IMMOBILIEN INNOVATION

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Bauwirtschaft 12

IMMOBILIEN INNOVATION_10/2021

Aus dem Labor auf die Baustelle Bauwirtschaft – Wer Bauroboter sehen will, muss nicht zwingend nach Fernost blicken. Im internationalen Vergleich hat auch die Schweiz die Nase weit vorn – dank ihrer renommierten Forschungseinrichtungen. Wie sich die Robotik in der Praxis bewährt, beschäftigt die Baubranche derzeit intensiv. Von Anja Hall

Wer durch eine japanische Grossstadt schlendert und die unzähligen Baustellen betrachtet, dem fällt auf: Dort arbeiten sehr viele Maschinen, aber nur sehr wenige Menschen. In der Tat erlebt die Bauwirtschaft in Japan eine wahre Automatisie­ rungswelle. Laut einem Bericht der «Japan Times» stehen die grossen Baufirmen des Lan­ des vor einem massiven Problem: Sie werden bis zum Jahr 2025 weit über eine Million Bau­ arbeiter weniger haben als noch 2014; 81 Prozent der Um- Hauptgrund ist die alternde Bevölke­ rung. frageteilnehmer der Das Fehlen der Arbeitskräfte wollen die ABB-Studie wollen in Firmen wettmachen, indem sie die Pro­ den kommenden duktivität steigern –mit technischer Hil­ zehn Jahren Roboter fe. Der Baukonzern Kajima etwa setzt einführen. auf seinen Baustellen unbemannte, au­ tomatisierte Muldenkipper, Planier­ raupen und Vibrationswalzen ein, die ein Bauarbeiter mithilfe eines Tablets steuert. Sein Wettbewerber Shimizu hat einen armförmi­ gen Roboter entwickelt, der Bewehrungsstangen anhebt und so die Arbeitskraft von drei Personen einspart. Baurobotik: In der Schweiz schon weit verbreitet Dass Fachkräfte fehlen, ist indes kein typisch ja­ panisches Phänomen; es betrifft viele andere Län­ der. Der Technikkonzern ABB liess zwischen Ap­ ril und Mai dieses Jahres eine weltweite Umfrage unter 1.900 Unternehmen der Baubranche durch­ führen. Ergebnis: Neun von zehn der befragten Firmen erwarten bis zum Jahr 2030 einen Fach­ kräftemangel. Um dem drohenden Engpass zu begegnen, setzen auch sie auf Automatisierung und Robotik: 81 Prozent der Umfrageteilnehmer kündigten an, dass sie in den kommenden zehn Jahren Roboter einführen wollen.

Wie die Studie weiter ergab, nutzen bislang nur 55 Prozent der befragten Unternehmen diese neuen Technologien. Anders in der Schweiz: Laut der ABB-Studie set­ zen 88 Prozent der 200 befragten Unternehmen hierzulande Roboter und Automatisierungstech­ nologie ein, das ist der höchste Wert aller Länder in der Befragung. In den USA nutzen nur 30 Pro­ zent der Unternehmen die Möglichkeiten der Ro­ botik, in den Nachbarländern Italien (59%), Frank­ reich (45%) und Österreich (53%) ist die Lage kaum besser; in Deutschland sind es bereits 75 Prozent. Vom Einsatz von Robotern und Automatisierungs­ technologien versprechen sich die Unternehmen eine ganze Reihe von Vorteilen – insbesondere eine Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeitenden, die Gewährleistung einer gleichbleibenden Qualität, mehr Möglichkeiten für die Gebäudeplanung, weniger Materialverschwen­ dung – und nicht zuletzt eine bessere Arbeitspro­ duktivität sowie höhere Gewinnmargen. Die hohe Zahl von 88 Prozent macht zunächst stut­ zig, aber Zafer Bakir, Leiter Digitalisierung beim Schweizerischen Baumeisterverband, hält sie nicht für abwegig: «Man sollte sich nicht vorstel­ len, dass auf Schweizer Baustellen schon huma­ noide Roboter unterwegs sind», sagt er im Ge­ spräch mit dem INNOVATION Magazin. «Auch ein ganz normaler, menschenhandgesteuerter Bau­ bagger gehört per definitionem zu den sogenann­ ten teleoperierten Baurobotern – und davon ste­ hen viele auf den Baustellen hierzulande.» Auch im Modulbau finde man immer häufiger Au­ tomatisierungstechnologien. Hier ist Bakir zufol­ ge eine Standardisierung und Automatisierung besonders gut möglich. Und je mehr modular ­gebaut werde, desto mehr setze sich auch die ­Robotik durch. Der Digitalisierungsexperte beob­ achtet, dass viele Mitgliedsunternehmen des Bau­ meisterverbands derzeit den Einsatz von Bauro­ botern testen und geeignete Anwendungsfelder suchen. ETH-Forscher treiben Entwicklung voran Dass die Baurobotik schon so weit verbreitet ist, liegt nicht zuletzt an der Eidgenössischen Tech­ nischen Hochschule (ETH) Zürich, die in diesem Bereich als führend in der Forschung und Ent­


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