Äthiopien Seit letztem November herrscht in Tigray Krieg. Ungewissheit und Angst treibt die Leute im Land um – wie auch die Diaspora in der Schweiz.
Der Krieg um Tigray Ein Hintergrundbericht, Stimmen von Diaspora-Angehörigen, ein Interview und Bilder aus einem Flüchtlingslager – der Versuch, sich einem Konflikt zu nähern, aus dessen Innern kaum Informationen nach aussen dringen. FOTOS ANDY SPYRA
Am 4. November 2020 marschierte die Armee des äthiopischen Premierministers Abiy Ahmed in die Tigray-Region im Westen des Landes ein. Kurz darauf war von Massakern die Rede, von zehntausenden Toten und noch mehr Geflüchteten. Der Konflikt zwischen der Regierung, an deren Seite auch eritreisches Militär kämpft, und der Tigrinischen Volksbefreiungsfront dauert bis heute an. Doch was sind eigentlich die Wurzeln dieser neuerlichen Auseinandersetzungen, wie konnte es so weit kommen und wie geht es weiter? Korrespondent Marc Engelhardt, der viele Jahre aus Afrika berichtete, beleuchtet für uns die Hintergründe des Konfliktes. Wie die Situation vor Ort ist, wer welche Verbrechen begeht und was mit den Zivilisten geschieht, ist allerdings immer noch unklar; die Berichte sind spärlich und Medienschaffende haben kaum Zugang zur Kriegsregion. Der Fotojournalist Andy Spyra ist in den Süden des Sudans gereist, wohin derzeit die meisten Menschen aus der um-
8
kämpften Tigray-Region flüchten, von über 60 000 ist die Rede. Seine Bilder aus dem Flüchtlingslager Um Racouba sind Zeugnisse einer gewaltsamen Vertreibung, deren Konsequenzen noch niemand kennt. Welche Auswirkungen dieser Konflikt für die Diaspora in der Schweiz hat, darüber haben wir mit Äthiopier*innen und Eritreer*innen geredet. Die meisten von ihnen möchten anonym bleiben, zu gross ist die Furcht vor Repression für sie selbst oder ihre Familien zuhause. Dabei scheint sich mehr und mehr ein Misstrauen untereinander auszubreiten: Wo bis vor Kurzem noch die äthiopische Identität im Zentrum stand, spielt nun plötzlich eine Rolle, aus welcher Region man stammt, welche Sprache man spricht, welcher Ethnie man angehört – Oromo (35 Prozent der äthiopischen Bevölkerung), Amhara (30 Prozent) oder Tigray (7 Prozent). Eine Beobachtung, die auch Laurence Gygi von der Kirchgemeinde Wohlen in Bern macht, wie sie im Interview mit Surprise ausführt. KP
Surprise 498/21