Strassenmagazin Nr. 499 7. bis 20. Mai 2021
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Verkehr
Schnellzug ins Gefängnis Wer seine ÖV-Bussen nicht bezahlt, landet hinter Gittern. Das muss nicht sein. Seite 8
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SOZIALE STADTRUNDGÄNGE
D N I S WIR F U A R WIEDE ! TOUR
ERLEBEN SIE ZÜRICH, BASEL UND BERN AUS EINER NEUEN PERSPEKTIVE. Menschen, die Armut, Ausgrenzung und Obdachlosigkeit aus eigener Erfahrung kennen, zeigen ihre Stadt aus ihrer Perspektive und erzählen aus ihrem Leben. Authentisch, direkt und nah. Buchen Sie noch heute einen Sozialen Stadtrundgang in Zürich, Basel oder Bern. Infos und Terminreservation: www.surprise.ngo/stadtrundgang
TITELBILD: UNSPALSH/UWE CONRAD
Editorial
Es geht auch anders Es gehört zu den absurderen Auswüchsen unseres Systems, dass Menschen, die mehrfach beim Fahren ohne gültiges Ticket erwischt werden und ihre Bussen nicht bezahlen können, die Strafe im Gefängnis absitzen müssen. Absurd deshalb, weil der Aufenthalt im Gefängnis die Gesellschaft mehr Geld kostet, als wenn wir diesen Menschen ein GA bezahlen würden. Es ist also keine reine Kosten-Nutzen-Rechnung, die dahintersteckt, eher ein Beharren auf einer Bestrafungslogik. Zahlreiche Initiativen, den ÖV für alle leichter zugänglich zu machen, bekamen bisher nie genug Stimmen. Dabei geht es auch anders, wie das Beispiel Luxemburg zeigt, wo der gesamte ÖV kürzlich zum Gratisangebot für alle erklärt wurde. Diese und weitere Ideen für einen besseren Zugang zu Mobilität für alle ab Seite 8. Offenbar zieht Russland einen Teil seiner Truppen wieder ab, die es jüngst nahe der ukrainischen Grenze und auf der annektierten Halbinsel Krim stationiert hatte. Es war
der grösste Truppenaufmarsch seit Beginn des Ukrainekriegs. Die Menschen in den umkämpften Gebieten hielten den Atem an. Doch auch wenn die aktuelle Eskalation vorerst abgewendet scheint, fühlen sich viele, die entlang oder zwischen den Fronten gefangen sind, von der Welt vergessen und verloren. Manche greifen deshalb zu ungewöhnlichen Mitteln, um auf sich aufmerksam zu machen, wie die Bewohner*innen eines kleinen Ortes im Oblast Donezk, ab Seite 18. Unsere Kolleg*innen vom Strassenmagazin Faktum aus Schweden hatten die Gelegenheit, vier Jahre nach dem Beginn der Bewegung mit der #MeToo-Begründerin Tarana Burke zu sprechen. Wir haben das um Gespräch zum Anlass genommen, auch in der Schweiz nachzuforschen, wie es um feministische Anliegen und die dazugehörige Bewegung steht, ab Seite 14. SAR A WINTER SAYILIR
Redaktorin
4 Aufgelesen
7 Moumouni
... ist verrückt 5 Was bedeutet eigentlich …?
Existenzminimum
18 Konflikt
New York in der Ostukraine
Wegen Bussen ins Gefängnis
28 SurPlus Positive Firmen
11 Wie es besser ginge 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
14 #MeToo 6 VK-Kolumne
Die Zeit, die kostbare
27 Tour de Suisse
Pörtner in Uster
8 Verkehr
5 Vor Gericht
Asylverfahren erledigt
26 Veranstaltungen
Tarana Burke im Interview
22 Festival
«Hallo Tod!» 17 Blick auf die Schweiz 24 Film
30 Surprise-Porträt
«Ich bete oft für meine Gesundheit»
Tipps für Kinospass
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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Maskenimport Im Jahr 2020 wurden Gesichtsschutzmasken im Wert von rund 6 Mrd. Euro nach Deutschland importiert, allein im April und Mai 2020 im Wert von 3,5 Mrd. Euro, im Juni und Juli im Wert von 1,4 Mrd. Euro. Damit stiegen die Importe in der Warengruppe ‹Textilien ohne Bekleidung› um 49,4 % auf 16,6 Mrd. Euro. Allein im Januar 2021 wurden 1,4 Mrd. Gesichtsschutzmasken im Wert von 186,7 Mio. Euro importiert.
ASPHALT, HANNOVER
Höchststand
Impffortschritt Erste Strassenzeitungs-Verkäufer*innen in verschiedenen Teilen der Welt haben eine Impfung gegen Covid-19 erhalten. «Niemand sollte ohne Impfung bleiben. Je mehr Menschen geimpft werden, desto schneller kann die Stadt wieder vollständig öffnen», sagt The Contributor-Verkäufer Paul aus Nashville, Tennessee. Und seine Kollegin Teresa (siehe Bild oben) ergänzt: «Es ist nicht so schlimm, wie man denkt.» Megaphone-Verkäufer Peter Thompson aus Vancouver ist erleichtert: «Es bringt mich einen Schritt näher zum Wiedersehen mit meiner Familie.» In Hamburg bei Hinz&Kunzt ist trotz des Versprechens, Menschen in Notunterkünften zu priorisieren, bisher nur die 80-jährige Verkäuferin Elsa in den Genuss der Spritzen gekommen. Big Issue North-Verkäufer Gordon bekam aufgrund einer Vorerkrankung schon im Januar seine Dosis – «Ich weiss, wie viele Leute immer noch darauf warten, ich habe viel Glück gehabt.»
ISNP, GLASGOW
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Die Zahl der Krankheitstage wegen psychischer Probleme hat nach Angaben der deutschen Krankenkasse DAKGesundheit im CoronaJahr 2020 einen Höchststand erreicht. Durchschnittlich hatte jeder Versicherte rund 2,65 Fehltage aufgrund etwa von Depressionen oder Anpassungsstörungen. Das sind 0,5 Tage mehr als im Vorjahr. Noch häufiger fehlten versicherte Erwerbstätige nur aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen (3,3 Fehltage). Insbesondere bei Rückenschmerzen gab es einen deutlichen Anstieg von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr.
DRAUSSEN!, MÜNSTER
Mangel Drogenabhängige, die im deutschen Bundesland Sachsen in ein Substitutionsprogramm wollen, haben es immer schwerer. Auf rund 780 Abhängige in Substitution, Tendenz steigend, kommen gerade noch 14 qualifizierte Suchtmedizinerinnen, Tendenz sinkend. 56 Patient*innen pro Arzt – etwa 60 Prozent mehr als im Bundesschnitt. Bereits 2019 sah sich die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) gezwungen, Alarm zu schlagen. Im Dezember hat sich der Berufsverband der Kassenärzte abermals mit einem Appell an die eigene Zunft gewandt. In den Regionen Dresden und Chemnitz sei die Versorgungslage besonders prekär.
BODO, BOCHUM/DORTMUND
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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Wörterbuch
Existenzminimum Der Staat verpflichtet sich, allen in der Schweiz lebenden Personen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Zum Existenzminimum gehört, was ein Mensch zum physischen Überleben braucht: neben Nahrung auch Obdach, Kleidung oder Zugang zur Gesundheitsversorgung. Das Existenzminimum ist durch Artikel 12 und 41 der Schweizer Bundesverfassung geschützt. Neben diesem «absoluten» ermöglicht das «soziale» Existenzminimum zusätzlich die Teilhabe an der Gesellschaft. Beispielsweise sind Telefone oder ein Internetzugang heutzutage notwendig, um mit anderen in Kontakt zu treten. Entsprechend werden die Kosten bei der Berechnung berücksichtigt. Es fehlt jedoch ein expliziter Gesetzesartikel, der ein Anrecht auf ein soziales Existenzminimum garantiert. Es kann zwar juristisch hergeleitet werden. Zum Schutz der Schwächsten wäre eine weniger interpretationsabhängige rechtliche Basis dringend nötig. So kommt es, dass es drei verschiedene soziale Existenzminima gibt. Erstens jenes zur Berechnung des Anrechts auf Ergänzungsleistungen zu AHV/IV. Zweitens jenes zum Schutz des Gläubigers im Falle einer Betreibung. Und drittens jenes zur Berechnung des Anspruchs auf Sozialhilfe. Alle drei Methoden orientieren sich an einer minimalen gesellschaftlichen Teilhabe. Trotzdem kommen sie zu unterschiedlich hohen Existenzminima. In der Tendenz resultiert bei den Ergänzungsleistungen der höchste, bei der Sozialhilfe der tiefste Betrag. Letzterer liegt derzeit bei 997 Franken für eine Einzelperson (plus Miet- und Gesundheitskosten). EBA Christin Kehrli: Existenzminimum. Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020.
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Vor Gericht
Asylverfahren erledigt Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr sagt, die meisten abgewiesenen Asylsuchenden würden sich wohlverhalten. Ausser die Algerier, die seien zu neunzig Prozent kriminelle «Intensivtäter». Wird auch der 21-Jährige in Sippenhaft genommen, der kürzlich wegen versuchter schwerer Körperverletzung und räuberischem Diebstahl vor Gericht stand? Die Stimmung im Saal ist gereizt. Der Beschuldigte reagiert aufbrausend auf die Fragen des Gerichtspräsidenten. Im Gegenzug nimmt ihn das Gericht mit einem Fragen-Stakkato in die Zange. Weshalb er in der Schweiz Asyl beantragt habe. Wegen eines Erbstreits; der Onkel habe gedroht, ihn umzubringen. Jetzt hoffe er hier auf eine Zukunft. Chancen hat er kaum. Der zuständige Staatsanwalt sagt: «Eine mörderische Verwandtschaft ist ein privates Problem.» In der Schweiz hat er ein Problem mit dem Staat: Im Bundesasylzentrum Embrach soll er einem Asylbewerber aus Libyen eine Schnittverletzung an der Hand zugefügt haben. Lüge, sagt der Algerier. Zweitens wirft man ihm vor, in Zürich mit Kollegen einen Sportbeutel an sich genommen und darin enthaltene Wertsachen gestohlen zu haben. Als der Besitzer diese zurückforderte, sei es zur Rauferei gekommen. Der junge Mann sagt, ja, er sei dort gewesen und habe sich spontan in einen Streit eingemischt, nachdem er Beschimpfungen auf Arabisch gehört habe. Dass der Bestohlene glaubt, er habe zur Bande gehört, sei eine Verwechslung.
Der Staatsanwalt stellt einen hohen Strafantrag, drei Jahre. Er begründet ihn bezüglich des Vorfalls im Asylheim mit einer «Gesamtanalyse der Augenzeugenaussagen», die ein stimmiges Bild ergäben. Die Sache in Zürich ist für ihn wegen eines DNA-Nachweises auf dem T-Shirt des Geschädigten klar. Die Verteidigerin hält hingegen fest: Den Vorfall im Flüchtlingsheim hat niemand direkt gesehen. Der Geschädigte ist inzwischen untergetaucht, ein Entlastungszeuge verschwunden. Eine Tatwaffe wurde nie gefunden. Was den Raub angeht, sei der Beschuldigte nicht rechtssicher identifiziert worden. Das reiche nicht. Auch das Gericht macht eine Zeugenaussagen-Analyse: Soweit Augenzeug*innen überhaupt etwas gesehen hätten, seien die Schilderungen «flach und nichtssagend». Deshalb Freispruch. Beim anderen Vorfall sei unklar, ob der Beschuldigte beim Diebstahl dabei war – bei den Handlungen danach, die das Delikt zum Raub machen, sei er aber von zwei Personen identifiziert worden. Statt drei Jahre gibt es neun Monate bedingt. Weil räuberischer Diebstahl aber eine Katalogtat ist, gibt das Gericht dem Antrag auf Landesverweisung statt – für fünf Jahre. «Ich entschuldige mich», sagt der Algerier, während der Staatsanwalt die Akten einpackt. Er hat juristisch mehrheitlich verloren – aber seinen Job trotzdem getan: Zu Prozessbeginn war der Asylantrag des Beschuldigten noch hängig, nun ist er via Strafrecht erledigt. * persönliche Angaben geändert
Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin
in Zürich.
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Verkäufer*innenkolumne
Die Zeit, die kostbare Augenmerk aufs Lernen. Zum Beispiel Wortschatz erweitern (zuhause: Langenscheidt D-F von 1940, 2000 A4-Seiten: die alten Wörter haben es mir angetan). Malerei: Im Hirnarchiv stöbern, meine Rangliste der schönsten Gemälde erstellen. Botanik: Rundherum wächst es immer freundlich. Praktisches: für einen effizienten, nachhaltigen und gesund-heitsfördernden Alltag. Und Pflege, weil ich da beruflich nochmal ran will. Oder ich dichte. Richte mich etwa an ‹Blauer Mond›, den Aquariumsfisch bei der Heilsarmee (wo ich gratis wohn’), der immer, wie zum Gruss, ans Glas kommt, wenn ich ihn such:
Bin ein Fisch, der Flossen viel. Habe aber keinen Kiel.
