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STILVOLLE SALZBURGER(INNEN

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122 REISEFIEBER

122 REISEFIEBER

DER GARTEN

VOM THERAPEUTEN ZUM ERNÄHRER

Wer sich nun in der privilegierten Situation wiederfindet, einen Garten sein Eigen zu nennen, geht nicht nur als großer Gewinner der Coronakrise und der steigenden Immobilienpreise (vor allem im Grünbereich) hervor, sondern macht im Schatten der gegenwärtigen politischen Lage und der angedrohten Nahrungs- und Energieengpässe auch einen großen Schritt in die gewünschte Autarkheit. In einem Garten kann man schließlich Obst und Gemüse anbauen, Tiere halten und Feuerholz sammeln. Als ich im Januar anfing, diesen Artikel zu konzipieren, hätte ich mir letztere Überlegungen wohl nicht in diesem Ausmaß gestellt – aber tatsächlich ist ein Garten im Jahr 2022 nicht mehr nur Symbol für Rückzug, Frieden und Erholung. Das Stück Eigengrund ist nun vielmehr Sicherheit, Selbstbestimmtheit und Lebenshilfe, er ist jetzt offiziell notwendig und kein Luxus mehr. Sagte doch Cicero noch, wer einen Garten und eine Bibliothek besäße, hätte alles, um glücklich zu sein. Und damit behielt er scheinbar auch recht. Doch wie wir unser letztes Geld nun sinnvoll in einen Garten investieren sollen, bevor die galoppierende Inflation das für uns erledigt, muss man vorher genau abklären. Auch in Krisenzeiten wie diesen, die uns mit Sorge in die Zukunft blicken lassen, darf man sich sein Heim, sein Fort, auch schön gestalten, nicht nur pragmatisch. Selbst wenn wir gehofft hatten, dass die Pandemie nun endlich überstanden ist und wir uns wieder in die Welt da draußen stürzen können, haben wir gemerkt: So schnell ist erstens der Virus nicht beseitigt, und zweitens gibt es noch größere Probleme, die uns im sicheren Schoß unseres Eigenheims ausharren lassen. Aber auch zu Hause kann und soll man gesellig sein. Dementsprechend darf ein Garten für Abende mit Freunden oder für einen schönen Sommer-Lunch mit TomatenZiegenkäse-Salat (die Ersteren sind selbst gezüchtet und der Käse stammt vom Nachbarn als Tauschgeschäft für den hauseigenen Honig – denn wir lernen jetzt Imkern statt Netflix) genutzt werden. Wir sind also gewappnet für das, was das Leben uns entgegenwirft, und bereiten uns nun im schlechtesten Fall auf eine neue Welt vor. Denn wie Olaf Scholz in

seiner Rede schon prophezeite, hat der 26. Februar dieses Jahres eine Zeitenwende eingeleitet. Wir hatten uns zwar eine andere – schönere – Welt erhofft, aber die Dinge sind nun einmal, wie sie sind, und im besten Fall sind sie grün und bepflanzbar. Wir drehen jetzt mal kollektiv sämtliche Nachrichten ab und ersinnen uns einen wunderbaren Garten, der uns nicht nur Zuflucht und Schutz bietet, sondern auch Kraft und Nahrung spendet. Also sprechen wir vom klassischen Gemüsegarten, dem Kräutergarten, erwägen zudem noch einige Hühner, denn ein paar Eier zu viel schaden nie. Wir finden nicht nur Nahrung, sondern auch Sinn und Frieden, wenn sich unsere Hände durch den fruchtbaren Kompost graben, den wir selbst angelegt haben. Der Lauf der Dinge und der Zyklus der Zeit werden nun Teil unseres Alltags, anstatt abstrakt in einer Obi-Filiale eingekauft „Jeder Gärtner wächst auch mit worden zu sein. Es ist eine Zeit, seinen Pflanzen“, die uns näher an unseren spirituellen Ursprung führt, die uns sagt schon Martin Gerhard Reisenberg. lehrt, uns auf uns selbst zu verlassen und uns vielleicht auch nicht vor dem zu fürchten, was da auf uns zukommt. Denn wie Martin Reisenberg, den Sie (wie auch ich) nicht gekannt haben, einmal gesagt haben soll, „wächst auch der Gärtner mit seinen Pflanzen“. So wachsen wir also an den Aufgaben und an der neuen Realität. Vielleicht ist jetzt auch gut daran getan, einen Wald zu versorgen und Feuerholz selbst zu verdienen. Es wird archaisch. Gerade, als wir noch den Mars besiedeln wollten, bebauen wir nun mit ganz einfachen Hilfsmitteln unser eigenes Land. Wichtig ist, in den Stunden des Chaos einen kühlen Kopf zu bewahren. Es beginnt und endet alles mit einem Plan und mit Struktur. Das weiß auch Gräfin Fugger-Babenhausen, die uns im folgenden Interview erklärt, wie kluge Gartengestaltung richtig geht. Wenn man sich vom Notwendigen in das Schöne arbeitet, entsteht automatisch Harmonie. Und diese brauchen wir in Tagen wie diesen vielleicht genauso notwendig wie einen Apfelbaum vor dem Fenster. Und nicht vergessen: Nicht jeder besitzt einen Garten! Also schenken Sie Zugang und teilen Sie Ihre Ernte. Denn am Ende sind wir alle nur Teil der Erde, die wir bestellen.

NEBENGEBÄUDE

Ob Wintergarten oder Pavillon, ob Poolhaus oder Hasenstall – das Wohnhaus muss nicht der einzige Baubereich im Garten sein. Dekorativ sind die Zubauten allemal.

SKULPTUREN

Nicht alles im Garten muss nützlich sein. Skulpturen sind genauso dekorativ wie Bänke, Tische oder Schirme, nur üblicherweise groß dimensioniert.

Fotos: © divinehome.cz, Shutterstock, teNeues

STEIN

Ebenen schaffen Struktur – auch in die Horizontale arbeiten. Die klassische Mauer rahmt, stützt und schützt, leitet aber auch das Auge.

SICHTACHSEN

Flächen schaffen Spannung mit Sichtachsen ist das beste Stilmittel, um moderne Komplexität in den Rasen zu bringen. Denn Wiese war gestern.

INSPIRATION

Klassische Gartengedichte und Zitate begleiten den Leser durch diesen Bildband und auf dem gedanklichen Spaziergang in der Natur mit Clive Nichols, einem Meister der Lichtstimmung.

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Anspruchsvolle Gartenkonzepte, die international wichtigsten Supplier und aktuelle Gartentrends in einem umfassenden und üppig bebilderten Nachschlagewerk – sorgfältig kuratiert von einem hochkarätigen Expertenteam – 256 Seiten Inspiration gewähren Einblick in die kreative Arbeit der besten Gartendesigner und Landschaftsplaner – Gartengestaltung der Welt

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