wie generell die osteuropäischen Komponisten einen besonderen Platz im Dirigentinnenherz von Mirga Gražinytė-Tyla haben. Daran lässt sie auch das Dortmunder Publikum zum Abschluss ihrer Residenz teilhaben: Ende März dirigiert sie gleich zwei Konzerte mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra, bei denen Weinbergs Sinfonien Nr. 3 und 4 auf dem Programm stehen, jeweils kombiniert mit Werken russischer Komponisten. Authentischer lässt sich diese gemeinsame dreijährige Reise wohl kaum beschließen.

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Mo 04.04.2022 · 20.15 Uhr

London Symphony Orchestra, François-Xavier Roth

Dirigent,

Håkan Hardenberger

FRANÇOIS-XAVIER ROTH & Werke von Richard Strauss, Helen Grime und Joel Järventausta

Trompete

LONDON SYMPHONY ORCHESTRA

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ABSOLUT

Im vergangenen September eröffnete das London Symphony Orchestra mit einem Doppelschlag und unter viel Jubel offiziell

FOTO: JULIEN MIGNOT

seine Residenz in Dortmund. Für sein drittes Konzert bringt es zwei Werke mit, die nur einen Abend zuvor Premiere feiern. Musikalische Beziehungen mit dem London Symphony Orchestra sind selten von kurzer Dauer. Wenn es passt, dann wird die Zusammenarbeit über Jahrzehnte gehegt und gepflegt. Auch die Freundschaft zwischen dem LSO und dem Dirigenten François-Xavier Roth hält seit mehr als zwei Jahrzehnten an. Noch immer schwärmt der französische Dirigent von seiner Assistenzzeit bei dem Orchester, nachdem er 2000 die renommierte »Donatella Flick Conducting Competition« gewann. »Ich bin sehr glücklich, Teil dieser Familie zu sein. Es ist eine große Freude und ein Privileg, mit dem Orchester Musik zu machen«. Seit 2017 ist er Erster Gastdirigent beim LSO. Bereits davor wirkte er einige Jahre beim LSO Panufnik Composers Scheme mit, einem Projekt des preisgekrönten LSO-Discovery-Programms. Seit 2005 bekommen hier jährlich sechs Komponistinnen und Komponisten die Möglichkeit, ein Stück für das LSO zu schreiben. Sie haben zwölf Monate Zeit, ihr etwa fünf- bis

zehnminütiges Werk zu entwickeln und können ihre Fähigkeiten dabei ausbauen. Die fertigen Kompositionen werden dann vom Orchester unter der Leitung von François-Xavier Roth in einer öffentlichen Probe gespielt und diskutiert. Zwei von ihnen werden schließlich im Barbican Centre vom LSO uraufgeführt. Joel Järventausta, geboren 1995 und Schüler von George Benjamin, nahm 2018 /19 am Composers Scheme teil. Auch die Zusammenarbeit mit dem Finnen hielt weiter an, denn im Anschluss an seine Teilnahme bekam er den Auftrag für ein weiteres zehnminütiges Werk für den britischen Klangkörper. In Dortmund wird sein Werk »Sunfall« zum ersten Mal in Deutschland zu hören sein. Daneben erfährt auch ein neues Werk der schottischen Komponistin Helen Grime seine Deutschlandpremiere. Die Solo-Trompete übernimmt dabei niemand geringeres als Håkan Hardenberger. Gerahmt wird das Programm von zwei der kühnsten frühen Meisterwerke von Richard Strauss.

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GRENZGÄNGER ZWISCHEN DEN Do 05.05.2022 · 20.15 Uhr

CALEXICO

Tex-Mex-Rock-Pop mit allem, was dazu gehört

SOUNDS

Calexico einem bestimmten Genre zuzuordnen, würde der musikalischen Vielfalt der Band nicht gerecht werden. Die 1996 in Tucson, Arizona, von Sänger, Gitarrist und Songwriter Joey Burns und Schlagzeuger und Multiinstrumentalist John Convertino gegründete Band bewegt sich permanent zwischen scheinbar gegensätzlichen Stilen hin und her.

