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Er-Lesen
ER-LESENES
Unsere Lesetipps: Alpe-adriatische Bücher für Reise, Genuss, Unterhaltung und Spannung.
TEXT H. & M. GRÖTSCHNIG FOTOS KK
Hochpromilliger Steirerkrimi
In der Fernsehfassung der Steirerkrimis hat Sandra Mohr das Zeitliche gesegnet, hier darf sie aber weiter ermitteln: Der zwölfte Fall führt sie und LKA-Kollegen Sascha Bergmann an die steirische Apfelstraße, wo es dem einen oder anderen schnapsbrennenden Apfelmann mörderisch an den Kragen geht. Es gibt – wie immer – falsche Fährten und ein atemberaubendes Finale, so nebenbei spielt auch Sascha Bergmanns Liebesleben eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kurzes Fazit: hochpromillige Spannung. Steirerwahn, Claudia Rossbacher, Gmeiner Verlag, 18 €
Besonders wandern
Wenn Ex-Unikum-Chef Gerhard Pilgram Gegenden per pedes erkundet, darf man sich als Folge ein sehr besonderes, etwas anderes Wanderbuch erwarten. Seine neueste Buchbesonderheit heißt „Näher rücken – Wandern und Einkehren auf der Sattnitz/Gure“. Diese Sattnitz/Gure ist ein Gebirgszug vor den Toren Klagenfurts, eine zweisprachige Kulturlandschaft über dem Rosental. Für diese hat Pilgram auf 338 Seiten 18 Wanderungen mit genauen Wegbeschreibungen erarbeitet, dazu gibt es Ortsbeschreibungen, Geschichtliches und Einkehrtipps. Die Texte sind liebevoll und mit einem Augenzwinkern geschrieben, er äußert auch Kritik (Architektur!) und lädt den Leser ein, in vermeintlich Bekanntem Neues zu entdecken. Fazit: ein wunderbares, informatives, unorthodoxes Wanderbuch. Näher rücken, Gerhard Pilgram, Unikum/Drava, 24,80 €
Laibacher Vorstadtsitten
Dieser Roman ist an Rasanz schwer zu überbieten. Atemberaubend, wie Goran Vojnovic’ die Jugend von Marko, Sohn bosnischer Eltern, in Fužine, einer Trabantenstadt von Laibach schildert. In diesem Vorort leben viele Tschefuren - Čefur wird bei Pons mit „Kanake“ übersetzt. Und Fužine wird in Witzen so beschrieben: „Was machen die Slowenen in Fužine? Sie suchen ihre Autos.“ Oder: „Fužine ist ein Olympiadorf – alle laufen in Trainingsanzügen rum, jeder spricht eine andere Sprache.“ Eine knallbunte Gegend also – und Marko und seine Macho-Freunde nutzen jede Gelegenheit, anzuecken. Ja, in diesem Vorstadtsittenbild geht die Post ab. Großartig! Tschefuren raus, Goran Vojnovic’, Folio Verlag, 22 €
Auf nach Sardinien!
Einmal durchgeblättert – und gleich ins Regal der Lieblingskochbücher gestellt. Aber vorher eine lange Liste der Wunschnachkochrezepte erstellt und mit Post-it auf Seite 2 geklebt. Geschmorte Artischocken, Artischocken-Bottarga-Salat, Seppia mit Erbsen, Linguine mit Bottarga und Muscheln, Pollo Arrosto, Linsen-Kastanien-Suppe, Oktopus auf Zitronenpüree – um nur einige zu nennen. Ja, dieses sardische Kochbuch hat uns in jeder Hinsicht überzeugt. So viele Gustomacher findet man selten in einem Buch und sie sind gut erklärt, dazu gibt’s stimmungsvolle Fotos und Geschichten über Land & Leute in Sardinien. Isola Sarda, Letitia Clark, arsvivendi, 26,90 €
Fernweh-Garantie
Schon das erste Großformatfoto weckt Fernweh: Ein Ford Eifel Roadster zieht eine Berger Groß-Karawane (heute sagt man Wohnwagen) durchs Alpenvorland. Dieses mächtige Buch erzählt in vielen (eher kurzen) Geschichten und Bildern die Geschichte des Caravanings, vom Jahr 1900 (da zeltelte man) bis in die heutige Zeit der Luxus-Wohnmobile. Was es da nicht alles gegeben hat. Minihäuser auf Rädern, Reise-Wohnanhänger mit Platzangst-Garantie, Western-Caravans, alle möglichen mobilen Auf- und Zubauten, den Bulli in vielen Variationen bis zum California, der heutigen modernen Campergeneration, beheizt und klimatisiert. Ja, dieses Buch ist ein Muss für jeden Camping- und Reisemobil-Freund, die Fernwehgarantie wird gratis mitgeliefert. In der Welt unterwegs. Die Geschichte des Caravanings, Christian Steiger, Thomas Wirth, Delius Klasing, 41,10 €
