Journal Jahrgang 2022, Ausgabe 03

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 31 HEFT 3 Juni 2022

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen – eine schwer zu behandelnde Erkrankung Herzinsuffizienz: Neue ESC-Leitlinie empfiehlt regelmäßige Kontrolle der Eisenund Kaliumwerte Psoriasis: Bei der topischen Therapie auf die Darreichungsform achten Neue Therapieansätze für Alkohol-bedingte Lebererkrankungen Lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Urothelkarzinom: Enfortumab Vedotin eröffnet neue Chancen Brolucizumab zur Behandlung des diabetischen Makulaödems Abemaciclib zur adjuvanten Therapie des frühen HR+, HER2– Mammakarzinoms Apexxnar® – ein neuer 20-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Inebilizumab – die erste zielgerichtete Therapie zur Behandlung von Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

VERLAG

PERFUSION


JETZT ZUGELASSEN BEI FORTGESCHRITTENEM NSCLC* UND BCC**

MÖGLICHKEITEN ERÖFFNEN

• LIBTAYO® – die ERSTE und EINZIGE Immuntherapie indiziert für Patienten mit fortgeschrittenem CSCC# und jetzt neu für Patienten mit fortgeschrittenem BCC**, die eine HHI-Therapie aufgrund einer Krankheitsprogression oder Unverträglichkeit abbrechen mussten.1-3 • LIBTAYO® ist zugelassen als 1L-Monotherapie für NSCLC-Patienten mit PD-L1 ≥ 50 % ohne Treiberaberrationen im Stadium IIIB/C, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder im Stadium IV.* • Neue Therapiemöglichkeit für ein breites Patientenkollektiv.1 2 Jahre LIBTAYO® beim fortgeschrittenen CSCC#,1 LIBTAYO® ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinom (CSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.#,1,2 * LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Patienten mit lokal fortgeschrittenem NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Patienten mit metastasiertem NSCLC.1 ** LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom (laBCC, oder mBCC), bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegenüber einem HHI haben.1 # LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom (mCSCC oder laCSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.1 LIBTAYO® ist die erste und einzige von der EMA zugelassene Therapie des fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms (CSCC). 1. Fachinformation LIBTAYO® (Cemiplimab), Januar 2022. 2. Stratigos et al., Eur J Cancer, 2020;128: 83–102. 3. Stratigos et al., Lancet Oncol, 2021;22(6):848–857. ALK = anaplastische Lymphomkinase; BCC = Basalzellkarzinom; CSCC = Plattenepithelkarzinom; EGFR = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; EMA = Europäische Arzneimittel-Agentur; HHI = Hedgehog-Signalweg-Inhibitor; NSCLC = nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; PD-L1 = Programmed Death-Ligand 1; ROS1 = c-ros Onkogen. Libtayo 350mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Cemiplimab. Zusammens.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 350mg Cemiplimab/ Durchstechflasche (entspr. 50 mg/ml). Cemiplimab wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in einer Zellsuspensionskultur aus Ovarialzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) hergestellt. Sonst. Bestandt.: Histidin, Histidinhydrochlororid-Monohydrat, Sucrose, Prolin, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anw.-geb.: indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom, die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen. Indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom, bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegen einen HHI haben. Indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Pat. mit lokal fortgeschr. NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Pat. mit metast. NSCLC. Gegenanz.: Überempfindlichk. geg. d. Wirkst. od. sonst. Bestandt. Nebenw.: Infektionen und para. Erkr.: Sehr häufig: Infektio. obere Atemwege; Häufig: Harnwegsinf.; Erkr. Des Blutes / Lymphsystem: Sehr häufig: Anämie; Immunsyst.: Häufig: Reaktion im Zusammenh. m. einer Infusion. Gelegentl.: Sjögren-Syndrom, immunthrombozytopenische Purpura,. Nicht bek.: Abstoßung e. soliden Organtransplantats.Endokrine Erkr.: Häufig: Hypothyreose, Hyperthyroidismus. Gelegentl.: Nebenniereninsuffizienz, Thyroiditis; Diabetes mellitus Typ 1; Hypophysitis; Nerven: Häufig: Kopfschmerzen; periph. Neuropathie; Gelegentl.: Meningitis; Enzephalitis; Myasthenia gravis; paraneopl. Enzephalomyelitis, chron. entzündl. demyelinisierende Polyradikuloneuropathie,. Augen: Gelegentl.: Keratitis. Herz: Gelegentl.: Myokarditis, Perikarditis; Gefäßerkr.: Häufig: Hypertonie; Stoffwechsel- / Ernährungsstör.: Sehr häufig: Appetit vermindert;. Atemw./Brustr./Mediast.: Sehr häufig: Husten; Häufig: Pneumonitis, Dyspnoe. GIT: Sehr häufig: Übelkeit; Diarrhö, Obstipation; Häufig: Abdominalschmerz, Erbrechen, Stomatitis,Kolitis; Leber/Galle: Häufig: Hepatitis. Haut/Unterhautzellgewebe: Sehr häufig: Ausschlag, Pruritus. Skelett/Bindegew./Knochenerkrank.: Sehr häufig: Schmerzen des Muskel- und Skelettsys.; Häufig: Arthritis, Gelegentl.: muskuläre Schwäche, Myositis, Polymyalgia rheumatica. Nieren/Harnwege: Häufig: Nephritis. Nicht bekannt: nicht-infektiöse Zystitis. Allgem./Beschw. a. Verabreichungsort: Sehr häufig: Ermüdung. Untersuchungen: Häufig: Alanin- u./od. Aspartataminotransferase erhöht, alk. Phosphatase u./od. Kreatinin im Blut erhöht; Gelegentlich: Thyreotropin u./od. Transaminasen u./od. Bilirubin erhöht; Thyreotropin erniedrigt. Verschreibungspflichtig. Inhaber der Zulassung: Regeneron Ireland Designated Activity Company (DAC), One Warrington Place, Dublin 2, D02 HH27, Irland. Örtlicher Vertreter: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, 65926 Frankfurt am Main. Stand: Januar 2022. Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Sanofi und Regeneron arbeiten gemeinsam an einem globalen Produktentwicklungsprogramm und an der Vermarktung von LIBTAYO®. © 2021 Regeneron Pharmaceuticals, Inc., and Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Lützowstraße 107, 10785 Berlin, Telefon 0800 0436996, www.sanofi.de. All rights reserved. MAT-DE-2103247 V3.0 03/2022 2201_CEM_FN


EDITORIAL

Innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus nahm die Zahl der Ureinwohner Amerikas, so schätzt man, um 90 % ab. Die meisten wurden wohl nicht Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen, sondern fielen den von den Europäern eingeschleppten Seuchen zum Opfer: Pest, Cholera, Masern, Typhus, Mumps, Diphterie – und Grippe [1]. Epidemiologen würden formulieren, die Ureinwohner seien gegenüber diesen Erregern „naiv“ gewesen, will heißen, das Immunsystem hatte sich damit noch nie auseinandergesetzt. Genau dieses Problem war auch der Grund für die weltweiten massiven Infektionsschutzmaßnahmen, als Anfang 2020 die SARS-CoV-2-Epidemie im chinesischen Wuhan in kürzester Zeit zur Pandemie eskalierte. Niemand konnte sagen, wie tödlich dieses Virus ist, und ggf. für wen. Schnell war aber klar, dass das Immunsystem eines jeden, der sich infizierte, „naiv“ gegenüber diesem neuartigen Virus war. Heißt: Das Virus hatte gut zwei Wochen Zeit, bevor sich die Abwehr formieren konnte. Ende 2020 waren trotz scharfer Lockdowns bereits mehr als 30.000 Menschen der Seuche erlegen, deutlich mehr als bei den letzten großen Grippeepidemien (ohne Lockdown!). Ende 2021 lag die die Zahl der beim RKI gemeldeten Corona-Toten schon über 110.000, und das trotz der Ende 2020 anlaufenden Impfkampagne. Auch aktuell, nach dem politisch verordneten Ende der Pandemie, werden immer noch Tag für Tag so viele Corona-Tote gemeldet wie Verkehrstote in einer ganzen Woche. Dennoch scheint sich über die Problematik der Corona-Mortalität niemand mehr den Kopf zu zerbrechen – die Politik nicht, und auch nicht die Menschen, in deren Eigenverantwortung ihr eigenes Verhalten und das gegenüber allen anderen gelegt wurden. Und über die Corona-Morbidität, also die Krankheitslast, scheint sich erst recht niemand mehr Gedanken zu machen. Nicht über die akuten Fehltage, die immer noch erhebliche Teile einer Belegschaft lahmlegen können. Nicht über die Isolier- und Intensivstationen in Krankenhäusern, die gerade für das Pflegepersonal (billigend in Kauf

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Eine Kur gegen Long Covid? genommenen) Stress ohne Ende bedeuten. Und auch nicht über die im Gefolge von Covid-19 monatelangen, manchmal jahrelangen Beeinträchtigungen. Alle bisherigen wissenschaftlichen Studien dazu, d.h. zu „Long Covid“ bzw. „Post Covid Syndrome“ (die Begriffsdefinitionen sind fließend und in dynamischer Entwicklung, vgl. [2]) berichten über persistierende oder Wochen nach dem Ende der akuten Infektion neu auftretende Symptome mit dem ursprünglichen Virus bzw. den in den Jahren 2020 und 2021 konsekutiv dominierenden Varianten Alpha bis Delta. Zu dem Zeitpunkt (etwa Mitte Dezember 2021), als sich „Omikron“ als dominierende Variante etablierte, waren beim Robert Koch-Institut insgesamt etwa 6 Millionen Infektionsfälle gemeldet. Seither (Stand Ende Juni 2022) wurden über 20 Millionen Infektionen mit Omikron registriert, wobei mit einer zunehmend hohen Dunkelziffer gerechnet wird (Schätzungen gehen bis zum Faktor 2 bzw. darüber hinaus). Vor wenigen Wochen präsentierte das britische Office for National Statistics die ersten epidemiologisch zuverlässigen Zahlen und Statistiken zur Prävalenz von Long Covid nach einer Infektion mit der Omikron-Variante [3]. Demnach dürfte die Long-Covid-Prävalenz nach einer Infektion mit der OmikronVariante mit 8,7 % etwa halb so hoch sein wie die nach einer Infektion mit der Delta-Variante (15,9 %) [4], was, übertragen auf Deutschland, absolute Zahlen von etwa 1 Million Long-CovidFällen bis Ende 2021 (alle Varianten bis einschließlich Delta) und etwa 2 – 4 Millionen im Jahr 2022 bis Ende Juni (Omikron-Variante) wahrscheinlich machen würde. Es könnten auch wesentlich mehr sein, da andere Studien für die Jahre 2020 und 2021 (mit anderer Methodik) zum Teil deutlich höhere Inzidenzen vermuten lassen. Die englischen Zahlen sind, zumindest was das

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Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

Verhältnis der Long-Covid-Inzidenzen vor versus mit Omikron betrifft, als zuverlässig anzusehen, sodass man, bis (wohl frühestens Ende 2022) verlässliche absolute Zahlen vorliegen, die am wahrscheinlichsten erscheinende Long-Covid-Inzidenz der Studien vor 2022 halbieren sollte. Was ebenfalls aus den englischen Zahlen recht gut abgeleitet werden kann, sind die mutmaßlichen Häufigkeiten, was die Schwere und/oder die dominierende Symptomatik anbelangt: Zur Long-Covid-Symptomatik nach einer Infektion mit der (aktuellen) Variante Omikron heißt es wörtlich: „Erschöpfung ist weiterhin das von Long-Covid-Betroffenen am häufigsten berichtete Symptom (51 % aller, die eine Long-Covid-Symptomatik beschreiben), gefolgt von Atemwegsproblemen (33 %), Geruchs- und Geschmacksverlust (26 %) und Konzentrationsstörungen (23 %)“ [3]. Übrigens: Etwa jeder fünfte Betroffene gibt an, dass Long Covid die Durchführung der üblichen Aktivitäten des täglichen Lebens „stark einschränkt“ [2]. Daraus lässt sich unschwer ableiten, wie groß die Zahl der Menschen © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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ist und in Zukunft noch sein wird, für die eine multidisziplinäre Therapie in spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen gebraucht wird. Dies gilt auch für die anderen 80 %, die mutmaßlich nicht so stark beeinträchtigt sind, dass sie monatelang krankgeschrieben werden müssen, die aber über teils viele Monate ihrer Arbeit nur mit „angezogener Handbremse“ nachgehen können und deren Lebensqualität subjektiv wohl deutlich eingeschränkt sein dürfte. Sie haben das Pech, dass die Strukturen unseres Gesundheitssystems dafür nicht ausgelegt sind, weder der Hausarzt noch die ambulante Physiotherapie (2 × pro Woche 30 Minuten) noch der Psychologe (Wartezeit schon vor Corona oft viele Monate …). Möglicherweise könnte die Kurortmedizin mit ihrem regulationsmedizinischen Ansatz und ihrem staatlich prädikatisierten „Healing Environment“ für viele Betroffene wie für die Volkswirtschaft einen segensreichen Beitrag leisten. Bisherige Erfahrungen in verschiedenen europäischen Ländern sprechen überzeugend dafür! Karl-Ludwig Resch, Nürnberg Quellen 1 Thiemer-Sachse U. Das große Leiden. Zu den aus Europa eingeschleppten Seuchen, welche die Urbevölkerung Amerikas dezimierten. https://www.fuberlin.de/presse/publikationen/fundiert/ archiv/2002_01/02_01_thiemer_sachse/ index.html) 2 BzGA. Long COVID: Langzeitfolgen von COVID-19. https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/basisinformationen/long-covid-langzeitfolgen-von-covid-19/#tab-5262-2 3 ONS. Prevalence of ongoing symptoms following coronavirus (COVID-19) infection in the UK: 6 May 2022. https://www.ons.gov.uk/people populationandcommunity/healthandsocialcare/conditionsanddiseases/ bulletins/prevalenceofongoingsymptomsfollowingcoronaviruscovid19infectionintheuk/6may2022 4 ONS: Self-reported long COVID after infection with the Omicron variant in the UK: 6 May 2022. https://www.ons.gov. uk/peoplepopulationandcommunity/ healthandsocialcare/conditionsanddis­ eases/bulletins/selfreportedlongcovida fterinfectionwiththeomicronvariant/6m ay2022

ÜBERSICHTSARBEIT Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen – eine schwer zu behandelnde Erkrankung 68 Brigitte Söllner

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Herzinsuffizienz: Neue ESC-Leitlinie empfiehlt regelmäßige Kontrolle der Eisen- und Kaliumwerte

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Psoriasis: Bei der topischen Therapie auf die Darreichungsform achten

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Neue Therapieansätze für Alkohol-bedingte Lebererkrankungen 78 Lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Urothel­ karzinom: Enfortumab Vedotin eröffnet neue Chancen

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Brolucizumab zur Behandlung des diabetischen Makulaödems 82 Abemaciclib zur adjuvanten Therapie des frühen HR+, HER2– Mammakarzinoms

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Apexxnar® – ein neuer 20-valenter PneumokokkenKonjugatimpfstoff 86 Inebilizumab – die erste zielgerichtete Therapie zur Behandlung von Neuromyelitis-optica-SpektrumErkrankungen 89

RUBRIKEN Wissenswertes 73, 84, 88, 91, 96 Kongresse 92

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Vyndaqel®: Einzige zugelassene Therapie für Wildtyp- und hereditäre ATTR-CM

bei Transthyretin-Amyloidose

*1

* 1,2 www.pfizerpro.de

 Signifikante Reduktion der Gesamtmortalität und CV-bedingten Hospitalisierungen in der Wildtyp- und hereditären ATTR-CM ** 3  Langzeitdaten in der ATTR-PN bestätigen die Effektivität ***und gute Verträglichkeit 4  Orale Einnahme, 1 × täglich 1,2 * Indikationsgebiete Vyndaqel®: Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM): Vyndaqel® 61 mg ist indiziert zur Behandlung der Wildtyp- oder hereditären ATTR-CM bei erwachsenen Patienten Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (ATTR-PN): Vyndaqel® 20 mg ist indiziert zur Behandlung bei erwachsenen Patienten mit symptomatischer ATTR-PN im Stadium 1 ** In der Zulassungsstudie wurden 4 × 20 mg Tafamidis-Meglumin verwendet. Vyndaqel® 61 mg (Tafamidis) entspricht 80 mg Tafamidis-Meglumin. Tafamidis und Tafamidis-Meglumin sind auf Basis der mg-Angabe nicht gegeneinander austauschbar. Die relative Bioverfügbarkeit von 61 mg Tafamidis ist ähnlich wie bei 80 mg Tafamidis-Meglumin im Steady State.1 *** Tafamidis-Meglumin verzögert die neurologische Krankheitsprogression.2 Referenzen: 1. Vyndaqel® 61mg Fachinformation nach aktuellem Stand; 2. Vyndaqel® 20 mg Fachinformation nach aktuellem Stand; 3. Maurer MS et al. N Engl J Med. 2018;379(11):1007–1016; 4. Barroso FA et al. Amyloid 2017;24(3):194–204.

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Vyndaqel® 20 mg Weichkapseln; Wirkstoff: Tafamidis; Zusammensetzung: Wirkstoff: 1 Weichkapsel enth. 20 mg mikronisiertes Tafamidis-Meglumin (entsprechend 12,2 mg Tafamidis). Sonst. Bestandteile: Kapselhülle: Gelatine (E 441), Glycerol (E 422), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Sorbitan, Sorbitol (Ph. Eur.) (E 420), Mannitol (Ph. Eur.) (E 421), Titandioxid (E 171), gereinigtes Wasser; Kapselinhalt: Macrogol 400 (E 1521), Sorbitanoleat (E 494), Polysorbat 80 (E 433); Drucktinte (Opacode purpur): Ethanol, 2-Propanol (Ph. Eur.), gereinigtes Wasser, Macrogol 400 (E 1521), Polyvinylacetatphthalat, Propylenglycol (E 1520), Carmin (E 120), Brillantblau FCF (E 133), Ammoniumhydroxid 28 % (E 527). Anwendungsgebiete: Behandl. d. Transthyretin-Amyloidose b. erw. Pat. m. symptomat. Polyneuropathie im Stadium 1, um d. Einschränk. d. periph. neurol. Funktionsfähigk. zu verzögern. Gegenanzeigen: Überempfindlichk. gg. d. Wirkstoff od. e. d. sonst. Bestandteile. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Harnwegsinfekt, Vaginalinfekt; Diarrhoe, Oberbauchschm. Warnhinweise: Enthält Sorbitol (Ph. Eur.) (E 420). Weitere Informationen s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Europe MA EEIG, Boulevard de la Plaine 17, 1050 Brüssel, Belgien. Repräsentant in Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, Linkstr. 10, 10785 Berlin. Stand: Oktober 2020.

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Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 der Fachinformation.