Calexico bedient sich eines Arsenals an Instrumenten, was Burns und Convertino den Beinamen »Frankensteins of instruments« eingebracht hat. Angefangen bei Schlagzeug und Gitarre über Mundharmonika und Mariachi-Trompeten bis hin zu Marimbas und Cembalo – was ihnen in die Hände fällt, wird zum Musizieren verwendet. »Einige der Instrumente haben wir aus einem Laden namens The Chicago Store in Tucson gerettet, der eine Art Instrumentenfriedhof ist. Man läuft durch enge Gänge und kleine Tunnel und findet dort all diese Instrumente, bedeckt mit dem Staub der letzten Jahrzehnte, und wir erwecken sie wieder zum Leben und geben ihnen eine Chance auf unseren Platten zu singen.« Ein Erlebnis der besonderen Art sind die Live-Auftritte von Calexico: Für einen Abend wird die Atmosphäre von Tucson-Downtown in Europas Konzertsälen heraufbeschworen.

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FOTO: ICE BOY TELL

Schon der Bandname steht stellvertretend für den charakteristischen Sound-Mix: Calexico ist eine tatsächlich existierende Stadt im Grenzgebiet zwischen Kalifornien und Mexiko (Cal-exico), die ebenso zwischen zwei unterschiedlichen Welten und Einflüssen gefangen ist, wie sich die Musik der Band durch die verschiedenen Musikrichtungen bewegt, ohne einen greifbaren Anhaltspunkt zu bieten. Die Band verschmilzt den staubigen Sound des amerikanischen Südwestens mit den Soundtracks von Italo-Western, mexikanischen Mariachi-Motiven, Vintage-Surfmusik, Cool Jazz, Indie, Pop, Rock und einem breiten Spektrum an Latin-Einflüssen.


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VON DER STIMME INSPIRIERT

Fr 01.04.2022 · 20.15 Uhr

TEODOR CURRENTZIS &

SWR Symphonieorchester, Teodor Currentzis Dirigent, Antoine Tamestit Viola

SWR SYMPHONIEORCHESTER Werke von Marko Nikodijevic und Johannes Brahms

Bratscher Antoine Tamestit singt auf seinem Instrument ein neues Viola-Konzert. Konzerte für Bratsche sind rar. Verglichen mit dem Repertoire der »kleinen Schwester« – der Geige – ist die Viola musikhistorisch sehr stiefmütterlich behandelt worden. Nichts ist von Bach, Beethoven oder Brahms für die Bratsche als Soloinstrument überliefert. Doch in den letzten Jahrzehnten haben einige Interpreten Einfluss darauf gehabt, dass ihr Instrument stärker in den Fokus auch zeitgenössischer Komponisten gerückt ist. Allen voran Tabea Zimmermann, doch auch ihr ehemaliger Schüler und »Junger Wilder« am Konzerthaus Dortmund, Antoine Tamestit, hat daran nicht unerheblichen Anteil. 2015 schrieb ihm Jörg Widmann ein Violakonzert auf den Leib, das er 2018 auch nach Dortmund brachte; nun ist es der junge serbische Komponist Marko Nikodijevic, der wiederum ein Bratschenkonzert für Antoine Tamestit schreibt. Dabei könnte sich eine Klausel im Vertrag mit der Stiftung Habisreutinger, die Tamestit seine wertvolle Stradivari-Viola zur Verfügung stellt, als Schwierigkeit erweisen: Sie verbietet dem Bratscher, auf den Korpus seines 350 Jahre alten Instruments zu klopfen. Doch Nikodijevic, in dessen Musik sich algorithmische Methoden und andere mathematische Prinzipien mit einer opu-

