ChemieXtra 1-2/2020

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BIOWISSENSCHAFTEN

Hefezellen liefern neue Antworten

Proteine für die Zellteilung identifiziert Grundlegende Prozesse in unseren Zellen verstehen wir immer noch nicht genau. Um den Rätseln der Natur auf die Spur zu kommen, nutzen die Wissenschaftler Modellorganismen, wie die Hefe. Dank ihr konnten ETH-Forschende neue grundlegende Erkenntnisse in der Zellteilung (sowohl in der Mitose als auch Meiose) gewinnen. Ihnen gelang es, mehrere Proteine erstmals aus den Zellkulturen der Hefe zu isolieren und zu beschreiben. Zudem fanden sie ein überraschendes molekulares Wechselspiel.

In unserem Körper entstehen durch Teilung ständig neue Zellen, die ältere oder verletzte Zellen ersetzen. Dabei wird auch die Erbinformation verdoppelt und an die neuen Zellen weitergegeben. Für einen reibungslosen Ablauf sorgt ein ausgeklügeltes Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Proteinen. Allfällige Fehler, die sich bei der DNA-Verdoppelung einschleichen, reparieren die Proteine sogleich. Dieselbe Proteinmaschinerie erfüllt aber noch eine andere Aufgabe: Bei Geschlechtszellen – Eizellen und Spermien – ist sie während der Zellteilung für die Vermischung der Erbinformationen von ursprünglich mütterlicher und väterlicher Seite verantwortlich. Der prinzipiell gleiche Mechanismus muss also zwei gegensätzliche Aufgaben lösen: Bei der normalen Zellteilung, Mitose genannt, sorgt er für die genetische Konservierung, bei der Produktion von Geschlechtszellen, der Meiose, hingegen für die genetische Vielfalt. Beide Aufgaben sind lebenswichtig. Funktioniert die DNA-Reparatur in der Mitose nicht, kann das zu Krebs und weiteren Erkrankungen führen. Läuft dagegen der Austausch von DNA bei der Meiose nicht korrekt ab, schädigt das die Fruchtbarkeit und die Gesundheit der Nachkommen. «Obschon diese Prozesse für unsere Gesundheit so wichtig sind, wusste man bisher kaum, wie das Ganze funktioniert und reguliert wird», meint Joao Matos, Professor für Biochemie an der ETH Zürich. Zusammen mit seinem Team hat er nun ei-

¹ ETH Zürich

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Bild: Adobe Stock

Santina Russo ¹

Hier ist die Zellteilung während der Metaphase dargestellt. Die grünen Fänden sind die Mikrotubuli des Spindelapparates. Sie sind für die korrekte Aufteilung des Erbguts äusserst wichtig.

nige verantwortlichen Proteine untersucht und herausgefunden, wie sie zwischen den beiden Aufgaben unterscheiden können.

Eine besondere Gruppe von Enzymen Dazu haben die Forschenden im Labor zunächst eine grosse Anzahl von Hefezellen gezüchtet, denn in den Zellen ist jeweils nur eine sehr geringe Menge der beteiligten Proteine enthalten. Die Produktion der Hefezellen war darum äusserst aufwendig: In 120 Behältern à sechs Litern kultivierten die Forschenden Zellen so, dass die Teilung in allen Hefezellen gleichzeitig vonstattenging. Denn Mitose und Meiose sind hochkomplexe Prozesse, die in genau orchestrierten Phasen ablaufen.

Darum lässt sich nur in synchronisierten Zellkulturen unterscheiden, in welcher Phase welche Proteine wichtig sind und wie diese zusammenarbeiten. Schon zuvor war bekannt, dass bei Hefe, aber auch bei Pflanzen, Tieren und beim Menschen, mehrere Enzyme an der Vervielfältigung von DNA beteiligt sind. Das Team fand sieben Proteine, die am Prozess beteiligt sein müssen. Sie nennen diese Gruppe von Enzymen «The Recombination Intermediate Processing Enzymes» (Ripes). Diese Ripes konnten die ETH-Forscher nun erstmals aus den Zellkulturen isolieren und im Massenspektrometer identifizieren – jeweils aus einer spezifischen Phase der Zellteilung. Zugleich identifizierten sie mit dieser Methode eine Reihe weiterer Proteine, die helfen, die Zellteilung zu regulieren. 17


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