Der Kunsthaus-Neubau: mag ihn. Bin äbe en Augemänsch. Und süchtig nach Schönhäit. S‘muess alles schön si. Schön gordnet dihäi. Schön gschribe im Heft. Schöni alti Volksliäder. Chilleliäder. E schöns Buech – näi: zwäi, mindeschtens. Und schöni Gedanke für Sie, liäbi Läser*inne.
Ich hab’ Augen, zwei an der Zahl – doch mir bleibet keine Wahl.» Mein Fokus ist das Alter. Zwangsläufig, nach 20 mal 365 als freiwilliger Hilfeempfänger, wie ich das nenne (offiziell: Helfer) – eine Frage der Perspektive im Pflegeheim. Das Alter, der Zieleinlauf. Gefragt wär’ eine Vorbereitung wie auf eine Olympiade. Dann kann man*frau Gold holen. «Mens sana in corpore sano» stand an
NICOL AS GABRIEL, 56, verkauft Surprise auf der Achse Rudolf-Brun-Brücke – Uraniabrücke, zwei bis drei Stunden am Tag. Liebt seine Leidenschaften (Hobbys: blödes Wort, wie er findet), und die grosse Liebe.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
ILLUSTRATION: ELENA KNECHT
Blauer Mond, Du bist so still. Du denkst wohl: «Jawohl, ich will.
Ich will raus aus meiner Welt. Meiner Welt, dem kleinsten Meer, in dem ich blute ja so sehr.
der Turnhalle geschrieben, die dem Kunsthaus-Neubau wich.
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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING
Platz an einer Schulwand findet, während der Genozid an den Indigenen in den USA nicht als solcher benannt wird: Meistens hat im Unterricht doch Christoph Kolumbus ganz naiv und freudig Amerika und die «Indians» «entdeckt», von denen wir weiter Weisheiten lernen wie: «Indianer kennen keinen Schmerz», was im Zusammenhang mit einem Genozid und der fortwährenden Benachteiligung von Indigenen weltweit ziemlich makaber ist. Die Gruppe hat nun eine Ausschreibung der Stadt Bern gewonnen, bei der es um einen produktiven Umgang mit dem Wandbild ging. Der beschlossene Vorschlag ist jetzt also: Das Bild wird abgenommen und einem Museum geschenkt. Dort ist auch Platz für die Ambivalenz, dass die Künstler nämlich eigentlich humanistisch und weltoffen waren (was nicht vor rassistischen Stereotypen schützt – verrückt oder?). Diverse Restaurator*innen sagen, es ginge gegen das Arbeitsethos, ein Kunstwerk durch die Abnahme mutwillig zu gefährden. Das Ganze wird auch ziemlich teuer. Von mir aus könnte man es auch einfach überstreichen und ein neues Bild malen, doch da wären einige Leute beleidigt.
Moumouni …
… ist verrückt. Was ist eigentlich normal? Und kann man daran noch was schrauben? Oder muss Transfeindlichkeit beispielsweise für immer normal bleiben, nur weil viele Menschen Transmenschen nicht normal finden? Und ist normal gleich gut? Schon klar: Genderdiskriminierung ist normal. Es ist aber auch normal, sich darüber aufzuregen. Oder? Je nachdem. Gibt ja auch Leute, die das einfach nicht stört. Oder die «Besseres zu tun haben». Oder jene, die sich gar nicht trauen, daran zu rütteln. Es ist sicher Meinungssache, wo es sich lohnt, zu rütteln. Und auch, wo die Prioritäten gesetzt werden. Aber die Frage, ob überhaupt etwas gemacht werden muss, finde ich persönlich nicht normal. Ein Beispiel: Ich engagiere mich in einer Gruppe, die sich für die Entfernung eines rassistischen Wandbildes in einer Surprise 499/21
Berner Primarschule einsetzt. Die Schule hat sich 1949 ein Wandbild gegönnt, Thema Alphabet. Die beiden Künstler haben ein Wandbild erstellt, bei dem jedem Buchstaben ein Tier oder eine Pflanze zugeordnet wird. Alles schön und gut. Und dann wohl ein Chinese für C, ein indigener Amerikaner für I und eine Schwarze Person für N. Jaja, natürlich ist nicht allen Menschen sofort klar, was hier das Problem ist. Viele sind aber auch schlicht nicht alphabetisiert, was das Thema angeht. Die Gruppe sagt: Das Wandbild muss weg. Es graut uns, dass bis heute Schwarze Kinder in diese Schule gehen und mit Tiervergleichen sowie dem N-Wort konfrontiert sind. Es graut uns, dass die anhaltende Romantisierung des «Indianers» einen unreflektierten
Also wählen wir den verrückteren, dafür nachhaltigeren Weg: Die Diskussion ins Museum tragen, wo Antiquiertes hingehört, um pluralistisch über Kunst, Erhaltenswertes und rassistische Stereotypen sprechen, während die Kinder nicht weiter mit dem N-Wort alphabetisiert werden. Für mich macht das Sinn, für diverse Leute ist es vollkommen unnötig, reaktionär und laut einem Zeitungsartikel in der Zeitung Der Bund absurderweise mit der Bücherverbrennung der NS-Zeit gleichzusetzen. Lieber verrückt als normal im Sinne einer Gesellschaft, die sich nicht ändern und auf keinen Fall hinterfragen will.
FATIMA MOUMOUNI
ist vielleicht gar nicht so verrückt. Aber ein bisschen. Zumindest im Schweizerdeutschen Sinne: etwas hässig. Weitere Infos: daswandbildmussweg.ch
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FOTO: KEYSTONE/GAETAN BALLY
Verkehr Wer mehrfach ohne Billett im ÖV erwischt wird und die Bussen nicht zahlen kann, muss diese irgendwann absitzen. Das kostet viel und bringt wenig. Ginge es auch anders?
Ein teures Strafsystem Menschen müssen ins Gefängnis, weil sie ohne Billett Zug fahren. Anderen wird das Halbtax verwehrt, weil sie noch ÖV-Schulden haben. TEXT BENJAMIN VON WYL
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Polizei ab. Zwei Wochen verbringt er im Gefängnis. Heute hat er eine eigene Wohnung, verkauft ab und zu Surprise. Über die Tage hinter Gittern denkt er oft nach. Dass Menschen eingesperrt werden, weil sie dem Staat und Unternehmen Bussgeld schulden, nimmt er hin. Die Menge der Betroffenen hat ihn überrascht. «Alle in meiner Zelle mussten wegen Schulden einsitzen.» Im Berufsalltag erlebe man Gespräche, die «richtig fordernd» sind, sagt Zugbegleiter Joel Müller. «Wir sind nicht die «Möchtegernpolizisten, die Jagd auf Reisende ohne Fahrausweise machen.» Sie seien etwas anderes. «Nämlich die Gastgeber auf unseren Zügen.» Müller achtet darauf, niemanden zu schubladisieren. «Jeder Fahrgast ist anders. Ob mit oder ohne Ticket. Ich probiere mir da möglichst wenig Gedanken zu machen und nehme jede Situation, wie sie gerade kommt.» Es ist also kein Wunder, dass nur einer von dutzenden Zugbegleiter*innen Bruce Waldhof warnte: Zugbegleiter*innen verteilen zwar die Bussen, mit Gefängnissen aber haben sie nichts zu tun. Ein*e Angestellte*r der SBB macht irgendwann eine Anzeige. Alle, die zahlen können, tun es spätestens jetzt. Die anderen sitzen die Strafe im Gefängnis ab. Haftaufenthalte wegen Geldbussen nehmen massiv zu: Vor dreissig Jahren sassen gemäss Bundesamt für Statistik in einem Jahr knapp 400 Personen ihre Bussen in Haft ab – 2019 gab es
FOTO: KEYSTONE/PATRICK STRAUB
Wer kaum oder kein Geld hat, ist im Service public nicht mitgemeint. Zwar öffnen sich die Türen von Zügen, Bussen und Trams unabhängig davon, wer den Öffnungsknopf betätigt. Am Anfang dieses Artikels steht ein Anruf von Cornelia Monteiro, die in Wirklichkeit anders heisst. Monteiro lebt von einer halben Invalidenrente. Die Mittfünfzigerin hat wenig Geld und ist nicht besonders gut im Umgang mit Bürokratie. Als die Pandemie beginnt, besitzt sie ein Halbtax. Sie schreibt der SBB einen handgeschriebenen Brief: Das Halbtax solle storniert werden. Sie denkt nicht mehr an die Sache, sie erhält eine Rechnung. Dann folgt eine Mahnung, auf die Mahnung wohl eine Betreibung – ihr fehlt das Geld, sie wirft die Forderungen in den Müll. Als Monteiro dann im Herbst letzten Jahres beim Schalter ein neues Halbtax kaufen will, weil sie wieder pendeln muss, habe man ihr am Schalter die Ermässigungskarte verweigert. Eine Bekannte von Monteiro kauft ihr daraufhin das Halbtax online, als Geschenk. Die Quittung liegt vor. Doch einen Monat später, wenige Tage vor Weihnachten, erhält Monteiro eine Mail der SBB: Das neue Halbtax ist gesperrt. Grund dafür sind Monteiros Schulden bei der SBB. Die Geschäftsbedingungen erlauben das – doch es ist absurd. Allen, die ein Generalabo haben, erliess die SBB im Pandemiejahr hunderte Franken. Eine Person hingegen, die jeden Rappen umdrehen muss, soll wegen einer kleineren Schuld den vollen Preis zahlen, bis ihre Schulden abbezahlt sind? Monteiro sagt, andere Marginalisierte aus ihrem Umfeld würden einfach ohne gültiges Billett fahren. «Aber mit meiner Geschichte kommt das nicht infrage.» Sie leidet an Klaustrophobie. «Ich kann unter keinen Umständen ins Gefängnis.» Denn damit müsste sie rechnen, wenn sie erwischt wird. Überraschend verhaftet Bruce Waldhof, der ebenfalls in Wahrheit anders heisst, hätte sich das bis vor Kurzem nicht vorstellen können. Er gehörte lange zu jenen Weltreisenden, bei denen der Übergang zur Obdachlosigkeit fliessend ist. Waldhof hat kaum Geld und ist auf zwei Kontinenten in mindestens zehn Ländern ohne Ticket Zug gefahren. Meist habe man ihn einfach aus dem Zug geschmissen, wenn das entdeckt wurde. Als er vor ein paar Jahren die Schweiz bereiste, um das Land seines Vaters kennenzulernen, waren die Zugbegleiter*innen freundlicher als an anderen Orten. Ruhig baten sie Waldhof um dessen Papiere. Der reiste von Chur bis Vevey, vom Jura bis nach Bern. Ob er 20 oder 60 Mal eine Busse erhielt, weiss er nicht mehr. In dieser Zeit habe er sein Leben nicht im Griff gehabt. Ein einziges Mal habe ihm ein Zugbegleiter gesagt, dass er aufpassen müsse: Wer zu viele Bussen sammle, wandere ins Gefängnis. «Trotz der schlechten Nachricht war ich ihm so dankbar: Thanks, man!» Waldhof verliess die Schweiz wieder. Im letzten Winter – ungefähr zur selben Zeit, als die SBB Monteiro das Halbtax verweigerte – plant er die Rückkehr in die Schweiz. Er will dort ein paar Angelegenheiten regeln, vielleicht sogar ein ruhiges Leben beginnen. Schliesslich besitzt er auch den Schweizer Pass. Am vierten oder fünften Tag seiner Einreisequarantäne in Bern holt ihn die Surprise 499/21
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3601 sogenannte Bussenumwandlungen. Erstmals mehr als reguläre Freiheitsstrafen. Pro angebrochene 100 Franken Busse oder Geldstrafe muss man einen Tag in den Bau – die öffentliche Hand kostet der Freiheitsentzug gut und gerne das Doppelte. Eine Untersuchung von Strafrechtsprofessor Martin Kilias im Kanton Zürich zeigte, dass diese «Ersatzfreiheitsstrafen» im Schnitt fünfzig Tage dauern. Oft sind es nur sehr kurze Strafen – im längsten von Kilias aufgeführten Fall waren es aber zwei Jahre. In zwei von fünf Fällen war der Grund ein Verstoss gegen das Personenbeförderungsgesetz: also wegen Fahrens ohne gültiges Billet. Kilias schreibt: «Wer eine Strafe wegen Schwarzfahrens erhält», habe «vielleicht (…) auch gar nicht die finanziellen Mittel, eine Fahrkarte zu lösen.» Es sind vor allem alleinstehende Männer, die im Gefängnis landen – Männer wie Waldhof.
