Immobilien 32
IMMOBILIEN INNOVATION_10/2021
«Solche Investitionen kann man nicht auf die Mieter abwälzen» Gewerbeimmobilien – Marcel Stoffel, Chef des Swiss Council of Shopping Places, über pandemiesichere Einkaufszentren, den Abschied von der Flächenproduktivität – und warum man mit einer grosszügigen Gestaltung von Centern doppelt punkten kann. Von Susanne Osadnik – Fotos: zVg
Herr Stoffel, muss der Detailhandel sich darauf einstellen, auch dann sehr genau auf Hygiene und Virensicherheit zu achten, wenn die Covid-19-Pandemie einmal überstanden ist? Marcel Stoffel: Bestimmte Elemente aus der Zeit der Pandemie werden auch in Zukunft bestehen bleiben. Auch das wird ein Teil der neuen Norma lität werden. Die Menschen sind in den vergangenen eineinhalb Jahren sensib «Aber auch mit Liebe ler und vorsichtiger im Umgang mit zum Detail lässt sich einander geworden, vor allem, wenn es der Aufenthalt für sich um grössere Ansammlungen von den Kunden hygiene- Menschen in begrenzten Innenräumen handelt. Das lässt sich nicht so leicht sicher gestalten.» wieder umkehren und ist auch nicht sinnvoll. Im Gegenteil: Ein bisschen Zu rückhaltung wird künftig dafür sorgen, dass wir in Herbst und Winter weniger erkranken. Mit welchen dauerhaften Massnahmen werden Shoppingcenter reagieren müssen? Es wird Hygienestationen geben, die deutlich an sprechender und kundenfreundlicher gestaltet sein werden als die bisherigen Toilettenanlagen. Künftig werden das Räume zum Frischmachen sein, die auch nicht mehr in irgendeiner CenterEcke versteckt, sondern prominent platziert wer den, sodass man sie sofort sieht und nicht erst lange danach suchen muss. Wenn Kunden das Gefühl haben, man nimmt ihr Bedürfnis nach Sauberkeit, Hygiene und Viren sicherheit ernst, werden sie sich gern an so einem Ort aufhalten. Das hilft der Profilierung, wertet das Center auf und damit auch die Geschäfte, in denen ich einkaufe gehe. Darüber hinaus wird auch die Industrie davon profitieren, weil sich v iele
neue Möglichkeiten für neue Produkte und Dienst leistungen ergeben. Was werden die kleinen Läden in den Fussgängerzonen machen? Für diese Geschäfte wird es schwieriger werden, solche Standards zu erfüllen. Aber auch mit Liebe zum Detail lässt sich der Aufenthalt für den Kun den hygienesicher gestalten. Man kann alles et was gefälliger und für das Auge schöner machen, indem man nicht nur eine Flasche Desinfektions mittel auf den Tisch am Eingang stellt, sondern sich etwas einfallen lässt. Das könnte man im Übrigen auch jetzt schon. Vielleicht einen beson ders angenehmen Duft auswählen, die Billigfla sche durch eine hochwertigere ersetzen und dem Kunden Erfrischungs- und Reinigungstücher rei chen. Da bleibt viel Raum für individuelle Lösun gen. Oder mehr Platz schaffen für Sitzgelegen heiten und Ruhezonen. In Deutschland entsteht zurzeit das erste pandemiesichere Bürohaus der Welt. Die Entwickler sind überzeugt, dass das Konzept problemlos auf Shoppingcenter übertragbar ist. Ein realistische Annahme? Kontaktlose Zutrittssysteme, digitalisierte Speise karten, bargeldloser Zahlungsverkehr – das alles zeigt schon in die Richtung, in die wir uns bewegen. Allerdings müssen auch weitere Investitionen in bessere Be- und Entlüftungssysteme erfolgen. Die Themen Luftreinheit und Contactless-Syste me sind vielleicht die wichtigsten Aspekte, wenn es um weitgehend pandemiesichere Gebäude geht. Das alles dürfte mit Kosten verbunden sein. Wer wird dafür aufkommen? Ganz sicher nicht die Mieter. Man kann solche In vestitionen nicht auf die Mieter abwälzen, sondern muss sie als Eigentümer selbst tragen – und dafür gibt es gute Gründe. Die Kalkulation ist doch ganz einfach: Kann man bei bestimmten Standards nicht mehr mithalten, wird man auch keine neuen Mieter mehr für sein Center gewinnen können. In Zukunft werden die Mieten für Retailflächen so wieso viel stärker an den Umsatz geknüpft sein.