Vyndaqel® 61 mg Weichkapseln; Wirkstoff: Tafamidis; Zusammensetzung: Wirkstoff: 1 Weichkapsel enth. 61 mg mikronisiertes Tafamidis. Sonst. Bestandteile: Kapselhülle: Gelatine (E 441), Glycerol (E 422), Eisen(III)-oxid (E 172), Sorbitan, Sorbitol (Ph. Eur.) (E 420), Mannitol (Ph. Eur.) (E 421), gereinigtes Wasser; Kapselinhalt: Macrogol 400 (E 1521), Polysorbat 20 (E 432), Povidon (K 90), Butylhydroxytoluol (Ph. Eur.) (E 321); Drucktinte (Opacode weiß): Ethanol, 2-Propanol (Ph. Eur.), gereinigtes Wasser, Macrogol 400 (E 1521), Polyvinylacetatphthalat, Propylenglycol (E 1520), Titandioxid (E 171), Ammoniumhydroxid 28 % (E 527). Anwendungsgebiete: Behandl. d. Wildtyp- od. hereditären Transthyretin-Amyloidose b. Erw. m. Kardiomyopathie (ATTR-CM). Gegenanzeigen: Überempfindlichk. gg. d. Wirkstoff od. e. d. sonst. Bestandteile. Nebenwirkungen: D. folgenden unerwünschten Ereign. wurden im Vergleich zu Placebo häufiger b. Pat., d. m. 80 mg Tafamidis-Meglumin behandelt wurden, berichtet: Flatulenz (8 Pat. [4,5 %] gegenüber 3 Pat. [1,7 %]) u. Anstieg im Leberfunktionstest (6 Pat. [3,4 %] gegenüber 2 Pat. [1,1 %]). E. kausaler Zusammenhang wurde nicht festgestellt. Warnhinweise: Enthält Sorbitol (Ph. Eur.) (E 420). Weitere Informationen s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Europe MA EEIG, Boulevard de la Plaine 17, 1050 Brüssel, Belgien. Repräsentant in Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, Linkstr. 10, 10785 Berlin. Stand: Oktober 2020.


ÜBERSICHTSARBEIT

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as Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen (KDS-DV) ist die Folge einer starken Reduktion der resorptiven Kapazität des Darms, die nach einer ausgedehnten Darmresektion auftritt. Bei dieser Form des Darmversagens kann die Protein-, Energie-, Flüssigkeits- und Mikronährstoffbilanz mit einer konventionellen Diät nicht mehr aufrechterhalten werden. Basis der Therapie sind daher eine den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasste enterale und parenterale Ernährung [1]. Eine neue medikamentöse Option ist das GLP-2-Analogon Teduglutid (Revestive®), das die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeiten aus dem Darm verbessert und so den Bedarf an parenteralem Support (PS), d.h. parenterale Ernährung (PE) und/oder intravenöse Flüssigkeitsgabe, verringern kann [2]. Ätiologie und Prävalenz

Die Notwendigkeit einer Darmresektion kann sich aufgrund angeborener Anomalien oder erworbener Ursachen ergeben. Ätiologisch lassen sich dabei 3 Gruppen unterscheiden [3, 4]: • Vaskuläre Erkrankungen: Mesenterialinfarkte, Mesenterialthrombosen, Dünndarmvolvulus, Malrotationen, Inkarzerationen des Darms • Entzündliche Erkrankungen: Morbus Crohn, Strahlenenteritis, schwere Colitis ulcerosa, Autoimmunenteritis • Weitere Ursachen: Trauma, Tumor, nekrotisierende Enterokolitis, Motilitätsstörungen, kongenitale Erkrankungen wie z.B. intestinale Atresie und Gastroschisis Es gibt nur wenige Daten zur Prävalenz der Erkrankung. Nach von

Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen – eine schwer zu behandelnde Erkrankung Brigitte Söllner, Erlangen

Websky et al. betrug die Gesamtanzahl der Patienten mit KDS-DV in Deutschland im Jahr 2011/2012 etwa 2.800. Daraus ergibt sich eine Prävalenz von ca. 34 Patienten pro 1 Million Einwohner [5]. Klassifikation

Schweregrad, Verlauf der Erkrankung sowie die Aufnahme von Mikro- und Makronährstoffen sind sehr patientenspezifisch und vor allem davon abhängig, welche Darmabschnitte in welchem Ausmaß reseziert wurden (Resektionsort und Restdarmlänge), außerdem von der funktionellen Kapazität des Restdarms, der Grunderkran-

Typ I

Typ II

kung und den Begleiterkrankungen. Grundsätzlich werden nach Messing 3 Typen der postoperativen Anatomie unterschieden, die einen prädiktiven Einfluss auf die zu erwartende Malabsorption haben (Abb. 1) [6]: • Typ I: Resektion von (Jejunum +) Ileum + Kolon: terminale Jejunostomie • Typ II: Resektion von (Jejunum +) Ileum (+ Kolonabschnitten): jejunokolonische Anastomose • Typ III: Resektion von Ileumabschnitten (+ Kolonabschnitten): jejunoileokolonische Anastomose In Abhängigkeit von der verbleibenden Restfunktion des Darms

Typ III

Abbildung 1: Typen des Kurzdarmsyndroms nach Messing [6] (Abb. mod. nach [1]).

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ÜBERSICHTSARBEIT

können akute (vorübergehende oder reversible) von chronischen (nicht reversiblen) KDS-DV-Formen unterschieden werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) klassifiziert in ihrer Leitlinie folgende klinische Formen des Darmversagens [1]: • Typ I: Akutes, selbstlimitiertes, passageres Darmversagen nach resezierender Operation, das sich innerhalb von Tagen nach der OP regeneriert. • Typ II: Akutes, anhaltendes Darmversagen mit septischen und metabolischen Komplikationen, Malabsorption/Mangel­ ernährung infolge einer Resektion. Eine multidisziplinäre Betreuung einschließlich Ernährungstherapie ist notwendig, um Malabsorption und SIRS (systemisches inflamma­ torisches Response-Syndrom) zu überwinden und Rekonvaleszenz zu ermöglichen. Das Darmversagen regeneriert sich innerhalb von 48 Stunden bis 24 Monaten nach der OP.

• Typ III: Chronisches Darmversagen mit der Notwendigkeit der weitgehenden/vollständigen parenteralen Flüssigkeitstherapie und Ernährung, da es sich auch nach Erreichen der maximalen Adaptation (>24 Monate) nicht regeneriert. Krankheitsverlauf

Nach der Entfernung der betroffenen Darmabschnitte können 3 Phasen des Krankheitsverlaufs unterschieden werden: Die Hypersekretionsphase tritt unmittelbar nach der Operation ein und ist gekennzeichnet durch einen hohen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust infolge einer Diarrhö. Diese Verluste können durch vermehrtes Trinken meist nicht ausgeglichen werden, weil die Resorptionsfähigkeit des Darms zu stark eingeschränkt ist. Normalerweise werden pro Tag 100 – 200 ml Wasser mit dem Stuhl ausgeschieden, beim Kurzdarmsyndrom sind es

1,5 – 6 Liter. Auch große Mengen an Mineralien und Spurenelemente gehen dem Körper verloren. Daher sind postoperativ eine der Restfunktion des Darms, dem Ausmaß der Malabsorption und dem individuellen Bedarf des Patienten angepasste parenterale Ernährung sowie eine Flüssigkeits- bzw. Elektrolytsubstitution indiziert, die sich an den von der Leitlinie empfohlenen Richtwerten orientieren sollten (Tab. 1) [1]. Unerlässlich ist ein engmaschiges Monitoring mit einer kontinuierlichen Anpassung der Zusammensetzung der Nährstoffe. Zur langfristigen par­ enteralen Ernährung empfehlen sich einlumige, getunnelte zentralvenöse Katheter. Alternativ können auch implantierbare Portsysteme verwendet werden [1]. Es folgt die Adaptationsphase, die von mehreren Monaten bis zu 2 Jahre andauern kann. In dieser Phase beginnt der Körper damit, die noch vorhandenen Abschnitte des Darms dazu zu nutzen, die Funktionen der resezierten Ab-

Nahrungsbestandteil

Richtwerte

Natrium und Gesamtvolumen

normale Natriumausscheidung im Urin (>20 mmol/l) und normales Urinvolumen (>15 ml/kg KG/d)

Kalium Kalzium Magnesium Phosphat Basen Aminosäuren Glukose und Lipide Vitamine und Spurenelemente

normales Serumkalium (3,8–5,2 mmol/l) Verhältnis Urin-Natrium zu Urin-Kalium >1

normaler Parathormonspiegel (10–65 pg/ml evtl. zusätzlich Kalziumausscheidung im 24-h-Urin

normales Serummagnesium (Frauen: 0,77–1,03 mmol/l; Männer: 0,73–1,06 mmol/l) evtl. zusätzlich Magnesiumausscheidung im 24-h-Urin

normales Serumphosphat (0,84–1,45 mmol/l) unter Berücksichtigung des Parathormonspiegels Basenzufuhr und das Verhältnis von Chlorid zu Basen sollen auf einen ausgeglichenen Basenexzess ausgerichtet sein individualisierter Ausgleich der enteralen Malabsorption und bestehender Defizite Proteinsubstitution zwischen 0,8 und 2,0 g/kg KG pro Tag

Ersatz des enteral nicht gedeckten Energiebedarfs mit Glukose und Lipidemulsionen im Verhältnis 60:40 bis 40:60 (kcal) vollständige Substitution aller Vitamine und Spurenelemente Cave: erhöhter Zinkbedarf bei Durchfall und erhöhtem Stoma-Output!

Tabelle 1: Richtwerte für die Zusammensetzung der parenteralen Substitution [1].

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schnitte zu übernehmen. Die resorbierende Oberfläche vergrößert sich, die Enzymaktivität nimmt zu und die intestinale Transitzeit verlängert sich. So kann sich die Nährstoffaufnahme über den Dünndarm nach und nach verbessern. In dieser Phase sollte sobald wie möglich eine vom Patienten vertragene orale Ernährung begonnen werden, die die enterale Adaptation stimuliert. Alternativ kann eine Sondennahrung appliziert werden [1]. Hat sich die Resorptionsleistung des Darms maximal verbessert, beginnt die chronisch adaptierte, stabile Phase, in der eine orale Supplementation in Form von bilanzierten Diäten als Ergänzung zur normalen Nahrung empfohlen wird, um orale Autonomie zu erreichen. Idealerweise sollte die orale Mischkost bis zum Zielbedarf täglich um 200 kcal gesteigert werden [1]. Dies klappt aber nicht bei allen Patienten. Bei ihnen ist dann auch weiterhin eine parenterale Supplementierung nötig und es kann eine weitgehend bis vollständige Abhängigkeit von der parenteralen Flüssigkeitszufuhr und Ernährung bestehen bleiben. In einer retro­ spektiven Studie benötigten trotz körpereigener Adaptation 47 % der 268 untersuchten Patienten auch noch nach 5 Jahren eine parenterale Ernährung, um ihr Darmversagen zu kompensieren [7]. Risiken und mögliche Komplikationen

Die notwendige vorübergehende oder dauerhafte parenterale Ernährungstherapie und/oder Flüssigkeitssubstitution ist zeitaufwendig und schränkt das Leben der Patienten erheblich ein [8]. Außerdem belasten die Abhängigkeit von der parenteralen Ernährung und die

Teduglutid Teduglutid (Revestive®) ist ein stabiles Analogon des humanen Glucagon-like Peptid-2 (GLP-2), das von den intestinalen L-Zellen sezerniert wird. Die GLP-Ausschüttung führt zu einer Erhöhung der intestinalen und der portalen Durchblutung sowie zu einer Hemmung der Magensäuresekretion und der Darmmotilität. Außerdem fördert sie die Absorption von Nährstoffen und die Vergrößerung der Zottenlänge und Kryptentiefe [2]. Vom natürlich vorkommenden GLP-2 unterscheidet sich Teduglutid durch den Austausch der Aminosäure Alanin an der 2. Position des N-Terminus durch Glycin. Im Vergleich zum natürlichen GLP-2 führt dieser Austausch zu einer In-vivo-Resistenz gegen den Abbau durch das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-IV (DPP-IV). Dadurch verlängert sich die Halbwertszeit von Teduglutid. Teduglutid weist eine terminale Eliminationshalbwertszeit von etwa 2 Stunden auf [2]. In präklinischen Studien zeigte sich, dass Teduglutid die Unversehrtheit der Schleimhaut erhält, indem es die Wiederherstellung und das normale Darmwachstum durch eine Zunahme der Darmzottenhöhe und der Darmkryptentiefe fördert [2]. Teduglutid ist zugelassen zur Behandlung von Patienten ab dem Alter von 1 Jahr mit Kurzdarmsyndrom. Nach einem chirurgischen Eingriff sollte zunächst eine Phase der intestinalen Adaptation abgewartet werden, die Patienten sollten sich in einer stabilen Phase befinden. Die empfohlene Dosis Revestive® für die Langzeittherapie beträgt 0,05 mg/kg Körpergewicht einmal täglich und wird subkutan ins Abdomen injiziert [2]. Teduglutid darf nicht verabreicht werden bei • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile oder gegen das in Spuren vorhandene Tetracyclin, • aktiver oder vermuteter Krebserkrankung (Malignität), • anamnestisch bekannter maligner Erkrankung des Gastrointestinaltraktes, einschließlich des hepatobiliären Systems und des Pankreas, in den vergangenen 5 Jahren [2].

damit verbundenen Ängste viele Patienten auch psychisch. Hinzu kommen körperliche Symptome, die sich gravierend auf den Alltag, die Lebensqualität und die Gesundheit der Patienten auswirken. In erster Linie sind das die massiven Durchfälle und/oder Fettstühle, die aufgrund der Malabsorption zu einer Dehydratation, Gewichtsabnahme, Anämie, Hypokalzämie, Osteopathie, aber auch zu Poly­ neuropathien sowie zur Ausbil-

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dung von Gallen- und Nierensteinen führen können [3]. Schwerwiegende Komplikationen, die eine Klinikeinweisung erfordern, kann aber auch die überlebensnotwendige parenterale Ernährung selbst mit sich bringen (Tab. 2). Der häufigste Grund für einen Krankenhausaufenthalt ist eine katheterassoziierte Sepsis (61 %), gefolgt von Leberstoffwechselstörungen (27 %) und Thrombosen im venösen Zugang (12 %) [9]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Katheterbezogene Komplikationen [10]

Mit PE assoziierte Lebererkrankungen [11]

3,6 Komplikationen pro 1.000 Kathetertage (bei 53 Patienten), darunter: – Infektionen – Venenthrombosen – Verschlüsse

– Signifikante Lebererkrankungen bei 0–39 % der PE-Patienten in verschiedenen Kohortenstudien – Abnorme Leberfunktionstests bei 28–64 % der PE-Patienten

Tabelle 2: Häufige Komplikationen bei Kurzdarmsyndrom-Patienten, die durch parenterale Ernährung (PE) versorgt werden. STEPS Randomisierte, doppelblinde Studie

STEPS-2#,†

STEPS-3

Open-label Verlängerung

Open-label Verlängerung

24 Wochen

Bis zu 24 Monate

Bis zu 12 Monate

Teduglutid (TED) 0,05 mg/kg/Tag oder Placebo (PBO)

Teduglutid (TED) 0,05 mg/kg/Tag

Teduglutid (TED) 0,05 mg/kg/Tag

®

Erwachsene Patienten mit KDS-DV und Abhängigkeit von PE/IV an ≥ 3 Tagen/ Woche seit ≥ 12 Monaten

Baseline

®

TED (n=43)

TED - TED (n=37)

PBO (n=43)

PBO - TED (n=39)

TED - TED (n=5)

®

® ®

NB/ PBO - TED (n=9)

® ® Revestive Revestive Klinische Klinische Studien Studien Baseline

NB – TED# (n=12)

®

®

Baseline

STEPSSTEPS Primärer Primärer Endpunkt Endpunkt

⁄ Anteil Anteil der Patienten der Patienten mit mit klinischem klinischem Ansprechen* Ansprechen* sowohl sowohl in Woche in Woche 20 als20 als auch auch in Woche in Woche 24 24

Sekundäre Sekundäre Endpunkte Endpunkte

⁄ Veränderung ⁄ Veränderung ⁄ Veränderung Veränderung des PS-Volumens des PS-Volumens des PSdes PSVolumens Volumens vs. Baseline vs. Baseline Entwöhnung vom PS vom PS ⁄ Entwöhnung ⁄

⁄ Wirksamkeit Wirksamkeit und Sicherheit und Sicherheit ⁄ von Teduglutid von Teduglutid in derinLangder Langzeittherapie zeittherapie ⁄

⁄ Beibehaltung Beibehaltung des des Ansprechens Ansprechens

⁄ Reduktion Reduktion der PS-Tage der PS-Tage pro Woche pro Woche

⁄ Langfristige Langfristige Sicherheit Sicherheit von Teduglutid von Teduglutid

®

⁄ Veränderung Veränderung des des wöchentlichen wöchentlichen PS- PSVolumens Volumens vs. Baseline vs. Baseline

⁄ Anteil Anteil der Patienten der Patienten mit mit klinischem klinischem Ansprechen Ansprechen vs. Baseline vs. Baseline

Zeit⁄ bis Zeitzur bisEntwöhnung zur Entwöhnung

⁄ Reduktion Reduktion von Tagen, von Tagen, an denen an denen PS gegeben PS gegeben werden werden musste musste ⁄ Entwöhnung Entwöhnung vom PS vom PS

⁄ Entwöhnung Entwöhnung vom PS vom PS

1,14,15

Im schlimmsten Fall können diese Komplikationen lebensbedrohliche Folgen haben. In der retrospektiven Studie von Amiot et al. verstarben innerhalb eines medianen Follow-up von 4,4 Jahren 13 % der Patienten an Komplikationen, die auf die parenterale Ernährung zurückzuführen waren [7].

1,14,15

Teduglutid – die erste zielgerichtete Therapie bei Kurzdarmsyndrom

Die Therapie des KDS-DV ist in vielen Fällen sehr schwierig und langwierig, ein dauerhafter parenteraler Support (PS), d. h. parenterale Ernährung (PE) und/oder int-

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Beschreibung Beschreibung

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Abbildung 2: Klinische Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Teduglutid (Revesti) bei erwachsenen Patienten mit Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen belegen [12, 13, 14]. ve®Ansprechen: * Klinisches * Klinisches Ansprechen: ≥ 20%ige ≥ 20%ige Reduktion Reduktion des wöchentlichen des wöchentlichen PE/IV-Volumens. PE/IV-Volumens. Eine 20%ige Eine 20%ige Reduktion Reduktion entspricht entspricht in etwa in einem etwa zusätzlichen einem zusätzlichen PS freien PSTag/Woche. freien Tag/Woche. #Patienten Patienten mit Flüssigkeitsoptimierung mit Flüssigkeitsoptimierung und -stabilisierung, und -stabilisierung, die wegen die der wegen Erreichung der Erreichung der Zielpatientenzahl der Zielpatientenzahl nichtdie innicht STEPS inrandomisiert STEPS randomisiert wurden, konntenkonnten direktder in direktZielin Patienten mit Flüssigkeitsoptimierung und -stabilisierung, wegen derwurden, Erreichung STEPS-2 STEPS-2 aufg enommen aufg enommen werden.werden. patientenzahl nicht inschlossen STEPS randomisiert wurden, konnten direkt inabTeduglutid/Teduglutid-Gruppe). STEPS-2 aufgenommen Von den Von 37 den Teduglutid-Patienten 37 Teduglutid-Patienten in STEPS in STEPS schlossen 30 eine 30 24-monatige eine 24-monatige Weiterbehandlung Weiterbehandlung mit Teduglutid mit Teduglutid in STEPS-2 in STEPS-2 ab (die (die Teduglutid/Teduglutid-Gruppe). werden. † Von den 37 Teduglutid-Patienten in STEPS schlossen 30 eine 24-monatige Weiterbehandlung mit Teduglutid in STEPS-2 ab (die Teduglutid/Teduglutid-Gruppe). * Klinisches Ansprechen: ≥20%ige Reduktion des wöchentlichen PS-Volumens. Eine 20%ige Reduktion entspricht in etwa einem zusätzlichen PS freien Tag/Woche.