FOTO: KEYSTONE/PETER KLAUNZER
Gut gepflegtes Feindbild ÖV-Betriebe betonen, dass Reisende ohne gültiges Billett «allen ehrlichen Kundinnen und Kunden indirekt Mehrkosten» schaffen. «Mich interessiert Schwarzfahren nicht», sagt dagegen ein Lokführer. Flächendeckende Zugbegleiter*innen im Regionalverkehr fände er allerdings aus Sicherheitsgründen sinnvoll. Doch für die SBB geht die Rechnung ohne den allumfassenden Einsatz von Kontrolleur*innen besser auf: 800 000 Mal werden jedes Jahr Personen beim Fahren ohne gültiges Ticket erwischt. Die Dunkelziffer soll höher sein, angeblich drei Prozent
der zwei Milliarden ÖV-Fahrten im Jahr: also 60 Millionen. Ob das nun stimmt oder nicht: Fahrtbegleiter*innen überall lohnen sich nicht. Sonst gäbe es sie ja. «Statt dass man diese Kalkulation offenlegt, pflegt man Schwarzfahrer*innen als Feindbild», führt der Lokführer aus. Die SBB schätzt, dass ihr wegen Fahrten ohne Billett jedes Jahr ein zweistelliger Millionenbetrag entgeht. Das ist viel Geld – und trotzdem nur ein Bruchteil der 500 Millionen Franken Gewinn, die die SBB in den Jahren vor der Pandemie machte. Seit zwei Jahren werden ohne Billett Erwischte in einem nationalen Register erfasst; über die Strafanzeige entscheiden dann die einzelnen ÖV-Unternehmen. Wer ein schon benutztes Ticket erneut verwenden will, begeht hingegen bereits im ersten Anlauf «Missbrauch». In der Regel werde dann ein Strafverfahren eingeleitet, heisst es in einem Reglement. «Die SBB reicht pro Jahr mehrere tausend Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen respektive mit nur teilgültigem Fahrausweis ein», teilt ein SBB-Sprecher auf Anfrage mit. Der Lokführer sagt, es überrasche ihn immer wieder, wie viele Menschen die wartenden Züge nach neuen Zeitungen durchsuchen, Zigistummel am Bahnhof sammeln oder Essen aus Zugabfalleimern klauben. «Seit ich Lokführer bin, werde ich viel stärker mit Armut konfrontiert.» Er findet es schade, dass das Service-public-Unternehmen nicht ein Teil der Lösung sei. Es könnte alles anders sein.
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Neun Ideen, wie im ÖV alles anders sein könnte Statt jeden Franken umzudrehen, könnten die Verkehrsunternehmen auch den ServicePublic-Gedanken ins Zentrum rücken – für Benutzer*innen und Angestellte. TEXT BENJAMIN VON WYL
Digital muss nicht inhuman sein «Logisch macht es mir in dem Beruf nichts aus, zu abgefuckten Zeiten und auch mal morgens um drei zu arbeiten. Ich springe auch immer wieder ein, zum Beispiel als letztes Jahr plötzlich zu wenig Lokführer verfügbar waren. Ich bin gerne effizienter, weniger Leerfahrten liegen mir am Herzen, aber im neuen digitalen Planungstool kann ich meine Wünsche nicht mal eingeben. Ich bin ein Mensch, keine Nummer, come on», sagt ein Lokführer.
FOTO: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER
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Endlich faire Löhne – für alle! «Meine 71 000 Franken pro Jahr sind ja noch ok, aber die SBB hat ein riesiges Niedriglohnproblem», sagt ein Lokführer gegenüber Surprise. Diejenigen, welche die Züge reinigen, verdienen zum Teil beinahe 30 000 Franken weniger als er. Das Reinigungspersonal in einer Sektion, in der er arbeitete, habe bis zur Pandemie sogar das Desinfektionsmittel selbst bezahlen müssen. «Wer Spiegel putzen muss, auf die Fremde mit ihrer Scheisse geschrieben haben, desinfiziert sich gerne. Es wäre nicht zu viel verlangt, dass der Arbeitgeber das zahlt.» Vor zwei Jahren wollte die SBB dem Reinigungspersonal die Zulage fürs Toilettenputzen – 1 Franken 50 pro Stunde – streichen. Die extra bezahlten Toilettenschichten seien beliebt, kein Wunder: Manche in der Reinigung verdienen nur 3300 Franken im Monat. Nach Kritik hat sich der damalige SBB-CEO mit seinem Jahreseinkommen von einer Million Franken erweichen lassen. Sein Nachfolger Vincent Ducrot verdient nun weniger, aber noch immer viel mehr als ein*e Bundesrät*in.
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… und faire Arbeitsbedingungen Über 30 000 Menschen arbeiten für die SBB, um die 1000 ohne festen Arbeitsvertrag. Wer drei Jahre lang für die Bahn arbeitet, hat Anrecht auf eine unbefristete Festanstellung – so ist es im Gesamtarbeitsvertrag geregelt. Schon vor einigen Jahren machte die Gewerkschaft SEV der Bahn Vorwürfe: «SBB unterläuft die Vereinbarung zur Anstellung der temporären Mitarbeitenden systematisch» und dokumentierte, wie manche kurz vor ihrem Recht auf eine Anstellung «zufällig» entlassen wurden. Warum gibt es bei einem staatlichen Unternehmen eigentlich Temporäranstellungen und tiefe Löhne? Die SBB sei auf «eine gewisse Flexibilität im Personalkörper» angewiesen. Ohne sie könnten «saisonale Schwankungen und Spitzen in den Bereichen Unterhalt, Bau und Reinigung nicht abgedeckt» werden, oder in der Pandemie, wo «Unterwegsreinigungen und Führerstanddesinfektionen» wichtiger wurden, schreibt ein SBB-Sprecher auf Anfrage. Der Bund lege «die strategischen und finanziellen Ziele jeweils für vier Jahre fest». «Die SBB soll dabei die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten nutzen und die Produktivität weiter verbessern.» Das bedeutet wohl: Der Staat will es so, wie es ist.
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Wieso eigentlich ist die SBB ein Immobilienkonzern? In normalen Jahren macht die SBB hunderte Millionen Gewinne – am lukrativsten ist ihr Immobiliengeschäft. Viele ihrer früheren Betriebsflächen werden nicht mehr gebraucht. Zum Beispiel das Gebiet um den Zürcher Hauptbahnhof: Dort hat die SBB vor 100 Jahren städtisches Land enteignet und verdient damit nun viel Geld. Ist es wirklich im Sinne der Gesellschaft, dass die Bundesbahnen im grossen Stil mit Immobilien spekulieren?
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Einen ÖV, den alle verwenden können All jene, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind – sei es aus Altersschwäche oder wegen einer Behinderung –, sind besonders auf Bus, Tram und Bahn angewiesen. Das Gesetz fordert, dass der ÖV bis 2023 für alle zugänglich und barrierefrei sein muss. Doch Inklusionsvertreter*innen rechnen damit, dass dieses Ziel nicht erreicht werden wird: Erst 10 Prozent der Bus haltestellen seien umgebaut und 323 Bahnhöfe werden wohl die gesetzliche Vorgabe verfehlen.
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Nachtzüge sind das neue, alte, nachhaltige Easyjet Etwa 10 Prozent des globalen CO2-Ausstosses gehen auf den Flugverkehr zurück. Wenn man sich vor Augen führt, dass neun von zehn Menschen noch nie ein Flugzeug von innen gesehen haben, wiegt die (Billig-)Fliegerei hier noch schwerer. Es ist nicht bloss eine Frage des Klimas, sondern auch eine der globalen Gerechtigkeit. Nach jahrelangem Abbau bei den Nachtzügen plant die SBB, in den nächsten drei Jahren solche nach Amsterdam, Rom und Barcelona (wieder-)einzuführen. Der Verein umverkehR findet das gut, fordert aber mehr: Nachtzüge aus der Romandie nach Genua, Triest, Brest und San Sebastián. Damit man mit dem Zug ebenso easy ein Wochenende verreisen kann wie zuvor mit den Billigfliegern.
FOTO: UNSPLASH/PASCAL MEIER
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FOTO: KEYSTONE/BRANKO DE LANG
Verbilligte Tickets Die Zugtickets sind in der Schweiz auch deshalb so teuer, weil wir mit jedem Ticket nicht nur unsere Fahrtkosten decken, sondern den Ausbau des Bahnnetzes mitfinanzieren. Das ist, als würden neue Strassen von der Autobahnvignette gezahlt. Was absurd ist angesichts der Tatsache, dass der öffentliche Verkehr ökologischer ist und schon deshalb gefördert werden sollte. Also wieso subventioniert die Politik nicht ÖV-Tickets, damit mehr Leute auf Bus und Bahn umsteigen?
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Gratis-ÖV für die, die es wirklich brauchen Und zwar für Kinder und Jugendliche, für Studierende, für alle Armutsbetroffenen! Solche Forderungen werden immer wieder laut und finden Zuspruch. Leider wurden sie noch nie erhört. Noch nicht mal, als die «Unabhängige Expertenkommission zur Aufarbeitung des Unrechts an Verdingkindern und administrativ Versorgten» lebenslange Gratis-GAs für alle Überlebenden empfahl.
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Oder gleich für alle! In Luxemburg und in 35 Städten Frankreichs gibt es kein Fahren ohne gültiges Billett mehr – denn dort ist der öffentliche Verkehr seit Kurzem für alle gratis. Schlechte Erfahrungen hat man bisher keine gemacht. In Luxemburg gehört das Projekt zu einem Programm, um das Land mit seinen 600 000 Einwohner*innen von Staus zu entlasten. Manche französischen Städte finanzieren den Gratis-ÖV mit einer neuen Steuer für die ansässigen Unternehmen – aus der Logik heraus, dass ihre Angestellten pendeln müssen. In der Stadt Zürich haben die Jungsozialist*innen kürzlich eine Volksinitiative für Gratis-ÖV gesammelt. Die Juso-Co-Präsidentin Anna Luna Frauchiger zu Surprise: «Der Verkehr muss sich radikal verändern und die klimafreundliche Mobilität soll allen zugänglich sein.» Gemäss einer Rechnung der Behörden würde der Gratis-ÖV in Zürich etwa 300 Millionen Franken pro Jahr kosten. Doch Achtung: Dass Zugtickets etwas kosten sollen, steht sogar in der Schweizer Verfassung. Um die zu ändern, müsste man eine nationale Initiative einreichen. Also sollte man die Einführung von Gratis-ÖV gleich schweizweit denken? So wie Luxemburg?
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FOTO: HEATHER STEN/NEW YORK TIMES
Sexualisierte Gewalt 2017 ging unter dem viralen Hashtag #MeToo ein Aufschrei durch die Medien. Seitdem hat der Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Belästigung an Sichtbarkeit gewonnen.
«Ein sicherer Ort auch für Männer» Die #MeToo- Begründerin Tarana Burke spricht darüber, wie sich die Bewegung seither entwickelt hat – und wieso sie nicht nur Frauen betrifft. TEXT SANDRA PANDEVSKI
Im Jahr 2006 prägte Tarana Burke den Begriff «MeToo», um junge Schwarze Frauen zu unterstützen und zu stärken, die sexuelle Gewalt überlebt haben. Burke selbst wurde als Kind vergewaltigt und hat ihr gesamtes Erwachsenenleben lang gegen Missbrauch gekämpft. Als der Hashtag #MeToo dann in den sozialen Medien viral ging, erlangte die bislang unbekannte US-Amerikanerin Tarana Burke plötzlich internationale Aufmerksamkeit. Die schwedische Strassenzeitung Faktum war eines der ersten Medien, das sie 2017 in New York zum Gespräch traf. «Es ist drei Jahre her, seit wir uns gesehen haben, aber es fühlt sich an wie zehn, weil so viel passiert ist», sagt Burke, als ich sie an einem Tag im November 2020 per Videoanruf erneut erreiche. Seit wir uns getroffen haben, wurde sie in zahlreichen Magazinen porträtiert und von namhaften Zeitungen interviewt, sie erhielt Auszeichnungen für ihr Engagement und hielt einen Ted Talk, der fast zwei Millionen Mal
aufgerufen wurde. Burke hat ihre Bewegung weiter ausgebaut sowie die Organisation MeToo gegründet, die Sensibilisierungsarbeit in Bezug auf sexuelle Gewalt und deren Bekämpfung leistet. Seitdem wurden Strukturen aufgebrochen, Schweigekulturen zerschlagen, unzählige Fälle aufgedeckt. Der öffentliche Diskurs hat sich gewandelt. Sexuelle Gewalt ist als Thema, das uns alle betrifft, ins öffentliche Bewusstsein gerückt. «Allein schon die Tatsache ist von Bedeutung, dass die Medien die Art und Weise, wie sie über sexuelle Gewalt berichten, verändert haben», sagt Burke. «Ich habe viele Jahre dafür gekämpft, aber nichts ist passiert. Heute wird das Wort ‹Überlebende› anstelle von ‹Opfern› verwendet, und sexuelle Gewalt wird als wirkliches Problem wahrgenommen.» Politik muss handeln Da die Aufmerksamkeit der Medien seit dem Beginn der #MeToo-Bewegung im Jahr 2017 bereits wieder abgenommen hat,
Tarana Burke Die 47-jährige ist eine amerikanische Bürgerrechts- und Menschenrechtsaktivistin. Sie wuchs in einer Sozialwohnung auf und erfuhr als Kind und Jugendliche sexualisierte Gewalt. Bereits in der Gemeindearbeit in Selma, Alabama, setzte sie sich für Bürgerrechte und Menschenrechte ein. Während ihres Studiums an der University of Alabama organisierte sie Protestaktionen für die juristische und wirtschaftliche Gleichstellung von Menschen jeglicher Herkunft. Sie ist die Begründerin der #MeToo-Bewegung.