Gauß, der Entdecker
23 Essays, Reportagen, Reiseberichte: Karl-Markus Gauß berichtet u. a. von der Unwirklichkeit Venedigs, er entdeckt das schönste Judenviertel Europas (in dem allerdings keine Juden mehr wohnen) und einen muslimischen Sommelier im albanischen Berat, er wandert durch das eiserne Herz des Waldviertels und philosophiert über die Peinlichkeit der Schau- und Handyvideolust der Katastrophengaffer. Die Texte sind eher kurz und so klar, geschliffen, dass man sie am besten an mehreren Abenden konsumiert, um sie in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Die unaufhörliche Wanderung, Karl-Markus Gauß, Zsolnay, 23,90 €
Kochbuch mit Vogel
Wenn Marianne Daberer, Gastgeberin im Biohotel Daberer im Kärntner Gailtal, etwas anpackt, hat das Hand und Fuß. Das gilt auch für dieses Buch. „Tafelfreunde – das Kochbuch mit dem Vogel“ ist ein wunderbar durchdachtes Werk. Da gibt es ausgezeichnete Rezepte (viele vegetarisch oder vegan), eine Menge praktikable Tipps, unterhaltsame und persönliche Insider-Geschichten aus dem Biohotel und einiges an Produkt- und Ernährungswissen. Auch die Grafik überzeugt durch Ideen und Kniffe – da kann sich mancher professionelle Buchmacher etwas abschauen. Und der im Titel erwähnte Vogel? Der ist das Hausmaskottchen, steht für Leichtigkeit, Natur, für einen Landeplatz, den Gäste hier finden. Und er fliegt mit den Rezepten auch zu Ihnen nach Hause. Tafelfreunde, Florian Bucar, Marianne Daberer, Stefanie Sonnleitner, 36,90 €
Thomas-Bernhard-Menü
Das unendlich ergiebige Thema Thomas Bernhard: Hier wird der Autor mit dem beharrlichen Hang zur Österreich-Demontage aus der kulinarischen Sicht seiner Werke filetiert. Als Herausgeber kocht Harald Schmidt mehrseitig auf, der Late-NightShow-Evergreen interviewt Claus Peymann und kostet sich durch Bernhards Lieblingsgasthäuser, was ihm ein neues Tafelspitzerlebnis beschert. Das kulinarische Bernhard-Menü wird von Autoren in mehreren Gängen serviert, sogar Kochrezepte stehen am Speiseplan. Verkostungsergebnis: Ein kurzweiliges Buch mit vergnüglichem Abgang und reichlicher Bebilderung. In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe, Harald Schmidt (Hg.), Brandstätter Verlag, 36 €
Venezianische Köstlichkeiten
Cicchetti, ja, das sind diese köstlichen Happen, denen wir in vielen venezianischen Lokalen begegnen. Meist als Begleiter der Ombra, wie man ebenda zum Stehachterl sagt. Diese hübsche, mit Federzeichnungen illustrierte Büchlein, bringt die „legendären Rezepte des Al Bottegon“, das wir auch unter dem Namen Enoteca Schiavi kennen - eine fast immer gästevolle Weinhandlung unweit der Gondelwerft San Trovaso. So voll, weil es da eben so authentische Imbisse gibt. Gut 50 davon erklärt dieses Büchlein, das mehr Ideengeber als Kochbuch ist und so können wir auch zu Hause, wenn Gäste kommen, mit originalen Cicchetti à la Venezia brillieren. Cicchettario, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, 20,60 €
Alles über die Pizza