#

ravenöse Flüssigkeitsgabe, nötig. Ziel müsste es daher sein, die ReInhalt sorptionskapazität des Restdarms zu maximieren, um damit den Bedarf an PS langfristig reduzieren Revestive – kurz und knapp zuWie können. wirkt Revestive ? Eine neue Option in der BehandWie profitieren erwachsene KDS-Patienten von Revestive lung des KDS-DV ist Teduglutid Revestive – Klinische Studien ® ). Es ist das erste zu(Revestive Revestive – Wirksamkeit gelassene das das bei ErwachsenenMedikament, Revestive – Real-World-Daten Wachstum der Darmmukosa förMorbusund Crohn-Patienten dern somit die Resorptionsmit KDS-DV kapazität erhöhen kann [2]. Damit Revestive – Sicherheitsdaten bei Erwachsenen steht für Patienten mit KurzdarmFazit syndrom erstmals eine zielgerichPflichttext InhaltInhalt tete Behandlung zur Verfügung. Abkürzungen und Referenzen Indiziert ist Teduglutid zur Behandlung von KDS-Patienten ab Revestive Revestive – kurz–und kurzknapp und knapp dem Alter von 1 ? ? Jahr. Nach einem Wie wirkt Wie Revestive wirkt Revestive Wie profitieren Wie profitieren erwachsene erwachsene chirurgischen Eingriff sollte zuKDS-Patienten KDS-Patienten von Revestive von Revestive nächst eine Phase der intestinalen Revestive Revestive – Klinische – Klinische Studien Studien Adaptation abgewartet werden und – Wirksamkeit – Wirksamkeit Revestive Revestive bei Erwachsenen bei Erwachsenen die Patienten sollten sich in einer – Real-World-Daten – Real-World-Daten Revestive Revestive stabilen Phase befinden. In der ReMorbus Morbus Crohn-Patienten Crohn-Patienten mit KDS-DV mit KDS-DV gel wird Teduglutid dann als Lang– Sicherheitsdaten – Sicherheitsdaten Revestive Revestive bei Erwachsenen bei Erwachsenen zeittherapie einmal täglich subkuFazit Fazit tan in das Abdomen appliziert. Die Pflichttext Pflichttext empfohlene Dosis von Teduglutid Abkürzungen Abkürzungen und Referenzen und Referenzen beträgt einmal täglich 0,05 mg/kg Körpergewicht [2]. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Teduglutid bei erwachsenen KDS-DV-Patienten wurden im zulassungsrelevanten STEPS-Studienprogramm (STEPS, STEPS-2, STEPS-3) nachgewiesen (Abb. 2) [12, 13, 14]. Neben den STEPS-Studien bestätigten auch Real-World-Daten aus dem klinischen Alltag die Effektivität von Teduglutid [15, 16, 17]. Außerdem wurde die Behandlung ®

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mit Teduglutid bereits in der S3Leitlinie von 2014 zur klinischen Ernährung bei chronischem Darmversagen empfohlen, um die Anzahl der infusionspflichtigen Tage zu verringern [1]. Kontinuierliche Reduktion des parenteralen Supports

In den 3 STEPS-Studien überzeugte Teduglutid durch eine anhaltende Wirksamkeit mit kontinuierlicher Reduktion des PS-Bedarfs bei erwachsenen KDS-Patienten: • In STEPS erreichten 63 % (27/43) der Patienten unter der Behandlung mit Teduglutid eine Reduktion des PS-Volumens um ≥20 %. Eine 20%ige Reduktion entspricht in etwa einem zusätzlichen PS freien Tag pro Woche [12]. • In STEPS-2 sprachen 93 % (28/30) der Patienten auf die Therapie mit Teduglutid an, d.h., sie erreichten eine ≥20%ige Reduktion des wöchentlichen PS-Volumens. 70 % (21/30) gewannen 1 oder mehrere infusionsfreie Tage und 33 % (10/30) erreichten sogar eine vollständige Unabhängigkeit von PS [13]. • In STEP-3 erreichten 2 Patienten nach etwa 2,5 Behandlungsjahren eine vollständige Unabhängigkeit von PS [14]. Die Ergebnisse der klinischen Studien werden durch Real-WorldDaten untermauert. So zeigten in einer in Berlin durchgeführten Untersuchung, in der KDS-Patienten bis zu 2 Jahre lang beobachtet wurden, 79 % (15/19) der Patienten in Woche 24 ein klinisches Ansprechen und 21 % erreichten eine komplette PS-Unabhängigkeit [15].

Sicherheitsprofil

Basierend auf 2 placebokontrollierten klinischen Studien mit insgesamt 109 erwachsenen KDS-DV-Patienten, die mit Teduglutid-Dosen von 0,05 mg/kg/Tag (zugelassene Dosis) und 0,10 mg/ kg/Tag bis zu 24 Wochen lang behandelt wurden, wurde das Nebenwirkungsprofil erfasst [2]: • Bei ca. 52 % der mit Teduglutid behandelten Patienten traten Nebenwirkungen auf (vs. 36 % unter Placebo). • Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren abdominale Schmerzen und Blähungen (45 %), Atemwegsinfektionen (28 %) (einschließlich Nasopharyngitis, Grippe, Infektionen der oberen bzw. unteren Atemwege), Übelkeit (26 %), Reaktionen an der Injektionsstelle (26 %), Kopfschmerzen (16 %) und Erbrechen (14 %). • Bei etwa 38 % der behandelten Patienten mit Stoma gab es gastrointestinale Komplikationen des Stomas. • Die Mehrheit der Reaktionen war leicht oder mäßig ausgeprägt. Teduglutid bei Kindern

Teduglutid ist in der Dosierung von 0,05 mg/kg KG/Tag auch für die Behandlung von Kindern mit Kurzdarmsyndrom ab dem Alter von einem Jahr zugelassen. Das GLP-2-Analogon bewies in 2 Phase-III-Studien seine Wirksamkeit und Sicherheit bei pädiatrischen Patienten. In der doppelblinden 24-wöchigen Studie erreichten 69 % (18/26) der mit Teduglutid behandelten Patienten ein klinisches Ansprechen (Reduktion des PS-Volumens um mindestens 20 %

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gegenüber Baseline) und 12 % (3/26) der Kinder erreichten den sekundären Endpunkt der enteralen Autonomie [18]. In der offenen 12-wöchigen Studie erreichten 20 % (3/15) der Kinder und Jugendlichen die enterale Autonomie. Das PS-Volumen konnte im Vergleich zum Ausgangswert um 1,3 l/Woche reduziert werden. Dabei wurde die PE-Kalorienzahl um 52 % verringert und das Volumen der enteralen Ernährung um 40 % gesteigert [19]. Teduglutid wurde in den Studien generell gut vertragen, bei keinem Patienten musste die Behandlung aufgrund therapiebedingter unerwünschter Ereignisse abgebrochen werden. Das allgemeine Sicherheitsprofil war ähnlich demjenigen der erwachsenen Population mit KDS-DV. Fazit für die Praxis

Patienten mit Kurzdarmsyndrom können erheblich von einer Behandlung mit Teduglutid (Revestive®) profitieren, denn das GLP-2-Analogon verbessert die intestinale Erneuerung und ermöglicht es den Betroffenen, mehr Flüssigkeit und Nährstoffe zu resorbieren. Da Teduglutid den Volumenbedarf der parenteralen Unterstützung verringern kann, gewinnen die Patienten mehr Tage ohne PE/IV oder können sogar eine völlige Unabhängigkeit von der parenteralen Ernährung erreichen, was ihre Lebensqualität erheblich verbessert [20]. Literatur 1 Lamprecht G et al. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 073/026. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. in Zusammenarbeit mit der AKE, der GESKES und der DGVS. Klinische © VERLAG PERFUSION GMBH


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Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 3) – Chronisches Darmversagen. Aktuel Ernahrungsmed 2014;39:e57-e71 Fachinformation Revestive®; Stand: Dezember 2021 Buchman AL. Etiology and initial management of short bowel syndrome. Gastroenterology 2006; 30:S5-S15 Leiß O. Diätetische und medikamentöse Therapie des Kurzdarmsyndroms. Z Gastroenterol 2005;43:661-675 von Websky M et al. Das Kurzdarmsyndrom in Deutschland. Chirurg 2014;85: 433-439 Messing B et al. Long-term survival and parenteral nutrition dependence in adult patients with the short bowel syndrome. Gastroenterology 1999;117:1043-1050 Amiot A et al. Determinants of home par­ enteral nutrition dependence and survival of 268 patients with non-malignant short bowel syndrome. Clin Nutr 2013; 32:368-374 Winkler MF et al. Clinical, social, and economic impacts of home parenteral nutrition dependence in short bowel syndrome. J Parenter Enteral Nutr 2014;38(Suppl 1):32S-37S van Gossum A et al. Clinical, social and rehabilitation status of long-term home parenteral nutrition patients: results of a

Sichelzellkrankheit: Voxelotor setzt direkt an der molekularen Ursache an Die Sichelzellkrankheit ist eine seltene genetische Erkrankung, die pathophysiologisch durch Hämoglobin S (HbS, „Sichelzellhämoglobin“) verursacht wird. Sie beginnt bereits im Säuglingsalter und wird durch die Polymerisation des Sichelhämoglobins hervorgerufen. Dadurch verändern sich die Form und Flexibilität der roten Blutkörperchen, was die Hämolyse der Erythrozyten beschleunigt. Weltweit leiden viele Menschen an der hämolytischen Anämie und es besteht ein hoher, bisher noch nicht gedeckter Bedarf an Therapien, die in den Krankheitsverlauf eingreifen und die Lebensqualität der

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European multicentre survey. Clin Nutr 2001;20:205-210 10 Gillanders L et al. A prospective study of catheter-related complications in HPN patients. Clin Nutr 2012;31:30-34 11 Wiles A et al. Recent advances in the management of intestinal failure-associated liver disease. Curr Opin Clin Metab Care 2009;12:265-272 12 Jeppesen PB et al. Teduglutide reduces need for parenteral support among patients with short bowel syndrome with intestinal failure. Gastroenterology 2012; 143:1473-1481 13 Schwartz LK et al. Long-term teduglutide for the treatment of patients with intestinal failure associated with short bowel syndrome. Clin Transl Gastroenterol 2016;7:e142 14 Seidner DL et al. Reduction of parenteral nutrition and hydration support and safety with long-term teduglutide treatment in patients with short bowel syndrome-associated intestinal failure: STEPS-3 study. Nutr Clin Pract 2018;33:520-527 15 Pevny S et al. Experience with teduglutide treatment for short bowel syndrome in clinical practice. Clin Nutr 2019;38:17451755 16 Lam K et al. Single-center experience with the use of teduglutide in adult pati-

ents with short bowel syndrome. J Parenter Enteral Nutr 2018;42:225-230 17 Schoeler M et al. GLP-2 analog teduglutide significantly reduces need for parenteral nutrition and stool frequency in a real-life setting. Therap Adv Gastroenterol 2018;11:1-11 18 Kocoshis SA et al., Safety and efficacy of teduglutide in pediatric patients with intestinal failure due to short bowel syndrome: a 24-week, phase III study. JPEN J Parenter Enteral Nutr 2020;44:621-631 19 Carter BA et al. Outcomes from a 12week, open-label, multicenter clinical trial of teduglutide in pediatric short bowel syndrome. J Pediatr 2017;181:102-111.e5 20 Chen K et al. Impact of teduglutide on quality of life among patients with short bowel syndrome and intestinal failure. J Parenter Enteral Nutr 2020;44:119-128

Patienten verbessern. In Deutschland hat die Prävalenz der Sichelzellkrankheit erst in den letzten 3 Jahrzehnten durch den demographischen Wandel zugenommen. Heute rechnet man hierzulande mit rund 3.200 Betroffenen, die vor allem Wurzeln im subsaharischen Raum sowie im Nahen Osten haben. Nach der Zulassung von Voxelotor (Oxbryta®) durch die EMA im Februar 2022 können nun auch in Deutschland alle Patienten mit Sichelzellkrankheit von der Behandlung mit dem Wirkstoff profitieren. Davor stand Voxelotor dem deutschen Markt seit April 2021 bereits im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms zur Verfügung. Das von Global Blood Therapeutics (GBT) entwickelte Arz­

neimittel ist der erste in der EU zugelassene Wirkstoff, der direkt an der molekularen Ursache der Sichelzellkrankheit ansetzt: Indem Voxelotor die Affinität des Hämoglobins, an Sauerstoff zu binden, erhöht, inhibiert es die Polymerisation von Hämoglobin S. Die Erythrozyten behalten ihre Form, ihr übermäßiger Abbau wird reduziert und ihre Lebensdauer verlängert. Voxelotor kann als Monotherapie oder in Kombination mit Hydroxycarbamid bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen ab dem Alter von 12 Jahren angewendet werden. Es wird einmal täglich oral eingenommen. Die empfohlene Dosis beträgt 1.500 mg/d (3 Filmtabletten zu je 500 mg). S. M.

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Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen brigitte.soellner@online.de

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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as Update der Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) misst der Diagnose und Behandlung des Eisenmangels bei Patienten mit Herzinsuffizienz (HI) eine zentrale Bedeutung zu: Fortan sollen alle HI-Patienten regelmäßig und nicht wie bisher nur bei Erstdiagnose der HI auf einen Eisenmangel kontrolliert werden [1]. Liegt ein Eisenmangel vor, empfehlen die Leitlinien, die Therapie mit i.v. Eisencarboxymaltose (Ferinject®) [2] in Betracht zu ziehen*. Eine weitere Neuerung ist die Empfehlung, bei kardiorenalen Patienten regelmäßig den Kaliumwert zu bestimmen, da der Einsatz der bestmöglichen, leitliniengerechten Herzmedikation häufig eine Hyperkaliämie zur Folge hat [1]. Zur raschen und langfristigen Senkung des Kaliumspiegels hat sich der natriumfreie Kaliumbinder Patiromer (Veltassa®) bewährt [3]. Behebung des Eisenmangels verbessert HI-bedingte Symptome und senkt die Hospitalisierungsrate

Bis zu 80 % der Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert werden [4], und etwa 50 % der chronischen HI-Patienten [5] weisen einen Eisenmangel auf. Weil dieser die HI-Symptome und damit auch die körperliche Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität der Betroffenen verschlechtern kann [6, 7, 8] und sich * Ferinject® ist indiziert zur Behandlung von Eisenmangelzuständen, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind, nicht angewendet werden können oder die medizinische Notwendigkeit einer raschen Eisengabe besteht. Die Diagnose eines Eisenmangels muss durch geeignete Laboruntersuchungen bestätigt sein [2].

Herzinsuffizienz: Neue ESC-Leitlinie empfiehlt regelmäßige Kontrolle der Eisen- und Kaliumwerte durch ein Eisendefizit auch das Risiko für eine Hospitalisierung und einen kardiovaskulär bedingten Tod erhöht [9], empfiehlt die ESC in ihrem Leitlinien-Update 2021, alle HI-Patienten, auch solche ohne Anämie, im Rahmen der Diagnostik auf einen Eisenmangel zu screenen (Evidenzklasse I, Empfehlungsgrad C; Abb. 1) [1]. Hierfür soll ein vollständiges Blutbild, inklusive der Ferritinkonzentration im Serum und der Transferrinsättigung (TSAT), erstellt werden [1]. Geändert haben sich auch die Empfehlungen für die Behandlung des Eisenmangels: Wird bei einem symptomatische Patienten (LVEF ˂50 %) nach herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung ein Eisendefizit festgestellt (Serumferritin ˂100 ng/ml oder Serumferritin 100 – 299 ng/ml mit TSAT ˂20 %), wird die i.v. EisencarboxymaltoseGabe empfohlen, um das Risiko für weitere Hospitalisierungen zu senken (Evidenzklasse IIa, Empfehlungsgrad B) [1]. Dies geht über die bisherige Empfehlung der Leitlinie von 2016 hinaus, in der i.v. Eisencarboxymaltose aufgrund der überzeugenden Ergebnisse mehrerer Studien [z.B. 10, 11, 12] bislang nur zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Lebensqualität bei symptoma-

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tischen Patienten mit LVEF ≤45 % und Eisenmangel (Serumferritin <100 ng/ml oder Serumferritin 100 – 299 ng/ml mit TSAT ˂20 %) eingesetzt werden sollte (Evidenzklasse IIa, Empfehlungsgrad A). Grundlage für diese Neuerung waren die Ergebnisse der AFFIRM-AHF-Studie [13]. In dieser randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung wurden 1.108 Patienten, die mit akuter HI und Eisenmangel in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, nach Stabilisierung zur Therapie des Eisenmangels entweder mit Eisencarboxymaltose oder Placebo behandelt. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus HI-bedingter Hospitalisierung und kardiovaskulärem Tod im Zeitraum von 52 Wochen. Der primäre Endpunkt wurde mit 21 % relativer Risikoreduktion zugunsten des VerumArmes nur knapp verfehlt (RR: 0,79; 95%-KI: 0,62 – 1,01; p = 0,059), was nachweislich auf einer Verzerrung der Studienergebnisse durch COVID-19 beruhte. Nach Bereinigung der Ergebnisse mithilfe einer vorab spezifizierten Sensitivitätsanalyse – wie von der europäischen Heart Failure Association empfohlen – ergab sich dann eine Risikoreduktion von 25 % für den primären Endpunkt (RR: 0,75; 95%-KI: 0,59 – 0,96; p = 0,024) [13]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS P&T 3-2022, ATK9, Ferinject®, Veltassa®,Vifor Pharma

Akute und chronische Herzinsuffizienz: Eisenmangel regelmäßig diagnostizieren und behandeln Neue Empfehlungen der ESC-Leitlinie 2021 Diagnostik

Aktualisiert

Unverändert

Regelmäßig bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz parallele Abklärung von Eisenmangel & Anämie, Parameter: Serumferritin, Transferrinsättigung (TSAT) Eisencarboxymaltose sollte in Betracht gezogen werden bei symptomatischen Patienten mit Herzinsuffizienz (LVEF ≤45%) und Eisenmangel: • Serumferritin <100 ng/ml oder • Serumferritin 100–299 ng/ml plus TSAT <20%

I-C*

IIa-A**

Therapieziele: • Linderung HI-bedingter Symptome • Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit • Steigerung der Lebensqualität

Therapie

NEU

Eisencarboxymaltose sollte in Betracht gezogen werden bei symptomatischen Patienten mit Herzinsuffizienz (LVEF <50%), die kürzlich wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden und einen Eisenmangel aufweisen: • Serumferritin <100 ng/ml oder • Serumferritin 100–299 ng/ml plus TSAT <20%

IIa-B***

Therapieziel: Risikoreduktion HI-bedingter Hospitalisierungen

NEU

Empfehlung bei akuter Herzinsuffizienz – vor Entlassung oder kurz nach Entlassung: Eisencarboxymaltose sollte in Betracht gezogen werden bei Eisenmangel • Serumferritin < 100 ng/ml oder • Serumferritin 100–299 ng/ml plus TSAT <20%

IIa-B***

Therapieziele: • Linderung HI-bedingter Symptome • Risikoreduktion HI-bedingter Hospitalisierungen * Empfehlungsgrad I, Evidenzlevel C: Evidenz und/oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Maßnahme effektiv, nützlich oder heilsam ist. Konsensusmeinung von Experten und/oder kleinen Studien, retrospektiven Studien oder Registern. ** Empfehlungsgrad IIa, Evidenzlevel A: Evidenzen/Meinungen favorisieren den Nutzen bzw. die Effektivität einer Maßnahme (die Maßnahme sollte in Erwägung gezogen werden); Daten aus mehreren randomisierten klinischen Studien oder Meta-Analysen. *** Empfehlungsgrad IIa, Evidenzlevel B: Evidenzen/Meinungen favorisieren den Nutzen bzw. die Effektivität einer Maßnahme (die Maßnahme sollte in Erwägung gezogen werden); Daten aus einer randomisierten klinischen Studie oder großen nicht randomisierten Studien. Abbildung Empfehlungen zur Behandlung eines Eisenmangels bei HI-Patienten, Auszug aus derAuszug ESC-Leitlinie 2021 [1] (Quelle: Vifor PharAbbildung1:1: Empfehlungen zur Behandlung eines Eisenmangels bei HI-Patienten, aus der ESC-Leitlinie ma). 2021 [1] (Quelle: Vifor Pharma).

