GESELLSCHAFT
EL AVISO | 02/2021
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Wenige
Kompromisse eingehen
Jochen Horst in der Gallery Can Boni, Palma
Theater “Unsere Frauen“, 2008
Nach der Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz und am Lee-Strasberg-Institut, wurde Jochen Horst 1986 mit dem O.E. Hasse-Preis als Bester Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Einem breiten Publikum bekannt wurde er in der Rolle des Sascha in der Fernsehserie „Das Erbe der Guldenburgs“. 1996 erhielt er für seine Rolle in der Krimiserie „Balko“ den Adolf-Grimme-Preis. Er wirkte in internationalen Produktionen mit wie 1990 in „Die Entführung der Achille Lauro“ mit Burt Lancaster und 1993 in “Der Zementgarten” und ist auch am Theater zu sehen. Der 59jährige ist in zweiter Ehe verheiratet mit Tina Horst und hat zwei Kinder. Wir trafen Jochen Horst in der Can Boni Galeria de Arte der Künstlerin Kate Kalashnikov in Palma. EL AVISO: Nach der zweiten erfolgreichen Staffel von „Sekretärinnen – Überleben von 9 bis 5“ spielen Sie jetzt bei Netflix in der Produktion „Jaguar“ einen KZArzt. Was hat Sie daran, vielleicht auch an dem Gegensatz zur unterhaltenden Sitcom gereizt? Jochen Horst: Wenn eine Comedy stimmt, also gut geschrieben ist, stimmt es auch für mich. Wenn ich dann ein Angebot bekomme, was mit Comedy überhaupt nichts zu tun hat, eine Figur die zudem wie dieser KZ-Arzt historisch ist, ist es ein umso größerer Anreiz. Mein Beruf beruht zu 90 Prozent auf Recherche. Bei Comedy macht das weniger aus, Jaguar, 2020 bei der spanischen Produktion „Jaguar“ ist das so, dass die Figur des KZ-Arztes ausschließlich auf Recherche beruht. Das war eine großartige Erfahrung, ich konnte sehr viel lernen. Der Einsatz war zwar um 100 Prozent höher als bei Comedy, aber keineswegs Kraft raubend: Wenn ich abends
Sekretärinnen, ab 2013
nach Hause kam, war ich eher energiegeladen. EA: Sie wollen nicht im Mittelpunkt stehen, bezeichnen sich nicht als Machertyp. Will man sich als Schauspieler nicht irgendwann so etwas wie ein Denkmal setzen? JH: Nein, weil ich weiß, es ist alles vergänglich. Ich habe beobachtet, dass die Kinder von früh verstorbenen Freunden sich an ihre Väter überhaupt nicht mehr erinnern konnten. Heute ist das zwar nochmal anders, mit der Möglichkeit alles auf Film festzuhalten, aber trotzdem bleibt es nicht für ewig. Denken sie an Saddam Hussein, der hat sich Denkmäler gesetzt, die es heute nicht mehr gibt. Das mit Denkmälern hat alles keinen Sinn.
Rote Rosen, 2015
EA: Und Ihr Buch „Spielen amerikanische Schauspieler besser?“… JH: Das war ein Projekt, das ich machen wollte, weil es keine deutschen Schauspieler gibt, die über ihren Beruf schreiben. Alles, was ich im Buchhandel fand, waren Sachbücher und Biografien amerikanischer und englischer Kollegen. Der Grund ist, die englische Kultur ist aktiver, wir Deutschen sind sehr faul. Ein Vorwurf, den ich auch an meine Kollegen weitergebe: Man schreibt nicht nur Bücher, um Geld zu verdienen! Ein Teil der Einnahmen meines Buches geht deshalb an eine Stiftung, um klar zu machen, was ich will: Es ist auch ein Buch für das Publikum, ein wenig autobiografisch, aber eben vor allem auch eine Hilfestellung für junge Kollegen. EA: Spielen die amerikanischen Kollegen denn besser? JH: Wenn man die Frage mit Ja oder Nein beantworten könnte, hätte ich kein Buch geschrieben (lacht). Man muss sich die Geschichte des Theaters und des Films in den einzelnen Ländern anschauen. Wenn man das berücksichtigt, kommt man nicht unbedingt zu dem Ergebnis, das die amerikanischen Schauspieler besser sind, aber die englischen Schauspieler sind in der Regel besser als die amerikanischen. Das ist seit Jahrzehnten so, und den Grund beschreibe ich im Buch.
Vor der Bäckerei „La Gloria“, Palma
EA: Was gehört denn zu einem guten Schauspieler? JH: Das sind viele Dinge. Für mich ist das hauptsächlich Passion und dass er nicht kaufmännisch denkt, damit meine ich, dass er in seinem Beruf sicherlich nicht kompromisslos ist, aber nur sehr wenig Kompromisse eingeht. Es gibt einen Unterschied zwischen Schauspielern, die künstlerisch denken und denen, die kaufmännisch denken und reich werden wollen. Das sieht man auch am Ergebnis, und das