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02/2022
Vor 30 Jahren: Liechtensteins Weg in den EWR beginnt
Auf der Grundlage von zwei Volksabstimmungen trat Liechtenstein am 1. Mai 1995 dem EWR bei. Am 12. Dezember 1992 votierten 55,8 Prozent der Stimmberechtigten für einen Beitritt. Am 4. April 1995 wurden die EWR-Beitrittsbedingungen mit einer Mehrheit von 55,9 Prozent vom Volk gebilligt. Seither ist Liechtenstein fest in die Europäische Einigung integriert und profitiert von ihr, geniesst aber auch einige Vorteile, die andere europäische Staaten nicht haben.
Die Geschichte des Liechtensteiner EWR-Beitritts könnte Bücher füllen, lässt sich aber auch relativ kurz nacherzählen. Am 6. Dezember 1992 lehnte der liechtensteinische Zollvertragspartner Schweiz eine EWR-Mitgliedschaft in einer Volksabstimmung mit 50,3 Prozent Nein-Stimmen und der Mehrheit der Kantone ab, während Liechtenstein eine Woche später am 13. Dezember 1992 mit 55,8 Prozent zustimmte. Politische Unstimmigkeiten über die Abstimmung hatten für Verstimmungen zwischen Fürst und Regierung gesorgt. Ein Kompromiss löste dieses Problem jedoch. Da ein Beitritt Liechtensteins zu internationalen Verträgen oder Organisationen, denen die Schweiz nicht angehört, laut Zollanschlussvertrag einer bilateralen Vereinbarung bedarf, trat Liech-
tenstein erst nach einer Anpassung der Verträge mit der Schweiz und einer zweiten Volksabstimmung über ebendiese vom 9. April 1995 mit einem Ja-Stimmenanteil von 55,9 Prozent am 1. Mai 1995 dem EWR-Abkommen bei. Kernstück der gleichzeitigen Teilnahme Liechtensteins am schweizerischen und europäischen Wirtschaftsraum ist die «parallele Verkehrsfähigkeit» von europäischen und schweizerischen Waren. Für den freien Personenverkehr hat Liechtenstein im EWR eine Sonderlösung erhalten, welche es ermöglicht, die Zuwanderung weiterhin quantitativ zu kontrollieren. «Der EWR ist besonders für Liechtensteins Exportindustrie von grosser Bedeutung und sichert Liechtensteins künftige Teilnahme an der europäischen Integration», heisst es im Historischen Lexikon für das Fürstentum Liechtenstein.