Die relative Risikoreduktion im sekundären Endpunkt, der HIbedingten Rehospitalisierung, betrug 26 % (RR: 0,74; 95%-KI: 0,58 – 0,94; p = 0,013). Damit belegen die Ergebnisse der AFFIRM-AHF-Studie den klinischen Nutzen der i.v. Eisensubstitution

bei Patienten mit akuter HI und Eisenmangel [13], zumal sich auch in dieser Studie bereits nach 4 Wochen ein positiver Effekt auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zu Placebo zeigte, der noch bis zu 24 Wochen anhielt [14].

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Risikofaktor Hyperkaliämie

Zur Behandlung von HI-Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion ≤40 % empfiehlt die neue ESCLeitlinie den Einsatz von 4 Schlüsselmedikamenten: Jeder Patient sollte einen ACE-Hemmer oder © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Angiotensin-Rezeptor-NeprilysinInhibitor (ARNI), einen Betablocker, einen MineralkortikoidRezeptor-Antagonisten (MRA) und einen Sodiumglucose CoTransporter-2-Inhibitor (SGLT2Hemmer; Dapagliflozin oder Empagliflozin) erhalten, wobei alle 4 Substanzklassen eine Klasse-IAEmpfehlung haben [1]. Diese Therapie geht jedoch mit dem Risiko einher, dass die Patienten im Lauf der Behandlung mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (ACE-Hemmer, ARNI und MRA) eine Hyperkaliämie (Serumkalium >5,0 mmol/l) entwickeln. Die ESC-Leitlinie empfiehlt deshalb die regelmäßige Bestimmung des Kaliumwertes bei den mit RAAS-Inhibitoren behandelten Patienten [1]. Hohe Kaliumwerte und eine renale Dysfunktion sind die Hauptgründe dafür, dass eine möglicherweise notwendige und in den Leitlinien auch empfohlene Auftitrierung des RAAS-Inhibitors nicht vorgenommen, dessen Dosis reduziert oder die lebensnotwendige Herzmedikation sogar abgesetzt wird. Rund 80 % der HIPatienten erhalten den RAAS-Inhibitor nicht in der korrekten Dosis, sodass sich ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität erhöht [15]. Langfristige Senkung des Kaliumspiegels mit Patiromer

Zur leitliniengerechten Behandlung von HI-Patienten gehört es demnach auch, den Kaliumwert im Normbereich zu halten [1]. Mit Patiromer (Veltassa®**) steht ein Kaliumbinder zur Verfügung, der den Kaliumspiegel schnell [16], zuverlässig und anhaltend [17, 18]

senkt, das Wiederauftreten einer Hyperkaliämie verhindert [19] und somit nachweislich die bestmögliche Einstellung der Herzmedikation erlaubt [20]. Der natriumfreie, geschmacksneutrale aus nicht resorbierbaren Polymeren bestehende Kationentauscher [21] wird einmal täglich als Suspension mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten oder weichen Lebensmitteln oral eingenommen. Die maximale Dosis beträgt 25,2 g pro Tag [3]; 90 % der Patienten benötigen nur 1 Beutel (8,4 g) täglich [22]. Überschüssiges Kalium wird im Dickdarm effektiv gebunden, gegen Kalzium getauscht und fäkal ausgeschieden [3]. Dabei ist Patiromer gut verträglich [23]. Die Wirksamkeit von Patiromer belegen verschiedene klinische Studien: So konnten in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten PEARLHF-Parallelgruppenstudie HI-Patienten mit Hyperkaliämierisiko unter Spironolacton-Behandlung den Serumkaliumwert mit Patiromer signifikant im Zielbereich <5,0 mmol/l halten und 91 % der mit Patiromer behandelten Studienteilnehmer konnten unter Beibehaltung normaler Kaliumwerte ihre Spironolacton-Dosis sogar erhöhen [23]. Auch in der AMBERStudie konnten 86 % der chronisch nierenkranken Patienten dank Patiromer die Spironolacton-Therapie aufrechterhalten – im Gegensatz zu nur 66 % der Patienten im Pla** Veltassa® wird als geschmacksneutrales, natriumfreies, orales Pulver zur Suspension als 8,4 g-Beutel oder 16,8 g-Beutel angeboten. Die empfohlene Einstiegsdosis sind 8,4 g Patiromer einmal täglich. Die Tagesdosis kann je nach Serumkaliumspiegel und gewünschtem Zielbereich in wöchentlichen oder auch längeren Intervallen angepasst werden [3].

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cebo-Arm [20]. Außerdem konnte die AMETHYST-DN (DN = dia­ betic nephropathy) zeigen, dass der Kaliumbinder auch langfristig über 52 Wochen wirkt. Wurde Patiromer abgesetzt, stieg der Kaliumspiegel sofort wieder an [18]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 McDonagh TA et al. Eur Heart J 2021; 42:3599-3726 2 Fachinformation Ferinject®, in der jeweils gültigen Fassung 3 Fachinformation Veltassa®, in der jeweils gültigen Fassung 4 Cohen-Solal A et al. Eur J Heart Fail 2014;16:984-991 5 Rocha BML et al. J Am Coll Cardiol 2018;71:782-793 6 Klip IT et al. Am Heart J 2013;165:575582 7 Jankowska EA et al. J Cardiac Fail 2011; 7: 899-906 8 Enjuanes C et al. Int J Cardiol 2014; 174:268-275 9 Martens P et al. Acta Cardiol 2018;73: 115-123 10 Anker SD et al., FAIR-HF Trial Investigators. N Engl J Med 2009;361:24362448 11 Ponikowski P et al., CONFIRM-HF Investigators. Eur Heart J 2015;36:657-668 12 van Veldhuisen DJ et al., EFFECT-HF Investigators. Circulation 2017;136:13741383 13 Ponikowski P et al., AFFIRM-AHF Investigators. Lancet 2020;396:1895-1904 14 Jankowska EA et al. Eur Heart J 2021; 42:3011-3020 15 Epstein M et al. Am J Manag Care 2015; 21(Suppl 11):S212-S220 16 Bushinsky DA et al. Kidney Int 2015;88:1427-1433 17 Pitt B et al. ESC Heart Fail 2018;5:592602 18 Bakris GL et al. J Am Med Ass 2015; 314:151-161 19 Weir MR et al. N Engl J Med 2015; 372:211-221 20 Agarwal R et al. Lancet 2019;394:15401550 21 Li L et al. J Cardiovasc Pharmacol Ther 2016;21:456-465 22 Archivdaten. Healthcare Analytics (SHA), eine Symphony Health Solutions Corporation (Februar 2019) 23 Pitt B et al. Eur Heart J 2011;32:820-82

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

D

er Pruritus ist neben den sichtbaren Hautläsionen eines der belastendsten Symptome der Psoriasis. Da er auch den Schlaf und die Lebensqualität beeinträchtigt, ist eine schnelle Verbesserung der Symptome für die Patienten besonders wichtig. Als Gold-Standard für die topische Therapie wird die Fixkombination aus Calcipotriol (Cal, 50 μg/g) und Betamethason Dipropionat (Bet, 0,5 mg/g) empfohlen [1], die in unterschiedlichen Darreichungsformen zur Verfügung steht. Da es für die rasche Linderung des Juckreizes entscheidend ist, dass die Wirkstoffe schnell und effizient dorthin gelangen, wo sie wirken sollen – in die Haut –, sollte bei der Präparatewahl auf die Galenik geachtet werden. Schnelle Verbesserung des Pruritus mit Enstilar® Sprühschaum

Hier kann der Enstilar® Sprühschaum [2] mit seiner innovativen Galenik [3] gleich doppelt punkten: Zum einen entsteht beim Auftragen des Sprühschaums eine okklusive Schicht. Diese kann den Hydrationsgrad des Stratum corneum verbessern und somit die Permeabilität der Haut für Wirkstoffe zusätzlich fördern [4]. Zum anderen verdunsten die Treibmittel des Sprühschaums beim Auftragen, sodass sich die Wirkstoffe anschließend in einer übersättigten Lösung befinden. Durch diese Supersaturation können die Substanzen besser als z.B. bei einer wirkstoffgleichen Salbe in die Haut eindringen [4]. Dass sich dadurch die Symptome schneller verbessern, belegen die Ergebnisse der Phase-III-Studie PSO-ABLE: Hier erreichten unter Enstilar® Sprühschaum nicht

Psoriasis: Bei der topischen Therapie auf die Darreichungsform achten nur signifikant mehr Patienten in Woche 4 einen mPASI75* als Patienten mit Cal/Bet-Gel in Woche 8 (52 % versus 35 %; p < 0,001) [5], auch patientenbezogene Endpunkte wurden rasch verbessert [6]: Die Linderung des Juckreizes mit Enstilar® war bereits ab Tag 3 spürbar. Mehr als ein Drittel der Patienten erreichte eine mindestens 70%ige Verbesserung des Pruritus, verglichen mit 24,0 % unter Vehikelschaum. Die Anzahl der Patienten mit 70%iger Verbesserung des Pruritus stieg weiter an, nach 4 Wochen waren es unter Enstilar® 83,5 %, unter Vehikelschaum wa­ ren es nur 40,6 % (p < 0,01). Eine 70%ige Verbesserung des Pruritus-bedingten Schlafverlustes hatten in Woche 4 unter Enstilar bereits 70,8 % der Patienten erreicht gegenüber 39,8 % unter Vehikelschaum (p < 0,01) [7]. Dies spiegelte sich auch in der Lebensqualität wider: In Woche 4 hatten mit Enstilar® bereits 45,7 % der Patienten einen Dermatologischen Lebensqualitäts-Index von 0 oder 1 (DLQI 0/1) erreicht, mit dem wirkstoffgleichen Gel nur 32,4 % [8]. Enstilar® überzeugt auch im Versorgungsalltag

Die Ergebnisse der klinischen Studien wurden auch im Versorgungs* mPASI = modifizierter Psoriasis Area and Severity Index

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alltag bestätigt. In der prospektiven Beobachtungsstudie CELSUS wurden insgesamt 400 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Psoriasis für 4 Wochen mit Enstilar® behandelt und zusätzlich nach ihren Erfahrungen mit der Behandlung befragt [10, 11]. Die meisten Patienten (65,4 %; n = 58) bewerteten die Juckreizlinderung mit „ziemlich stark“ oder „sehr stark“. Die Juckreizschwere hatte sich in Woche 4 bei 9 von 10 Patienten (93,4 %, n = 309) klinisch relevant (≥30 %) verringert. 64,3 % (n = 400) waren mit der Behandlung allgemein sehr zufrieden, 23,5 % waren zufrieden [11]. Auch die Lebensqualität der Patienten verbesserte sich unter der Behandlung mit Enstilar® [11]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Körber A et al. J Dtsch Dermatol Ges 2019;17:3-14 2 Fachinformation Enstilar®; Stand: Februar 2021 3 Queille-Roussel C et al. Clin Drug Invest 2015;35:239-245 4 Lind M et al. Dermatol Ther 2016; 6:413425 5 Paul C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2017;31:119-126 6 Koo J et al. J Dermatol Treat 2016;27: 120-127 7 Leonardi C et al. J Drugs Dermatol 2016; 15:981-987 8 Leonardi C et al. J Drugs Dermatol 2015; 14:1468-1477 9 Griffiths CE et al. EJD 2018;28:356-363 10 Rigopoulos D et al. Eur Acad Dermatol Venerol 2021;35:e454-e457 11 Rigopoulos D et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021;35:e931-e934 © VERLAG PERFUSION GMBH


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A

Neue Therapieansätze für Alkohol-bedingte Lebererkrankungen

lkohol-bedingte Lebererkrankungen (alcoholic liver diseases, ALD) haben in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit und Wissenschaft an Aufmerksamkeit gewonnen. Dies hängt unter anderem auch mit dem alarmierend gestiegenen Alkoholkonsum in manchen Ländern und schweren Formen des Alkoholmissbrauchs wie dem „binge drinking“ zusammen, sodass ALD nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein weltweit zunehmendes gesellschaftliches Problem sind. Risikofaktoren rechtzeitig erkennen

So gut wie jeder Mensch, der regelmäßig Alkohol zu sich nimmt, wird in Abhängigkeit von der Alkoholdosis eine mehr oder weniger ausgeprägte Fettleber (Steatosis) entwickeln. Bei bis zu einem Drittel der Betroffenen kommt eine entzündliche Komponente hinzu, also eine Steatohepatitis mit oder ohne Fibrose. Diese wiederum kann bei einem Teil der Patienten in eine Zirrhose münden, die jährliche Leberkrebsrate bei alkoholbedingter Zirrhose liegt bei 1 – 2 %. Das heißt: Nur eine Minderheit jener, die regelmäßig Alkohol konsumieren, entwickelt eine progressiv verlaufende und fortgeschrittene Lebererkrankung. Warum das so ist, und wer besonders gefährdet ist, dafür findet die Forschung zunehmend Erklärungen. So existieren sowohl genetische Risikofaktoren als auch protektive genetische Konstellationen. Die täglich aufgenommene Alkoholmenge und die Trinkmuster, das Vorhandensein weiterer Suchterkrankungen und Komorbiditäten wie Hepatitis B/C und Adipositas spielen

ebenfalls eine Rolle. Dennoch ist es weiterhin schwierig, Risikopatienten für eine progressive Lebererkrankung frühzeitig zu identifizieren, zumal die Leberveränderungen über lange Zeit keine klinischen Symptome auslösen können. Die Leber ist zwar ein Organ mit ausgeprägter Regenerationsfähigkeit, Entzündungen und Fibrose müssen jedoch rechtzeitig erkannt werden, um therapeutisch die Regeneration anstoßen zu können. Vielfältige Pathomechanismen schädigen die Leber

Forscher in den USA haben bestimmte Entzündungsmuster in der Leber identifiziert, die das Fibroserisiko anzeigen. Damit eröffnet sich einerseits die Möglichkeit, die Inflammation zielgerichteter als bisher zu bekämpfen, andererseits können hepatoprotektive Maßnahmen ergriffen werden, um

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die Regenerationsfähigkeit der Leberzellen zu unterstützen. Da ALD oft mit bakteriellen Infektionen einhergehen, müssen diese ebenso konsequent behandelt werden wie die Begleiterkrankungen Bluthochdruck, hepatische Enzephalopathie oder Niereninsuffizienz. Dabei darf die Leber bei ALD nicht isoliert betrachtet werden – denn ALD sind auch mit Veränderungen des Darmmikrobioms, des Mykobioms und des Viroms assoziiert. Umgekehrt verstärkt die intestinale Dysbiose die Leberveränderungen bis hin zur Zirrhose. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Mikrobiom-zentrierte Therapien für die Behandlung von Lebererkrankungen einzusetzen. Tierversuche mit Bakteriophagen, die (Darm-) Bakterien infizieren und zerstören können, haben ermutigende Resultate erbracht. Eine weitere Therapieoption bei Dysbiose ist die Stuhltransplantation (faecal microbiom transplantation, FMT). Entwicklung neuer Therapien

Hoffnungen setzen Forschende aus der Klinik derzeit in ein Fusionsprotein, das u.a. aus humanem Interleukin (IL)-22 besteht. Bei moderater bis schwerer Alkoholhepatitis ist es mit dem IL22-Fusionsprotein in Pilotstudien gelungen, Reparaturmechanismen in der Leber anzuregen und die Leberfibrose zu reduzieren. Un© VERLAG PERFUSION GMBH


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tersucht werden außerdem weitere Wirkstoffe wie die aus der Rheumatologie bekannten IL-1-Inhibitoren Anakinra und Canakinumab oder die experimentelle Substanz Cenicriviroc, ein CCR2/CCR5Inhibitor. Diese Substanzen wirken antiinflammatorisch, indem sie selektiv die Signalübertragung von Entzündungsprozessen hemmen. Außerdem wird versucht, per Bioengineering „Kunstlebern“ herzustellen, die in Tierversuchen bereits heterotop transplantiert wurden. Eines der schwierigsten klinischen Probleme bei chronischen Lebererkrankungen ist die akute Dekompensation des Organs, das Akut-auf-chronische Leberversagen (ACLF). Das äußerst komplexe Syndrom umfasst außer der schweren Leberfunktionsstörung eine systemische Inflammation, die immunologische Dysfunktion sowie das Versagen von weiteren Organen. Entsprechend hoch ist die Mortalität, denn spezifische Therapien gibt es bislang nicht. Als experimentelle Behandlungsansätze werden z.B. die Therapie mit TLR (Toll-like receptor) 4Antagonisten, GCSF (granulocyte colony stimulating factor) oder der Plasmaaustausch weiterentwickelt. Weil eine Leberdysfunktion auch bei erfolgreicher Intensivtherapie persistiert, ist bislang unklar, inwiefern die Leber bei ACLF-Patienten tatsächlich noch in der Lage ist, sich zu erholen. Hier kann eine Lebertransplantation lebensrettend sein. Elisabeth Wilhelmi, München

Quelle: Online Live Event Symposium 227 „Pathophysiology and Clinical Management of Alcoholic Liver Disease”, 27.–28. Januar 2022, Veranstalter: Falk Foundation e.V.

