Schlossseiten Magazin Herbst/Winter 2020

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KOLUMNE

Mag. Eva-Maria von Schilgen-Arnsberg

HILFE, DER CHEF KOMMT ZUM ESSEN!

„Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt.“ Heinrich Zille (1858–1929), Berliner Zeichner und Fotograf

I

n angelsächsischen Ländern ist es Usus, doch auch bei uns legen immer mehr Führungskräfte Wert darauf, Mitarbeiter in deren privatem Umfeld kennenzulernen. Dies besonders dann, wenn sie deren Beförderung planen. So kann es dem Karrieresprung nützen, seinen Vorgesetzten zu sich zum Essen einzuladen. Leben Sie in einer Partnerschaft, ist es allerdings ratsam, sich vorab abzusprechen, sowohl was die Einladung als auch was den zukünftigen Berufsweg betrifft. Denn nicht immer stoßen Sie dabei auf uneingeschränkte Zustimmung. Unter Umständen wird Ihr Partner/Ihre Partnerin sich einiges einfallen lassen, um in dem altvertrauten, gemütlichen Trott zu bleiben. Sie sollten also gewappnet sein. Hier ein paar Warnungen. 1. Sie wohnen im eigenen Haus? Dann wird er/sie dafür sorgen, dass kein Parkplatz davor zu finden ist. Kommt der Chef mit dem Taxi, hat er/sie Pech gehabt. 2. Für Haus und Etagenwohnung geeignet sind schmutzige und übel riechende Schuhe vor der Eingangstüre, verwelkte Grünpflanzen, Kinderspielzeug und Schuhabstreifer mit möglichst einfältigen oder anzüglichen Sprüchen. 3. Auch in der Diele lässt sich Abschreckendes organisieren, wie zum Beispiel eine übervolle Garderobe, auf welcher der Chef seinen Mantel selbst aufhängen sollte. Ein Tipp, der leider nur in der kalten Jahreszeit wirkt. Jahreszeitenunabhängig ist die Anweisung, der Gast möge sich die Schuhe ausziehen und dafür in die zu kleinen oder zu großen Filzpantoffel schlüpfen.

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4. Die Anwesenheit von Kindern jeglichen Alters, ob sabbernde, quengelnde Kleinkinder oder muffelige Halbwüchsige, wird den Gast verwundern und noch mehr, dass Sie diese ungestört im Wohn-/Essbereich spielen lassen. 5. Ihre Möblierung ist so exklusiv, dass sie in jedem „SCHÖNER WOHNEN“-Magazin abgebildet sein könnte? Dekorieren Sie um! Kitschartikel finden Sie zuhauf in diversen Möbelhäusern, und auch Pölster mit mehr oder minder unmöglichen Designs werden sich auftreiben lassen. Nötigenfalls lassen Sie sich von einer TV-Partnerwahl-Sendung inspirieren. 6. Ein Esszimmertisch, der wackelt, ein harter Stuhl, der bedenklich kracht, wenn man darauf Platz nimmt – auch das trägt nicht unbedingt zum Wohlgefühl des Gastes bei. 7. Sie haben eine der modernen Küchenzeilen im Wohnzimmer? Dass sich beim Kochen Gerüche bilden, ist bekannt, und Lüften nicht jedermanns Sache. 8. „Was auf den Tisch kommt, das wird gegessen!“ – diesen Spruch wird ein höflicher Gast berücksichtigen, auch wenn ihn ein Magengeschwür plagt, er Diabetiker oder Vegetarier ist oder aus religiösen Gründen das eine oder andere Gericht nicht zu sich nehmen kann. Innereien, einige Fleischsorten oder Fisch, scharfe Gewürze und exotische Rezepte verstärken die Wirkung. 9. Musik zum Essen? Auch bei der Begleitmusik ergeben sich ausgezeichnete Möglichkeiten wie ausgefalle-


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