GUIDE Gaming
KREATIVITÄT
Leben spielen
ALEKSEY KOLMAKOV, GRETA SANTAGATA
LOU BOYD
Würden wir alle nur etwas spielerischer an unseren Alltag herangehen, hätten wir es viel leichter, behauptet die Spieledesignerin Jana Wendler. Hier erklärt sie, wie Gamifizierung funktioniert. Angesichts einer weltweiten Krise sind Spieleautoren jetzt nicht unbedingt die Ersten, die man zu Hilfe ruft – würde man meinen. Und doch sieht es ganz so aus, als würde die Rettung der Welt nun auf eine spielerische Ebene verlagert. Gemeinsam mit der Wissen schaft sucht eine neue Ge neration von Gamern jetzt nach Antworten auf ungelös te Fragen: 2011 etwa entdeck ten tausende Spieler des Online-Rätselspiels «Foldit» binnen drei Wochen die Ur sache einer Aids-ähnlichen Erkrankung bei Affen. Zuvor war 15 Jahre lang keine Lö sung für das Problem ge funden worden. Im März diesen Jahres war die Klimakrise dran. Das Lon doner Festival «Now Play This» lud Naturwissenschaft ler, Gamer und Künstler zum Spiel. Einen der Workshops leitete die Spieleerfinderin Jana Wendler – ihr 2018 ver öffentlichtes Online-Game «Missing» widmet sich der Suche nach Abgängigen. Natürlich lasse sich die Klimakrise nicht in vier Tagen lösen, sagt Wendler. Aber in dem wir an grosse Probleme spielerisch herangehen, kön nen wir «alle dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen». THE RED BULLETIN
Bahnbrechend: Im Brettspiel «Ecologic», entworfen von den russischen Wissenschaftlern Marat Sabirow und Alexej Kolmakow, geht es um nachhaltigen Bergbau.
Dinge verändern ohne Konsequenzen
Grosse Entscheidungen, die uns im wirklichen Leben nicht so leicht von der Hand gehen, lassen sich im Spiel ganz ein fach ausprobieren, erklärt Wendler. «Da können wir Din ge verändern, ohne dass es in der realen Welt Konsequenzen hat. Das weckt Vertrauen in die Aktivitäten und die Arbeit ausserhalb des Spiels. Beim Spielen interagiert man mit der Welt, ihren Menschen und ihren Ideen.»
Gamifiziere deinen Tag
Bei Alltagsaufgaben Punkte zu sammeln kann die Produk tivität steigern. Wendler: «Vom Standpunkt der Spiel gestaltung aus nennt man das Gamifizierung. Bei manchen digitalen Spielen erreicht man ein neues Level, indem man den Abwasch macht.»
Sei jemand anders
Spiele erlauben uns, eine andere Perspektive einzu
Zusammenarbeit
«Spiele haben so viel Poten zial, verschiedene Sichtweisen zusammenzuführen», sagt Wendler. «Forschern fällt es oft schwer, ihre Erkenntnisse zu vermitteln. Spieledesigner dagegen erzählen Geschich ten und ermöglichen es, mit den Informationen zu inter agieren. Mit einem Spiel, das diese beiden Elemente ver bindet, kann Raum für etwas Neues entstehen.»
«Beim Spielen interagieren wir mit der Welt.» Jana Wendler, Spiele-Erfinderin
nehmen. «Sie können zum Beispiel den Bösen spielen und schauen, was das mit Ihnen macht.»
Kreativer Blödsinn
Zur Gamifizierung braucht es nichts als einen spielerische ren Blick auf die Welt. Dafür muss man nicht einmal online gehen. Gamifizierung funktio niert auch analog. «Widmen Sie einfach die Gegenstände in Ihrem Umfeld um», meint Jana Wendler. «Ohne grossen Aufwand können Sie zum Beispiel coole Dinge aus Kar ton basteln. Oder legen Sie einfach eine LED in einen Fla schenverschluss, und schon haben Sie ein kleines leuch tendes Spielzeug. Blödeln Sie herum mit den Dingen, die da sind, und beobachten Sie, was passiert.» Das Festival «Now Play This» findet jedes Jahr im Somerset House in London statt: nowplaythis.net. Jana Wendlers wissenschafts basierte Gaming-Arbeiten finden Sie auf: playfuel.co.uk
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