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Lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Urothelkarzinom: Enfortumab Vedotin eröffnet neue Chancen

D

as Urothelkarzinom (UC), die häufigste Krebserkrankung im Bereich der ableitenden Harnwege, ist eine aggressive Erkrankung, die durch ein hohes Rezidiv- und Progressionsrisiko charakterisiert ist [1]. Dies bedeutet eine erhebliche Belastung sowohl für den Patienten selbst als auch für das Gesundheitssystem. Ist die Erkrankung lokal fortgeschritten (laUC) bzw. metastasiert (mUC), sind die Therapiemöglichkeiten limitiert. Kurative Behandlungsansätze wie z.B. eine operative Entfernung des Tumors stehen in diesem Stadium (IV) nicht mehr zur Verfügung. Standardtherapien in der palliativen Situation sind eine platinbasierte Chemotherapie und die Hemmung des PD-1 (programmed death receptor 1)- bzw. des PD-L1 (programmed death ligand 1)-Signalwegs. Doch selbst bei einer „State-ofthe-Art“-Behandlung haben Patienten mit laUC bzw. mUC mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von rund 5 % eine schlechte Prognose [2], da sie nur noch selten auf die Therapie ansprechen – die Ansprechrate auf die Therapie mit einem PD-(L)1-Inhibitor liegt bei nur 13 – 28 % [2, 3]. Nach Versagen von platinbasierter Chemotherapie und Immuntherapie verbleiben als einzige Optio-

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nen weitere Chemotherapien, die zum Teil aber für diese Indikation in Europa nicht zugelassen sind (z.B. Docetaxel oder Paclitaxel) und/oder bei hoher Toxizität nur mittelmäßig wirksam sind (z.B. Vinflunin), sowie die bestmögliche Supportivtherapie [1]. Innovative, effektive Therapieoptionen sind daher für Patienten mit vorbehandeltem laUC/mUC dringend notwendig. Für dieses Patientenkollektiv eröffnet Enfortumab Vedotin (Padcev™) eine neue, zielgerichtete Therapieoption (siehe Insert auf S. 81). Das Antikörper-WirkstoffKonjugat wurde im April 2022 von der Europäischen Kommission für die Monotherapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinoms bei mit einer platinbasierten Chemotherapie und PD-(L)1-Inhibitoren vorbehandelten Patienten zugelassen [4]. Signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens

Basis der Zulassung von Enfortumab Vedotin waren die Ergebnisse der EV-301-Studie [5], die Enfortumab Vedotin (EV) mit einer vom behandelnden Arzt ausgewählten Chemotherapie (Docetaxel, Paclitaxel oder Vinflunin) bei Patienten mit lokal fortgeschrit© VERLAG PERFUSION GMBH


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80

1 Primärer Endpunkt: Gesamtüberleben

Patienten am Leben (%)

Median Monate (95% CI)

Enfortumab Vedotin (n=301)

Chemotherapie (n=307)

12.88 (10.58 – 15.21)

8.97 (8.05 – 10.74)

51.5 % (44.6 – 58.0)

39.2 % (32.6 – 45.6)

12-monatige erwartete Überlebensrate HR (95% CI), p-Wert

0.70 (0.56, 0.89), p = 0.001

30% Reduktion des Sterberisiko

+ + Censored

ENF_2022_0090_DE, Mai 2022

Abbildung 1: Ergebnisse der zulassungsrelevanten Studie EV-301 für den primären Endpunkt, das Gesamtüberleben [5] (© Astellas).

tenem oder metastasiertem Urothelkarzinom verglich, die zuvor eine platinhaltige Chemotherapie und einen PD-(L)1-Inhibitor erhalten hatten. Eingeschlossen wurden insgesamt 608 Patienten (mittleres Alter 68 Jahre, 77,3 % Männer), von denen 301 zur Behandlung mit EV* und 307 zur Chemotherapie randomisiert wurden. Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Die präspezifizierte Interimsanalyse nach einem medianen Followup von 11,1 Monaten zeigte ein signifikant längeres Gesamtüberleben bei Behandlung mit EV im Vergleich zur Chemotherapie: Im EV-Studienarm betrug das mediane Gesamtüberleben 12,88 Monate, im Chemotherapie-Arm 8,97 Monate (HR: 0,70; 95%-KI: 0,56 – 0,89; p = 0,001), was einer relativen Senkung des Sterberisikos um 30 % entspricht (Abb. 1) [5]. * Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wurde in der EV-301-Studie in einer Dosis von 1,25 mg/pro kg KG jeweils an den Tagen 1, 8 und 15 eines 28-Tage-Zyklus als intravenöse Infusion über 30 Minuten verabreicht [5].

Auch das mediane progressionsfreie Überleben, ein sekundärer Studienendpunkt, war in der EVGruppe signifikant länger als in der Chemotherapie-Gruppe (5,55 Monate versus 3,71 Monate; HR: 0,62; 95%-KI: 0,51 – 0,75; p < 0,001) [5]. Hohe Ansprechraten

Dass Enfortumab Vedotin den bisherigen Therapieoptionen zur Behandlung des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms überlegen ist, zeigte sich auch in den hohen

Ansprechrate Bestätigte ORR, % (95% CI) Komplettes Ansprechen Teilweises Ansprechen Stabile Erkrankung Progress Nicht beurteilbar Krankheitskontrollrate (DCR), % (95% CI) Zeit bis zum Therapieansprechen Mediane Zeit (Spanne), Monate Zeitdauer des Therapieansprechens Anzahl, n (%) Median, (95%, CI) Monate

Ansprechraten bei diesem nahezu austherapierten Patientenkollektiv: Die bestätigte Gesamtansprechrate war in der EV-Gruppe mit 40,6 % (95%-KI: 34,9 – 46,5) signifikant höher als in der ChemotherapieGruppe mit 17,9 % (95%-KI: 13,7 – 22,8; p < 0,001). Ein vollständiges Ansprechen erreichten 4,9 % der Patienten in der EVGruppe und 2,7 % in der Chemotherapie-Gruppe. Eine Krankheitskontrolle wurde bei 71,9 % der mit EV behandelten Patienten dokumentiert (95%-KI: 66,3 – 77,0) gegenüber 53,4 % der Chemo-

Enfortumab Vedotin

Chemotherapie

n = 288 40.6 (34.9 – 46.5) 14 (4.9) 103 (35.8) 90 (31.3) 44 (15.3) 37 (12.8) 71.9 (66.3 – 77.0)

n = 296 17.9 (13.7 – 22.8) 8 (2.7) 45 (15.2) 105 (35.5) 83 (28.0) 55 (18.6) 53.4 (47.5 – 59.2)

n = 288 1.87 (1.1 – 5.7)

n = 296 1.91 (1.2 – 8.6)

n = 117 63 (53.8) 7.39 (5.59 – 9.46)

n = 53 29 (54.7) 8.11 (5.65 – 9.56)

p-Wert p < 0.001

p < 0.001

Abbildung 2: Ergebnisse der zulassungsrelevanten Studie EV-301 für das Therapieansprechen (einer der sekundären Endpunkte) [5] (© Astellas). ORR = overall response rate (Gesamtansprechrate).

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Akzeptables Nutzen-Risiko-Profil

Zielgerichteter Wirkmechanismus Enfortumab Vedotin (Padcev™) stellt in der Therapie des Urothelkarzinoms eine neue Substanzklasse dar („First in Class“). Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (antibody drug conjugate; ADC), das sich gezielt gegen Nectin-4 richtet, ein Oberflächenprotein, das bei Urothelkarzinomzellen stark exprimiert wird [6]. Das ADC besteht aus einem vollständig humanen IgG1-kappa-Antikörper, der über einen durch Protease spaltbaren Maleimidocaproyl-Valin-Citrullin-Linker mit der Mikrotubuli-hemmenden und damit zytotoxisch wirkenden Substanz Monomethyl-Auristatin E (MMAE) konjugiert ist.

Die Inzidenz von behandlungsassoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen war in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar: 93,9 % unter Enfortumab Vedotin und 91,8 % unter Chemotherapie [5]. Fazit

Das ADC bindet an die Nectin-4 exprimierende Zelle  und der ADC-Nectin-4-Komplex wird internalisiert . In der Zelle wird durch Proteolyse des Linkers das zytotoxisch wirkende MMAE freigesetzt . Im Zytoplasma unterbricht MMAE das MikrotubuliNetzwerk  und es kommt zum Zellzyklus-Stilstand, sodass der apoptotische Zelltod eintritt .

Enfortumab Vedotin (Padcev™) eröffnet Patienten mit laUC / mUC, die mit einem PD-1 oder PD-L1Inhibitor und einer platinhaltigen Chemotherapie vorbehandelt wurden, neue Chancen. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat kann bei einer hohen Ansprechrate den Patienten nicht nur ein längeres Gesamtüberleben, sondern auch in vielen Domänen eine bessere Lebensqualität als die bisherigen Therapieoptionen ermöglichen. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur

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therapie-Patienten (95%-KI: 47,5 – 59,2). Dieser Unterschied war ebenfalls signifikant zugunsten von EV (p < 0,001) (Abb. 2). Auch hinsichtlich der für den Patienten belastenden Schmerzsymp-

tomatik wurde unter EV (gemessen anhand EORTC-QLQ-C30) eine signifikant bessere Reduktion im Vergleich zur Chemotherapie erzielt (52 % vs. 29 %) [5].

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1 S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms, Langversion 2.0, 2020, AWMF-Registrierungsnummer 032/ 038OL 2 Bellmunt J et al. N Engl J Med 2017; 376:1015-1026 3 Powles T et al. Lancet 2018; 391: 748757 4 Fachinformation PADCEV™; Stand: April 2022 5 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/ NCT03474107 6 Challita-Eid P et al. Cancer Res 2016; y76:3003-3013

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Brolucizumab zur Behandlung des diabetischen Makulaödems

D

as diabetische Makula­ödem (DMÖ) ist die häufigste Erblindungsursache bei Erwachsenen in Industrieländern und betrifft 12 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes und 28 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes [1]. Infolge des dauerhaft zu hohen Blutzuckerspiegels bei Diabetes kommt es zu strukturellen Veränderungen kleiner Blutgefäße im Auge und zu einer Ischämie-induzierten übermäßigen Ausschüttung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF), einem Protein, das das Wachstum von Blutgefäßen stimuliert [1]. VEGF ist außerdem an einer erhöhten Gefäßdurchlässigkeit beteiligt [2], wodurch sich vermehrt Flüssigkeit in der Makula ansammelt. Das daraus resultierende Makulaödem kann zum Sehverlust führen [3, 4]. Das DMÖ ist eine Erkrankung mit hohem therapeutischem Bedarf. Dies schließt die Notwendigkeit einer konsequenten Reduktion der Netzhautflüssigkeit und eine Verringerung der Therapielast durch häufige Injektionen ein [1]. Eine neue Option zur Behandlung des DMÖ bei erwachsenen Patienten ist Brolucizumab (Beovu®), das im April 2022 von der Europäischen Kommission zugelassen wurde [5]. Die Zulassung basiert auf den 1-Jahres-Daten der PhaseIII-Studien KITE und KESTREL, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Brolucizumab (Beovu®) im Vergleich zu Aflibercept (Eylea®) bei der Behandlung erwachsener

Patienten mit DMÖ untersuchten [6]. Sowohl Brolucizumab als auch Aflibercept werden intravitreal injiziert, zielen auf eine Hemmung des VEGF ab und werden auch zur Behandlung der neovaskulären („feuchten“) altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD) eingesetzt. Nicht-Unterlegenheit gegenüber Aflibercept in Bezug auf Visusgewinn

In die Studien KITE und KESTREL wurden insgesamt 926 Patienten mit Visusbeeinträchtigung infolge eines DMÖ eingeschlossen. Pro Studienteilnehmer wurde nur ein Auge untersucht. Nach 1:1-Randomisierung erfolgte die Behandlung in KITE mit 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept, in KESTRELL erhielten die Teilnehmer 1:1:1 randomisiert 3 mg Brolucizumab*, 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept. In beiden Studien wurden die Patienten in den Brolucizumab-Armen in der Aufdosierungsphase alle 6 Wochen (Wochen 0, 6, 12, 18 und 24) mit insgesamt 5 Injektionen und anschließend alle 12 Wochen behandelt, mit der Option, das Dosierungsintervall bei Krankheitsaktivität dauerhaft auf 8 Wochen zu verkürzen. Die Patienten in den * Der 3-mg-Brolucizumab-Arm in der Studie KESTREL entspricht nicht der zugelassenen Dosierung, daher werden die entsprechenden Ergebnisse im Folgenden nicht dargestellt.

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Aflibercept-Armen wurden entsprechend der Aflibercept-Fachinformation während der Aufdosierungsphase alle 4 Wochen mit insgesamt 5 Injektionen und anschließend alle 8 Wochen behandelt [6]. In beiden Studien wurde der primäre Endpunkt, die Nicht-Unterlegenheit von Brolucizumab gegenüber Aflibercept hinsichtlich der mittleren Veränderung der bestkorrigierter Sehschärfe (best corrected visual acuity; BCVA) gegenüber Baseline, im ersten Jahr erreicht: In der KITE-Studie betrugen die durchschnittlichen Visusgewinne 10,6 Buchstaben unter Brolucizumab bzw. 9,4 Buchstaben unter Aflibercept (p < 0,001 bei einer Nicht-Unterlegenheitsspanne von 4 Buchstaben). In der KESTRELStudie waren es 9,2 Buchstaben versus 10,5 Buchstaben (Tab. 1) [6]. Der Anteil der Patienten, die in der KITE-Studie einen Visusgewinn von ≥15 Buchstaben im Vergleich zum Studienbeginn oder einen Visus von ≥84 Buchstaben erreichten, war unter Brolucizumab höher als unter Aflibercept; in der KESTREL-Studie waren die Anteile zwischen dem Brolucizumab-Arm und dem Aflibercept-Arm vergleichbar (Tab. 1). Längere Behandlungsintervalle

In beiden Zulassungsstudien blieben nach der Aufdosierungsphase © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Studie Medikation Veränderung der BCVA in Woche 52

KITE 6 mg Brolucizumab

2 mg Aflibercept

6 mg Brolucizumab

2 mg Aflibercept

+10,6 Buchstaben

+9,4 Buchstaben

+9,2 Buchstaben

+10,5 Buchstaben

46,8 %

37,2 %

36,0 %

40,1 %

54,2 %

72,9%

60,3 %

73,3 %

–197 µm

–164 µm

–166 µm

–160 µm

57,5

41,4

54,0

40,1

Anteil der Patienten mit einem Visusgewinn ≥15 Buchstaben oder einem erreichten Visus ≥84 Buchstaben in Woche 52

Patienten mit subretinaler und/oder intraretinaler Flüssigkeit (SRF und IRF) in Woche 52

Verringerung der zentralen Netzhautdicke (central subfield thickness; CST) in Woche 52

KESTREL

Anzahl der Patienten mit CST <280 μm in Woche 52

Tabelle 1: Ergebnisse der KESTREL- und KITE-Studie für die Behandlung des DMÖ mit Brolucizumab (Beovu®) versus Aflibercept (Eylea®) [6].

mehr als die Hälfte der mit 6 mg Brolucizumab behandelten Patienten (50,3 % in der KITE- und 55,1 % in der KESTREL-Studie) bis Woche 52 bei einem 12-wöchigen Injektionsintervall. Die Dosierung von Aflibercept wurde im Anschluss an die Upload-Phase entsprechend der geltenden Fachinformation an ein Injektionsintervall von 8 Wochen angepasst** [6]. Konsequente Flüssigkeitskontrolle

Die Zunahme von Flüssigkeit in den verschiedenen Kompartimen** Die Injektion von Aflibercept im 8-wöchigen Behandlungsintervall in KITE und KESTREL entsprach im ersten Jahr der Zulassung. Gemäß der aktuell geltenden Fachinformation kann das 8-wöchige Behandlungsintervall von Aflibercept, basierend auf dem funktionellen und/oder morphologischen Befund, aufrechterhalten oder entsprechend nach einem „Treat and Extend“-Dosierungs­ schema nach 12 Monaten in 2- oder 4-wöchigen Schritten weiter verlängert werden.

ten der Netzhaut gilt als Parameter für die Krankheitsaktivität beim DMÖ [7]. Bis Woche 52 war gegenüber Baseline unter Brolucizumab bei weniger der behandelten Augen subretinale und/oder intraretinale Flüssigkeit (SRF bzw. IRF) nachweisbar als unter Aflibercept: in der KITE-Studie bei 54,2 % im Brolucizumab-Arm versus 72,9 % in der mit Aflibercept behandelten Studiengruppe; in der KESTREL-Studie bei 60,3 % unter Brolucizumab versus 73,3 % unter Aflibercept (Tab. 1) [6]. Verringerung der Netzhautdicke

Ein weiterer Parameter zur Beurteilung der Krankheitsaktivität ist die Netzhautdicke. In beiden Studien verringerte sich unter 6 mg Brolucizumab die zentrale Netzhautdicke (central subfield thickness; CST) bis Woche 52 stärker als unter 2 mg Aflibercept (Tab. 1) [6]. Außerdem erreichten mehr mit Brolucizumab als

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mit Aflibercept behandelte Augen eine CST <280 μm in Woche 52 (Tab. 1) [6]. Gute Verträglichkeit

Brolucizumab zeigte insgesamt ein günstiges Sicherheitsprofil. Die häufigsten okularen und nicht okularen unerwünschten Ereignisse (≥5 %) in der KITE- und KESTREL-Studie waren konjunktivale Blutungen, Nasopharyngitis und Hypertonie. In der KITE-Studie waren die Raten für intraokulare Entzündungen (intraocular inflammation; IOI) unter Brolucizumab und Aflibercept gleich hoch (1,7 %) und es wurde keine retinale Vaskulitis berichtet. Die IOI-Raten betrugen in der KESTREL-Studie 3,7 % für Brolucizumab (einschließlich 0,5 % retinaler Vaskulitis) und 0,5 % für Aflibercept [6]. Retinale vaskuläre Gefäßverschlüsse wurden in der KITE-Studie für Brolucizumab und Aflibercept (jeweils 0,6 %) sowie in der KESTREL© VERLAG PERFUSION GMBH


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Studie für Brolucizumab (0,5 %) berichtet. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren mild bis moderat, handhabbar und klangen wieder ab [6]. Fazit

Die Ergebnisse der beiden zulassungsrelevanten Studien KITE und KESTREL unterstreichen das Potenzial von Brolucizumab, im Vergleich zu Aflibercept mit weniger Injektionen bei mehr DMÖ-Patienten eine Reduktion der intraretinalen (IRF) und/oder subretinalen Flüssigkeit (SRF) zu erreichen. Dies könnte dazu beitragen, die Therapieadhärenz der Patienten und damit auch deren Visusergebnisse zu verbessern. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Romero-Aroca P. World J Diabetes 2011;2:98-104 2 Lally RD et al. Surv Ophthalmol 2016; 61:759-768 3 National Eye Institute. Macular Edema. https://www.nei.nih.gov/learn-about-eyehealth/eye-conditions-and-diseases/macular-edema 4 Nentwich MM et al. Z Prakt Augenheilkd 2010; 31:491-499 5 Fachinformation Beovu®; Stand: März 2022 6 Brown DM et al. Am J Ophthalmol 2022; 238:157-172 7 Ziemssen F et al. Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), der Retinologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA) in Deutschland: Therapie des diabetischen Makulaödems. Abrufbar unter: https://www.dog.org/wpcontent/uploads/2013/03/ DMO%CC%88-Stellungnahme-VersionLangversion_zur-Konsentierung_final-9-19.pdf

AADC-Mangel: Upstaza™ erhält positives CHMP-Votum Der Mangel an aromatischer L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) ist eine sehr seltene genetische Erkrankung, die bereits in den ersten Lebensmonaten zu schweren Behinderungen, Leiden und Einschränkungen bis hin zu vorzeitigem Versterben führt. Die Betroffenen sind sowohl körperlich, geistig als auch in ihrer Verhaltensweise beeinträchtigt. Das Leiden von Kindern mit AADC-Mangel kann durch folgende Symptome verschlimmert werden: Episoden anfallsartiger okulogyrer Krisen, die täglich auftreten und stundenlang andauern können und dazu führen, dass die Augen krampfartig verdreht werden, häufiges Erbrechen, Verhaltensstörungen, Schlafprobleme, ständig verstopfte Nase und lebensbedrohliche Komplikationen wie Atemwegsinfektionen und Magen-Darm-Probleme. Derzeit gibt es keine zugelassene krankheitsmodifizierende Behandlung für den AADC-Mangel. Mit der Gentherapie haben die Kinder die Chance, sich geistig und motorisch zu entwickeln

Im Mai 2022 erhielt Upstaza™ (eladocagene exuparvovec) vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA ein positives Votum. Upstaza™ ist eine rekombinante Gentherapie auf der Basis des Adeno-assoziierten Virus des Serotyps 2 (AAV2), die das menschliche DDC-Gen enthält. Sie soll den zu-

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grunde liegenden Gendefekt korrigieren, indem ein funktionierendes DDC-Gen direkt in das Putamen eingebracht wird, wodurch das AADC-Enzym vermehrt und die Dopaminproduktion wiederhergestellt wird. Nach der Genehmigung durch die Europäische Kommission wird Upstaza™ die erste zugelassene krankheitsmodifizierende Behandlung für den AADC-Mangel für Patienten ab 18 Monaten und die erste vermarktete Gentherapie sein, die direkt in das Gehirn infundiert wird. Die Stellungnahme des CHMP basiert auf den Ergebnissen klinischer Studien, die in Taiwan durchgeführt wurden. Darüber hinaus wurden Daten aus „compassionate use“-Behandlungen von Patienten in Europa in den Antrag aufgenommen. In den klinischen Studien entwickelten die Patienten bereits 3 Monate nach der Behandlung klinisch bedeutsame motorische Fähigkeiten und neuromuskuläre Funktionen, wobei sich die Verbesserungen während des Beobachtungszeitraums bis zu 9 Jahre nach der Behandlung fortsetzten. Die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten verbesserten sich bei allen behandelten Patienten. „Der Unterschied, den Upstaza™, eine einmalige Gentherapie, bewirken kann, ist lebensverändernd“, sagte Paul Wuh-Liang Hwu, leitender Prüfarzt, National Taiwan University Hospital. „Vor der Therapie konnten die betroffenen Kinder nicht einmal ihren Kopf heben, aber jetzt können viele von ihnen sitzen, mit Hilfe stehen, sich selbst ernähren und einige können gehen und sprechen.“ S. M.