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hat Burke ihren Fokus verlagert. «Der Hashtag ist nicht die Bewegung. Es ist ein Werkzeug, um die Bewegung zu stärken. Er wirkt als einigende Kraft, er gab uns eine gemeinsame Sprache und ein Gemeinschaftsgefühl. Aber er erledigt nicht die Arbeit.» Burke wünscht sich politische Veränderungen und konkrete Vorschläge, wie den Überlebenden geholfen und der Missbrauch gestoppt werden kann. So entstand «Survivors‘ Agenda»: ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass das Thema sexuelle Gewalt auf die politische Agenda gesetzt wird. Burke ist eine der Mitbegründer*innen. «Wir möchten, dass die Politiker*innen uns zuhören und Antworten liefern – so wie sie auch mit Industriearbeiter*innen und anderen Gruppen umgehen.» Am Tag unseres Gesprächs ist gerade vor etwas mehr als einer Woche Joe Biden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. Die zwei Hauptkandidaten Trump und Biden wurden beide schon einmal der sexuellen Nötigung beschuldigt. Darüber darf nicht geschwiegen werden. Doch Burke wurde während der Kampagne dafür kritisiert, dass sie in ihren Tweets betreffend die Anschuldigungen gegenüber Joe Biden vage blieb – ein strategischer Schachzug. Für sie sei es zu dieser Zeit von höchster Priorität gewesen, Trump keinen Sieg zu bescheren, sagt Burke. «Es war traumatisch, eine so inkompetente Regierung zu haben. Damit 15
meine ich die gesamte Verwaltung, nicht nur den Präsidenten. Nun fühle ich mich mit jedem Tag erleichterter.» Dass die heutige Vizepräsidentin sowohl eine Frau als auch eine Schwarze ist, bedeutet Burke nicht viel, solange es nicht zu konkreten Veränderungen kommt. Zwar ist sie für eine gerechte Teilhabe und Vertretung Schwarzer Menschen im Weissen Haus und glaubt, dass die Regierung die Bevölkerung des Landes widerspiegeln sollte. Trotzdem ist Burke auch der Meinung, dass es für junge Schwarze Mädchen kaum eine Veränderung bedeutet, wenn Kamala Harris im Fernsehen zu sehen ist. Denn die Realität dieser Mädchen sehe nach wie vor völlig anders aus. «Wenn sie auf die Strasse gehen, begegnen sie einer Welt, die sie nicht unterstützt. Die Vizepräsidentin muss zeigen, dass sie die Bedingungen für Schwarze Menschen verbessern will», sagt Burke. «In vier Jahren will ich nicht sagen müssen: ‹Es war schön, einer Schwarzen Frau dabei zuzuschauen, wie sie auf ihrem Stuhl sass, aber keinen Finger rührte›.» Laut einer Studie von Black Women‘s Blueprint aus dem Jahr 2011 werden 60 Prozent der Schwarzen Minderjährigen des Landes sexuell missbraucht. Als die Bewegung Black Lives Matter (BLM) im Jahr 2020 ins Rollen kam, verbrachte Burke viel Zeit damit, den Menschen zu erklären, dass die eine Benachteiligung oft mit anderen einhergeht. «Wie #MeToo ist BLM eng an andere gesellschaftliche Probleme gekoppelt. Man kann nicht über BLM reden, ohne über sexuelle Gewalt zu reden. Man kann nicht über Polizeigewalt und Machtmissbrauch reden, ohne über BLM zu reden.» Vor #MeToo war Burke, wie sie sagt, eine «normale Bürgerin», deren Adresse im Telefonverzeichnis aufgeführt war. Unterdessen hat sich vieles verändert. So sind für sie Bedrohungen alltäglich geworden. Sie zog in eine Wohnung mit einem Portier und anderen Sicherheitsmassnahmen. Ihre
«Man kann nicht über BLM reden, ohne über sexuelle Gewalt zu reden.» TAR ANA BURKE
Arbeit wird hauptsächlich von Trump-Anhänger*innen angegriffen. Sie meinen, Burke stelle sich generell gegen weisse Männer. «Sexuelle Gewalt umfasst eine grosse Bandbreite – von verbalen Angriffen bis hin zu körperlicher Vergewaltigung. Der Typ, der bei der Arbeit sexistische Witze macht, sollte nicht auf die gleiche Weise zur Rechenschaft gezogen werden wie ein Vergewaltiger wie Harvey Weinstein», sagt Burke. «Natürlich ist keine dieser Verhaltensweisen in Ordnung, aber sie sollten in den Medien nicht das gleiche Urteil erhalten. Ich denke, Männer boykottieren #MeToo, weil sie Angst haben, selbst bestraft zu werden.» Vielleicht ist das der Grund, warum das Schlagwort «nicht alle Männer» als Replik auf #MeToo in den letzten Jahren üblich geworden ist. Burke stimmt dem zwar zu,
#METOO Am 5. Oktober 2017 veröffentlichte The New York Times einen Artikel, in dem der Hollywood-Produzent Harvey Weinstein des sexuellen Missbrauchs und der Belästigung beschuldigt wurde. Die Schauspielerin Alyssa Milano forderte Frauen auf, #MeToo auf Facebook zu teilen, falls sie sexuell ausgebeutet wurden. Bereits nach einem Tag wurde der Hashtag 12 Millionen Mal geteilt. Harvey Weinstein wurde wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt.
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aber hält es für ein Missverständnis, dass #MeToo als Frauenbewegung angesehen wird. Möglich, dass Frauen die Bewegung vorangetrieben haben, weil sie gefährdeter sind, aber die Botschaft betrifft alle. Vor drei Jahren war Burke noch überrascht von der grossen Aufmerksamkeit, die #MeToo erhielt. Heute tritt sie medienbewusster auf. Manchen Trends, in denen sich die Debatte manchmal zu verlieren droht, steht sie durchaus kritisch gegenüber. «Die Diskussion ist zu einem Krieg geworden zwischen zwei Seiten – was sich völlig falsch anfühlt. Dass Männer nur als Täter einbezogen werden, ist ein Problem. Das ist ein Fehler der Bewegung», sagt sie. «#MeToo sollte auch ein sicherer Ort für Männer sein. Es ist ein Mythos, dass uns allen nichts passieren würde, wenn Männer einfach ihr Verhalten änderten. Dabei ist es doch so, dass das Patriarchat an sich den Sexismus aufrechterhält. Ein Mann, der über einen Vergewaltigungswitz lacht, agiert genauso kontraproduktiv wie eine Frau, die eine andere Frau eine Hure nennt. Es geht um patriarchalische Strukturen und um alle, die sie mittragen.» Aus Englischen übersetzt von Translators without Borders. Mit freundlicher Genehmigung von Faktum / insp.ngo
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Die vielen Gesichter des Sexismus Die Debatte um die strukturelle Benachteiligung von Frauen werde in der Schweiz intersektional geführt, sagt Expertin Franziska Schutzbach. Trotzdem bleiben die Gleichstellungsbemühungen an vielen Orten vereinzelt. TEXT SARA WINTER SAYILIR
FOTO: CALLIE GIOVANNA/TED
Als die #MeToo-Debatte 2017 auch in der Schweiz in den sozialen Netzwerken und den Medien Rückhall fand, verzeichneten die Schweizer Fachstellen einen rasanten Anstieg der Meldungen zu sexuellen Übergriffen. Zwar ebbte die Welle mit der nachlassenden medialen Aufmerksamkeit auch wieder ab, der Beweis für die Wirksamkeit solcher Kampagnen jedoch war auch hierzulande erbracht. «Der Hashtag #MeToo hat auch deshalb so viel Kraft gehabt, weil er es ermöglicht hat, die abstrakten Statistiken und Analysen zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen mit menschlichen Geschichten zu illustrieren und dadurch zugänglicher zu machen», sagt Franziska Schutzbach, Geschlechterforscherin und Publizistin aus Basel. «Wichtig ist allerdings, dass aus den individuellen Geschichten auch Rückschlüsse auf strukturelle Missstände gezogen werden, aus denen dann politische Forderungen entstehen.» Passiert sei das am Frauenstreik 2019. Die dort von einer Mischung aus zahlreichen, sehr unterschiedlichen Basisgruppen eingebrachten Themen seien weit über den reinen Kampf gegen sexualisierte Gewalt hinausgegangen. Einen entscheidenden Vorteil gegenüber #MeToo sieht Schutzbach darin, dass die Themen in der feministischen Streikbewegung nicht als Einzelbaustellen, sondern intersektional, also als Teile einer sexistischen gesellschaftlichen Struktur, betrachtet würden. So müsse Gleichstellung als integraler Teil des Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen gesehen werden, erst dann sei nachhaltige Veränderung möglich. «Dabei geht es zum Beispiel um die ökonomische Ungleichheit von Frauen, die oft verhindert, dass Frauen aus gewalttätigen Beziehungen aussteigen.» So fordert es auch das «Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt», die sogenannte Istanbul-Konvention, die auch die Schweiz unterzeichnet hat und die im April 2018 in Kraft trat. Der erste Bericht zum Stand der Umsetzung in der Schweiz ist derzeit in Arbeit und wird voraussichtlich Ende Juni publiziert. Dass sexuelle Belästigung und Gewalt in der Schweiz ein massives Problem darstellen, zeigen die Zahlen einer Studie von Amnesty International von 2019. Dieser zufolge musste mindestens jede fünfte Frau bereits ungewollte sexuelle Handlungen erleben, 12 Prozent der Befragten sogar Geschlechtsverkehr gegen ihren eigenen Willen. Hochgerechnet auf die weibliche Bevölkerung der Schweiz wurden demnach 430 000 Frauen ab 16 Jahren Opfer von sexueller Gewalt. Nur 8 Prozent der Geschädigten melden den Vorfall der Polizei und nur die Hälfte spricht überhaupt darüber – mit Freund*innen oder der Familie. AnSurprise 499/21
ders als weithin angenommen finden die meisten Übergriffe zwischen bereits miteinander bekannten Personen statt. Das mache es besonders schwierig, Gewalt zu thematisieren, sagt Franziska Schutzbach. «Es besteht die Gefahr, dass man es sich mit der Familie verdirbt oder mit den Freund*innen und man sich in einen Konflikt reinbegeben muss, der auch private Beziehungen betrifft.» Umso wichtiger sei es, in der Aufklärungsarbeit gängige Vergewaltigungsmythen zu entlarven: Der Täter ist nur selten der Fremde, der einer Frau im Dunklen irgendwo auflauert, vor dem aber beständig gewarnt würde. Wie viel es braucht, bis ein Mentalitätswandel stattfindet, zeigen die Entwicklungen im Bereich sexuelle Belästigung und Übergriffe am Arbeitsplatz. Bisher sieht es danach aus, als müssten die Betroffenen an allen Orten einzeln denselben Kampf nach Anerkennung und Kulturwandel führen. «Es braucht sehr viel Druck und sehr viel Arbeit von verschiedenen Akteur*innen, damit die entsprechenden Beratungs- und Unterstützungsangebote auch etabliert werden», sagt Schutzbach. Besonders extrem zeigt sich dies am Beispiel der Medienbranche: Über 110 Journalist*innen haben mittlerweile einen offenen Brief an die Tamedia-Geschäftsleitung unterschrieben, der Sexismus in der Firmenkultur anprangert. Daraufhin kündigte die Chefredaktion Schritte zur Verbesserung interner Anlaufstellen und Fördermechanismen an. Doch strukturellen Sexismus will Geschäftsleitungsmitglied Arthur Rutishauser im Gespräch mit dem SRF nicht anerkennen. Ein Aufschrei in der Branche blieb aus, andere Medienhäuser meldeten sich defensiv oder gar nicht zu Wort – struktureller Sexismus wird offenbar gerne als ein Problem der anderen gesehen. Und das, obwohl (oder gerade weil?) auch das Westschweizer (RTS) und Tessiner Fernsehen (RSI) sowie die SRG als Trägerin sich derzeit mit massiven Sexismus-Vorwürfen auseinandersetzen müssen. Abhilfe – auch in anderen Branchen wie der Privatwirtschaft, dem Kulturbereich oder der Politik – sollen klare Richtlinien, niederschwellige und unabhängige Meldestellen sowie eine offene und transparente Kultur schaffen. «Und da ist es dann eben nicht mehr nur ein Hashtag, da geht es darum, Geld dafür zur Verfügung zu stellen, es geht um Ressourcenkämpfe», legt Franziska Schutzbach den Finger in die Wunde. Für Übergriffe im öffentlichen Raum wurde in der Westschweiz eigens die App «Eyes Up» geschaffen; sie soll es Betroffenen ermöglichen, Vorkommnisse einfach und schnell anonym zu melden. Zürich will mit einem ähnlichen Projekt nachziehen. 17
Angriff auf New York Konflikt In der Ostukraine wollen Leute ihren Ort in New York umbenennen – und so dem Krieg trotzen. TEXT UND FOTOS DANIELA PRUGGER
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«Wir wissen aus erster Hand, was eine Besetzung bedeutet. Und dass alles noch schrecklicher werden kann.» NADIYA GORDIY UK