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lent-sinnlichen Orchesterarbeit und historischem Material verbinden, wird gewiss auch Tamestits Streben nach Sanglichkeit bedienen. Mit ihrer Tonlage, die die Bratsche der menschlichen Stimme so ähnlich macht, ist Tamestit stets auf der Suche nach vokaler Ausdrucksstärke in seinem Spiel. Gerade für Neue Musik ist dieser Ansatz vielfach der Schlüssel, mit dem sich der Franzose in die Herzen der Konzertbesucher spielt, die auf diese Weise Vorbehalte gegenüber zeitgenössischer Musik ablegen und sich ganz einfach fesseln lassen können. Wenn dann noch Ausnahmedirigent Teodor Currentzis am Pult steht, ist eine Interpretation gewiss, die die Orchestermitglieder ebenso wie das Publikum auf die Stuhlkanten des Konzertsaals holt.


BAROCKE BILDERWELT

Fr 15.04.2022 · 18.00 Uhr

JOHANNES-PASSION AM KARFREITAG

Sophie Junker Sopran, Henriette Gödde Altus, Sebastian Kohlhepp Tenor, Evangelist, Christian Immler Bass, Pilatus, Matthias Winckhler Bass, Collegium Vocale 1704, Collegium 1704, Václav Luks Dirigent

Johann Sebastian Bach »Passio secundum Joannem« (Johannes-Passion) für Soli, Chor und Orchester BWV 245

Fast genau 300 Jahre nach ihrer Uraufführung ist Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion immer noch eines der ergreifendsten und zugleich dramaturgisch effektvollsten Werke der Musikgeschichte. Der Komponist formte aus dem Evangelienbericht über Leiden und Sterben Christi eine Tragödie voller Schmerz und barocker Farbenpracht. Im Kontext des Bach’schen Schaffens gehören die beiden erhaltenen Passionen nach Matthäus und nach Johannes zu den zentralen Werken. Zugleich repräsentieren sie eine eigene Art großartiger Passionskompositionen für Solisten, Chor und Orchester. Diese musikalische Form war das Ergebnis einer Jahrhunderte dauernden Entwicklung: Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts können teilweise mehrstimmige Kompositionen biblischer Geschichten über das Leiden und den Tod Christi belegt werden, die ursprünglich aus während der Osterwoche gesungenen liturgischen Lesungen mit aufgeteilten Rollen der Passionsgeschichte entstanden sind. Im Vergleich mit den Werken der Zeitgenossen, aber auch mit Bachs später entstandener Matthäus-Passion, ragt die Johannes-Passion etwa mit ausgearbeiteten und emotionsgeladenen Chören in der Gerichtsszene des Pilatus hervor. Tiefe Emotionen vermitteln das Collegium 1704 und das Collegium Vocale 1704 stets bei ihren Auftritten. Die Gründung durch den Cembalisten und Dirigenten Václav Luks erfolgte 2005 anlässlich des Projektes »Bach-Prag-2005«. Besonderes Augenmerk richten die Musikerinnen und Musiker des Originalklang-Ensembles auf die böhmischen Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts, allen voran Jan Dismas Zelenka. Der feierte einst seinen fulminanten Einstand auf der europäischen Musikbühne mit der spektakulären Uraufführung seines Jesuitenspiels »Via Laureata« in Prag – und zwar im Jahr 1704, dem Aufhänger für einen neuen Ensemblenamen.

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ultur digital »Streaming ist ein Zukunftsthema«, sagt der Dortmunder Kulturausschuss-Vorsitzende Sascha Mader, der sich dafür eingesetzt hat, dass wir unsere eigene Streaming-Anlage bekommen. Acht Kameras, mehrere Steuerungspulte für Ton und Bild, neue Mikrofone und vieles mehr sind inzwischen im Saal installiert, die im Dezember beim Konzert des Rotterdam Philharmonic Orchestra Premiere hatten. Für kleinere Mitschnitte kann das KonzerthausTeam den Joystick in der Licht- und Tonregie nun selbst in die Hand nehmen. Unterstützung bei der Durchführung der komplexen und aufwändigen Live-Streamings bekommen wir von Simeon Klein (sone|media – audio & video solutions). Für ein Live-Konzert ist Streaming natürlich kein Ersatz, jedoch hoffen wir durch ein digitales Angebot in Zukunft auch Menschen erreichen zu können, denen es nicht möglich ist, ins Konzerthaus zu kommen.