Was Sie schon immer über Pizza wissen wollten – und wohl noch einiges mehr. Der Untertitel „Von der Kunst, perfekt Pizza zu backen“ verrät, wohin die Reise geht, Reiseleiter ist Tony Gemignani, 13-facher PizzaWeltmeister. Wir erfahren alles über den perfekten Teig (und seine Reifezeiten), die richtigen Temperaturen, die Kunst des richtig Belegens, wir erleben die beliebte Teigflade in all ihren Variationen, bis zur Blitz-Pizza. Natürlich gibt’s auch Tipps für die Pizza aus dem Küchenofen (mit Stahlplatte oder Pizzastein). Wir lesen von der Geburt der Pizza Margherita (1889) und von Pizza-Resteverwertung – auf 316 Seiten gibt’s jede Menge Anregungen, nicht nur für Amateure. Die Pizza Bibel, Tony Gemignani, Ulmer Verlag, 25,70 €
Wild baden in Ostösterreich
Es muss nicht immer der Wörthersee sein. Oder das Salzkammergut. Dieses Falter-Buch führt uns zu Teichen, Bächen, Flüssen in und um Wien, in Niederösterreich, im Burgenland und in der Steiermark – insgesamt sind es 61 Plätze mit 100 Badestellen. Einige sind von Wien (Donauinsel!), Graz oder St. Pölten aus auch mit dem Rad gut erreichbar, die meisten sind sogar gratis zu beschwimmen. Nützliche Zusatzinfos zu Schwimmqualität, Wassertemperatur, Hundefreundlichkeit, Infrastruktur, Gastronomie und natürlich zur Anfahrt ergänzen das reich bebilderte Buch, das uns im heißen Sommer gute Dienste leisten wird. Wildbadeplätze, Marion und Nathalie Grossschädel, Falter Verlag, 29,90 €
Pro- Bauern-Plädoyer
Eine berührende Geschichte: In Bauer und Bobo geht’s darum, wie der steirische „Wutbauer“ Christian Bachler und Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung Falter, von Feinden zu Freunden werden und wie Klenk mit einer Spendenaktion (unterstützt vom Musiker Andreas Gabalier) den Bergbauernhof Bachlers vor der Versteigerung rettet. Es geht allgemein um die riesigen Probleme der Bauernschaft, um ihre Burnout-Gefährdung, um die Crux mit Genossenschaften und Banken, um den Preisverfall der Produkte (Wussten Sie, dass einem Hühnerzüchter von einem Huhn ganze 5 Cent bleiben?). Bauer und Bobo ist ein sehr persönlich geschriebenes Plädoyer gegen die Fleischindustrie und für den Direktkauf beim Bauern – unbedingt lesen! Bauer und Bobo, Florian Klenk, Zsolnay, 20,95 €
URLAUBSLEKTÜRE
Bücher, die einem die Zeit auf Reisen (oder auch zu Hause) verkürzen.
Superspannend. Bologna, im Winter 1944: Commissario De Luca soll drei Morde klären und kämpft auch mit SS, Schwarzen Brigaden und Vorgesetzten, die ihm das Leben schwer machen. Superspannende Krimikost! Der schwärzeste Winter, Carlo Lucarelli, Folio, 22 €
Großartig. Thüringen: Neonazis haben den Ort Kana fest im Griff. Und Sonderling Florian korrespondiert sogar mit Kanzlerin Merkel – bis es zum folgenschweren Brandanschlag kommt. Großartig geschrieben – in einem einzigen Satz über 409 Seiten! Herrscht 07769, László Krasznahorkai, S. Fischer, 26,95 €
Literarisch. Turin: Beim Bahnbau werden zwölf Leichen entdeckt. Die Behörde erklärt sie zu Kriegsopfern – doch Commissario Arcadipane enttarnt das schnell als Ablenkungsmanöver. Und er kämpft auch mit Problemen im Privatleben. Literarisch, spannend, unterhaltsam. Die jungen Bestien, Davide Longo, rororo, 22,90 €
Beschaulich. Morde im Olivenbauern-Milieu im beschaulichen Montegiardino in der Toskana beschäftigen Commissario Luca. Der sympathische Eselfan muss sich aber auch mit einer störrischen VizeQuestora herumschlagen. Klug gebauter, spannender Plot mit viel Lokalkolorit. Flüssiges Gold, Paolo Riva, Hoffmann & Campe, 16,50 €
Düster. Es muss nicht immer Wallander sein: Mankells erster Spannungsroman um den tragischen Fall von Bertil Kras, der in Norrland sein Glück sucht, aber unaufhaltsam in sein Unglück manövriert (wird). Sozialkritisch düstere Gesellschaftsstudie, packend geschrieben. Der Verrückte, Henning Mankell, Zsolnay, 26,95 €