Nadiya Gordiyuk hat ihre wichtigsten Dokumente bereits in eine abgewetzte braune Ledertasche gepackt. Den Reisepass, die Rentenbescheinigung, Ausweise über Immobilienbesitz, Ausbildungszertifikate. Sorgfältig bereitet sich die 57-Jährige auf den Ernstfall vor, sorgt dafür, dass sie genügend Batterien für die Taschenlampe zuhause hat, Medikamente, einen Vorrat an Trinkwasser und Konserven sowie eine warme Decke für den Keller. Gordiyuk kennt das schon. Sie ist Lehrerin in Nowhorodske, einer Stadt mit 8000 Einwohner*innen in der ostukrainischen Region Donbass. «Unsere Stadt war im Sommer 2014 für kurze Zeit besetzt, daher wissen wir aus erster Hand, was eine Besetzung bedeutet. Und wir wissen sehr wohl, dass das neue Szenario noch schrecklicher und blutiger sein kann.» Nowhorodske liegt so nahe an der Front, dass man von einem Hügel aus die Stadt Horliwka auf der anderen Seite sehen kann. Seit sieben Jahren dauert der Krieg zwischen der ukrainischen Armee und den von durch Russland unterstützten Separatisten nun schon an. Laut UNHCR hat er seit dem 14. April 2014 bis heute auf beiden Seiten insgesamt 3084 zivile Opfer gefordert und ist der Hauptgrund, warum die Bürger*innen von Nowhorodske seit Jahren dafür kämpfen, dass ihre Heimat wieder in «New York» umbenannt wird. So nämlich hiess Nowhorodske bis zum Jahr 1951, dann wurde der Name in der Sowjetzeit geändert. Mit Facebook-Seiten und Werbeartikeln, Einladungen an die Presse und politische Vertreter*innen versuchten Mykola Lenko, bis vor Kurzem Bürgermeister von Nowhorodske, die Lehrerin Gordiyuk und andere Bürger*innen in den vergangenen Monaten immer wieder auf sich aufmerksam zu machen. Mit Erfolg. Beinahe jedes ukrainische Medium hat mittlerweile über die «New Yorker» im Donbass berichtet. Am 3. Februar 2021 hat das Komitee für lokale Regierungsführung der Werchowna Rada die Umbenennung gebilligt. Die parlamentarische Abstimmung hat jedoch noch nicht stattgefunden. «Niemand hört hin, wenn ‹Nowhorodske› beschossen wird», sagt Lenko. New York hingegen sei das neue «Branding», das dieser Ort brauche. Ein Stück Stadtmärchen Wird Lenko gefragt, warum sein Heimatort einst New York hiess, hat er eine Handvoll Geschichten parat, von denen die meisten wohl Legenden sind. Besonders gut gefällt ihm die Erzählung über einen Ziegelfabrikanten und seine Frau: «Im 18. Jahrhundert fuhr dieser Fabrikbesitzer nach New York, um eine Ausstellung zu besuchen. Er verliebte sich in die Tochter seiner Dolmetscherin und brachte sie hierher. Sie vermisste ihre Heimat so sehr, dass er den Ort in New York umbenannte.» Die Geschichte mag nur ein Stück Stadtmärchen sein, aber sie ringt Lenkos müdem Gesicht ein Lächeln ab. Er verfügt aber auch über Dokumente mit den Namen der frühen mennonitischen Siedler*innen, die einst aus Deutschland hierherkamen. Sie dokumentieren, dass dieser Ort einst tatsächlich New York hiess. Zwar wurden die
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deutschen Mennonit*innen im Jahr 1941 auf Befehl Stalins deportiert, doch für Lenko bedeutet dieses kulturelle Erbe in einer Gegend wie dem Donbass, den viele für ein trostloses Industriegebiet halten, alles. Vor allem in einer Zeit, in der sich die Bewohner*innen aufgrund des Krieges keine Zukunft aufbauen können, hält er an dieser Vergangenheit fest. Lenko wünscht sich, dass eines Tages internationale Student*innen hierherkommen und die Gegend erkunden, dass Interessierte aus Deutschland anreisen und sich mit den Einheimischen austauschen. Einige Einheimische, vor allem Rentner*innen, sind gegen die Umbenennung des Dorfes oder stehen ihr zumindest gleichgültig gegenüber. Andere jedoch, wie Nadiya Gordiyuk, sagen heute stolz: «Ich komme aus New York.» Die Hoffnungen auf die Wiederbelebung des ukrainischen New York sind gross. «Unsere Facebook-Gemeinde ‹Ukrainisches New York in der Region Donezk› hat bereits mehr als zweitausend Einwohner*innen, was einem Viertel der Gesamtbevölkerung entspricht», sagt Gordiyuk. Doch die Alltagsrealität – Militärfahrzeuge und Soldaten auf den Strassen – macht es schwer, an eine baldige Besserung der Dinge zu glauben. Für Lenko könnten Tourismus und ein Rebranding nicht bloss positive Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern auch sicherheitspolitische Konsequenzen haben. «Ich glaube nicht, dass es viele Leute gibt, die New York angreifen würden», sagt er.
Ungeachtet der Waffenruhe, die seit dem 27. Juli 2020 besteht, scheint sich die Situation zuzuspitzen. Zwar waren auch während der Waffenruhe Opfer zu beklagen, und es wurde geschossen. Doch Gordiyuk konnte nachts schlafen, ohne von den Explosionen der Granaten aufzuwachen, wie es in den Jahren davor der Fall war. In den vergangenen zwei Wochen jedoch hat die Anzahl der Verstösse gegen die Waffenruhe wieder zugenommen. Laut der Beobachterorganisation OSZE gab es dreimal so viele Zwischenfälle, durch Flugabwehrraketen oder Granatwerfer etwa, wie im Vorjahreszeitraum. «Wir befinden uns an vorderster Front, also sind wir die ersten, die unter einer Eskalation leiden», sagt Gordiyuk. Mehr als 40 000 Soldaten hat Russland zuletzt an seiner Grenze zur Ostukraine stationiert, dasselbe sei auf der Halbinsel Krim geschehen, erklärt Iuliia Mendel, die Sprecherin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. «Ich hoffe, der Präsident wird auf friedliche Weise einen Ausweg finden, um eine Eskalation zu vermeiden. Heute liegt die Verantwortung auf politischer Ebene und in der Bereitschaft unserer europäischen Partner, ihre Unterstützung durch Taten zu beweisen», sagt Lenko. Die Vereinten Nationen schätzen, dass derzeit 3,4 Millionen Menschen in der Nähe der Front leben und humanitäre Hilfe benötigen. Nowhorodske ist eine von vielen Siedlungen, die aufgrund
«New York» steht auf dem Schild an der Tankstelle eingangs des Heimatortes von Nadiya Gordiyuk (links) und Tatiana Krasko.
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des andauernden Krieges, der Checkpoints, der Landminen und nun auch noch der Coronakrise entweder ganz oder teilweise von der Umgebung isoliert sind. Dazu kommen Probleme in der Stromund Wasserversorgung, Arbeitslosigkeit, Armut, Abwanderung. Tatiana Krasko, die bis Anfang April – bis zur Einsetzung der zivil-militärischen Verwaltung – Gemeinderatssekretärin war, sorgt sich nicht nur um den Krieg. Auch die HIV-Infektionen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. «Die Arbeitslosigkeit hat den Drogenkonsum angekurbelt», erklärt die 45-Jährige. Vor allem Männer seien betroffen. Ebenfalls hoch ist die Zahl von Lungenkrebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Grund dafür liegt laut Krasko auf der Hand. Seit Jahrzehnten arbeiten die Menschen in der Gegend im Phenolwerk oder in der Quecksilberfabrik im nahe gelegenen Horlivka. Dabei bergen diese Betriebe ein zusätzliches Risiko für die Umwelt, denn im Falle eines Schadens könnten Chemikalien auslaufen und den Boden und die umliegenden Flüsse vergiften. Müde und doch optimistisch Und dann kam zu allem anderen Corona. Vor allem in der Nachbarstadt Torezk sind die Infektionszahlen in letzter Zeit angestiegen. «Es gibt viele einsame ältere Menschen hier, und da es keine Lieferservices gibt, sind diese Menschen gezwungen, das Haus zu verlassen und selbst zur Apotheke oder ins Geschäft zu gehen», sagt Krasko. «In vielen Fällen können kranke Menschen keine Selbstisolation einhalten.» Tests werden an jenen durchgeführt, die Symptome haben. Doch seit Beginn der Pandemie gibt es Probleme mit der Verfügbarkeit von Masken, Desinfektionsmitteln und Medikamenten. «Unabhängige Organisationen haben damit begonnen, Masken zu nähen und sie an das Krankenhaus, das Postamt und an die Geschäfte verteilt», erzählt sie. Als Leiterin einer lokalen Frauen-Initiative engagiert sich auch Krasko für die Umbenennung von Nowhorodske in New York. Unter anderem kümmert sie sich um die Souvenirs: Kühlschrankmagnete mit Bildern von lokalen Sehenswürdigkeiten, wie öffentlichen Gebäuden, dem Park und Wohnhäusern, die von deutschen Siedler*innen gebaut wurden. Besagte Gebäude befinden sich in einer Strasse, die früher «Gartenstrasse» hiess. Die Architektur der Häuser ist für die Ostukraine ungewöhnlich, da sie sich an den Herkunftsorten der ersten deutschen Siedler*innen orientierte: Die Wände sind dick und es gibt massive Keller. Keller, die in Kriegszeiten Leben retten. «Ich bin müde und ich möchte, dass das alles endet. Ich habe keine Kraft mehr dafür und ich will nicht immer in ständiger Angst leben», sagt Krasko. Sie versucht derzeit, keine Nachrichten zu lesen oder zu sehen. Den Optimismus, den sie Ende 2019 an den Tag legte, hat sie trotzdem nicht verloren. Damals führte sie durch die Strassen, zeigte begeistert die örtliche Tankstelle, an der ein Schild mit dem Namen «New York» angebracht ist. «Wir geben nicht auf», sagt sie. «Wir haben eine schwache Hoffnung, dass man uns den historischen Namen gerade jetzt zurückgibt, damit die Situation nicht eskaliert.» Das Kulturzentrum, ein zweistöckiges rotes Gebäude im Herzen der Stadt, wurde mittlerweile fertiggestellt. Heute befinden sich darin ein Heimatmuseum, ein Veranstaltungsraum und ein kleines Gästehaus. Eine Rampe für Rollstühle wurde neben dem Eingang gebaut. Damals, als der Beton noch frisch war, haben Krasko und andere Bewohner*innen ihre Namen hineingeritzt. Surprise 499/21
«Niemand hört hin, wenn Nowhorodske beschossen wird. Aber wer würde New York angreifen wollen?» MYKOL A LENKO
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Eine Begegnung mit dem Ende Festival «Hallo, Tod!» lädt dazu ein, dem Unausweichlichen zu begegnen. Rund 50 künstlerische
Positionen zeigen auf, wie vielfältig die Auseinandersetzung mit dem Sterben sein kann. TEXT GIULIA BERNARDI
Wie gehen wir mit unserer Endlichkeit um? Dieser Frage widmet sich das Festival «Hallo, Tod!», das Ende Mai an verschiedenen Standorten in Zürich stattfindet und im Netz durch digitale Formate ergänzt wird. Die Idee dazu entstand bereits vor zwei Jahren und hat im Zuge der Pandemie noch an Gewicht gewonnen. Lanciert wurde das sechstägige Event von der Kulturbande, einem Netzwerk von Kulturschaffenden, das sich seit seiner Gründung der Erforschung des gesellschaftlichen Wandels verschrieben hat. «Obwohl Sterben und Tod durch die Pandemie vermehrt thematisiert werden, bleiben sie oft abstrakt», sagt Andrea Keller, Mitinitiatorin des Festivals. «Mit ‹Hallo, Tod!› möchten wir Räume und Anknüpfungspunkte schaffen, welche die Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen.» Entsprechend sollen Lesungen, Performances und Gespräche unterschiedliche Perspektiven eröffnen, aber auch die Möglichkeit geben, gemeinsam einen besseren Zugang zum Thema zu finden. Ausserdem werden künstlerische Formate durch Beiträge verschiedener Institutionen ergänzt, 22
die sich professionell mit den Thema Sterben, Suizid oder der damit verbundenen Care-Arbeit beschäftigen. Darunter etwa Pro Senectute, die Suizidprävention des Kantons Zürich oder Verbände wie Hospize Schweiz oder Palliative ZH+SH, wobei die Fachpersonen im Rahmen von virtuellen Vorträgen ihr Wissen teilen und Fragen beantworten. Musik auf dem Friedhof Der Auswahl der künstlerischen Beiträge ging ein öffentlicher «Call for Projects» voraus. «Wir wollten nicht alleine darüber bestimmen, wie das Thema verhandelt werden soll», sagt Andrea Keller und fügt mit einem Schmunzeln an: «Wir hätten nie gedacht, so viele Eingaben zu erhalten. Ursprünglich hatten wir mit etwa 40 Projekten gerechnet, am Ende waren es fast doppelt so viele.» Entsprechend musste das Festival von drei auf sechs Tage verlängert werden. «Einerseits hat uns bei der Auswahl die Motivation interessiert, die hinter den Projekten steckt. Andererseits war uns wichtig, dass das Thema mit einer gewissen Sorgfalt behandelt Surprise 499/21
FOTOS: CORINNE KOCH
wird.» Einige Projekte sind an persönliche Erfahrungen der Künstler*innen geknüpft, andere gehen auf eine lange Auseinandersetzung mit dem Tod zurück. Die Band GRABER von Jan Graber, Sara Schär und Stefano Mauriello ist ein Beispiel dafür. Aus einer persönlichen Neugier heraus begann sich der Komponist und Musiker Jan Graber vor rund fünfzehn Jahren im Rahmen des Projektes «Tod gesagt» dem Thema zu widmen und fing an, seine gesprochenen Gedichte mit düsteren oder sphärischen Klängen zu ergänzen. Am Eröffnungsabend spielt die Band aus ihrem neuesten Album «Schattenklang». Jan Graber sagt, dass die Beschäftigung mit dem Tod ihm nicht nur künstlerisch, sondern auch persönlich viel gebracht habe: «Ich bin gelassener geworden, habe weniger Berührungsängste.» Ihr Album ist aber nicht nur als ernste, sondern auch als humorvolle Herangehensweise zu verstehen, wie es etwa in einem ihrer früheren Lieder «Der Henker» deutlich wird. «Darin geht es um all die absurden Dinge, die der Mensch tut, um dem Tod zu entkommen. Damit möchten wir der Tragik etwas Leichtigkeit geben.» Letzten Sommer trat die Band auch mit Friedhofskonzerten in Erscheinung. «Dieses Format war der nächste logische Schritt in unserer Arbeit», sagt Jan Graber und fragt sogleich: «Was bedeutet es, für die Toten zu spielen? Was bedeutet es für uns als Musiker*innen, wenn wir plötzlich zwischen den Gräbern stehen?» Die Rückmeldungen reichten von Neugier über Verwunderung bis zu Empörung. «Der Begriff der Totenruhe wird oft als die Art und Weise verstanden, wie wir trauern sollten, obwohl es sich dabei lediglich um eine rechtliche Definition handelt.» Dabei greift Jan Graber auch die Überlegung auf, dass nicht etwa der Tod tabuisiert wird, sondern vielmehr die damit einhergehende Trauer. «Einerseits haben wir einen grossen Respekt vor dem eigenen Verlust, möchten andererseits aber auch nicht mit dem Verlust anderer Personen konfrontiert werden. Das hemmt uns, darüber zu sprechen.»