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A

ls ersten und bisher einzigen CDK4 & 6 Inhibitor hat die Europäische Kommission Abemaciclib (Verzenios®) in Kombination mit einer endokrinen Therapie zur adjuvanten Behandlung des frühen Hormonrezeptor (HR)positiven, humanem epidermalem Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (HER2)-negativen, nodal-positiven Brustkrebses bei erwachsenen Patienten mit hohem Rezidivrisiko* zugelassen. Bei prä- und perimenopausalen Frauen sollte eine endokrine AromatasehemmerTherapie mit einem LHRH-Agonisten kombiniert werden [1]. Seit 2018 kann der Wirkstoff in der EU bereits in Kombination mit einer endokrinen Therapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten HR+, HER2– Mammakarzinoms eingesetzt werden [1]. Verlängerung des Disease-free Survival

Basis der Zulassungserweiterung waren die Ergebnisse der offenen, multizentrischen Phase-III-Studie monarchE [2, 3]. Eingeschlossen waren 5.637 Frauen und Männer mit einem frühen, kurativ behandelten HR+, HER2– Mammakarzinom, die ein erhöhtes Rezidivrisiko aufwiesen. Dieses wurde in der zugelassenen Patientenpopulation (n = 5.120)** definiert als ent* Hohes Rezidivrisiko definiert als ≥4 positive axilläre Lymphknoten (paLN) oder 1 – 3 paLN und mindestens eines der folgenden Kriterien: Tumorgröße ≥5 cm oder histologischer Grad 3. ** Die ITT-Population in der monarchEStudie bestand aus Kohorte 1 (n = 5.120) und Kohorte 2 (n = 517). Die Zulassung wurde basierend auf Kohorte 1 erteilt. Einschlusskriterien der Kohorte 2 waren 1 – 3 paLN und alle der folgenden Kriterien: Tumorgröße <5 cm, histologischer Grad <3 und zentral getesteter Ki-67-Index ≥20 %.

Abemaciclib zur adjuvanten Therapie des frühen HR+, HER2– Mammakarzinoms weder ≥4 pALN (positive axilläre Lymphknoten, pALN) oder 1 – 3 pALN und mindestens eines der folgenden Kriterien: Tumorgröße ≥5 cm oder histologischer Grad 3. Im Verhältnis 1:1 randomisiert erhielten die Studienteilnehmer über 24 Monate hinweg entweder 2 × täglich 150 mg Abemaciclib zusammen mit einer vom behandelnden Arzt ausgewählten endokrinen Standardtherapie (ET, z.B. Tamoxifen oder Aromataseinhibitor) oder die adjuvante ET allein [1, 2]. Es wurden auch Patienten eingeschlossen, die bereits (bis maximal 12 Wochen) auf eine ET eingestellt waren [2]. Im Anschluss an die 24 Monate Studientherapie bekamen alle Teilnehmer über weitere 3 – 8 Jahre eine alleinige endokrine Standardtherapie. Primärer Studienendpunkt war das Überleben ohne Auftreten einer invasiven Erkrankung (invasive disease-free survival, IDFS), definiert als die Zeit bis zu einem Rezidiv, einer neuen Krebserkrankung oder dem Tod. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 27,7 Monaten hatten 91 % der Teilnehmer die 2-jährige Behandlungsphase beendet. Abemaciclib erzielte eine klinisch bedeutsame Verlängerung des IDFS mit einer Reduktion des Risikos für ein IDFS-Ereignis um 32 % (HR: 0,68, 95%-KI: 0,527 – 0,808; p = 0,0001). Nach 24 Monaten betrug das IDFS im

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Verumarm 92,6 % gegenüber 89,6 % in der Kontrollgruppe [1]. Außerdem kam es unter Abemaciclib zu einer überzeugenden Reduktion des Fernrezidivrisikos um 33,1 % (HR: 0,669; 95%-KI: 0,554 – 0,809), wobei jeweils 94,1 bzw. 91,2 % der Patienten diesen sekundären Endpunkt erreichten [1]. Die Daten zum sekundären Endpunkt Gesamtüberleben sind aktuell noch unreif und werden in weiteren Analysen ermittelt [2]. Das Sicherheitsprofil von Abemaciclib in monarchE entsprach dem bisher Bekannten. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse, die unter der Kombinationsthereapie auftraten, waren Diarrhö, Neutropenie und Fatigue. Die Abbruchraten während der 2-jährigen Behandlungsphase betrugen 6,5 % im Verum- und 1,1 % im Kontrollarm [2]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Fachinformation Verzenios®, aktueller Stand 2 Harbeck N et al. Adjuvant abemaciclib combined with endocrine therapy for high-risk early breast cancer: updated efficacy and Ki-67 analysis from the monarchE study. Ann Oncol 2021;32: 1571-1581 3 Johnston SRD et al. Abemaciclib combined with endocrine therapy for the adjuvant treatment of HR1, HER22, node-positive, high-risk, early breast cancer (monarchE). J Clin Oncol 2020;38: 3987-3998 © VERLAG PERFUSION GMBH


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Apexxnar® – ein neuer 20-valenter PneumokokkenKonjugatimpfstoff

S

eit Februar 2022 ist der Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Apexxnar® in der Europäischen Union für die aktive Immunisierung von Personen ab 18 Jahren zur Prävention gegen invasive Erkrankungen und Pneumonien zugelassen, die durch Streptococcus pneumoniae verursacht werden [1]. Der Impfstoff enthält die konjugierten Polysaccharide von 20 Serotypen (1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 8, 9V, 10A, 11A, 12F, 14, 15B, 18C, 19A, 19F, 22F, 23F, 33F) und verfügt damit über die breiteste Serotypenabdeckung unter den zugelassenen Konjugatimpfstoffen. Bei dem neuen Impfstoff handelt es sich um die Weiterentwicklung des 13-valenten Konjugatimpfstoffs Prevenar 13®. Im Vergleich zu Prevenar 13® kann Apexxnar® vor doppelt so vielen invasiven Pneumokokken-Erkrankungen schützen und 60 % mehr Pneumokokken-Pneumonien verhindern [2]. Konjugattechnologie – Bildung eines immunologischen Gedächtnisses

Konjugatimpfstoffe wie Apexxnar® können eine verbesserte Immun­ antwort im Vergleich zu Polysaccharidimpfstoffen auslösen. Denn anders als bei Polysaccharidimpfstoffen wird die Immunantwort mithilfe der Konjugattechnologie

von einer T-Zell-unabhängigen zu einer T-Zell-abhängigen Antwort modifiziert [1, 5, 6]. Dies führt sowohl zu einer Verstärkung der Antikörperantwort als auch zur Bildung eines immunologischen Gedächtnisses (Einzelheiten siehe Insert auf S. 87). Robuste Immunantwort bei akzeptablem Sicherheitsprofil

Die Immunogenität von Apexxnar® wurde in 3 Phase-III-Studien mit fast 6.500 Teilnehmern überprüft [7, 8, 9]. In diesen Studien konnte für die 13 in beiden Impfstoffen enthaltenen Serotypen (1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 9V, 14, 18C, 19A, 19F und 23F) die Nicht-Unterlegenheit von Apexxnar® gegenüber Prevenar 13® nachgewie-

sen werden [1, 10]. Die 7 darüber hinaus in Apexxnar® enthaltenen Serotypen (8, 10A, 11A, 12F, 15B, 22F und 33F) können ebenfalls invasive Pneumokokken-Erkrankungen (IPD) sowie Pneumokokken-Pneumonien verursachen und sind mit hoher Sterblichkeit, Antibiotika-Resistenz und/oder Meningitis assoziiert. Für diese 7 weiteren Serotypen wurde die Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) getestet [8]. Einen Monat nach der Impfung waren die durch Apexxnar® ausgelösten Immunantworten auf 6 der 7 zusätzlichen Serotypen gegenüber den durch PPSV23 ausgelösten Immunantworten auf dieselben Serotypen nicht unterlegen. Die Immunantwort auf Serotyp 8 verfehlte das vorgesehene sta-

Pneumokokken-Erkrankungen Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind bakterielle Erreger, die den Nasen-Rachen-Raum des Menschen besiedeln. Meist verursacht die Infektion keine Symptome, kann aber auch zu einer hohen Krankheitslast führen: Zum einen können sie schwerwiegende invasive Erkrankungen (IPD) wie eine bakteriämische Pneumonie, Bakteriämie oder Meningitis verursachen. Zum anderen und weitaus häufiger sind sie die Ursache für nicht invasive mukosale Erkrankungen wie eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP), Otitis media und Sinusitis [3]. Die Inzidenz für ambulant erworbene Pneumonien wird in Deutschland auf über 660.000 Fälle jährlich geschätzt. Nahezu die Hälfte der Betroffenen (46,5 %) muss aufgrund der Pneumonie stationär behandelt werden; die Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen beträgt 12,9 % [4].

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tistische Kriterium für die NichtUnterlegenheit nur sehr knapp. Die untere Grenze des zweiseitigen 95%-Konfidenzintervalls für den geometrischen Mittelwert der Antikörpertiter (GMT-Verhältnis) betrug in der Studie 0,49 statt des vordefinierten Werts von 0,5 für die Nichtunterlegenheit [1]. Das Sicherheitsprofil von Apexxnar® war in den klinischen Studien mit dem von Prevenar 13® vergleichbar und es traten keine neuen Nebenwirkungen auf [1].

Konjugatimpfstoffe ermöglichen die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses Der Konjugattechnologie liegt die Verbindung (Konjugation) eines spezifischen Zuckermoleküls auf der Bakterienhülle (Kapselpolysaccharid) mit einem Trägerprotein zugrunde. Anders als bei Polysaccharidimpfstoffen modifiziert diese Koppelung die Im­munantwort von einer T-Zell-unabhängigen zu einer T-Zell-abhängigen. Durch den T-Zell-abhängigen Mechanismus wird sowohl die Antikörperantwort auf den Impfstoff verstärkt als auch die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses (B-Gedächtniszellen) angeregt. Zudem ist aufgrund der Konjugattechnologie mit einem guten Ansprechen auf Auf­frischimpfungen (BoosterEffekt) zu rechnen [6].

Risikopatienten ganzjährig gegen Pneumokokken impfen

Bisher liegt keine Stellungnahme oder Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) zur Impfung mit dem neuen Konjugatimpfstoff Apexxnar® vor. Es liegt im Ermessen des Arztes oder der Ärztin, Patienten auch bei fehlender STIKO-Empfehlung auf weitere Schutzmöglichkeiten entsprechend den existierenden Impfstoffzulassungen hinzuweisen. Dies kann je nach individueller gesundheitlicher Situationen sinnvoll sein. Die STIKO empfiehlt die Pneumokokken-Impfung bei Personen ab 60 Jahren, bei Personen mit chronischen Erkrankungen und bei Personen mit Immunsuppression [11]. Gemäß aktueller STIKO-Empfehlung sollen immunsupprimierte Risikopatienten (z.B. bei Krebs, rheumatoider Arthritis und anderen chronischen Erkrankungen, die mit Immunsuppressiva behandelt werden) zuerst eine Impfung mit dem 13-valenten Konjugatimpfstoff Prevenar 13® erhalten, gefolgt von einer zweiten Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff [11]. Prevenar 13® ist weiterhin verfügbar. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2022 · 31. JAHRGANG

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Eine Impfung gegen Pneumokokken ist das ganze Jahr möglich. Erkrankungen, ausgelöst durch Pneumokokken, treten vermehrt in den Wintermonaten auf, aber die potenzielle Gefahr einer Infektion besteht dennoch ganzjährig. Ältere Personen und Menschen mit Immundefizienz sollten daher nicht erst kurz vor dem Winter gegen Pneumokokken geimpft werden, sondern immer dann, wenn die Indikation gestellt bzw. die Impflücke entdeckt wird. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Fachinformation Apexxnar®; Stand: Februar 2022 2 Bahrs C et al. Eur Respir J 2022;59: 2102432 3 Robert Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. https://www.rki.de/ SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen. html?nn=2375548 4 Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen: Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2020: Ambulant erworbene Pneumonie. https:// iqtig.org/downloads/auswertung/2020/ pneu/QSKH_PNEU_2020_BUAW_ V01_2021-08-10.pdf 5 Pollard AJ et al. Nat Rev Immunol 2009; 9:213-220 6 Lazarus R, et al. Clin Infect Dis 2011; 52:736-42 7 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of a 20-valent pneumococcal vaccine in adults 65 years of age or older with prior pneumococcal vaccination. https://clinicaltrials.gov/ct2/ show/NCT03835975 8 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of a 20-valent pneumococcal conjugate vaccine in pneumococcal vaccine-naïve adults. https:// clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03760146 9 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of 3 lots of 20-valent pneumococcal conjugate vaccine in pneumococcal vaccine-naïve adults. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT038 28617 10 Fachinformation Prevenar 13®, Stand: November 2020 11 Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2022. Epid Bull 2022;4:3-66

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Ruxolitinib

Ruxolitinib auch für die Behandlung der steroidrefraktären GvHD zugelassen Bei rund 50 % der Empfänger einer allogenen Stammzelltransplantation entwickelt sich eine akute oder chronische Graft versus Host Dis­ ease (GvHD). Bei dieser lebensbedrohlichen Immunreaktion betrachten die T-Zellen des Spenders das Darm-, Haut- oder Lebergewebe des Empfängers als fremd und schädigen es. Eine akute GvHD tritt in der Regel innerhalb der ersten 100 Tage nach der Transplantation auf, eine chronische GvHD normalerweise mehr als 100 Tage nach der Transplantation. Die chronische GvHD erfordert eine meist über mehrere Jahre andauernde immunsuppressive Behandlung. Die erste Wahl für die Therapie der GvHD sind Kortikosteroide, die jedoch die Patienten nicht immer retten können. Etwa die Hälfte der Patienten ist steroidrefraktär. Ihre Prognose ist schlecht – etwa 50 % von ihnen überleben das Folgejahr nicht. Bislang gab es keine evidenzbasierte zugelassene Therapie für diese Patienten. Mit der Zulassung von Ruxolitinib (Jakavi®) steht seit Mai 2022 eine Behandlungsoption für Patienten ab 12 Jahren mit akuter oder chronischer GvHD zur Verfügung, die unzureichend auf Kortikosteroide oder andere systemische Therapien ansprechen. Ruxolitinib kann auch zusätzlich zur laufenden Behandlung mit Kortikosteroiden eingesetzt werden.

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Ruxolitinib (Jakavi®) ist ein Januskinase (JAK)-1/2-Inhibitor. Die JAK1/JAK2-Signalübertragung spielt eine zentrale Rolle bei der Aktivierung neutrophiler Granulozyten, die an der Entstehung der akuten und chronischen GvHD beteiligt sind. Ruxolitinib hemmt die bei GvHD dysregulierte JAK1und JAK2-Signalübertragung und damit die Produktion proinflammatorischer Zytokine. Indem es die Entwicklung regulatorischer T-Zellen fördert, trägt es zur Wiederherstellung einer physiologischen Immun­ antwort bei.

Signifikant besseres Ansprechen auf Ruxolitinib als auf BAT

Die Zulassung von Ruxolitinib bei GvHD stützt sich auf die beiden Phase-III-Studien REACH2 bei akuter GvHD und REACH3 bei chronischer kortikosteroidrefraktärer/abhängiger GvHD vom Grad II– IV, in denen Ruxolitinib mit der bestmöglichen Behandlung (best available therapy, BAT) verglichen wurde. REACH2 (n = 310) erreichte ihren primären Endpunkt. Die Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR) an Tag 28 der Behandlung war im Jakavi-Arm mit 62,3 % signifikant höher als im BAT-Arm mit 39,4 % (p < 0,0001). In REACH3 (n = 330) verbesserte Ruxolitinib die ORR in Woche 24 (primärer Endpunkt) signifikant gegenüber BAT (49,7 % vs. 25,6 %; p < 0,0001), unabhängig vom Organbefall. S. M.

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N

Inebilizumab – die erste zielgerichtete Therapie zur Behandlung von Neuromyelitis-opticaSpektrum-Erkrankungen

euromyelitis-optica-Spek­ trum-Erkrankungen (NMOSD) sind seltene, schwere Autoimmunerkrankungen, die in wiederkehrenden Schüben den Sehnerv, das Rückenmark, das Gehirn und den Hirnstamm angreifen und zur Erblindung, Lähmung oder sogar zum Tod führen können [1, 2]. Abbildung 1 zeigt die 4 typischen Symptome [2]. Weltweit liegt die Prävalenz von NMOSD bei etwa 0,5–4/100.000 Menschen, wobei Frauen neunmal häufiger betroffen sind als Männer [3, 4]. Jedes Jahr werden europaweit etwa 370 Patienten neu diagnostiziert [5].

zielgerichtete B-Zell depletierende Medikament in der EU zugelassen. Der monoklonale Antikörper ist indiziert zur Monotherapie erBetroffene leiden unter verschiedenen Symptomen Da B-Zellen die zentrale Rolle wachsener Patienten mit NMOSD, in der Pathogenese von NMOSD in deren Serum Immunglobulin-GEtwa neunmal mehr Frauen als Männer leiden an einer AQP4-IgG+-NMOSD.10 spielen, stellen sie ein wichtiges Antikörper gegen das WasserkaEin Großteil der Betroffenen kommt mit Beschwerden wie Taubheit oder einem therapeutisches Ziel zur Behand- nalprotein Aquaporin-4 nachweisKribbeln, Schwierigkeiten beim Gehen oder Sehstörungen zum Arzt.11 Da es sich bei lung von NMOSD dar.schubförmigen Eine wirk-Verlauf barhandelt, sind (AQP4-IgG+) [14]. der Erkrankung um einen können sich Symptome same Strategie, um die Entzün1Inebilizumab führt nach Bindung plötzlich verschlechtern oder neue auftreten. Nach einem durchgemachten Schub dungsreaktion, dieschnell Entstehung von an denn die Schübe Zelloberfläche kann es außerdem zu weiteren kommen, treten häufigvon in CD19+ Läsionen und12 Die denErkrankung Verlust verläuft von AsB-Zellen zu% aller derem Antikörperschubförmig, wobei 90 Patienten Clustern auf. 13 trozyten folgenabhängigen Zelltod und depletiert innerhalbaufzuhalten von fünf Jahren und nach dem ersten Schub weitere Schübe erleben. schwere Schübe zu verhindern, ist damit ein breites Spektrum derjedie effektive Depletion der CD19+ nigen B-Zellen, die eine SchlüsselB-Zellen [13]. Mit Inebilizumab rolle in der NMOSD-Pathogenese (Uplizna®) hat die Europäische spielen, inklusive Plasmablasten Die sechs klinischen von NMOSD sind:5 Kommission im MaiKernsymptome 2022 das erste und Plasmazellen. Inebilizumab erzielt anhaltende B-Zell-Depletion und senkt die Schubrate um bis zu 97 Prozent

Zentrale Rolle der B-Zellen

Kennzeichnend für die Autoimmunerkrankung ist das Vorliegen von Antikörpern gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin-4 (AQP4-IgG) [6], die bei 80 % der NMOSD-Patienten nachweisbar sind [7]. Diese Autoantikörper werden von CD19+ exprimierenden B-Zell-Lymphozyten (Plasmablasten und einigen Plasmazellen, Abb. 2) produziert und richten sich im ZNS gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin 4, das vermehrt auf der Oberfläche von Astrozyten vorkommt [8]. Dadurch werden diese Zellen geschädigt und eine eskalierende Autoimmunreaktion ausgelöst [9, 10]. Klinisch äußert sich diese Schädigung als NMOSD-Schub. Schon ein einziger NMOSD-Schub kann zu erheblichen bleibenden Schäden führen und jeder nachfolgende Schub vergrößert den Schaden, der durch den vorherigen Schub verursacht wurde. 90 % der Betroffenen erleiden innerhalb von 5 Jahren nach dem ersten einen weiteren Schub [11].

Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis)

Langstreckige Rückenmarksentzündung (Myelitis)

Area-postremaSyndrom mit Schluckauf, Erbrechen und Übelkeit

Akutes Hirnstammsyndrom

Symptomatische Narkolepsie oder akutes dienzephales klinisches Syndrom mit typischer Läsion

Symptomatisches zerebrales Syndrom mit typischer Läsion

Abbildung 1: Die 6 klinischen Kernsymptome der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen [2]. 4

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AQP4: Aquaporin-4

B-Zellen spielen eine komplexe und fundamentale Rolle in der Pathogenese von NMOSD, wobei verschiedene Mechanismen beteiligt sind.3 Einer davon ist die Produktion der schädlichen AQP4-IgG. Deren Hauptquelle sind spezielle SubNEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL 90 populationen von B-Zellen.9 Diese Subpopulationen, genauer Plasmablasten und einige Plasmazellen, tragen den Marker CD19 auf ihrer Oberfläche.22

AQP4-IgG: Aquaporin-4-Immunglobulin G

AQP4-IgG+: Aquaporin-4-Immunglobulin G-ser CD19: Differenzierungscluster 19

Abbildung 2

MS: Multiple Sklerose

NMOSD: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkra

CD19-EXPRIMIERENDE ZELLEN

Stammzelle

Pro-B-Zelle

Prä-B-Zelle

Unreife B-Zelle

Naive B-Zelle

Reife B-Zelle B-Gedächtniszelle

CD20-EXPRIMIERENDE ZELLEN

KNOCHENMARK

Plasmablast

Plasmazelle

sezernieren AQP4-IgG

PERIPHERIE

KNOCHENMARK

Adaptiert nach Siebert N et al. 2021. Abbildung 2: CD19+-exprimierende

B-Zell-Lymphozyten, insbesondere die Subpopulation der Plasmablasten und einige Plasmazellen, spielen eine fundamentale Rolle in der Pathogenese von NMOS, denn sie produzieren die schädlichen AQP4-IgG-Antikörper (mod. nach [12]).

und Verringerung der KrankZNS: zentrales Nervensystem heitsaktivität. Die annualisierte Schubrate war in der VerumGruppe inGlossar dieser Zeit gegenüber Placebo um 97 % verringert [18]. Aquaporin-4: Wasserkanalprotein, das vermehr • In der gesamten OLP blieben und Elektrolyt der Regulierung des Flüssigkeitsdie Studienteilnehmer unter AQP4-IgG: Autoantikörper gegen Aquaporin-4, Inebilizumab von einem körpereigene StrukturenFortzu zerstören. schreiten Area-postrema-Syndrom: der Behinderung wird durch entzündl gekennzeichnet durch hartnäckigen (EDSS) verschont, zudem kam Schluckauf es über die gesamte Astrozyten: ZellenBehandim zentralen Nervensystem, Nervenzellen übernehmen. lungsdauer zu weniger neuen ZNS-Läsionen KrankenB-Zellen:und Zellen des adaptiven Immunsystems, Antikörpern zuständig sind. hausaufenthalten [15].

CD19: Oberflächenprotein, welches charakteris

Die von CD19+ Plasmablasten und Plasmazellen produzierten Autoantikörper richten sich im ZNS gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin 4, das vermehrt auf der Ober7 Die Zulassung von Inebilizumab Inebilizumab überzeugte fläche von Astrozyten vorkommt. Dadurch werden diese Zellen geschädigtmit und einer eine basiert wird auf ausgelöst, den Ergebnissen von Autoimmunreaktion überlegenen Wirksamkeit Kaskade die eine komplexe verursacht.3 bei den

N-MOmentum, der größten je-

AQP4-IgG-seropositiven

kontrollierte Phase-II/III-Studie eingeschlossen; davon waren 213 AQP4-IgG-seropositiv und 17 AQP4-IgG-seronegativ. Nach 3:1Randomisierung erhielten die Studienteilnehmer entweder Inebilizumab 300 mg i.v. oder Placebo. Die Studie bestand aus einer 28-wöchigen randomisiert-kontrollierten Phase (RCP), gefolgt von einer optionalen offenen Erweiterungsphase (OLP) von mindestens 2 Jahren. Letztere dauerte etwa 4 Jahre und lieferte Langzeitdaten für eine Untergruppe von 75 AQP4-IgG-seropositiven Patienten [16]. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten eines NMOSDSchubs bis Tag 197, sekundäre Endpunkte waren EDSS-Wert, LCVAB-Wert (Low-Contrast Visual Acuity Binocular) sowie die kumulativen Gesamtzahlen der aktiven Läsionen im MRT und der NMOSD-bedingten stationären Krankenhausaufenthalte.

Risiko, einen NMOSD-Schub zu erleiden, um 77 % gegenüber Placebo verringern (HR: 0,227, 95%-KI: 0,1214 – 0,4232; p < 0,0001) [15]. • Das Schubprofil war mit 29 % versus 45 % schwere Schübe unter der Antikörpertherapie weniger schwer [17]. • 89 % der Patienten blieben unter der Inebilizumab-Monotherapie innerhalb des Beobachtungszeitraums schubfrei [15]. Bei mehr als 83 % hielt dieser Effekt sogar 4 Jahre und länger an [16]. • Die B-Zell-Depletion war nach 8 Tagen signifikant, blieb für mindestens 6 Monate erhalten und war auch in der OLP signifikant [15]. Nach 2,5 Jahren führte Inebilizumab zu einer anhaltenden B-Zell-Depletion

Patien-

Da B-Zellen also eine zentrale Rolle inbei der Pathogenese von NMOSD einnehmen, mals durchgeführten Studie ten*: stellen sie ein wichtiges therapeutisches Ziel zur Behandlung NMOSD dar.3 NMOSD [15]. Insgesamt wurden • Nach den von ersten Initialdosen Die und effektive Zerstörung von B-Zellen dabei besonders der 2 230zielgerichtete Erwachsene mit diagnostikonnte ist Inebilizumab mitin nur 4,18 Langzeittherapie wichtig, um folgenschwere zu verhindern. zierter NMOSD in die placebo- Schübe Infusionen pro Jahr das relative

8

* Bei AQP4-IgG-seronegativen Patienten wurde kein Behandlungsnutzen festgestellt [15].

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Läsion: Verletzung oder Störung der Funktion.

Überzeugendes MS: chronische entzündliche Erkrankung des ze Sicherheitsprofil Demyelinisierung entstehen.

Myelin: fetthaltige Substanz zur Isolation von N

In der N-MOmentum-Studie erMyelitis: Entzündung des Rückenmarks. wies sich Inebilizumab als gut umgangssprachlich auch „Schlafk verträglich. Narkolepsie: Die häufigsten unplötzlich einzuschlafen. erwünschten Wirkungen (bei Optikusneuritis: Entzündung der Sehnerven. mindestens 10 % der mit InebiliOligodendrozyten: Zellenund im zentralen Nerven zumab behandelten Patienten Plasmablasten: Reifungsstufe häufiger als unter Placebo) warenvon B-Zellen, die Harnwegsinfektionen und GelenkPlasmazellen: ausdifferenzierte B-Zellen, deren Antikörpern besteht. schmerzen [15]. Aufgrund der nachgewiesenen überlegenen Wirksamkeit von Inebilizumab im Vergleich zu Placebo wurde die N-MOmentum-Studie auf Empfehlung des unabhängigen Datenkontrollausschusses vorzeitig beendet. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Ajmera MR et al. Evaluation of comorbidities and health care resource use among patients with highly active neuromyelitis optica. J Neurol Sci 2018;384:96-103 2 Wingerchuk DM et al. International consensus diagnostic criteria for neuromyelitis optica spectrum disorders. Neurol 2015;85:177-189 3 Mori M et al. Worldwide prevalence of neuromyelitis optica spectrum disorders. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2018;89: 555-556

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

4 Wingerchuk DM. Neuromyelitis optica: effect of gender. J Neurol Sci 2009; 286:18-23 5 Data on file. Horizon, June 2021 6 Trebst J et al. Update on the diagnosis and treatment of neuromyelitis optica: recommendations of the Neuromyelitis Optica Study Group (NEMOS). J Neurol 2014;261:1-16 7 Illés Z. Treatment and new evidences in neuromyelitis optica spectrum disorder. Ideggyogy Sz 2021;74:309-321 8 Borisow N et al. Diagnosis and treatment of NMO spectrum disorder and MOG-encephalomyelitis. Front Neurol 2018;9:115 9 Bennett JL et al. B lymphocytes on neuromyelitis optica. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2015;2:e104 10 Bennet Siebert N et al. Inebilizumab in AQP4-Ab-positive neuromyelitis optica spectrum disorder. Drugs Today 2021; 57:321-336 11 Wingerchuk DM et al. The clinical course of neuromyelitis optica (Devic’s syndrome). Neurology 1999;53:1107-1114 12 Siebert N et al. Inebilizumab in AQP4Ab-positive neuromyelitis optica spectrum disorder. Drugs Today 2021;57:321336 13 Hemmer B et al. S2k-Leitlinie, 2021. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien 14 Fachinformation Uplizna®, aktueller Stand 15 Cree BAC et al. Inebilizumab for the treatment of neuromyelitis optica spectrum disorder (N-MOmentum): a double-blind, randomised, placebocontrolled phase 2/3 trial. Lancet 2019;394:13521363 16 Rensel M et al. Long-term efficacy and safety of inebilizumab in neuromyelitis optica spectrum disorder: analysis of aquaporin-4–immunoglobulin G–seropositive participants taking inebilizumab for ≥4 years in the N-MOmentum trial. Multiple Sclerosis Journal 2021: 135245852110472 17 Weinshenker BG et al. Diagnosis, severity, and recovery of attacks in the N-MOmentum study of inebilizumab in neuromyelitis optica spectrum disorder. Poster 358, ECTRIMS, September 2019 18 Bennett JL et al. Extent of B-cell depletion is associated with disease activity reduction in neuromyelitis optica spectrum disorder: results from the N-MOmentum study. Poster AS-ECTRIMS-2021-00871, ECTRIMS (virtual), October 2021

Vedolizumab i.v. auch zur Behandlung der aktiven chronischen Pouchitis zugelassen Die Europäische Kommission hat die Zulassung für die i.v. Formulierung von Vedolizumab (Entyvio®) erweitert: Der humanisierte monoklonale Antikörper aus der Gruppe der Integrin-Antagonisten ist nun auch indiziert für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver chronischer Pouchitis, die sich wegen Colitis ulcerosa einer Proktokolektomie, bei der ein ileoanaler Pouch angelegt wurde, unterzogen, und auf eine Antibiotikabehandlung nur unzureichend oder gar nicht angesprochen haben. Damit ist Vedolizumab die erste für die Behandlung einer aktiven chronischen Pouchitis zugelassene Therapie in Europa. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten EARNEST-Studie. Diese Phase-

IV-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Vedolizumab i.v. bei der Behandlung von 102 erwachsenen CU-Patienten, die nach einer einer Proktokolektomie mit Anlage eines ileoanalen Pouches eine aktive chronische Pouchitis entwickelt hatten. Die Studie erreichte den primären Endpunkt einer klinischen Remission in Woche 14, gemessen anhand des modified Pouchitis Disease Activity Index (mPDAI). Die mPDAI-Remission in Woche 14 betrug unter Vedolizumab i.v. 31,4 % (n = 16/51) im Vergleich zu 9,8 % (n = 5/51) unter Placebo (p = 0,013). Die Sicherheitsergebnisse entsprachen dem bekannten Sicherheitsprofil von Vedolizumab. Behandlungsbezogene unerwünschte Ereignisse (durch den Prüfarzt beurteilt) wurden bei 12 (23,5 %) Patienten unter Vedolizumab und bei 11 (21,6 %) Patienten unter Placebo berichtet. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 3 (5,9 %) Patienten unter Vedolizumab und bei 4 (7,8 %) Patienten unter Placebo auf. B. S.

Pouchitis – eine schwerwiegende Komplikation der IPAA Bei Patienten mit Colitis ulcerosa, bei denen Kolon und Rektum entfernt werden mussten, wird ein ileoanaler Pouch (IPAA) angelegt, um die Stuhlretention zu unterstützen. Mit einer Inzidenz zwischen 23 % und 59 % ist die Pouchitis die häufigste Komplikation der IPAA bei CU-Patienten. Während eine akute Pouchitis auf Antibiotikabehandlungen ansprechen kann, ist dies bei der aktiven chronischen Pouchitis, die 10 – 15 % aller Pouchitis-Patienten betrifft, meist nicht der Fall und es gab bislang in Europa keine dafür zugelassene Therapie. Die Lebensqualität der Betroffenen ist durch Stuhldrang, Inkontinenz, Schwierigkeiten beim Stuhlgang, Blutungen, Bauch- und Beckenbeschwerden, Fieber und Unwohlsein erheblich beeinträchtigt.

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Ergebnisse von SANAD II für die Monotherapie

Epilepsie – Experten­ empfehlungen zur frühen Zusatztherapie mit Perampanel Anlässlich der 60. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) wurden nicht nur die Implikationen der aktuellen Studie SANAD II für die erste Monotherapie von Epilepsien beleuchtet, ein Fokus lag auch auf der Zusatztherapie nach neuestem Erkenntnisstand. So plädierte Professor Bernhard Steinhoff, KehlKork, für eine frühe Zusatztherapie mit modernen Antiepileptika wie z.B. Perampanel (Fycompa®) und stellte Patienten vor, die davon profitieren können.

Der Standard nach der Erstdiagnose Epilepsie ist die Behandlung mit einem Antiepileptikum in Monotherapie. In der von Professor Martin Holtkamp, Berlin, vorgestellten Head-to-Head-Studie SANAD II wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit unterschiedlicher Antiepileptika verglichen. Bei generalisierter und nicht klassifizierter Epilepsie (n = 520) zeigte Valproat versus Levetir­ acetam Vorteile hinsichtlich der Wirksamkeit, bei ähnlicher Verträglichkeit (Rate unerwünschter Ereignisse 37 % vs. 42 %). Bei fokaler Epilepsie (n = 990) war Lamotrigin aufgrund einer besseren Verträglichkeit Levetiracetam und Zonisamid signifikant überlegen. Die Rate unerwünschter Ereignis-

Algorithmus zur Vorgehensweise bei fokaler Epilepsie (nach DGfE)

se lag bei 33 % unter Lamotrigin versus 44 % bzw. 45 % unter Levetiracetam und Zonisamid. Frühe Zusatztherapie erwägen

Die Studie verdeutlicht aber auch, dass viele Patienten mit einer Monotherapie nicht optimal versorgt sind. Steinhoff empfahl daher, wie bereits in der aktuell gültigen Leitlinie geschehen, sich vom alten Dogma der konsekutiven Monotherapien zu lösen und eine Zusatztherapie bereits dann in Erwägung zu ziehen, wenn die erste Monotherapie nur zu einem Teilerfolg führt. Aufgrund der interaktionsarmen Wirkstoffe der neuen Generation habe ein Umdenken stattgefunden, sodass eine Zusatztherapie häufiger und früher herangezogen werden könne, so Steinhoff.

Diagnose Epilepsie

Monotherapie 1

Anfallsfreiheit mit Nebenwirkungen

Keine Wirkung

Partielle Wirkung

Monotherapie 2

Monotherapie 2

Kombinationstherapie 1

Anfallsfreiheit ohne Nebenwirkungen Neue ILAE-Definition pharmakoresistente Epilepsie: nach zwei erfolglosen Antiepileptika-Therapieversuchen in adäquater Dosierung (in Monound/oder Kombinationstherapie)

Keine Wirkung

Epilepsiechirurgische Evaluation / Operation

Weitere Kombinationstherapie(n) / VNS / DBS

Nach: S1 Leitlinie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter“ unter www.dgn.org

Abbildung 1: Algorithmus zur Vorgehensweise bei fokaler Epilepsie.

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Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie

Chance bei partieller Wirkung oder bedingter Verträglichkeit höherer Dosen

Hohe Retentionsraten unter Perampanel auch im Versorgungsalltag

Die Zulassungsstudien bestätigen die breite Wirksamkeit und Verträglichkeit von Perampanel als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 4 Jahren sowie bei primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Patienten ab 7 Jahren mit idiopathischer generalisierter Epilepsie (IGE). Real-World-Daten der PERMIT-Studie zeigen zudem, dass Perampanel auch im Versorgungsalltag im Allgemeinen gut wirksam und verträglich ist. In der Metaanalyse wurden insgesamt 5.193 Patienten aus 44 internationalen Real-World-Studien ausge-

p = 0,158

90

Diagrammtitel

1. Zusatztherapie 12 Mon. (n = 42) 2. Zusatztherapie 12 Mon. (n = 71)

80

Patienten (%)

Beispielsweise empfiehlt die aktuell gültige Leitlinie bei einer partiellen Wirkung der initialen Monotherapie bereits eine frühe Kombinationstherapie (Abb. 1). Aber auch wenn unter der Monotherapie bei Dosissteigerungen unerwünschte Ereignisse auftreten, können Patienten ggf. von einer Zusatzmedikation profitieren. So kann die Dosis des ersten Wirkstoffs unter die Nebenwirkungsschwelle gesenkt und eine Anfallskontrolle durch die Gabe eines zweiten Wirkstoffs erreicht werden. Dabei empfiehlt sich eine Substanz mit einem anderen Wirkmechanismus wie z.B. Perampanel (Fycompa®). Perampanel wirkt als einziges Antiepileptikum rein postsynaptisch und lässt sich mit allen gängigen Wirkstoffen kombinieren.

