ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Mehr Lohn und Anerkennung
11,35 Euro brutto die Stunde sollen in Deutschland Altenpflegerinnen mindestens verdienen – so schreibt es der allgemeinverbindliche Branchen-Mindestlohn vor. Doch gibt es auch Pflegekräfte, die mit weniger Geld abgespeist werden. Damit werde der Mindestlohn umgangen, sagt Aldona Kucharczuk von der Servicestelle. Zumindest die Löhne in der Altenpflege werden nun aber bald steigen: Gemäss Bundesregierung sollen Helfer und Helferinnen ab September 2021 mindestens 12 Euro die Stunde verdienen, Fachkräfte sogar mindestens 15 Euro. «Das ist auf jeden Fall eine Anerkennung», sagt Michael Imbusch. Der 55-Jährige arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren als Helfer in der ambulanten Altenpflege und verdient für 35 Stunden die Woche rund 2450 Euro brutto im Monat. Wichtiger als die Prämie ist ihm jedoch die Frage, wie es nach der Corona-Krise weitergehen wird: «Wir brauchen dauerhaft bessere Löhne, bessere Ausstattung und eine bessere Perso-
HINZ & KUNZT, HAMBURG
Hilfe für Vierbeiner
Die neuen Regeln für das Abstandhalten zu anderen Personen sind schnell erklärt – einem Menschen. Anders verhält es sich jedoch mit Blinden- oder Assistenzhunden, denen das Konzept der 2-Meter-Distanz zu anderen Menschen nicht spontan beizubringen ist. Schon gar nicht, wenn Hundetrainings zu mindest vorübergehend nicht erlaubt sind, wie beispielsweise in Portland, USA. Personen, die auf die Hilfe von Hunden angewiesen sind, sollte man derzeit entgegenkommen, indem man ihnen weiträumig ausweicht und Haustier-Hunde von Arbeitshunden fernhält, empfiehlt eine dortige Organisation für Sehbehinderte.
STREET ROOTS, PORTLAND
Surprise 476/20
Vor Gericht
Kriminalität in Zahlen Willkommen zu unserer jährlichen kleinen Lesung der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)! Damit werden die im Vorjahr bei den kantonalen Polizeibehörden registrierten Straftaten auf Bundesebene gesammelt und ausgewertet. Man kann etwa herauslesen, ob Tötungsdelikte eigentlich oft aufgeklärt werden. (Ja, zu fast 95 Prozent.) Oder ob in den Kantonen lokal auftretende kriminelle Phänomene zu verzeichnen sind. (Ja, in Bergkantonen sind die Menschen entweder besonders respektvoll gegenüber Amtspersonen oder diese besonders abgebrüht. Jedenfalls wurden in AI, OW und NW und im Kanton Uri keine Fälle von Drohung und Gewalt gegen Beamte verzeichnet.) Insgesamt festigte sich im Jahr 2019 ein langjähriger Trend: Die Kriminalität in der Schweiz geht weiter zurück. Mit insgesamt 432 000 registrierten Straftaten gegen das Strafgesetzbuch, 75 757 gegen das Betäubungsmittelgesetz und 37 024 gegen das Ausländer- und Immigrationsgesetz sank sie gegenüber 2018 minim um 0,2 Prozent. Und zwar auf den tiefsten Stand, seit die Statistik in der heutigen Form erstellt wird: seit 2009. Angesichts dieser Grosswetterlage ist es deshalb interessant zu sehen, welche Straftaten besonders zu- oder abnehmen. Und ob – und wenn ja, wie – sich die Verschiebungen in gesellschaftlichen Entwicklungen spiegeln. So ist eine der typischsten Straftaten überhaupt, der Fahrzeugdiebstahl bei Autos, Motorrädern und Velos, auf den tiefsten je verzeichneten Stand gesun-
ken. Doch es wurden gegenüber dem Vorjahr fast doppelt so viele E-Bikes geklaut. Auch beim andern Klassiker, den Vermögensdelikten, ist zwar insgesamt weiterhin ein starker Rückgang zu verzeichnen: Eingebrochen wurde in der Schweiz letztes Jahr nur noch rund 76 Mal täglich. Das ist ein Minus von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, fast hundert Fälle weniger pro Tag als 2012, dem Rekordjahr, als eine Welle über das Land schwappte. Die Zahlen machen vor allem deutlich, dass sich die Kriminalität weiter ins Internet verlagert. Typische Cyberdelikte wie Betrug, Beschimpfung oder Pornografie nehmen stark zu. So gab es bei den Betrugsstraftaten innert Jahresfrist eine markante Zunahme von fast 8 Prozent auf 17 606 gemeldete Delikte: ein neuer Höchststand. Diese Entwicklung schreibt das Bundesamt für Statistik technisch immer versierteren Täterschaften zu, die darüber hinaus auch immer raffinierter und perfider vorgehen. Auch das breit diskutierte Thema des Hate-Speech im Internet offenbart sich in der aktuellen Statistik. Verzeigungen wegen Beschimpfung haben sich seit 2010 verdoppelt und 2019 erstmals die Marke von 10 000 Fällen geknackt. In kaum einem anderen Bereich ist ein so starker Anstieg zu verzeichnen, plus 8 Prozent. Ausser in der Pornografie. Hier explodieren die Fallzahlen geradezu – von 1817 Fällen im Jahr 2018 auf 2837 im vergangenen Jahr. Auch hierfür dürfte die Hauptursache in der zunehmenden Digitalisierung liegen. Dazu passt, dass es zuhause viel öfter zu schwerer sexueller Gewalt kommt als in der Öffentlichkeit. Und hier zeigt sich die traurigste Entwicklung: Vergewaltigungen stiegen 2019 um 17 Prozent an. Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin
in Zürich. 5