mir dein Lied vom Tod» hat sie Personen, die sich emotional nahestehen, ein Kartenset mit Fragen gegeben: Wie stellt man sich den Tod vor? Was bleibt von einem? Diesen und weiteren Überlegungen stellen sich die Protagonist*innen – Mutter und Tochter, Geschwister oder Partner*innen. «Während der Gespräche war viel Nähe spürbar, was mich sehr berührt hat», erinnert sich Livia Vonaesch. «Ich fände es schön, würden wir den Tod mehr in unsere Beziehungen integrieren.» Das Projekt war nicht nur für die Involvierten, sondern auch für die Dokumentarfilmerin sehr persönlich: Denn die Protagonist*innen verhandelten jene Fragen, die sie ihrer Familie gestellt hatte, als sie vor einigen Jahren erfuhr, dass sie an Krebs erkrankt war. «Damals stand der Tod plötzlich im Raum und mit ihm die unweigerliche Frage: Wie gehe ich damit um?» Auf diese Frage können sich auch die Besucher*innen des Festivals einlassen, beispielsweise indem sie sich das Kartenset nach Hause liefern lassen. Ausserdem hat Livia Vonaesch mit Katrin Sperry und Mike Krishnatreya die Performance «*sterbe wohl» initiiert. Dafür entwickelten sie zusammen mit Tänzer*innen und Performer*innen basierend auf deren Auseinandersetzung mit dem Tod verschiedene Charaktere, die mit dem Publikum interagieren. «Es ist eine Anregung, sich dem Thema zu stellen, um Gedanken zur Sprache zu bringen, um die passenden Worte dafür zu finden.» «Hallo, Tod!» Festival, Di, 25. bis So, 30. Mai, in Zürich und im digitalen Raum. www.hallo-tod.com
Langsamer Abschied Einen weiteren und sehr persönlichen Beitrag liefert die Autorin und Illustratorin Laura Munteanu. Während vier Jahren schrieb sie Gedichte über ihre an Alzheimer erkrankte Grossmutter. «Ich habe versucht, meine Gefühle zu verarbeiten – die Tatsache, dass ein geliebter Mensch immer weniger der Person gleicht, die ich mal gekannt habe», sagt Laura Munteanu. «Die Gedichte haben mir geholfen, Abschied zu nehmen. Ich weiss noch, wie ich plötzlich realisiert habe, dass das Gedicht, welches ich gerade schrieb, das letzte sein wird, ohne dies vorher beabsichtigt zu haben.» Im Rahmen einer Lesung wird sie nun erstmals einige ihrer «Poems to say goodbye» rezitieren. «Das Vorlesen wird mir sehr nahe gehen, aber gleichzeitig scheint mir dieser persönliche Bezug notwendig: Wie sonst sollte ich das Thema verhandeln?» Mit ihrer Lesung möchte Laura Munteanu einen inklusiven Ort schaffen, in dem persönliche Gedanken zur Sprache gebracht werden können. Einen Raum dafür kreierte auch Livia Vonaesch in ihrem Dokumentarfilm, von dem einige Ausschnitte während eines Online-Screenings zu sehen sind. Für «Erzähl Surprise 499/21
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«Eine Chance für Schweizer Filme» Film Die Kinos sind wieder geöffnet. Finanziell lohnt es sich für die meisten nicht.
Die Branche wertet die Öffnung aber als positives Zeichen ans Publikum. EINSTIEGSTEXT DIANA FREI
Nachdem die letzten Monate von wiederholt verschobenen Filmstarts geprägt waren, sind die Kinos mit Auflagen nun wieder geöffnet. Folgt jetzt das grosse Gerangel um freie Leinwände? René Gerber von ProCinema, dem Schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih, verneint. «Es gibt einige Verleiher, die ihre Filmstarts bis in den Herbst verschoben haben, weil die Situation noch immer unsicher oder mit den Auflagen zu unattraktiv ist. Und es ist auch weniger produziert worden.» Ausserdem fehlen zu einem grossen Teil nach wie vor die Mainstreamfilme, die noch keinen internationalen Start hatten – und so auch in all jenen Ländern nicht gezeigt werden, wo die Kinos wieder geöffnet sind. Blockbuster sind zurzeit also dünn gesät – was wiederum für kleinere Schweizer Filme eine Chance sein kann. Normalerweise ist das Verhältnis deutlich: Pro Jahr werden durchschnittlich 70
Dilemma der Selbstverwirklichung Regisseurin Johanna Faust weiss nicht mehr weiter. Die Mutter von zwei kleinen Söhnen und einer fast erwachsenen Tochter tut sich schwer mit der Entscheidung, ob sie in Ox-
FILMTEXTE MONIKA BETTSCHEN
bis 80 Schweizer Filme von gesamthaft 500 Filmen gestartet, sie machen damit also 15 bis 20 Prozent aus. Jetzt müssen Kinobetreiber*innen flexibel auf das vorhandene Angebot reagieren. «Die Situation gibt kleinen Filmen die Chance, auf vielleicht 30 bis 45 Leinwänden zu starten, statt nur auf 10 wie üblicherweise. Damit zerfliesst ein Stück weit auch die Abgrenzung von Arthouse und Mainstream», sagt Gerber. Finanziell lohnt sich die Kinoöffnung für fast niemanden. «Es ist nicht möglich, ein Kino mit den geltenden Auflagen rentabel zu betreiben. Umso wichtiger sind die Unterstützungsmassnahmen des Bundes, die weiterhin in Kraft sind», sagt Gerber. Die Branche sei trotz allem erleichtert: «Man will für das Publikum da sein.» Deshalb haben wir einige Arthouse-Filme herausgepickt, die es sich zu sehen lohnt.
Frage auf, wie Kindererziehung aufgeteilt werden müsste, um beiden Elternteilen – durchaus auch in ihrem Streben nach Selbstverwirklichung – gerecht zu werden. Johanna Faust: «I’ll Be Your Mirror» Dokumentarfilm, CH 2019, 91 Min. Läuft zurzeit im Kino.
ford ihren Master in Kunst nachholen soll. Würden ihre Kinder durch ihre Abwesenheit Schaden nehmen? Ratsuchend wendet sich Faust zu Beginn von «I’ll Be Your Mirror» an ihre Mutter. Denn die fand ebenfalls keine echte Erfüllung in der Mutterschaft und wanderte in die USA aus, als Johanna und ihre Geschwister volljährig waren: Sie verliess die Familie, um sich selbst zu verwirklichen. Die Kinder wurden oft einfach abgeschoben und vernachlässigt. Faust bezieht die ganze Familie eng in ihre Antwortsuche mit ein. Diese verwandelt sich in Amerika in einen Roadtrip, der alle an ihre Grenzen bringt, aber auch gegenseitiges Verständnis schafft. Der Film sucht keine Schuldigen, sondern wirft die wichtige 24
Endstation für den Güterbahnhof Die Hand eines Bauarbeiters greift durch ein Loch nach einem Vorhängeschloss, so, als wolle ein Häftling aus seiner Zelle ausbrechen, obwohl das hier geplante Gefängnis noch gar nicht steht. Wo der alte Güterbahnhof in Zürich das Erscheinungsbild der Stadt ab 1897 geprägt hat, fahren im Mai 2013 die Bagger auf. Gierig verbeissen sich ihre stählernen Kiefer im historischen Gemäuer und machen es dem Erdboden gleich. Von seinem Fenster aus filmte Thomas Imbach den Abbruch sowie die an-
schliessenden, sich über Jahre hinziehenden Bauarbeiten. In der so entstandenen filmischen Chronik sinniert er aus dem Off über die Vergänglichkeit und über den Zweck des Neubaus, während die Tagesund Jahreszeiten langsam vergehen. Der Güterbahnhof musste einem neuen Polizeiund Justizzentrum inklusive Gefängniszellen weichen. In «Nemesis» reihen sich während über zwei Stunden Bilder von erschütternder Schönheit und Wehmut aneinander, die dem alten Güterbahnhof, und damit einer ganzen Ära, ein bewegendes Denkmal setzen. Thomas Imbach: «Nemesis» Dokumentarfilm, CH 2020, 132 min. Läuft ab 27. Mai im Kino.
Das Gewicht des Heimwehs Wer einen Drucker bestellt, landet vielleicht in der Leitung von Marcel Vögtli. Nur sitzt der nicht in einem Schweizer Büro, sondern in Istanbul und heisst eigentlich Duran. Seit der straffällig gewordene Kurde aus der Schweiz ausgewiesen wurde, verlässt er seine Wohnung nur zum Arbeiten – aus Angst, bei einer Ausweiskontrolle ins Militär eingezogen zu werden. Via Skype versucht er, die Beziehung zu seiner Schweizer Frau und dem kleinen Sohn zu pflegen. Surprise 499/21
BILD(1): CINEWORX, BILD(2): FRENETIC, BILD(3): CINEWORX, BILD(4): FRUITMARKET/LANGFILM/IIPM/ARMIN SMAILOVIC, BILD(5): FILMBUERO, BILD(6): XENIX FILMDISTRIBUTION
Sagnet, zieht Jesus durch Matera, klärt die Leute über ihre Grundrechte auf, erwählt seine Apostel und startet eine «Rivolta della dignità», eine Revolte der Würde. Dabei ist Sagnet, der Darsteller, seinerseits Politaktivist aus Kamerun, der selbst auf den Feldern arbeitete und später den grössten Streik in der italienischen Landwirtschaft organisierte. Auch Mustafa und Vedat wurden in die Türkei ausgeschafft: Mustafa schon vor 25 Jahren wegen schwerer Verkehrsdelikte, Vedat vor sechs Jahren wegen Drogen- und Gewaltdelikten. Während der ältere Mustafa konkreten Fragen ausweicht, sprechen die beiden jüngeren Männer in Jonas Schaffters Dokumentarfilm «Arada» offen über ihre Taten, Schwächen und Ängste. Beide arbeiten im Telefonmarketing. Perspektivenlosigkeit und Heimweh nach der Schweiz lasten schwer auf ihnen. «Arada» bedeutet im Türkischen «dazwischen» – und so präsentiert sich auch die Umgebung, in der die drei Männer heute leben. Schaffter sind drei ehrliche Porträts gelungen, die die Schweizer Ausschaffungspraxis hinterfragen, aber auch die begangenen Delikte thematisieren.