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n Memoriam

Mit großer Dankbarkeit und in tiefer Verbundenheit hat der Verein Freunde des Konzerthaus Dortmund e. V. erstmals eine Zuwendung in Form eines Vermächtnisses erhalten. Die Verstorbene hat per Testament festgelegt, einen großzügigen Teil Ihres Nachlasses an eine Auswahl gemeinnütziger Organisationen zu vererben. Ein Vermächtnis für die Musik ist von unschätzbarem Wert und hat einen langen Nachklang, denn es ermöglicht uns, mit Musik Menschen erreichen und berühren zu können. Wir werden das Erbe dem gewünschten Zweck zuführen und die Verstorbene in besonderer Erinnerung halten! Sowohl der Freundeskreis als auch das Konzerthaus Dortmund verfügen satzungsgemäß über den Status der Gemeinnützigkeit. Dafür dürfen sie im ideellen Bereich umfangreiche Steuerbefreiungen geltend machen und diese an ihre Förderer weiterreichen. Hierzu zählen Mitgliedsbeiträge, Spenden, Erbschaften und Schenkungen. Für all diese Formen der Förderung fallen keine Steuern an, weshalb die Zuwendenden auch eine steuerabzugsfähige Zuwendungsbescheinigung erhalten.

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erbindung mit Nachklang

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Die European Concert Hall Organisation (ECHO) ist ein aktives Netzwerk der führenden Konzerthäuser Europas. Professioneller Dialog, Erfahrungen zu teilen und gemeinsame Initiativen zu entwickeln sind die Aufgaben dieses Verbunds, um so gemeinsam Impulse für die Entwicklung des Konzertlebens im 21. Jahrhundert zu geben. Im Oktober und November war es zwischenzeitlich möglich, das erste physische Treffen der Intendantinnen und Intendanten seit zwei Jahren abzuhalten. Ein gemeinsames »Composers Scheme« zur Förderung neuer Musik und Nachhaltigkeit waren die großen Themen, zu denen sich Konzerthaus-Intendant Raphael von Hoensbroech in diesem »Director’s Forum« ausgetauscht hat.

ichtbar gute Partnerschaft

Beim Konzert mit Sabine Meyer und dem Alliage Quintett haben wir gemeinsam mit der Wilo-Foundation feierlich die neue Lounge der Stiftung im Konzerthaus eröffnet. Dr. Jochen Opländer, Stifter der Wilo-Foundation erklärt: »Es ist mir eine besondere Freude, zu erleben, welch hohen Stellenwert dem Konzerthaus Dortmund innewohnt. Weltstars wie Sabine Meyer oder das London Symphony Orchestra stehen hier gerne auf der Bühne. Das zeigt eindrucksvoll, dass Dortmund als innovativer Wirtschaftsstandort auch kulturell hervorragend aufgestellt ist.« Auch Oliver Hermes, Kuratoriumsvorsitzender der Wilo-Foundation und Vorstandsvorsitzender und CEO der Wilo Group, betont die Relevanz der guten Zusammenarbeit: »Als Partner-Stiftung ist es uns insbesondere in den andauernden herausfordernden Zeiten der COVID-19-Pandemie ein wichtiges Anliegen, zuverlässig an der Seite des Konzerthaus Dortmund zu stehen. Die neu errichtete Wilo-FoundationLounge verleiht dieser starken Verbundenheit in authentischer Weise Ausdruck.« Die Wilo-Foundation ist derzeit unser größter Förderer und unterstützt insbesondere die Residenz des London Symphony Orchestra, den Zyklus internationale Orchester II und das Programm der Community Music. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!

