CHEMIE
Ionische Flüssigkeiten
Lösungsmittel ist zugleich reaktives Agens Organische Lösungsmittel sind nicht gerade gesund. Alternativen sind nicht nur aus gesundheitlicher Sicht, sondern auch aus der chemischen Perspektive interessant. Eine vielversprechende Abwechslung bieten hierbei ionische Flüssigkeiten. Diese sind nicht so reaktionsträge wie bislang angenommen – bei besonders eigenwilligen Reaktionspartnern bieten sie sogar endlich einen Hebel, um diese gezielt zu verändern. Das zeigte nun ein deutsches Team von Chemikerinnen und Chemikern.
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stoff und Wasserstoff bestehen – zum Beispiel eine Methylgruppe. «Bisher war das nicht möglich», erklärt Dehnens Mitarbeiterin und Koautorin Silke Santner, «es galt in der wissenschaftlichen Literatur auch als grundsätzlich nicht machbar.» Der vermutete Grund bestehe in der mangelnden Neigung solcher Cluster, überzählige Elektronen zu einer Bindung mit einer Seitengruppe beizutragen, legt Mitverfasser Carsten Donsbach aus Dehnens Arbeitsgruppe dar.
Weniger giftig Die mittelhessische Forschungsgruppe präsentiert nun «Produkte einer beispiellosen chemischen Reaktion», wie die Autoren schreiben. Sie tritt auf, wenn man als Lösungsmittel für die Synthese der Metallchalkogenid-Cluster eine ionische Flüssigkeit einsetzt, die dabei gleichzeitig als Quelle der Methylgruppe dient. Dadurch erhielten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neun Salze der in dieser neuartigen Weise veränderten Cluster. Das Team um Koautor Professor Dr. Bernd Smarsly von der Justus-Liebig-Universität Giessen bestätigte die Ergebnisse mittels Raman-Spektroskopie. «Der wichtigste Aspekt ist dabei das Vorhandensein der endständigen Methylgruppen», heben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervor. Dieses Ziel liess sich für verschiedene Clustergrössen und Kombinationen von Elementen verwirklichen, was die breite Anwendbarkeit der Methode belegt. «Unsere Ergebnisse ebnen neuen Strategien den Weg, mit denen sich Metallchalkogenid-Cluster zielgerichtet mit verhältnismässig ungiftigen Reagen zien modifizieren lassen», resümiert das Autorenteam.
05.04.17 18:08
Bild: Shutterstock
Bei ionischen Flüssigkeiten handelt es sich um Salze, die nicht kristallisiert vorliegen und bei Raum- bzw. Reaktionstemperatur sich in der flüssigen Phase befinden. «Sie eignen sich gut als Reaktionsmedien und zeigen dabei auch eine geringere Giftigkeit als viele gängige organische Substanzen», sagt die Chemieprofessorin Dr. Stefanie Dehnen von der Philipps-Universität Marburg, Mitverfasserin der aktuellen Veröffentlichung. «Wir untersuchen derzeit systematisch den möglichen Einsatz ionischer Flüssigkeiten als Lösungsmittel und zugleich reaktives Agens, das dabei hilft, gezielt organische Seitengruppen an Metallchalkogenid-Cluster anzuhängen.» Metallchalkogenid-Cluster sind Verbindungen, die Metallatome mit Elementen wie Schwefel, Selen oder Tellur vereinen. «Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten für Verbindungen, die solche Cluster enthalten», berichtet Dehnens Mitarbeiter Bertram Peters, der federführende Autor der Studie. Als Beispiele nennt der Chemiker optoelektronische Anwendungen wie Leucht dioden oder Solarzellen. Um bestimmte Eigenschaften der Cluster zu verbessern, etwa ihre Löslichkeit in gängigen Lösungsmitteln, muss man organische Seitengruppen anhängen, die aus Kohlen-
Acetonitril – immer noch ein gebräuchliches Lösungsmittel.
Professorin Dr. Stefanie Dehnen lehrt Anorganische Chemie an der Philipps-Universität. Auch in der breitenwirksamen Vermittlung naturwissenschaftlicher Fragestellungen ist die Hochschullehrerin aktiv: Dehnen ist Direktorin des Mitmachlabors «Chemikum Marburg». Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Forschungsarbeiten durch ihr Schwerpunktprogramm «Materialsynthese nahe Raumtemperatur». Originalpublikation Bertram Peters et al., «Ionic liquid cations as methylation agent for extremely weak chal-cogenido metalate nucleophiles», Chemical Science (2019) Kontakt Prof. Dr. Stefanie Dehnen Fachbereich Chemie Philipps-Universität Marburg Hans-Meerwein-Strasse 4 D-35043 Marburg +49 6421 28 25751 dehnen@chemie.uni-marburg.de www.uni-marburg.de
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