Milo Rau: «Das neue Evangelium», Dokumentarfilm, D/CH/I 2020, 107 min. Läuft zurzeit im Kino.
Hauptsache Kind? Mit «Menschenskind!» von Marina Belobrovaja kommt noch ein Dokumentarfilm in die Kinos, der Familiengründung und Selbstverwirklichung verhandelt. Die Filmemacherin ist Mutter der kleinen Nelly, deren Vater sie im Internet auf der Suche nach einem Samenspender gefunden hat. Sie wollte unbedingt ein Kind, aber dafür
Jonas Schaffter: «Arada» Dokumentarfilm, CH 2020, 83 min. Läuft ab 27. Mai im Kino.
Revolte der Würde Das süditalienische Städtchen Matera war bereits unter Pier Paolo Pasolini mit Mel Gibson Schauplatz des Lebens Christi. Der Film- und Theaterregisseur Milo Rau reiht sich mit «Das neue Evangelium», Dokumentarfilm, Passionsspiel und Revolution in einem, in diese Tradition ein. Er schafft
ein kraftvolles Szenario, um der Frage nachzugehen, welchen Menschen sich ein Messias in der heutigen Zeit zeigen würde. In diesem filmischen Gesamtkunstwerk sind es die afrikanischen Migrant*innen, die rund um Matera Tomaten ernten und in ärmlichen Behausungen vor den Toren der Stadt leben. Verkörpert durch Yvan Surprise 499/21
Gequälte Künstlerseele Als uneheliches Kind einer Italienerin hat der 1899 in Zürich geborene Antonio Ligabue schlechte Karten. Er kommt zu lieblosen Pflegeeltern, wird wegen seines Aussehens gehänselt und entwickelt psychische Störungen. Mit 19 wird er nach Italien ab-
keine Beziehung eingehen. Die Sicht des Kindes hat sie bei diesem Prozess ausgeblendet. Aber auch ihre Tochter wird irgendwann fragen: Wer ist mein Papa? Belobrovaja zeigt in ihrem Dokumentarfilm unterschiedliche Familienmodelle und trifft Menschen, die durch eine anonyme Samenspende entstanden sind. Zum Beispiel die Psychologin Anne, die sagt, es bereite ihr «ethische Bauchschmerzen», wenn Menschen den eigenen Kinderwunsch höher gewichten als das Kind, das später einmal Fragen nach der eigenen Identität stellen wird. Marina Belobrovajas in Israel lebende Familie hingegen hat ihr Vorgehen gutgeheissen, Hauptsache ein Kind, erzählt die Regisseurin im Film. «Menschenskind!» zwingt jene, die um (fast) jeden Preis ein Kind wollen, zu einer selbstkritischen Güterabwägung. Marina Belobrovaja: «Menschenskind!» Dokumentarfilm, CH 2021, 82 min. Läuft ab 13. Mai im Kino.
geschoben, wo er in einer Waldhütte haust, bis ihn der Bildhauer Marino Mazzacurati bei sich aufnimmt – und das Talent dieses Mannes entdeckt, der später mit seinem Werk zwischen Art Brut und Expressionismus als der «Schweizer Van Gogh» bekannt werden sollte. Regisseur Giorgio Diritti taucht in seinem Biopic «Volevo nascondermi» tief in die seelischen Qualen von Ligabue ein und setzt diesen erhabene Einstellungen von italienischen Landschaften und Orten gegenüber. Elio Germanos Darstellung des von inneren Dämonen gequälten Künstlers wurde 2020 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Giorgio Diritti: «Volevo nascondermi» Spielfilm, mit Elio Germano, Pietro Traldi, Orietta Notari u.a., I 2020, 120 min. Läuft zurzeit im Kino.
Verlosung Wir verlosen 4×2 Kinogutscheine. Offeriert werden sie von ProCinema, Schweizer Verband für Kino und Filmverleih, unterstützt wird die Aktion #BackToCinema vom SFVJ, dem Schweizerischen Verband der Filmjournalist*innen. Senden Sie uns eine E-Mail oder Postkarte mit dem Betreff «Kinogutschein» an: Surprise Strassenmagazin, Münzgasse 16, 4051 Basel oder info@surprise .ngo. Einsendeschluss ist der 31. Mai 2021. Die Gewinner*innen werden ausgelost und schriftlich benachrichtigt. Viel Glück! Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Ihre Adressdaten werden nicht an Dritte weitergegeben und ausschliesslich von Surprise verwendet.
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BILD: RIO WERNER HAUSER
Veranstaltungen
Winterthur «System Reset – Werkzeuge für eine bessere Arbeitswelt», interaktive Installation, bis So, 17. Oktober, Do bis Sa 10 bis 18 Uhr, Mi 12 bis 18 Uhr, So 10 bis 17 Uhr, Museum Schaffen, Lagerplatz 9. museumschaffen.ch
Moment anhört. Etwas abseits vom Normalen und Gleichförmigen gibt man sich nämlich nicht mit Mainstream zufrieden: Seit die Theaterfrau Gunda Zeeb – man kennt sie vom Theaterhaus Gessnerallee und vom Performance-Festival Stromereien in Zürich – das Festival übernommen hat, ist es zu einem internationalen Theatertreffen geworden, das mit neuen Theater-Formen exDIF periment.
Zürich «Misch dich ein!», Fokusmonat von Tsüri und Urban Equipe; Parcours, Sa, 8. Mai, 15 bis 18 Uhr, diverse Standorte, Kreis 3/4/5, «Züri brännt witer!», Do, 20. Mai, 18 bis 20 Uhr, «Recherchathon», Di., 25. Mai, «Earth Activist Workshop», Mi, 2. Juni, 18 bis 21 Uhr. Ganzes Veranstaltungsprogramm auf tsüri.ch/einmischen Im Frühjahr 2020 trifft Covid-19 eine Welt, die globalisiert, verflochten, extrem arbeitsteilig und mobil ist. Die Pandemie fordert die Wirtschaft heraus, die Gesellschaft, die Menschen. Die einen prophezeien das Ende des Büros und die Auflösung der herkömmlichen Lohnarbeit, die anderen sehnen sich die alte Normalität zurück. Das Museum Schaffen beleuchtet mit der Ausstellung «Eins Zwei Drei 4.0» die Veränderungen der Arbeitswelt im Kontext der industriellen Revolutionen. Der Blick in die Vergangenheit kann aufschlussreich sein. Wir erfahren, wie die Industrialisierung zur Entwertung der Hausarbeit beigetragen hat oder wie aus früheren Krisen in Winterthur Neues entstanden ist. Die vierte industrielle Revolution bringt nun neue Chancen und Gefahren, Hoffnungen und Ängste mit sich: Nehmen uns Roboter die Arbeit weg? Verschmelzen Arbeit und Freizeit? Ist Fühlen das neue Führen? – Diese Ausstellung wird mit «System Reset» um die Frage erweitert, wie die Arbeitswelt der Zukunft gestaltet werden soll. Hier werden in den letzten Monaten gesammelte Besonderheiten der Corona-Zeit betrachtet: zum Beispiel die Frage, wer die Spargeln sticht, wenn die Osteuropäer*innen weg sind. Oder schmutzige Tricks im Homeoffice. DIF
Online «43. Solothurner Literaturtage», Fr, 14. bis So, 16. Mai; Eröffnung Do, 13. Mai, 18 Uhr (online, gratis, ebenso wie die Preisverleihungen). Tickets online, beschränkte Platzzahl bei interaktiven Veranstaltungen via Zoom. literatur.ch Manchmal kann ein Völkerkundemuseum dasselbe wie das Yogastudio an der Ecke. Nämlich Bewusstsein schaffen für den eigenen Körper, den Geist zur Ruhe kommen lassen, zu geschmeidigen Bewegungen anleiten. Kann man im Kalligraphie-Workshop mit der Künstlerin Yamaoto Iku haben. Die Ausstellung dazu heisst «Kleine Brücke», aber auf Japanisch sieht das viel schöner aus. Und wenn wir 26
schon bei der Völkerkunde sind, vom 1. bis 3. Juni findet noch eine andere Veranstaltung statt und stellt fest: Irgendwie ist der menschlichen Gesellschaft die Natur als äusserer Rahmen abhandengekommen. Frage dazu: Wie reagieren Kunst und Theorie darauf? Mit kleinen Brücken vielleicht? DIF
Online «Mind the Gap — Lücken im Sozialsystem und deren Folgen», Gesprächsabend, Mo, 31. Mai, 19 Uhr, Livestream auf dem Youtube-Kanal des St. Anna Forum. stiftung-eg.ch/st-anna-forum Das Wildwuchs Festival in Basel konzentriert sich auf Themen von Randgruppen. Und das ist sehr viel erfrischender, als es sich im ersten
Das Stadtmagazin Tsüri.ch und der Verein Urban Equipe veranstalten im Mai gemeinsam den Fokusmonat «Misch dich ein!» rund um die Themen Aktivismus und zivilgesellschaftliches Engagement. Dazu gibt es eine ganze Reihe an Veranstaltungen: Auf einem Parcours öffnen rund dreissig Organisationen, Initiativen und Kollektive ihre Türen und laden interessierte Zürcher*innen zum Vorbeischauen ein. Am Earth Activist Workshop lernt man von der Organisation Empathie Stadt Zürich, trotz aktivem Engagement nicht auszubrennen. Auf dem Spaziergang «Züri brännt witer» unterhalten sich Zeitzeug*innen der 80er-Jugendunruhen mit Aktivistinnen des
Frauenstreiks über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Bewegungen. Das Stadtmagazin Tsüri.ch wurde 2015 von einer Gruppe junger Journalist*innen gegründet. Die Urban Equipe ist ein Zusammenschluss aus Aktivist*innen, die sich für konkrete Mitwirkung in der Stadtentwicklung einsetzen. DIF
Basel «Wildwuchs Festival», Theaterfestival, Do, 27. Mai bis So, 6. Juni, Kaserne Basel, Klybeckstrasse 1b. wildwuchs.ch Wildwuchs ist wild. Und grenzenlos vielfältig. Vor 20 Jahren als eines der ersten inklusiven Festivals in der Schweiz gegründet, hat sich Wildwuchs längst als wichtige Stimme in der Festivallandschaft etabliert. Dieses Jahr schickt uns Anna Tschannen mit «Haarig – Kultur im Alltag» auf einen 20-minütigen Audiowalk. Die Künstlerin und Coiffeuse schneidet mit ihrem mobilen Coiffeur-Salon seit vierzehn Jahren Wohnungslosen die Haare und ist dabei nebenher zur Chronistin ihrer Lebensgeschichten geworden. Radio WildwuX sendet zudem täglich von 13 bis 18 Uhr live aus der Kaserne Basel (auf Radio X), gestaltet und moderiert von Kunstschaffenden, Radioprofis und Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Unter dem Titel «Are you lonesome tonight?» wiederum zeigen Tänzer*innen, Performer*innen, Artist*innen und Musiker*innen Solos aller Art. Und in der Installation «Stricken» von Magda Korsinsky reden afrodeutsche Frauen über Rassismus und familiäres Erbe. DIF
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gen des Lebens geredet, etwa die Vor- und Nachteile der beruflichen Selbständigkeit, während nebenan eine junge Frau in schönstem Schweizerdeutsch-Italienisch-Gemisch telefoniert. Das Einkaufszentrum umfasst ein Hotel und Wohnungen. In eine wird ein Paket geliefert. Symbolträchtig für den Umbruch im Detailhandel, dass selbst die Leute, die im Einkaufszentrum wohnen, im Internet bestellen. Auf der anderen Seite des Zentrums stehen in den Fahrradständern ausschliesslich elektrische Leihscooter. Beliebt für die Hinfahrt, unpraktisch, um mit Einkäufen beladen wieder heimzufahren. Etwas aus der Zeit gefallen wirkt der Name Illuster, ein altmodisches Wort, dessen Bedeutung nicht mehr geläufig ist. Möglich, dass in den Achtzigerjahren, als im damals populären Hiphop das englische Wort «ill» oft verwendet wurde, die Jugend das Einkaufszentrum als Ill-Uster bezeichnete und darum irgendwie cool fand, weil es so viel wie Krass-Uster bedeutete.