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Vom Blatt – Grüße von Max Raabe

Eintrag vom 27. April 2012 nach zwei ausverkauften Konzerten mit dem Programm »Küssen kann man nicht alleine«

28 briefe

FOTO: AIGA REDMANE

Er trägt einen perfekt sitzenden Frack, hat glänzendes Haar und ist ein wahrer Dauergast im Konzerthaus: Max Raabe. Ganze 30 Mal stand er bislang hier auf der Bühne, mal als Mackie Messer in Kurt Weills »Dreigroschenoper«, mal kammermusikalisch mit Christoph Israel und mal mit seinem Palast Orchester. Immer mit dabei: lässige Eleganz und feine Ironie. Am 30. April und 1. Mai 2022 hüllt er den Konzertsaal mit Liedern seines Albums »Max Raabe & Palast Orchester MTV Unplugged« erneut in das glamouröse Gewand der Zwanziger Jahre.


Impressum

Ausblick

Herausgeber Konzerthaus Dortmund GmbH Intendant und Geschäftsführer Dr. Raphael von Hoensbroech, V. i. S. d. P. Redaktion

AUSGABE 01 2022 23

Marion Daldrup, Katharina Dröge,

»Die Zukunft ist ungewiss.« Das gilt für die Konzertplanung in

Teresa Saxe, Ann-Kristin Zoike

Bezug auf die nächste Saison um diese Jahreszeit weniger als

Autoren

für den Rest von uns. Gerade geht die neue Spielzeit auf die

Marion Daldrup, Katharina Dröge,

Zielgerade, und nach dem Sommer heißt es wieder: So klingt

Guido Fischer, Teresa Saxe,

nur Dortmund!

Christoph Vratz, Verena Wengorz, Klaus Wolf-Henrich, Bjørn Woll, Ann-Kristin Zoike Gestaltung Kristina Erdmann Anzeigenmarketing

Das hörbar-Rätsel

Marion Daldrup, T 0231 – 22 6 96 213 Druck druckpartner Druck- und Medienhaus GmbH Termin- und Programmänderungen sowie Druckfehler vorbehalten. KONZERTHAUS DORTMUND Brückstraße 21 44135 Dortmund T 0231 – 22 696 0 F 0231 – 22 696 222 info@konzerthaus-dortmund.de www.konzerthaus-dortmund.de

FOTOS: SONJA WERNER, PICTURE-ALLIANCE · DPA · KPA

Tickethotline T 0231 – 22 696 200 Besuchen Sie uns Konzerthaus.Dortmund @Konzerthaus_DO @Konzerthaus_DO KonzerthausDortmund

»Wie viel Geist muss ein Mensch haben, um sich derartig blöd anstellen zu können«, sagte einmal ein Zuschauer über unseren gesuchten Künstler. Dass der in Riga geborene selbsternannte »Schelm«, mit dicker Hornbrille als Markenzeichen, nicht nur ein brillanter Komiker und Entertainer war, sondern auch ein bemerkenswerter Musiker und Komponist, wurde erst posthum einem größeren Publikum bekannt. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes, der als Inbegriff des deutschen kleinen Mannes der Wirtschaftswunder-Jahre gilt, spielte seit seinem vierten Lebensjahr Klavier. Diese »andere Seite« erleben wir nun, mehr als vier Jahrzehnte nach seinem Tod, auch auf der Konzerthaus-Bühne.

Wenn Sie die Lösung wissen, schicken Sie sie uns auf einer Postkarte mit dem Stichwort »hörbar-Rätsel« an: KONZERTHAUS DORTMUND, Verena Wengorz, Brückstraße 21, 44 135 Dortmund oder per Fax an: 0231 – 22 696 159 oder per E-Mail an: verena.wengorz@ konzerthaus-dortmund.de Einsendeschluss ist der 09.05.2022. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir fünfmal zwei Freikarten für das Konzert von Igor Levit und dem Orchestre de Paris am 29.05.2022. Viel Glück! Die Lösung des letzten hörbar-Rätsels: Khatia Buniatishvili. ausblick 29


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