Gesundheits-Special
DIABETES IST KEINE LIFESTYLEERKRANKUNG Diabetes hat viele Gesichter und multifaktorielle Ursachen. Chronisch Kranke wie Diabetikerinnen und Diabetiker sind zudem eine Risikogruppe für schwerere Verläufe von Covid-19. Text: Christine Dominkus
Foto: Abbott
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ir gehen in Österreich aktuell von etwa 800.000 Betroffenen aus, wobei 90 Prozent davon Typ-2-Diabetikerinnen und -Diabetiker („Altersdiabetes“) und zehn Prozent Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetiker sind. Laut WHO wird diese Zahl noch weiter steigen, so Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Innsbruck und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Menschen, die an Diabetes leiden, zählen darüber hinaus zur Risikogruppe für eine gehäufte und oft schwerwiegend verlauDer HbA1c-Wert, auch Blutzuckerlangzeitgedächtnis genannt, steht für den Anteil des „gezuckerten“ roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) am Gesamthämoglobin. Dieses stabile „Zucker-Hämoglobin“, kurz HbA1c, ist abhängig von der durchschnittlichen Blutzuckerkonzentration über drei Monate.
fende Infektion mit dem Coronavirus. Dabei sei noch unklar, welche Ursachen zu „gravierenden Infektionsverläufen“ führen, fügt die Diabetes-Expertin Susanne Kaser hinzu. Eine strenge Blutzuckerkontrolle sei jedenfalls wichtig und unterstütze die Immunabwehr. Eine Volkskrankheit mit vielen Gesichtern. Die Präsidentin erklärt: „In Österreich ist rund jeder zehnte Mensch von Diabetes betroffen und die Dunkelziffer wird auf über 30 Prozent geschätzt. Dabei wäre eine frühzeitige Diagnose und Behandlung bei allen Diabetesformen der beste Schutz gegen die verheerenden Folgen dieser Erkrankung. Häufig erfolgt die Diagnose als Zufallsbefund im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung. Oft wird die Erstdiagnose erst während eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls gestellt. „Es ist problematisch, wenn Menschen mit Diabetes über einen Kamm geschoren werden und ihnen vorgeworfen wird, dass sie ‚selbst schuld‘ an ihrer Erkrankung wären und sie ja ‚nur den Lebensstil‘ än42
dern müssten.“ Natürlich spielen Übergewicht und Bewegungsmangel eine große Rolle und erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes beziehungsweise seiner potenziellen Folgeerkrankungen, sind aber nicht allein dafür verantwortlich. Bluthochdruck und erhöhte Blutfette müssen besonders bei Diabetikerinnen und Diabetikern individuell kontrolliert werden. Besonders die Werte für das „schlechte“ LDL-Cholesterin sollten bei Betroffenen neben der Kontrolle des HbA1c-Werts laufend kontrolliert werden. Autoimmunerkrankung. Die Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ 1 beginnt meist schon im Kindes- oder Jugendalter. Rund ein Viertel der jungen Patientinnen und Patienten bekommen ihre Diagnose durch eine dramatische und lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die sogenannte „diabetische Ketoazidose“, mit der sie erstmals ins Krankenhaus gebracht werden. Denn die typischen Warnsignale, die auf Diabetes im Kindes-