Tour de Suisse
Pörtner in Uster Surprise-Standorte: Zentrum Illuster Einwohner*innen: 34 722 Sozialhilfequote in Prozent: 1,8 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 23 Platz im Ranking der Städte mit tiefster Sozialhilfequote: 2 (hinter Zug, 1,5 Prozent)
Dieses Einkauszentrum gibt es schon lange, Anfang der Siebzigerjahre ist es eröffnet worden, zusammen mit dem schräg gegenüberliegenden Einkaufszentrum Uschter77. Letzteres wird zurzeit umgebaut und ist mit Bauabschrankungen abgeriegelt. Das hat man hier schon hinter sich, das Zentrum wurde vor ein paar Jahren neu eröffnet und ist durchaus modern, erinnert an ein Raumschiff, das in der Stadt vor Anker liegt. Im Innern ist es allerdings ziemlich düster. Die Weinprobe verläuft harzig, niemand will sich um diese Zeit animieren lassen, Wein zu kosten oder mehr über die Vorzüge eines neuen Verschluss-Systems zu erfahren. Möglich, dass Wein ein Image- und Absatzproblem hat, denn zurzeit steckt hinter jeder unbekannten Handynummer eine Umfrage zum Thema Wein. Erklärungen, dass es auf die GeleSurprise 499/21
genheit ankomme, ob roter oder weisser Wein bevorzugt werde, werden bei diesen nicht akzeptiert, man muss sich festlegen. Entweder oder. Die Sonne scheint, es ist endlich warm und die Terrassen sind wieder offen, auch die der zentrumseigenen Verpflegungsstätte. Ein paar einzelne Tische zumindest, die allerdings auf der Schattenseite des Zentrums liegen, weshalb sie unbenutzt bleiben. In der Sonne liegt die Pfingstgemeinde. Der Imbiss, der sich im Untergeschoss befindet, heisst Mystery; möglich, dass dort rätselhafte Speisen erworben werden können oder die Speisekarte in Rätselform gehalten ist. Auf der Bank vor der Kleiderboutique wird die Mittagspause verbracht und über wichtige Fra-
Gegenüber werden zwei Hochhäuser gebaut und als urbanes Wohnen angepriesen. Ende der Siebzigerjahre wurden Hochhäuser im Schweizer Fernsehen als eher triste Beispiele des modernen Lebens gezeigt und mit dem Hochhus-Blues besungen. Nun hat sich ihr Image verbessert, verdichtetes Wohnen ist wieder zeitgemäss. Auf derselben Strassenseite befindet sich eine etwas in Jahre gekommene Überbauung mit kleinen Geschäften. Es gibt unter anderem einen Zigarrenladen, ein Solarium, ein Reisebüro und einen Nachtklub. Gut möglich, dass dieser Abschnitt, der eine leicht heruntergekommene, aber resiliente Urbanität repräsentiert, als Nächstes abgerissen und modernisiert wird. Das wäre allerdings schade.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
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Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.
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Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?
Wussten Sie, dass einige unserer Verkäufer*innen fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.
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Madlen Blösch, Geld & so, Basel
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Brother (Schweiz) AG, Dättwil
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Beat Vogel, Fundraising-Datenbank, Zürich
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Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Andery-Reiseleitungen, Brugg und Zug
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wag GmbH, www.wag-buelach.ch
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debe: www.dorisberner.ch
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Schweizerische Kriminalprävention SKPPSC
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Breite-Apotheke, Basel
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Coop Genossenschaft, Basel
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EVA näht: www.naehgut.ch
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Restaurant Haberbüni, Bern-Liebefeld
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AnyWeb AG, Zürich
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Echtzeit Verlag, Basel
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Beat Hübscher, Schreiner, Zürich
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Lebensraum Interlaken GmbH
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Büro Dudler, Raum- und Verkehrsplanung, Biel
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Yogaloft GmbH, Rapperswil SG
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unterwegs GmbH, Aarau
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Infopower GmbH, Zürich
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Hedi Hauswirth, Privatpflege, Oetwil am See
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Gemeinschaftspraxis Morillon, Bern
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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo
Negasi Garahlassie gehört unterdessen schon fast zum Winterthurer Stadtbild. Seit rund 15 Jahren ist Negasi Garahlassie als Surprise-Verkäufer tätig. Entweder verkauft der gebürtige Eritreer seine Magazine auf dem Wochenmarkt oder am Bahnhof Winterthur. Der Arbeitstag des 64-Jährigen beginnt frühmorgens und dauert meist so lange, bis der abendliche Pendelverkehr wieder abgenommen hat. Zusammen mit seiner Frau und seinen zwei erwachsenen Söhnen ist er auf das Einkommen des Strassenmagazinverkaufs angewiesen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das SurPlus-Programm unterstützt ihn dabei: Mit Krankentaggelder, bezahlten Ferientagen und einem Abonnement für den öffentlichen Nahverkehr.
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Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 16 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.
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Wir alle sind Surprise #496: 20 Jahre Sozialabbau
#496: 20 Jahre Sozialabbau
«Beiderlei Seiten»
«Ausbeutung»
Einmal mehr – einseitig! Sie sollten wirklich einmal lernen, die Welt von beiderlei Seiten zu betrachten, dass nennt man erwachsen sein.
#496: 20 Jahre Sozialabbau
#497: «Ich hatte keine Vorbilder»
«Richtungsweisend»
Lob und Tadel
Leider habe ich keine Freude mehr an Ihrer richtungsweisenden politischen Ausrichtung im Surprise. Ich werde in Zukunft leider kein Heft mehr kaufen und auch der Verkäuferin sagen, warum nicht. Bringen Sie doch hochwertige kulturelle, geschichtliche oder landschaftliche Themen, die spannend und nicht politisch sind, dann gibt es ganz bestimmt mehr Käufer, davon bin ich überzeugt.
Der Artikel über Manuel Borner war sehr interessant und sein Werdegang hat mich sehr beeindruckt. Ganz herzlichen Dank dafür. Aber die Kolumne von Fatima Moumouni ist einfach inhaltlich billig und ein unsägliches Geschwätz.
Habe die Zeitung durchgeblättert und mich geärgert. Die Macher verbreiten darin ungehemmt ihre extrem linken Meinungen und verunglimpfen alle Andersdenkenden. Warum Sie zur Verbreitung ausgerechnet die Strassenverkäufer einsetzen, die grösstenteils nicht einmal verstehen, worum es in dieser Zeitung geht, ist nicht einleuchtend. Es erscheint mir eine Ausbeutung dieser Leute, die froh sind, ein bisschen was zu verdienen, und so stehen sie bei Wind und Wetter und erregen das Mitleid der Einkaufenden. Das grenzt doch an Irreführung der Bürger, die glauben, mit 6 Franken die Verkäufer zu unterstützen. Aber so dumm können wir bürgerlich Denkenden doch nicht sein, dass wir uns im Heft verunglimpfen lassen und dafür auch noch Geld bezahlen. Von nun an gilt für mich: Nur die allergrössten Kälber wählen ihre Metzger selber.
G. BAUER-GERSPACH, Kt. Zürich
E. SCHREYGER, Ebmatingen
H. HA AS-GR AF, Hölstein
RÖLLIN, Zürich
Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Sara Winter Sayilir (win) Klaus Petrus (kp), Diana Frei (dif) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Giulia Bernardi, Dina Hungerbühler, Elena Knecht, Sandra Pandevski, Daniela Prugger, Benjamin von Wyl Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach
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FOTO: BODARA
Surprise-Porträt
«Ich bete o für meine Gesundheit» «Ich heisse Yemane Berhe Hagos, bin 55 Jahre alt und lebe seit neun Jahren in der Schweiz. Ursprünglich komme ich aus einer kleinen Stadt in Eritrea. Dort musste ich fünf Jahre ins Militär. In Eritrea ist der Militärdienst fast wie ein Gefängnis. Dein Leben ist fremdbestimmt, und du weisst oft nicht, wie lange das noch so geht. Als ich es nicht mehr ausgehalten habe, bin ich in den Sudan und von dort über Libyen und das Mittelmeer in die Schweiz geflohen. Damals wusste ich nicht, auf was ich mich einlasse. Würde ich jetzt in mein Land zurückkehren, wäre ich dort ein Verbrecher, man würde mich ins Gefängnis werfen. Das macht die Regierung mit den meisten Soldaten, die das Land verlassen. Darum bin ich sehr froh, dass ich in der Schweiz leben darf. Meine Frau, meine 17-jährige Tochter und mein 15-jähriger Sohn leben noch immer in Eritrea. Ich vermisse meine Kinder sehr. Ich habe sie seit neun Jahren nicht mehr gesehen, der einzige Kontakt läuft über sporadische Telefonate. Ich befürchte, dass auch mein Sohn schon bald in den Militärdienst eingezogen wird. Ich wäre glücklich, wenn meine Kinder auch in die Schweiz kommen könnten. Meine Frau möchte aber das Land nicht verlassen. Sie möchte lieber, dass ich Geld nach Hause schicke. In Eritrea war ich Schreiner und konnte diese Arbeit zuerst auch in der Schweiz verrichten. Seit vier Jahren leide ich jedoch an Diabetes, ich muss mir jeden Tag Insulin spritzen und habe psychische Probleme, die ich mit Medikamenten behandeln muss. Es schmerzt mich, dass so fast kein Geld mehr für meine Kinder übrigbleibt. Zum Glück lebt meine älteste Tochter bereits in der Schweiz. Sie kam mit ihrer Tante, als ich in Eritrea noch im Militär war. Meine Tochter absolviert hier eine Ausbildung. Das macht mich sehr stolz. Leider habe ich ausser ihr nicht sehr viele Bekanntschaften in der Schweiz. Sie ist zwanzig Jahre alt und hat langsam aber sicher ihr eigenes Leben. Daher bin ich oft allein. Mit meinem Gesundheitszustand ist es sehr schwierig, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Weil ich nicht mehr als Schreiner arbeiten konnte, verlor ich noch mehr Kontakte. Seit einem Jahr bin ich nun für Surprise tätig. Ich verkaufe nicht schlecht, und ich bin froh, dass ich neben der Unterstützung des Sozialamts noch ein paar Franken dazuverdienen kann. Aber mir geht es primär nicht um das Geld. Ich musste einfach wieder aus dem Haus und mit Leuten sprechen. Wenn ich immer zuhause sitze und an meine Vergan30
Yemane Berhe Hagos, 55, verkauft Surprise in Zürich beim Coop an der Gutstrasse und wünscht sich, dass auch seine Kinder in der Schweiz leben dürften.
genheit, meine Kinder oder an meine angeschlagene Gesundheit denke, werde ich noch verrückt. Ein einfaches Hallo zu meinen Kund*innen macht schon sehr viel aus, so banal das klingen mag. Vor Corona besuchte ich oft eine eritreische Gemeinde. Vielen Leuten aus Eritrea ist ihr christlicher Glaube wichtig, und sie treffen sich gerne in der Kirche. Ich ging häufig auch allein in die Kirche, um zu beten. Nun lese zuhause in meiner Bibel oder höre eritreische Musik. Das hilft mir meistens auch. Leider macht sich mein Gesundheitszustand auch beim Surprise-Verkauf bemerkbar. Laufen bereitet mir Mühe und manchmal beginne ich zu zittern, stürze wie aus dem Nichts zu Boden. Wenn ich einen solchen Anfall habe, kann das manchmal sehr kurz, manchmal aber auch lange gehen. Es kommt schon mal vor, dass ich während zwanzig Minuten völlig weg bin und die Ambulanz gerufen werden muss. Mein Arzt hat mir empfohlen, nicht zu viel draussen zu sein. Aber für meine Psyche sind frische Luft und die Begegnungen beim Surprise-Verkauf wichtig. Ich bete oft, dass sich dieses Dilemma irgendwie lösen lässt und mein Gesundheitszustand sich bessert. Ohne Gesundheit keine Arbeit und ohne Arbeit kein Leben. Leider ist das so. Aufgezeichnet von DINA HUNGERBÜHLER
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Kultur
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BEGLEITUNG UND BERATUNG
Unterstützung
Job
STRASSENMAGAZIN Information
Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten
STRASSENFUSSBALL
Expertenrolle
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SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
Erlebnis
So schützen wir uns gemeinsam beim Magazinkauf! Liebe Kund*innen Wir sind froh, dass Sie auch in dieser schwierigen Zeit das Strassenmagazin kaufen. Damit dies so bleibt, bitten wir Sie, unsere Verkaufsregeln und die Bestimmungen des BAG einzuhalten. Vielen lieben Dank! Wo nötig tragen wir Masken.
Halten Sie Abstand.
Wir haben Desinfektionsmittel dabei.
Merci für Ihre Solidarität und danke, dass Sie uns treu bleiben. Bis zum nächsten Mal auf der Strasse. Die Surprise Verkäufer*innen.
Zahlen Sie möglichst passend.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: info@surprise.ngo