100

70 60 50

76,2 %

p = 0,033

63,4 %

40 30

38,1 %

20 10 0

19,7 % Anfallsreduktion ≥ 50%

Anfallsfreiheit

Abb. 1: PERADON: Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie (modifiziert nach Jaramillo et al. Epilepsy Behav. 2020; 102: 106655)

Abbildung 2: Ergebnisse der PERADON-Studie, die die Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie verglich.

wertet. Die Retentionsraten nach 3, 6 und 12 Monaten betrugen 90,5 %, 79,8 % und 64,2 %. Insgesamt traten bei 49,9 % der Patienten unerwünschte Ereignisse wie Schwindel (15,2 %), Schläfrigkeit (10,6 %) und Reizbarkeit (8,4 %) auf. Sehr gutes Ansprechen auf Perampanel als erster Zusatztherapie

In der multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie PERADON wurde die Effektivität von Perampanel als erste oder zweite Zusatztherapie bei Patienten mit fokaler Epilepsie untersucht. 113 Patienten im Alter zwischen 12 und 79 Jahren erhielten Perampanel in einer mittleren Tagesdosis von 6,3 mg entweder als erste (37,2 %) oder zweite Zusatztherapie (62,8 %). Nach 12 Monaten waren 38,1 % der Patienten in der ersten versus 19,7 % in der zweiten Zusatztherapie anfallsfrei (Abb. 2). Bei 30,1 % der Patienten wurden medikamentenbedingte unerwünschte Ereignisse verzeichnet, darunter waren Reizbarkeit (8 %) und Schwindel (7,1 %), jeweils leicht bis moderat die häufigsten.

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„Die PERADON-Studie verdeutlicht damit, dass die Chancen auf einen Therapieerfolg mit Perampanel am höchsten sind, wenn man es als erste Zusatztherapie einsetzt“, resümierte Steinhoff. Je nach Behandlungssituation ist eine Zusatztherapie daher bereits früh in Erwägung zu ziehen. Komorbiditäten bei der Medikationswahl berücksichtigen

„Bei der patientengerechten Therapiewahl sollte der behandelnde Arzt stets die Gesamtsituation im Blick haben. Bedeutsame Aspekte sind etwa die Schlafqualität und die kognitive Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf. Denn Kognitions- und Schlafstörungen sind bei Epilepsie häufig und teils mit der Medikation assoziiert. Unter Perampanel sind keine negativen Effekte auf die Kognition bekannt. Zudem hat es das Potenzial, die Schlafparameter bei Epilepsiepatienten positiv zu beeinflussen, ohne die Tagesschläfrigkeit zu verschlechtern“, erläuterte Steinhoff abschließend. Elisabeth Wilhelmi, München

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Fortgeschrittenes Basalzellkarzinom:

Anhaltende Wirksamkeit von Cemiplimab bestätigt

Aktuelle Daten aus der Zulassungsstudie EMPOWER-BCC 1 unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit des PD (programmed-cell-death)-1-Inhibitors Cemiplimab (Libtayo®) bei Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom (BCC), die bereits mit einem Hedgehog-Inhibitor (HHI) vorbehandelt sind. Professorin Ulrike Leiter-Stöppke, Tübingen, bewertete dies auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Kongresses der European Association of Dermato Oncology (EADO) als eine „klinisch bedeutsame Wirksamkeit für schwierig zu behandelnde Patienten“. Von Bedeutung sind die Ergebnisse laut Leiter-Stöppke auch vor dem Hintergrund, dass das BCC die häufigste Form von Hautkrebs ist. Zwar metastasiert das BCC selten, kann aber lokal destruierend und tief infiltrierend wachsen oder sich sehr großflächig ausbreiten. Kurative Operationen sind in diesen Fällen in der Regel nicht möglich. Bei insgesamt steigender Inzidenz erkranken vorwiegend ältere Menschen an einem BCC. Da diese oftmals Begleiterkrankungen aufweisen, sind sie therapeutisch nur eingeschränkt belastbar. Hedgehog-Inhibitoren werden oft nicht vertragen

Kommen lokale Maßnahmen nicht infrage, ist die systemische Behandlung mit einem HHI Standard. „Das Problem ist jedoch, dass viele Patienten die HHI-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig abbrechen“, sagte LeiterStöppke. Vor der Zulassung von

Cemiplimab hatten Patienten nach HHI-Therapie außerhalb klinischer Studien nur die Option einer Chemotherapie. Cemiplimab schließt eine therapeutische Lücke

„Cemiplimab“, so Leiter-Stöppke, „schließt eine therapeutische Lücke“. Die Monotherapie mit Cemiplimab ist zugelassen für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem BCC, die mit einem HHI vorbehandelt und progredient sind oder diesen nicht vertrugen. Sie bietet diesen Patienten die Chance auf ein anhaltendes Ansprechen bei gleichzeitig insgesamt guter Verträglichkeit. Das Studien-Update unterstreicht dies mit weiterhin konsistenten Daten. Für die einarmige Phase-II-Studie wurden Patienten mit metastasiertem (Gruppe 1) oder mit lokal fortgeschrittenem BCC (Gruppe 2) eingeschlossen, die auf die vorangegangene HHI-Therapie refraktär waren oder diese nicht vertragen hatten. Über die Hälfte der Patienten war 65 Jahre alt und älter. Die Ergebnisse wurden durch ein unabhängiges zentrales Review (independent central review; ICR) überprüft. Studiendaten belegen langfristiges Ansprechen

Bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC bestätigte das ICR nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,9 Monaten eine objektiven Ansprechrate (ORR) von 32,1 %, inkl. eines kompletten Ansprechens (CR) von 7,1 % sowie einer anhaltenden Krankheitskontrollrate* von fast 60 %. Im Median blieben die

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Patienten mit 16,5 Monaten deutlich über ein Jahr ohne Tumorprogression. Nach 24 Monaten waren noch 31,7 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC progressionsfrei, das Gesamtüberleben (OS) lag zu diesem Zeitpunkt bei 80,3 %. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht erreicht. Bei den metastasierten Patienten mit ungünstigerer Prognose betrug die objektive Ansprechrate 24,1 % bei einer medianen progressionsfreien Überlebenszeit (PFS) von 8,3 Monaten und einem 1-JahresÜberleben (OS) von 84,4 %. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 8,4 Monate. Auch hier ist das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht. Neue Sicherheitssignale traten laut LeiterStöppke nicht auf. Fazit für den klinischen Alltag

„Wir freuen uns, für diese schwierig zu behandelnden Patienten mit fortgeschrittenem BCC eine suffiziente Systemtherapie mit guter Wirksamkeit und Verträglichkeit zu haben“, resümierte Leiter-Stöppke. Cemiplimab biete den Patienten unabhängig vom Lebensalter die Chance auf ein langfristiges Ansprechen. Das gelte auch für ältere Patienten und jene mit einem sehr ungünstigen Verlauf unter der vorangegangenen HHI-Behandlung. Elisabeth Wilhelmi, München

* Definiert als der Anteil der Patienten mit Complete Response (CR), Partial Response (PR), PD (Progressive Disease) oder NonPR/Non-PD für ≥182 Tage ohne PD. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Orale Kontrazeption mit bioidentischem Estetrol – was muss der Gynäkologe wissen? Hormonelle Kontrazeptiva zählen zu den zuverlässigsten Methoden der Empfängnisverhütung. Sie variieren hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Dosierung und Applikationsweise und wirken deshalb auf unterschiedliche Art und Weise. Welche Eigenschaften eine kombinierte orale Kontrazeption (KOK) wie Drovelis® mit bioidentischem Estetrol aufweist und zu welchen Frauen die neue Pille passt, erläuterten Professorin Petra Stute, Bern, und Dr. Ludwig N. Baumgartner, Freising, auf dem Wissenschaftlichen Lunch-Symposium der Gedeon Richter Pharma GmbH im Rahmen des Fortbildungskongresses für Frauenärztinnen und Frauenärzte (FOKO) am 11. März 2022 in Düsseldorf. Innovative Kombination aus Estetrol und Drospirenon

Mit Drovelis® steht seit Juni 2021 eine Verhütungspille mit einer neuen bislang einzigartigen Wirkstoffkombination zur Verfügung, die bioidentisches Estetrol mit dem Gestagen Drospirenon vereint (3 mg Drospirenon + 14,2 mg Estetrol). Wie Stute erläuterte, unterscheidet sich Estetrol (E4), das nur während der Schwangerschaft von der Leber des menschlichen Fötus produziert wird, von anderen in Kombinationspillen eingesetzten synthetischen und natürlichen Estrogenen durch seine chemische Struktur, einer zusätzlichen Hydroxylgruppe am C15-Atom, woraus ein spezifisches endokrines und metabolisches Profil resultiert. Vorläufige

Untersuchungen deuten auf eine günstige Pharmakokinetik von Estetrol hin. So zeigte E4 Hinweise auf geringere hepatische und metabolische Effekte, wie beispielsweise eine geringere Beeinflussung von Hämostase-Parametern. Nach der oralen Einnahme unterliegt Estetrol einem umfangreichen Phase2-Metabolismus zur Bildung von Glukuronid- und Sulfatkonjugaten, ohne Umwandlung in Metaboliten mit estrogener Aktivität. Kombinationspartner von Estetrol in Drovelis® ist Drospirenon, das neben einer guten kontrazeptiven Sicherheit durch seine antiandrogenen und antimineralokortikoiden Effekte mit dem natürlich vorkommenden Hormon Progesteron vergleichbar ist. Wie finden Frauen die passende Verhütungsmethode?

In der Kontrazeption gibt es nicht die eine Methode, die für alle passt. „Die große Herausforderung bei der Verhütungsberatung ist es deshalb, für jede Frau die richtige Verhütung zu finden, mit der sie möglichst zufrieden ist. Es liegt in der ärztlichen Verantwortung des Gynäkologen/der Gynäkologin, jede Frau in einem Gespräch aufzuklären und herauszufinden, welche Ansprüche sie an die Verhütungsmethode stellt und welche Verhütungsmethode passt“, erklärte Baumgartner sein Vorgehen im Praxisalltag. Dass Drovelis®, wie in der Zulassungsstudie bestätigt, ein sicheres und verträgliches hormonelles Kontrazeptivum für gesunde Frauen ist, bekräftigten die Klinikerin und der niedergelassene Gynäkologe gleichermaßen. Wie bei allen anderen Kombinationspillen sollten auch bei der Entscheidung, Drovelis® zu verordnen, die

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individuellen Risikofaktoren der einzelnen Frauen, insbesondere im Hinblick auf venöse Thromboembolien, berücksichtigt werden. Antiandrogenen Effekt von Drospirenon nutzen

Baumgartner erläuterte, für welche Frauen Drovelis® die passende Verhütungsmethode sein kann. Seiner Empfehlung zufolge kann für Frauen, die beispielsweise mit einer Wirkstoffkombination aus Ethinylestradiol und Levonorgestrel verhüten, ein Pillenwechsel sinnvoll sein. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Levo­ norgestrel als Gestagenpartner mit androgener Partialwirkung Hautprobleme wie Akne und Seborrhoe verursacht. Hier biete sich ein Präparat mit einem antiandrogenen Gestagen wie Drospirenon an. Dieses Thema spiele gerade in der Pubertät eine bedeutende Rolle, so der Experte. Stimmungsschwankungen und Libidostörungen, die auf den Einfluss von Ethinylestradiol auf die Synthese von Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) zurückzuführen sind und die Lebensqualität der Anwenderinnen beeinträchtigen können, lassen eine Umstellung auf die Estetrol/DrospirenonKombination sinnvoll erscheinen, da Estetrol nicht an SHBG bindet und die hepatische SHBG-Synthese nur geringfügig induziert. Mit Estetrol zu einem stabilen Zyklus

Anwenderinnen reiner Gestagenpräparate leiden aufgrund der fehlenden Estrogenkomponente oftmals an Blutungsstörungen, die sich als Spottings, Zwischenblu© VERLAG PERFUSION GMBH


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tungen und als Amenorrhö äußern können. Die Amenorrhörate ist unter diesen Präparaten höher als bei Kombinationspräparaten mit bioidentischen Estrogenen. Wie die europäische Zulassungsstudie zeigte, erreichen Frauen mit Drovelis® ein planbares Blutungsmuster. In Kombination mit Drospirenon wirkt sich der estrogene Effekt durch E vorteilhaft auf die Zykluskontrolle aus. Nach Ausschluss von Risikofaktoren kann laut Baumgartner auch hier der Wechsel auf das neue Kombinationspräparat von Vorteil sein. Empfehlungen für Erstanwenderinnen und reife Frauen

Bei jungen Frauen und Mädchen, die das erste Mal in die Praxis kommen und die Pille aus Angst oder Unwissen zunächst ablehnen, rät Baumgartner, bei der Verhütungsberatung nach dem Ausschlussprinzip vorzugehen: Eine estrogenfreie Pille ist aufgrund der hohen Amenorrhörate und einer daraus folgenden Angst vor einer Schwangerschaft nicht empfehlenswert. Das Verhütungspflaster ist zu hoch dosiert und der Verhütungsring birgt Nachteile bei der Anwendung. Mit Blick auf eine sichere und verträgliche Kontrazeption kann Drovelis® auch für Erstanwenderinnen eine neue Verhütungsoption sein. Die reife, erwachsene Frau, die altersbedingt ein erhöhtes Thromboserisiko hat, jedoch einen stabilen Zyklus möchte, kann mit der bioidentischen Estrogenkomponente estrogene Defizite ausgleichen. Elisabeth Wilhelmi, München

Smartclic® – eine neue innovative Darreichungsform von Enbrel® zur Selbstinjektion Mit dem automatischen, wiederverwendbaren Selbstinjektor Smartclic® und den Kartuschen gibt es nun eine weitere Darreichungsform von Enbrel®. Die Kartuschen stehen in den Dosierungen 25 mg und 50 mg Enbrel® zur Verfügung. Bei dem Gerät handelt es sich um ein Medizinprodukt, das bereits seit Januar 2022 CE-zertifiziert ist. Die Kartuschen erhielten im April dieses Jahres die Zulassung. Der Smartclic® wird ab Juli auf dem deutschen Markt verfügbar sein. Praktische Vorteile und einfache Handhabung

Optionen zur Selbstinjektion von biologischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (bDMARD) durch Patienten sind seit mehreren Jahren etabliert. Verschiedene Faktoren wie Schmerzen oder mangelnde Beweglichkeit der Hände, unzureichende Schulungen, Angst vor Fehlern bei der Selbstinjektion oder mangelnde Therapietreue können jedoch die Anwendung beeinträchtigen. Damit zeigt sich ein Innovationsbedarf, den der neue Enbrel® Smartclic® adressiert. Mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der Patienten zu fördern, verbessert der Smartclic® mit einer Reihe neuer Funktionen die Selbstinjektion: • Der große Griff des Gerätes vereinfacht die Handhabung.

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• Eine Anleitung auf dem Display führt schrittweise durch die Einrichtung des Gerätes, durch bestimmte Funktionen und schließlich durch den gesamten Injektionsvorgang. • Die Injektionsgeschwindigkeit kann an die Präferenz des Patienten angepasst werden. • Ein akustisches Signal erinnert den Patienten, wenn es Zeit für die Injektion ist. • Der integrierte Kalender dokumentiert anstehende und durchgeführte Injektionen. Bestückt wird der Smartclic® mit Einzeldosis-Einwegkartuschen Enbrel® 25 mg oder 50 mg. Das Gerät ist für 160 Injektionen und längstens für 3 Jahre wiederverwendbar. Die Patienten lösen die Injektion aus, indem sie einen Knopf drücken und halten. Nach der Injektion wird die gebrauchte Kartusche ausgeworfen und entsorgt. Lediglich die Kartuschen, nicht aber das Gerät, sollten kühl gelagert werden. Mit einer Übungskartusche ohne Medikation oder Nadel können die Patienten die Injektion üben und sich so mit dem Smartclic® vertraut machen. © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

Dokumentation von Erfahrungen und Krankheitssymptomen mit der Begleit-App

Für eine Reihe optionaler Funktionen kann der Smartclic® mit einer Mobil-App verbunden werden. So besteht die Möglichkeit, dass

die Patienten neben der Erfassung der Enbrel®-Injektionen und der Injektionsstellen am Körper auch Krankheitssymptome wie Schmerzen und Erschöpfung im Zeitverlauf dokumentieren. Zudem können über die App Kurzberichte zur Behandlung oder den Symptomen

im Zeitverlauf erstellt werden, die die Patienten ihren Ärzten zusenden können. Die Funktion trägt zu einer optimierten Versorgung bei, da die Symptomprogression besser erfasst werden kann. S. M.

Titelbild: iStock.com Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2022 · 31. JAHRGANG

Die Zeitschrift erscheint 6 mal im Jahr; Jahresabonnement € 66,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Einzelheft € 11,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Studenten-Abo zum halben Preis. Der Abonnementpreis ist im Voraus zahlbar. Stornierungen sind bis 6 Wochen vor Ablauf eines Kalenderjahres möglich. Abonnementbestellungen direkt beim Verlag. Geschäftsführerin: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag

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Weitere Informationen:

Kurzdarmsyndrom

Früher freier Leben

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Revestive® 1,25 mg / 5 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung

Wirkstoff: Teduglutid, Analogon des Glucagon-like Peptids-2 (GLP-2), hergestellt in E.-coli-Zellen mittels rekombinanter DNA-Technologie. Zusammensetzung: Eine Durchstechflasche enthält 1,25 mg bzw. 5 mg Teduglutid. Nach Rekonstitution enthält jede Durchstechflasche 1,25 mg bzw. 5 mg Teduglutid in 0,5 ml Lösung, entspr. einer Konzentration von 2,5 mg/ml bzw. 10 mg/ml. Sonstige Bestandteile: Pulver: L-Histidin, Mannitol, Natriumdihydrogenphosphat 1 H2O, Dinatriumhydrogenphosphat 7 H2O. 5 mg zusätzl.: Natriumhydroxid/Salzsäure (zur pH-Wert-Einstellung). Lösungsmittel: Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Behandlung von Patienten ab dem Alter von 1 Jahr mit Kurzdarmsyndrom (KDS). Nach einem chirurgischen Eingriff sollte zunächst eine Phase der intestinalen Adaption abgewartet werden, die Patienten sollten sich in einer stabilen Phase befinden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, einen der sonst. Bestandteile oder das in Spuren vorhandene Tetracyclin. Aktive oder vermutete Krebserkrankung (Malignität). Patienten mit einer anamnestisch bekannten malignen Erkrankung des Gastrointestinaltraktes, einschließlich des hepatobiliären Systems und des Pankreas, in den vergangenen fünf Jahren. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Atemwegsinfektion, Kopfschmerzen, abdominale Distension, abdominale Schmerzen, Erbrechen, Übelkeit, gastrointestinale Stomakomplikation, Reaktion an der Injektionsstelle. Häufig: Grippeähnliche Erkrankung, verminderter Appetit, Hyperhydratation, Angst, Insomnie, kongestive Herzinsuffizienz, Dyspnoe, Husten, kolorektaler Polyp, Kolonstenose, Blähungen, Darmobstruktion, Stenose des Ductus pancreaticus, Pankreatitis, Dünndarmstenose, (akute) Cholezystitis, peripheres Ödem. Gelegentlich: Synkope, Duodenumpolyp. Häufigkeit nicht bekannt: Überempfindlichkeit, Magenpolyp, Flüssigkeitsretention. Weitere Angaben: s. Fach- und Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig. Takeda Pharmaceuticals International AG Ireland Branch, Block 3 Miesian Plaza, 50 – 58 Baggot Street Lower, Dublin 2, D02 Y754, Irland Stand der Information: Mai 2022

Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG Potsdamer Str. 125 | 10783 Berlin

C-APROM/DE/REV/0072

Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 der Fachinformation.


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