Nr. 5 Saison 21/22 – Turtelei

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ORTSGESCHICHTEN

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BRITTEN IN SUFFOLK

VON SIGF R IED SCHIBL I

Benjamin Britten wurde 1913 in Lowestoft geboren und starb 1976 in Aldeburgh. ­Beide Städte liegen an der Ostküste Eng­ lands in der Grafschaft Suffolk. Im Norden davon Norfolk, im Süden Essex, im Wes­ ten Cambridgeshire. Daraus den Schluss zu ziehen, Britten sei nicht viel in der­ Welt herumgekommen, wäre voreilig. Er war als bedeutendster englischer Kompo­ nist des 20. Jahrhunderts häufig bei Auf­ führungen seiner Werke zugegen. Aber dass er Suffolk und die Ostküste liebte und nie ganz von seiner Heimat loskam, steht ausser Zweifel. Die erste Musik, die er ­gehört habe, sei das Rauschen der Wellen an den Klippen gewesen, sagte Britten einmal. Und dieses Rauschen, diese Küste, diese Landschaft begleiteten ihn sein ­Leben lang. Edward Benjamin Britten wurde als viertes Kind einer Mittelschichts-Familie geboren. Sein Vater Robert war Zahnarzt in Lowestoft und an Musik wenig interes­ siert; es heisst von ihm, er habe jeden Morgen um elf Uhr eine Whisky-Pause eingelegt, um sich von seinem Handwerk zu erholen. Dafür förderte seine Mutter Edith das musikalische Talent ihres Soh­ nes und erteilte ihm schon im frühen ­K indesalter Klavierunterricht. Eine Foto­ grafie zeigt den siebenjährigen Benjamin am Klavier, vor seinen Augen mindestens fünf Musikstücke. Er spielte häufig mit

seiner Mutter vierhändig am Klavier; be­ sonders schätzte man in der Familie das Sieg fried-Idyll von Richard Wagner, das der Junge aus der Partitur spielen konnte. Dazu lernte er noch Bratsche. Über seine Grundschulzeit in South Lodge in Lowestoft äusserte sich Britten positiv: Dort habe er gelernt, diszipliniert zu arbeiten. Sein Schulweg war kurz. Die Familie lebte an der Kirkley Cliff Road in einem Haus, das heute ‹Britten House› ­genannt wird. Die weiterbildende Schule besuchte Britten in Holt in Norfolk, auch hier wieder nicht weit entfernt von der Küste der Nordsee, vom ‹German Ocean›. Mit 17 Jahren verliess Britten das geliebte ‹East Anglia›, um eine solide Ausbildung als Musiker zu absolvieren und am Royal College of Music in London Klavier und Komposition zu studieren. Nach drei Jah­ ren war seine Ausbildung beendet, und er galt als vollwertiger Komponist. Obwohl er als Homosexueller in der Grossstadt London besser untertauchen konnte als im provinziellen Suffolk, sehnte er sich nach der Heimat. Nach dem Tod seines Vaters zog er zurück nach Lowestoft. Da er häufig in London zu tun hatte, mietete er sich dort eine Wohnung, aber sein Hauptwohnsitz war weiterhin in ‹East ­A nglia›. Über seine Sinfonie in g-Moll von 1937 sagte er, er habe den langsamen Satz «in den Sanddünen und Sümpfen des öst­ lichen Norfolk konzipiert».


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